Pierre Littbarski: Weltmeister, WM-Finalexperte, Fanliebling

Für solche Abende wurde die Floskel vom "Einstand nach Maß" erfunden. Praterstadion zu Wien, 14. Oktober 1981. Deutschland spielt in der WM-Qualifikation gegen den Nachbarn Österreich, beide sind auf einem guten Weg nach Spanien. Für die Fachwelt ist es "das Superspiel der Saison", denn die Deutschen sind Europameister und haben alle Qualifikationsspiele gewonnen, die Österreicher haben ihre beste Mannschaft seit der WM 1954 zusammen. Außerdem ist der Tag von Cordoba noch nicht vergessen, wenngleich in der deutschen Mannschaft nur die Stürmer Karl-Heinz Rummenigge und Klaus Fischer davon erzählen können.

Die Österreicher sind fast alle noch dabei: Friedl Koncilia, Bruno Pezzey, Kurt Jara, Herbert Prohaska, Walter Schachner und vor allem der gefürchtete Hans Krankl, der in Cordoba mit zwei Treffern für eine der schmerzlichsten deutschen Niederlagen überhaupt gesorgt hatte. Das Spiel in Wien darf das DFB-Team nicht verlieren, das ist allen klar. Bundestrainer Jupp Derwall weiß das auch, trotzdem geht er Risiko und nominiert auf Rechtsaußen einen Debütanten: Pierre Littbarski, einen der Überflieger der Saison 1981/1982, Kapitän der U 21 - der heute stolze 60 Jahre alt wird.

Zwei Tore beim Debüt

Als Littbarski in der Teamsitzung erfährt, dass er sogar von Anfang an spielen darf, da sei er "ganz ruhig geblieben". Er nahm sich vor: "Ich werde so spielen wie immer, ganz mein Spiel, das mich stark macht." Er hielt sein Wort, übertraf sich sogar selbst. Als Dribbelkünstler hatte sich der kesse Berliner in Diensten des 1. FC Köln schon einen Namen gemacht, als Torjäger weniger. Aber an diesem Tag im Praterstadion gelingt ihm unmittelbar nach dem 1:0 für Österreich mit einem Volleyschuss der Ausgleich, und als Koncilia kurz vor Schluss seinen Schuss nicht festhält, setzt Littbarski in Gerd-Müller-Manier nach und erzielt das entscheidende 3:1.

"Debütant war die Sensation!", titelte der kicker. Das war der Durchbruch zu einer großen Karriere, auf die „Litti“ voller Stolz zurückblicken kann. Weltmeister, zweimal Vizeweltmeister, DFB-Pokalsieger, 73 A-Länderspiele, davon 55 in der Starformation, 18 Tore, bei allen Turnieren von 1982 bis 1990 dabei gewesen, als erster Fußballer überhaupt dreimal bei einem WM-Finale auf dem Spielberichtsbogen. 21 U 21-Spiele mit 18 Toren, Vizeeuropameister mit der U 21, deutscher A-Jugend-Vizemeister, 406 Bundesligaspiele, 116 Tore. Das sind die harten Fakten.

Die weichen zählen fast noch mehr. Littbarski hat einmal gesagt: "Ich bin stolz darauf, dass ich in den Stadien der Bundesliga so gut wie keine Feinde habe." Wie auch? Einen wie ihn musste man einfach mögen, den Menschen und den Spieler. In einer Auswahl der beliebtesten deutschen Fußballer aller Zeiten wäre er auf ewig gesetzt, irgendwo auf dem Flügel, da wo die Dribbler zuhause sind.

Vom Bolzplatz bis zu Weisweiler

Littbarski wuchs bei seinen Großeltern auf, weil die Eltern beide beruflich sehr eingespannt waren, und wäre beinahe Finanzbeamter wie sein Vater geworden. Dann kam der Fußball dazwischen, und er brach die Lehre ab. Sein erster Fußballverein war der VfL Schöneberg im Westen Berlins (1967 bis 1976), aber sein erster Fußballplatz war ein Bolzplatz in Wilmersdorf, wo die Großeltern wohnten. Dort verbrachte er jede freie Minute, manchmal waren sie nur zu zweit und erfanden ein Spiel: "Hin-und-Herschießen". Seine Regeln sind nicht überliefert, aber es muss einen Heidenspaß gemacht haben.

