"Pilotprojekte entscheidend, weil wir Vertrauen aufbauen müssen"

Dr. Florian Kainzinger ist ein wichtiger Mann für den Profifußball, Bundesliga-Handball und Biathlon-Weltcup in Corona-Zeiten. Der 38 Jahre alte Gesundheitsökonom berät, begleitet und überwacht mit seinem Unternehmen Veranstalter und Verbände bei der Austragung ihrer Wettbewerbe. Er hat eine breit angelegte Initiative von Kultur und Sport mit einem umfassenden Konzept zur Rückkehr von Zuschauer*innen und Gästen zu kulturellen und sportlichen Veranstaltungen koordiniert. Im DFB.de-Interview spricht Kainzinger über Pilotprojekte zur Rückkehr von Zuschauer*innen, die Gefahr der Mutationen und den Amateurfußball.

DFB.de: Herr Dr. Kainzinger, bei der letzten Ministerpräsidentenkonferenz gab es die ersten vorsichtigen Öffnungsschritte für den Breitensport. Derzeit dürfen nur die Kinder und Jugendlichen zurück auf den Platz. Wie bewerten Sie das?

Dr. Florian Kainzinger: Das sind sehr zaghafte, kleine Schritte. Ich versuche, das Positive zu sehen. Es wurde ein Einstieg gefunden, Dinge zuzulassen. Da will ich gar nicht von Öffnungen sprechen. Dieser Einstieg ist im Bereich der Kultur etwas betonter erfolgt. Davon kann aber auch der Sport profitieren, indem er darauf aufbaut. Der Sport kann Erfahrungen aus dem Kulturbereich übernehmen. Wenn die Umsetzung in der Kultur gut funktioniert, warum sollte es dann im Sport nicht funktionieren? Daher sehe ich das Glas eher halb voll. Ein Problem ist, dass sich seit der letzten Ministerpräsidentenkonferenz Anfang März die Infektionszahlen leider wieder verschlechtert haben.

DFB.de: Wäre aus Ihrer Sicht eine Öffnung für den gesamten Amateurfußball vertretbar?

Kainzinger: Ich verstehe, dass die Politik zurückhaltend und vorsichtig ist. Ich glaube aber, dass mehr möglich wäre. Wenn man bei Freiluftsportarten die Kabinennutzung untersagt, halte ich eine schrittweise Öffnung für die älteren Jugendlichen und auch die Erwachsenen für vertretbar. Es muss aber organisiert werden, dass die Kabinennutzung entfällt und es auch kein Zusammensitzen nach dem Training mehr gibt. Davor hat der eine oder andere Angst, dass man das nicht steuern kann. Die reine Sportausübung im Outdoor-Bereich halte ich für vertretbar.

DFB.de: Die von Ihnen koordinierte Initiative von 40 Institutionen aus Kultur und Sport hat der Politik einen Weg aufgezeigt, wie es zurückgehen könnte. Ist das erarbeitete Konzept auch auf den Breitensport anwendbar?

Kainzinger: Initiiert und unterstützt ist das Konzept natürlich von großen Organisationen und Verbänden aus Kultur und Sport, die aus dem Profibereich kommen. Das Konzept ist aber bewusst so verfasst, dass auch ganz kleine Organisationen und Vereine aus dem Breitensport es umsetzen können. Darauf hat der DFB sehr geachtet. Für den Breitensport haben wir daher eine "Bagatelluntergenze" beschlossen. Bei Veranstaltungen mit ausreichend Außenflächen sollte das Tragen einer Maske, ein Abstand von zwei Metern und die Nachverfolgung von Infektionsketten zum Beispiel durch eine App gewährleistet sein.

DFB.de: Ist die Umsetzung für Amateurvereine mit einem finanziellen Kraftakt verbunden?

Kainzinger: Die Vereine brauchen natürlich ein lokales Hygienekonzept. Mit dem Basismodell aus unserem Konzept, das von einer Auslastung im Freiluftbereich von 35 bis 40 Prozent ausgeht und auch die Bagatelluntergrenze impliziert, ist es jedoch nicht mehr notwendig, Experten heranzuziehen oder Gutachten anzufertigen. Einfach gesagt: Man kann unser Modell aus der Schublade holen und hat einen Plan, wie für Tribünen das Sitzplatzmodell aussehen soll. Zudem gibt es Standard-Hygieneregeln wie Händedesinfektion, Abstände und Masken sowie die Organisation von Warteschlangen bei möglicher Essensausgabe. Aber das traue ich inzwischen vielen kleinen Vereinen mit freiwilligen Helfern zu. Das haben ja auch die Ergebnisse der kürzlich durchgeführten DFB-Umfrage sowie die Erfahrungen des Restarts im Amateurfußball im vergangenen Jahr gezeigt.