Littbarski beteuerte jedenfalls: "Ich weiß nicht, ob ich ohne diesen Bolzplatz zum Fußball gekommen wäre." Dem Bolzplatz sei gedankt, denn nun ging sie los, die wilde Fahrt. In Schöneberg war er einer der Besten, der damals in Berlins Jugendfußball führende Klub Hertha Zehlendorf lockte ihn mit 16 an, und er kam gerne: "Da konnte man um die deutsche Jugendmeisterschaft spielen, das war was. Und es gab Fußballschuhe und eine Sporttasche", sagte er dem DFB-Journal 2016. Und man stand auf dem Präsentierteller. Kölns Manager Karl-Heinz Thielen sah sich 1978 ein Spiel der kleinen Hertha an, war von der unorthodoxen Spielweise des Knirpses mit den O-Beinen begeistert und alarmierte Meistertrainer Hennes Weisweiler. "Is det ne Stürmer?", fragte der nur, und als Thielen bejahte, knurrte Weisweiler: "Kaufen!"

Dribbling kostet 2000 Mark

Mit 18 zog "Litti" hinaus in die große Welt, wenn Köln auch kleiner war als West-Berlin. Immerhin durfte er seine Freundin Monika mitnehmen, gemeinsam kämpften sie gegen das Heimweh. Auf einer 32-Quadratmeter-Bude ohne Waschmaschine verbrachten sie ihre ersten Monate im Westen, dann griff ihm die FC-Familie unter die Arme. Wolfgang Weber, der seine Karriere gerade beendet hatte, überließ ihm seine möblierte Wohnung, später zogen sie in ein Haus, das Libero Gerd Strack gehörte. Als Littbarski schon nach einem Jahr seine Monika heiratete, war Torwart Toni Schumacher sein Trauzeuge. Die Integration ging also erfreulich voran, was auch an Littbarskis sympathischer Art lag, auf Leute zuzugehen und mit einem lockeren Spruch alle zu erheitern. Oder an seinen Späßen. Wenn irgendwo ein Verkehrsschild im Bett eines Mitspielers lag wie einst bei Heinz Flohe oder von der Zahnbürste die Borsten abgeschnitten waren, dann war es mit Sicherheit der "Litti" gewesen.

Und natürlich lag es an seinen Leistungen. "Dat wird ein Großer", grummelte Weisweiler schon bald anerkennend und setzte ihn anstellte des verletzten ersten Millionentransfers der Liga, Roger van Gool, ein. Schon in seiner zweiten Profisaison 1979/1980 bestritt Littbarski alle Spiele, von der Bank kam er eigentlich nie in den ersten Jahren und insgesamt nur 15-mal in seiner Bundesligakarriere. Denn "Litti" war eine Marke, "Litti" war die Show. "Littbarski kann an und mit dem Ball alles", lobte der kicker. Der Künstler selbst dachte auch an die Zuschauer und verspürte einen Unterhaltungsauftrag. "Fußball kann so interessant, so lustig sein. Ich möchte einen Hackentrick auch dann machen dürfen, wenn es um viel geht", sagte er in seinem jugendlichen Leichtsinn. Was unter Weisweiler ging, war unter dem Niederländer Rinus Michels etwas schwieriger. Einmal musste Littbarski 2000 Mark Strafe zahlen - ein halbes Monatsgehalt anno 1982 - "wegen Dribblings".

Abschied mit WM-Pokal

Zum Glück ließ er sich seine Stärken nicht austreiben, er war die Geheimwaffe, mit der die Gegner einer deutschen Mannschaft zuletzt rechneten. War er auf dem Platz, herrschte eigentlich immer Torgefahr, mal traf er selbst, viel öfter noch legte er Tore auf. Bei der WM 1982, seinem ersten großen Turnier, zählte er zu den großen Gewinnern, traf gegen Spanien und im legendären Halbfinale von Sevilla gegen die Franzosen - auch im Elfmeterschießen. 1986 in Mexiko, wo er nach doppeltem Bänderriss nicht im Vollbesitz seiner Kräfte war, brachte ihn Teamchef Franz Beckenbauer stets als Joker. Sein Elfmeter gegen die Gastgeber öffnete den Weg ins Halbfinale. Dort blieb er ebenso wie im Finale nur auf der Bank. Auch um das wieder gutzumachen, stellte ihn Beckenbauer vier Jahre später in Rom auf, und so konnte Littbarski als Weltmeister abtreten. Das Finale hat er sich übrigens nie mehr angesehen, er habe doch noch alles im Kopf, witzelte er gegenüber dem SID dieser Tage, "gefühlt war das ja noch schwarzweiß."

Der Fußball hat sich seitdem geändert. Natürlich, der Tag von Rom liegt 30 Jahre zurück. Auch die Fußballer, scheint es, haben sich geändert. Typen wie Littbarski, die gegen den Strom dribbeln, sind noch seltener geworden. Das merkte er schon gegen Karriereende in Deutschland. 1993 zog es ihn nach Japan, wo sein zweites Leben begann. Ein ebenso glückliches. Als Spieler, dann als Trainer und als Privatmensch. Er fand eine neue Frau, mit der er zwei Söhne hat. Monika schenkte ihm zwei Töchter, der Kontakt ist indes abgerissen.

Sportliches und privates Glück in Japan

In Japan fand der ewige Kölner - abgesehen von einem Jahr in Paris - die Anerkennung, die er zum Schluss vermisst hatte. "Ich hatte immer das Pech, dass ich durch meine individuelle Spielweise und mein positives Denken als Clown abgestempelt wurde. Daran hatte ich lange zu knabbern. In Japan war ich wieder glücklich. Ich habe auf dem Spielfeld Sachen gemacht, die ich mich in der Bundesliga nicht mehr getraut hatte. In Japan haben sie mich zwar nicht verstanden, aber sie haben alles aufgesaugt, was ich ihnen gezeigt hatte." Hier durfte er wieder der Junge vom Wilmersdorfer Bolzplatz sein. Er wollte nur fünf Monate bleiben, es wurden acht Jahre. Er fand den schönsten Ort der Welt, für ihn jedenfalls ist es das Hakkeijima Sea Paradise am Strand bei Yokohama. Heimat sei für ihn, "auch wenn es komisch klingt: Japan".

Dann wäre er also jetzt in der Fremde, obwohl er längst wieder in Deutschland lebt. Weniger glückliche Trainerstationen in Leverkusen (als Co-Trainer von Berti Vogts) oder Duisburg liegen hinter ihm. Seit zehn Jahren dient er dem VfL Wolfsburg, wo er Co-Trainer und Scout war und jetzt als Markenbotschafter seine Popularität sinnvoll einsetzen darf. Aber auch er hat das Warten satt darauf, dass Corona den Ball wieder freigibt. "Ich habe jetzt erst gemerkt, wie viel Platz der Fußball in meinem Leben einnimmt, auch jetzt noch in meinem hohen Alter“, so Littbarski. Und die, die ihn spielen sahen, merken an runden Geburtstagen wie diesem, was er dem Fußball gegeben hat.

[um]

Für solche Abende wurde die Floskel vom "Einstand nach Maß" erfunden. Praterstadion zu Wien, 14. Oktober 1981. Deutschland spielt in der WM-Qualifikation gegen den Nachbarn Österreich, beide sind auf einem guten Weg nach Spanien. Für die Fachwelt ist es "das Superspiel der Saison", denn die Deutschen sind Europameister und haben alle Qualifikationsspiele gewonnen, die Österreicher haben ihre beste Mannschaft seit der WM 1954 zusammen. Außerdem ist der Tag von Cordoba noch nicht vergessen, wenngleich in der deutschen Mannschaft nur die Stürmer Karl-Heinz Rummenigge und Klaus Fischer davon erzählen können.

Die Österreicher sind fast alle noch dabei: Friedl Koncilia, Bruno Pezzey, Kurt Jara, Herbert Prohaska, Walter Schachner und vor allem der gefürchtete Hans Krankl, der in Cordoba mit zwei Treffern für eine der schmerzlichsten deutschen Niederlagen überhaupt gesorgt hatte. Das Spiel in Wien darf das DFB-Team nicht verlieren, das ist allen klar. Bundestrainer Jupp Derwall weiß das auch, trotzdem geht er Risiko und nominiert auf Rechtsaußen einen Debütanten: Pierre Littbarski, einen der Überflieger der Saison 1981/1982, Kapitän der U 21 - der heute stolze 60 Jahre alt wird.

Zwei Tore beim Debüt

Als Littbarski in der Teamsitzung erfährt, dass er sogar von Anfang an spielen darf, da sei er "ganz ruhig geblieben". Er nahm sich vor: "Ich werde so spielen wie immer, ganz mein Spiel, das mich stark macht." Er hielt sein Wort, übertraf sich sogar selbst. Als Dribbelkünstler hatte sich der kesse Berliner in Diensten des 1. FC Köln schon einen Namen gemacht, als Torjäger weniger. Aber an diesem Tag im Praterstadion gelingt ihm unmittelbar nach dem 1:0 für Österreich mit einem Volleyschuss der Ausgleich, und als Koncilia kurz vor Schluss seinen Schuss nicht festhält, setzt Littbarski in Gerd-Müller-Manier nach und erzielt das entscheidende 3:1.