DFB.de: Aktuell sind die Mutationen ein großes Thema. Herrscht durch sie eine erhöhte Ansteckungsgefahr während der 90 Minuten für die Spieler*innen?

Kainzinger: Generell muss man sagen, dass auch bei den Mutationen die Ansteckungsgefahr an der frischen Luft geringer ist. Die wird auch beim Sport gering sein, gerade beim Fußball, wo die direkten Kontaktzeiten kurz sind. Im Profibereich herrscht durch die permanente PCR-Testung sowieso ein sehr geringes Risiko. Es gibt einige Studien, die zeigen, dass vor allem in geschlossenen Räumen eine höhere Ansteckungsgefahr gegeben ist. Es gibt aber auch schon viele Datensammlungen, die eine erhöhte Ansteckungsgefahr nicht bestätigen können. Da gibt es noch viele Unklarheiten, und niemand in der Politik will derzeit mit diesen Unklarheiten zu viel wagen.

DFB.de: Sind für Sie Zuschauer*innen in den Fußballstadien in absehbarer Zeit möglich, oder ist das noch Zukunftsmusik?

Kainzinger: Das ist absolut möglich. Ich bin guter Dinge, dass wir noch in dieser Saison Kultur- und Sportveranstaltungen mit begrenzten Zuschauerkonzepten sehen werden. Am Samstag haben wir ein Konzert mit 1000 Besucher*innen in der Berliner Philharmonie. Das ist auch aus unserem Konzept heraus entstanden mit der Möglichkeit, in Berlin Pilotprojekte umzusetzen. Da die Inzidenzen aktuell ansteigen, ist noch ein kleines Fragezeichen dahinter, ob der Berliner Senat es nicht doch noch am Freitag kurzfristig kippt. Aber die Veranstaltung ist genehmigt. Die 1000 Leute in der Philharmonie bedeuten eine Auslastung von fast 50 Prozent. Es ist ein kleiner Schritt. Aber der muss erfolgen, damit wir die nächsten Schritte machen können.

DFB.de: Wie wichtig sind die Pilotprojekte, bei denen Spiele mit Zuschauer*innen wissenschaftlich begleitet werden?

Kainzinger: Die sind absolut entscheidend, weil wir Vertrauen aufbauen müssen. Wir müssen aber auch lernen, was funktioniert und was nicht. Wenn man nicht bis Herbst warten will, wenn alle ein Impfangebot hatten, muss man jetzt mit solchen Schritten vorangehen. Das ist essenziell. Einige Vereine wollen demnächst Pilotprojekte starten. Ich hoffe, dass diese alle stattfinden, damit man gemeinsam vorankommt. In Rostock ist die Inzidenz aktuell sehr gering. Dort werden schon zum Heimspiel am Samstag 777 Zuschauer*innen im Stadion sein können.

DFB.de: Sie plädieren dafür, bei der Frage nach der Teilzulassung von Zuschauer*innen ein wenig vom Inzidenzwert wegzukommen. Welche anderen Parameter wären aus Ihrer Sicht relevant?

Kainzinger: Im Kern der Betrachtung muss nicht mehr die Frage stehen, wie viele Leute erkranken, sondern wie hoch die Belastung des Gesundheitswesens ist. Das sagen alle 20 Autor*innen unseres Konzepts. Als wir noch keine Impfungen oder Schnelltestmöglichkeiten hatten, war es vollkommen richtig, die Inzidenz als wichtigsten Parameter heranzuziehen. Inzwischen hat sich die Zeit aber verändert. Wir haben alle deutschen Pflegeheime zu 95 Prozent durchgeimpft. Meine Prognose ist, dass die Todesfallzahlen und die Belegung auf den Intensivstationen weiter sinken oder zumindest bleiben, wie sie jetzt sind. Damit kann unser Gesundheitswesen umgehen. Natürlich können auch junge Leute zu einem sehr niedrigen Prozentsatz schwer erkranken. Wir können aber nicht jede Krankheit vermeiden. Genauso, wie auch andere Erkrankungen, die fortlaufend geschehen, für uns relevant sein müssen - und vielleicht in letzter Zeit etwas zu sehr aus dem Fokus gerückt sind. Ich will auf keinen Fall verharmlosen, aber wir müssen eine Balance finden. Die Inzidenz ist ein Parameter, die weiteren wichtigen Punkte sind die Belastungen der Krankenhäuser und Intensivstationen.

DFB.de: Welche Tests sind für Sportveranstaltungen überhaupt geeignet, und wie könnten solche Modelle für Veranstaltungen aussehen?

Kainzinger: Ein PCR-Test müsste am Tag vorher durchgeführt werden und zieht eine gravierende Kostenfrage sowie logistische Komponenten nach sich. Natürlich gibt er mehr Sicherheit, ich halte ihn aber für bestimmte Formate nicht für notwendig. Die Frage ist, was ich bei der Veranstaltung noch als zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen habe. Es bleibt nicht nur bei dem Schnelltest. Es gibt auch noch die Maskenpflicht und andere Hygieneregeln. Bei den Schnelltests ist entscheidend, dass es keine Selbsttests sind und diese unmittelbar in den Stunden vor der Veranstaltung von medizinisch geschultem Personal gemacht werden. Wenn man all diese Komponenten richtig zusammenbringt, braucht man keine PCR-Testung für den Besuch von Veranstaltungen.

DFB.de: Wie bekommt man die Menschenansammlungen vor und nach den Spielen oder in der Pause organisiert?

Kainzinger: Das ist natürlich ein Thema, das durchdacht werden muss. Während des Spiels sind die Leute auf ihrem Platz. Die Toilettengänge kann man nicht abschaffen. Hier muss man die Zuwege und Maximalzahlen für die Toiletten festlegen. Das wurde in allen bisherigen Konzepten bedacht. Das Angebot von Essen und Getränken kann man reduzieren oder gerade in Innenbereichen reglementieren, damit die Maske nicht ständig runtergenommen wird. Da wird es schon Veränderungen geben. Es gibt bereits Konzepte, in denen nicht mehr mit Essen geplant wird, sondern nur noch mit begrenzter Getränkeversorgung. Ich glaube die meisten Zuschauer*innen wären bereit, diese Einschränkungen hinzunehmen, um ein Fußballspiel überhaupt besuchen zu können im nächsten halben Jahr.

[tb]

Dr. Florian Kainzinger ist ein wichtiger Mann für den Profifußball, Bundesliga-Handball und Biathlon-Weltcup in Corona-Zeiten. Der 38 Jahre alte Gesundheitsökonom berät, begleitet und überwacht mit seinem Unternehmen Veranstalter und Verbände bei der Austragung ihrer Wettbewerbe. Er hat eine breit angelegte Initiative von Kultur und Sport mit einem umfassenden Konzept zur Rückkehr von Zuschauer*innen und Gästen zu kulturellen und sportlichen Veranstaltungen koordiniert. Im DFB.de-Interview spricht Kainzinger über Pilotprojekte zur Rückkehr von Zuschauer*innen, die Gefahr der Mutationen und den Amateurfußball.

DFB.de: Herr Dr. Kainzinger, bei der letzten Ministerpräsidentenkonferenz gab es die ersten vorsichtigen Öffnungsschritte für den Breitensport. Derzeit dürfen nur die Kinder und Jugendlichen zurück auf den Platz. Wie bewerten Sie das?

Dr. Florian Kainzinger: Das sind sehr zaghafte, kleine Schritte. Ich versuche, das Positive zu sehen. Es wurde ein Einstieg gefunden, Dinge zuzulassen. Da will ich gar nicht von Öffnungen sprechen. Dieser Einstieg ist im Bereich der Kultur etwas betonter erfolgt. Davon kann aber auch der Sport profitieren, indem er darauf aufbaut. Der Sport kann Erfahrungen aus dem Kulturbereich übernehmen. Wenn die Umsetzung in der Kultur gut funktioniert, warum sollte es dann im Sport nicht funktionieren? Daher sehe ich das Glas eher halb voll. Ein Problem ist, dass sich seit der letzten Ministerpräsidentenkonferenz Anfang März die Infektionszahlen leider wieder verschlechtert haben.

DFB.de: Wäre aus Ihrer Sicht eine Öffnung für den gesamten Amateurfußball vertretbar?