"Debütant war die Sensation!", titelte der kicker. Das war der Durchbruch zu einer großen Karriere, auf die „Litti“ voller Stolz zurückblicken kann. Weltmeister, zweimal Vizeweltmeister, DFB-Pokalsieger, 73 A-Länderspiele, davon 55 in der Starformation, 18 Tore, bei allen Turnieren von 1982 bis 1990 dabei gewesen, als erster Fußballer überhaupt dreimal bei einem WM-Finale auf dem Spielberichtsbogen. 21 U 21-Spiele mit 18 Toren, Vizeeuropameister mit der U 21, deutscher A-Jugend-Vizemeister, 406 Bundesligaspiele, 116 Tore. Das sind die harten Fakten.

Die weichen zählen fast noch mehr. Littbarski hat einmal gesagt: "Ich bin stolz darauf, dass ich in den Stadien der Bundesliga so gut wie keine Feinde habe." Wie auch? Einen wie ihn musste man einfach mögen, den Menschen und den Spieler. In einer Auswahl der beliebtesten deutschen Fußballer aller Zeiten wäre er auf ewig gesetzt, irgendwo auf dem Flügel, da wo die Dribbler zuhause sind.

Vom Bolzplatz bis zu Weisweiler

Littbarski wuchs bei seinen Großeltern auf, weil die Eltern beide beruflich sehr eingespannt waren, und wäre beinahe Finanzbeamter wie sein Vater geworden. Dann kam der Fußball dazwischen, und er brach die Lehre ab. Sein erster Fußballverein war der VfL Schöneberg im Westen Berlins (1967 bis 1976), aber sein erster Fußballplatz war ein Bolzplatz in Wilmersdorf, wo die Großeltern wohnten. Dort verbrachte er jede freie Minute, manchmal waren sie nur zu zweit und erfanden ein Spiel: "Hin-und-Herschießen". Seine Regeln sind nicht überliefert, aber es muss einen Heidenspaß gemacht haben.

Littbarski beteuerte jedenfalls: "Ich weiß nicht, ob ich ohne diesen Bolzplatz zum Fußball gekommen wäre." Dem Bolzplatz sei gedankt, denn nun ging sie los, die wilde Fahrt. In Schöneberg war er einer der Besten, der damals in Berlins Jugendfußball führende Klub Hertha Zehlendorf lockte ihn mit 16 an, und er kam gerne: "Da konnte man um die deutsche Jugendmeisterschaft spielen, das war was. Und es gab Fußballschuhe und eine Sporttasche", sagte er dem DFB-Journal 2016. Und man stand auf dem Präsentierteller. Kölns Manager Karl-Heinz Thielen sah sich 1978 ein Spiel der kleinen Hertha an, war von der unorthodoxen Spielweise des Knirpses mit den O-Beinen begeistert und alarmierte Meistertrainer Hennes Weisweiler. "Is det ne Stürmer?", fragte der nur, und als Thielen bejahte, knurrte Weisweiler: "Kaufen!"

Dribbling kostet 2000 Mark

Mit 18 zog "Litti" hinaus in die große Welt, wenn Köln auch kleiner war als West-Berlin. Immerhin durfte er seine Freundin Monika mitnehmen, gemeinsam kämpften sie gegen das Heimweh. Auf einer 32-Quadratmeter-Bude ohne Waschmaschine verbrachten sie ihre ersten Monate im Westen, dann griff ihm die FC-Familie unter die Arme. Wolfgang Weber, der seine Karriere gerade beendet hatte, überließ ihm seine möblierte Wohnung, später zogen sie in ein Haus, das Libero Gerd Strack gehörte. Als Littbarski schon nach einem Jahr seine Monika heiratete, war Torwart Toni Schumacher sein Trauzeuge. Die Integration ging also erfreulich voran, was auch an Littbarskis sympathischer Art lag, auf Leute zuzugehen und mit einem lockeren Spruch alle zu erheitern. Oder an seinen Späßen. Wenn irgendwo ein Verkehrsschild im Bett eines Mitspielers lag wie einst bei Heinz Flohe oder von der Zahnbürste die Borsten abgeschnitten waren, dann war es mit Sicherheit der "Litti" gewesen.