Kainzinger: Ich verstehe, dass die Politik zurückhaltend und vorsichtig ist. Ich glaube aber, dass mehr möglich wäre. Wenn man bei Freiluftsportarten die Kabinennutzung untersagt, halte ich eine schrittweise Öffnung für die älteren Jugendlichen und auch die Erwachsenen für vertretbar. Es muss aber organisiert werden, dass die Kabinennutzung entfällt und es auch kein Zusammensitzen nach dem Training mehr gibt. Davor hat der eine oder andere Angst, dass man das nicht steuern kann. Die reine Sportausübung im Outdoor-Bereich halte ich für vertretbar.

DFB.de: Die von Ihnen koordinierte Initiative von 40 Institutionen aus Kultur und Sport hat der Politik einen Weg aufgezeigt, wie es zurückgehen könnte. Ist das erarbeitete Konzept auch auf den Breitensport anwendbar?

Kainzinger: Initiiert und unterstützt ist das Konzept natürlich von großen Organisationen und Verbänden aus Kultur und Sport, die aus dem Profibereich kommen. Das Konzept ist aber bewusst so verfasst, dass auch ganz kleine Organisationen und Vereine aus dem Breitensport es umsetzen können. Darauf hat der DFB sehr geachtet. Für den Breitensport haben wir daher eine "Bagatelluntergenze" beschlossen. Bei Veranstaltungen mit ausreichend Außenflächen sollte das Tragen einer Maske, ein Abstand von zwei Metern und die Nachverfolgung von Infektionsketten zum Beispiel durch eine App gewährleistet sein.

DFB.de: Ist die Umsetzung für Amateurvereine mit einem finanziellen Kraftakt verbunden?

Kainzinger: Die Vereine brauchen natürlich ein lokales Hygienekonzept. Mit dem Basismodell aus unserem Konzept, das von einer Auslastung im Freiluftbereich von 35 bis 40 Prozent ausgeht und auch die Bagatelluntergrenze impliziert, ist es jedoch nicht mehr notwendig, Experten heranzuziehen oder Gutachten anzufertigen. Einfach gesagt: Man kann unser Modell aus der Schublade holen und hat einen Plan, wie für Tribünen das Sitzplatzmodell aussehen soll. Zudem gibt es Standard-Hygieneregeln wie Händedesinfektion, Abstände und Masken sowie die Organisation von Warteschlangen bei möglicher Essensausgabe. Aber das traue ich inzwischen vielen kleinen Vereinen mit freiwilligen Helfern zu. Das haben ja auch die Ergebnisse der kürzlich durchgeführten DFB-Umfrage sowie die Erfahrungen des Restarts im Amateurfußball im vergangenen Jahr gezeigt.

DFB.de: Aktuell sind die Mutationen ein großes Thema. Herrscht durch sie eine erhöhte Ansteckungsgefahr während der 90 Minuten für die Spieler*innen?

Kainzinger: Generell muss man sagen, dass auch bei den Mutationen die Ansteckungsgefahr an der frischen Luft geringer ist. Die wird auch beim Sport gering sein, gerade beim Fußball, wo die direkten Kontaktzeiten kurz sind. Im Profibereich herrscht durch die permanente PCR-Testung sowieso ein sehr geringes Risiko. Es gibt einige Studien, die zeigen, dass vor allem in geschlossenen Räumen eine höhere Ansteckungsgefahr gegeben ist. Es gibt aber auch schon viele Datensammlungen, die eine erhöhte Ansteckungsgefahr nicht bestätigen können. Da gibt es noch viele Unklarheiten, und niemand in der Politik will derzeit mit diesen Unklarheiten zu viel wagen.

DFB.de: Sind für Sie Zuschauer*innen in den Fußballstadien in absehbarer Zeit möglich, oder ist das noch Zukunftsmusik?

Kainzinger: Das ist absolut möglich. Ich bin guter Dinge, dass wir noch in dieser Saison Kultur- und Sportveranstaltungen mit begrenzten Zuschauerkonzepten sehen werden. Am Samstag haben wir ein Konzert mit 1000 Besucher*innen in der Berliner Philharmonie. Das ist auch aus unserem Konzept heraus entstanden mit der Möglichkeit, in Berlin Pilotprojekte umzusetzen. Da die Inzidenzen aktuell ansteigen, ist noch ein kleines Fragezeichen dahinter, ob der Berliner Senat es nicht doch noch am Freitag kurzfristig kippt. Aber die Veranstaltung ist genehmigt. Die 1000 Leute in der Philharmonie bedeuten eine Auslastung von fast 50 Prozent. Es ist ein kleiner Schritt. Aber der muss erfolgen, damit wir die nächsten Schritte machen können.