Und natürlich lag es an seinen Leistungen. "Dat wird ein Großer", grummelte Weisweiler schon bald anerkennend und setzte ihn anstellte des verletzten ersten Millionentransfers der Liga, Roger van Gool, ein. Schon in seiner zweiten Profisaison 1979/1980 bestritt Littbarski alle Spiele, von der Bank kam er eigentlich nie in den ersten Jahren und insgesamt nur 15-mal in seiner Bundesligakarriere. Denn "Litti" war eine Marke, "Litti" war die Show. "Littbarski kann an und mit dem Ball alles", lobte der kicker. Der Künstler selbst dachte auch an die Zuschauer und verspürte einen Unterhaltungsauftrag. "Fußball kann so interessant, so lustig sein. Ich möchte einen Hackentrick auch dann machen dürfen, wenn es um viel geht", sagte er in seinem jugendlichen Leichtsinn. Was unter Weisweiler ging, war unter dem Niederländer Rinus Michels etwas schwieriger. Einmal musste Littbarski 2000 Mark Strafe zahlen - ein halbes Monatsgehalt anno 1982 - "wegen Dribblings".

Abschied mit WM-Pokal

Zum Glück ließ er sich seine Stärken nicht austreiben, er war die Geheimwaffe, mit der die Gegner einer deutschen Mannschaft zuletzt rechneten. War er auf dem Platz, herrschte eigentlich immer Torgefahr, mal traf er selbst, viel öfter noch legte er Tore auf. Bei der WM 1982, seinem ersten großen Turnier, zählte er zu den großen Gewinnern, traf gegen Spanien und im legendären Halbfinale von Sevilla gegen die Franzosen - auch im Elfmeterschießen. 1986 in Mexiko, wo er nach doppeltem Bänderriss nicht im Vollbesitz seiner Kräfte war, brachte ihn Teamchef Franz Beckenbauer stets als Joker. Sein Elfmeter gegen die Gastgeber öffnete den Weg ins Halbfinale. Dort blieb er ebenso wie im Finale nur auf der Bank. Auch um das wieder gutzumachen, stellte ihn Beckenbauer vier Jahre später in Rom auf, und so konnte Littbarski als Weltmeister abtreten. Das Finale hat er sich übrigens nie mehr angesehen, er habe doch noch alles im Kopf, witzelte er gegenüber dem SID dieser Tage, "gefühlt war das ja noch schwarzweiß."

Der Fußball hat sich seitdem geändert. Natürlich, der Tag von Rom liegt 30 Jahre zurück. Auch die Fußballer, scheint es, haben sich geändert. Typen wie Littbarski, die gegen den Strom dribbeln, sind noch seltener geworden. Das merkte er schon gegen Karriereende in Deutschland. 1993 zog es ihn nach Japan, wo sein zweites Leben begann. Ein ebenso glückliches. Als Spieler, dann als Trainer und als Privatmensch. Er fand eine neue Frau, mit der er zwei Söhne hat. Monika schenkte ihm zwei Töchter, der Kontakt ist indes abgerissen.

Sportliches und privates Glück in Japan

In Japan fand der ewige Kölner - abgesehen von einem Jahr in Paris - die Anerkennung, die er zum Schluss vermisst hatte. "Ich hatte immer das Pech, dass ich durch meine individuelle Spielweise und mein positives Denken als Clown abgestempelt wurde. Daran hatte ich lange zu knabbern. In Japan war ich wieder glücklich. Ich habe auf dem Spielfeld Sachen gemacht, die ich mich in der Bundesliga nicht mehr getraut hatte. In Japan haben sie mich zwar nicht verstanden, aber sie haben alles aufgesaugt, was ich ihnen gezeigt hatte." Hier durfte er wieder der Junge vom Wilmersdorfer Bolzplatz sein. Er wollte nur fünf Monate bleiben, es wurden acht Jahre. Er fand den schönsten Ort der Welt, für ihn jedenfalls ist es das Hakkeijima Sea Paradise am Strand bei Yokohama. Heimat sei für ihn, "auch wenn es komisch klingt: Japan".

Dann wäre er also jetzt in der Fremde, obwohl er längst wieder in Deutschland lebt. Weniger glückliche Trainerstationen in Leverkusen (als Co-Trainer von Berti Vogts) oder Duisburg liegen hinter ihm. Seit zehn Jahren dient er dem VfL Wolfsburg, wo er Co-Trainer und Scout war und jetzt als Markenbotschafter seine Popularität sinnvoll einsetzen darf. Aber auch er hat das Warten satt darauf, dass Corona den Ball wieder freigibt. "Ich habe jetzt erst gemerkt, wie viel Platz der Fußball in meinem Leben einnimmt, auch jetzt noch in meinem hohen Alter“, so Littbarski. Und die, die ihn spielen sahen, merken an runden Geburtstagen wie diesem, was er dem Fußball gegeben hat.

###more###