DFB.de: Wie wichtig sind die Pilotprojekte, bei denen Spiele mit Zuschauer*innen wissenschaftlich begleitet werden?

Kainzinger: Die sind absolut entscheidend, weil wir Vertrauen aufbauen müssen. Wir müssen aber auch lernen, was funktioniert und was nicht. Wenn man nicht bis Herbst warten will, wenn alle ein Impfangebot hatten, muss man jetzt mit solchen Schritten vorangehen. Das ist essenziell. Einige Vereine wollen demnächst Pilotprojekte starten. Ich hoffe, dass diese alle stattfinden, damit man gemeinsam vorankommt. In Rostock ist die Inzidenz aktuell sehr gering. Dort werden schon zum Heimspiel am Samstag 777 Zuschauer*innen im Stadion sein können.

DFB.de: Sie plädieren dafür, bei der Frage nach der Teilzulassung von Zuschauer*innen ein wenig vom Inzidenzwert wegzukommen. Welche anderen Parameter wären aus Ihrer Sicht relevant?

Kainzinger: Im Kern der Betrachtung muss nicht mehr die Frage stehen, wie viele Leute erkranken, sondern wie hoch die Belastung des Gesundheitswesens ist. Das sagen alle 20 Autor*innen unseres Konzepts. Als wir noch keine Impfungen oder Schnelltestmöglichkeiten hatten, war es vollkommen richtig, die Inzidenz als wichtigsten Parameter heranzuziehen. Inzwischen hat sich die Zeit aber verändert. Wir haben alle deutschen Pflegeheime zu 95 Prozent durchgeimpft. Meine Prognose ist, dass die Todesfallzahlen und die Belegung auf den Intensivstationen weiter sinken oder zumindest bleiben, wie sie jetzt sind. Damit kann unser Gesundheitswesen umgehen. Natürlich können auch junge Leute zu einem sehr niedrigen Prozentsatz schwer erkranken. Wir können aber nicht jede Krankheit vermeiden. Genauso, wie auch andere Erkrankungen, die fortlaufend geschehen, für uns relevant sein müssen - und vielleicht in letzter Zeit etwas zu sehr aus dem Fokus gerückt sind. Ich will auf keinen Fall verharmlosen, aber wir müssen eine Balance finden. Die Inzidenz ist ein Parameter, die weiteren wichtigen Punkte sind die Belastungen der Krankenhäuser und Intensivstationen.

DFB.de: Welche Tests sind für Sportveranstaltungen überhaupt geeignet, und wie könnten solche Modelle für Veranstaltungen aussehen?

Kainzinger: Ein PCR-Test müsste am Tag vorher durchgeführt werden und zieht eine gravierende Kostenfrage sowie logistische Komponenten nach sich. Natürlich gibt er mehr Sicherheit, ich halte ihn aber für bestimmte Formate nicht für notwendig. Die Frage ist, was ich bei der Veranstaltung noch als zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen habe. Es bleibt nicht nur bei dem Schnelltest. Es gibt auch noch die Maskenpflicht und andere Hygieneregeln. Bei den Schnelltests ist entscheidend, dass es keine Selbsttests sind und diese unmittelbar in den Stunden vor der Veranstaltung von medizinisch geschultem Personal gemacht werden. Wenn man all diese Komponenten richtig zusammenbringt, braucht man keine PCR-Testung für den Besuch von Veranstaltungen.

DFB.de: Wie bekommt man die Menschenansammlungen vor und nach den Spielen oder in der Pause organisiert?

Kainzinger: Das ist natürlich ein Thema, das durchdacht werden muss. Während des Spiels sind die Leute auf ihrem Platz. Die Toilettengänge kann man nicht abschaffen. Hier muss man die Zuwege und Maximalzahlen für die Toiletten festlegen. Das wurde in allen bisherigen Konzepten bedacht. Das Angebot von Essen und Getränken kann man reduzieren oder gerade in Innenbereichen reglementieren, damit die Maske nicht ständig runtergenommen wird. Da wird es schon Veränderungen geben. Es gibt bereits Konzepte, in denen nicht mehr mit Essen geplant wird, sondern nur noch mit begrenzter Getränkeversorgung. Ich glaube die meisten Zuschauer*innen wären bereit, diese Einschränkungen hinzunehmen, um ein Fußballspiel überhaupt besuchen zu können im nächsten halben Jahr.

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