Paul: "Ein Höhepunkt auch ohne Einsatz"

Die Länderspielkarriere von Wolfgang Paul lässt sich in wenigen Schlagworten zusammenfassen: häufig dabei, nie gespielt, viel erlebt. Es gibt keinen anderen Fußballer, der so oft im Kader stand (siebenmal) und doch nie für Deutschland den Rasen betreten hat. Seine Erlebnisse rund um die Weltmeisterschaft 1966 gehören dennoch zu den Höhepunkten der - an Höhepunkten nicht armen - Karriere des ehemaligen Dortmunder Abwehrchefs. DFB.de hat sich mit dem inzwischen 81 Jahre alten "Rekord-Fast-Nationalspieler" unterhalten.

DFB.de: Herr Paul, die unvermeidliche Frage zur WM 1966 vorweg: Wembley-Tor – drin oder nicht?

Wolfgang Paul: Tilkowski hat hinterher zugegeben: Der war drin. Ich hab ihn dann gefragt: Hans, warum erzählst du das? Und er sagte nur: Damit die alle mal ruhig sind jetzt. (lacht)

DFB.de: Wir wollen über Ihre Zeit bei der Nationalmannschaft sprechen. Im April 1966 wurden Sie erstmals nominiert.

Paul: Nicht ganz. Schon unter Sepp Herberger wurde ich mal eingeladen. Vor der WM '66 hatten wir dann zwei Lehrgänge, einen in München-Grünwald und einen in Barsinghausen bei Hannover. Wir waren erst 35 Spieler, dann 24. Am Ende stand der WM-Kader und ich war unter den 22 Besten.

DFB.de: Beim inoffiziellen Testspiel gegen eine Budapester Stadtauswahl kamen Sie zum Einsatz.

Paul: Ja, und danach gab es sogar ein Lob von Bundestrainer Helmut Schön.

DFB.de: Die Vorbereitungsspiele in Irland und Nordirland haben Sie dann verpasst, aus gutem Grund: Mit Dortmund gelang Ihnen der erste Europapokal-Triumph eines deutschen Fußball-Klubs.

Paul: Genau. Am 4. und 7. Mai waren Länderspiele, am 5. Mai haben wir mit Dortmund das Finale des Europapokals der Pokalsieger im Hampden Park in Glasgow gewonnen. Gegen den großen Favoriten, Bill Shanklys FC Liverpool. Als Spielführer der Borussia durfte ich den Europapokal der Pokalsieger in Empfang nehmen. 

DFB.de: Die BVB-Helden stellten dann im WM-Quartier der deutschen Nationalmannschaft eine respektable Vierergruppe. Gab es so was wie Cliquenbildung?

Paul: Nein, wir waren ja ein Team. Hans Tilkowski, Siggi Held und Lothar Emmerich waren noch aus Dortmund dabei. Aber im Mannschaftshotel "Peveril of the Peak" habe ich mir das Zimmer mit Jürgen Grabowski von Eintracht Frankfurt geteilt. Wir haben uns alle gut verstanden.

DFB.de: Das Trainerteam liest sich wie das "Who's who" des deutschen Fußballs: Helmut Schön, Udo LattekDettmar Cramer. Wie haben Sie diese Konstellation erlebt?

Paul: Jeder hatte seine besondere Funktion. Schön war der Chef. Mit ihm kam ich wirklich gut zurecht. Er hat mir übrigens nach der WM noch mal zugesichert, dass ich unter ihm zum Länderspieldebüt komme. Leider wurde dann nichts draus. Wir sind trotzdem in Kontakt geblieben. Sogar Jahre später noch. Als er in den Neunzigern schwer krank wurde, wollten wir ihm hier in Olsberg einen Platz in der Alzheimer-Klinik besorgen. Leider ist er vorher gestorben. Lattek war für uns Reservisten zuständig. Wir hatten immer volles Programm und mussten uns quälen.

DFB.de: Von Dettmar Cramer sollen Sie sehr beeindruckt gewesen sein.

Paul: Das kann man wohl sagen. Er war ein besonderer Fachmann, große Klasse. Cramer hat unsere Gegner analysiert und uns auf die nächsten Partien vorbereitet. Daher leitete er auch häufig die Sitzungen anstelle von Schön. Das war immer interessant und lehrreich.

DFB.de: In der Abwehr legte sich das Trainer-Team früh auf Schnellinger, Weber, Schulz und Höttges fest. In dieser Formation wurden fünf von sechs WM-Partien gespielt.

Paul: Ja, und weil da noch keine Auswechslungen erlaubt waren, haben sie auch durchgespielt. Sonst wäre ich wohl auf eine ganze Reihe von Länderspielen gekommen, da bin ich mir ziemlich sicher.

DFB.de: Sie hatten auf Ihrer Position Willi Schulz vor der Nase, der ein großes Turnier spielte und zu "World Cup-Willi" aufstieg. Wie würden Sie Ihr Verhältnis beschreiben, haben Sie sich gut verstanden?

Paul: Na klar. Willi kannte ich schon ewig. Ich hab bereits als junger Mann mit dem VfL Schwerte gegen ihn gespielt, da war er noch bei Union Günnigfeld in Wattenscheid. Auch in der Westfalen-Auswahl haben wir uns regelmäßig getroffen. Er ist ein sehr angenehmer Mensch. Mit ihm klappte das sehr gut – und es klappt bis heute. Ab und zu sehen wir uns sogar noch. Manchmal sind das leider traurige Anlässe. Vor einem Jahr bei der Beerdigung von Hans Tilkowski etwa. Aber letztens hatten wir auch eine schöne Aktion im Fußballmuseum in Dortmund. Da waren einige 66er-Spieler: Uwe Seeler, Willi Schulz, Friedel Lutz und auch Horst-Dieter Höttges.

DFB.de: Welche Erinnerung bleibt sonst vom Turnier? Das Jahrhundert-Tor von Lothar Emmerich?

Paul: Gegen Spanien. Natürlich. Dazu die engen Stadien ohne Laufbahn, einmalig. So etwas gab es in Deutschland damals ja noch nicht. Und dann die Stimmung, die Fan-Gesänge: beeindruckend.

DFB.de: Würden Sie sagen, dass die WM '66 das zweitgrößte Highlight Ihrer Karriere war?

Paul: Es gab viele schöne Erlebnisse, ich mag da keine Rangfolge aufstellen. Die 13, 14 Spiele in der Westfalen-Auswahl zu Beginn meiner Laufbahn bedeuten mir beispielsweise auch sehr viel. Mit Willi Schulz und meinen Dortmunder Kameraden Willi Sturm und Charly Schütz, das war toll. Mit dem BVB haben wir einige Titel gewonnen: die Meisterschaft '63, den DFB-Pokal '65. Der Europapokalsieg steht natürlich über allem, und dass ich als Kapitän meiner Borussia vorangehen durfte. Die WM in England gehört aber zu den Höhepunkten, sicher. Auch ohne Einsatz.

DFB.de: Ende 2019 gastierte die Nationalmannschaft zuletzt in Dortmund. Gegen Argentinien. Wie sind Ihre Erinnerungen an dieses Spiel?

Paul: Ich hab wieder nicht gespielt. (lacht) Spaß beiseite. Zu Länderspielen bei uns im Westfalenstadion werden wir Dortmunder Nationalspieler ja immer eingeladen, und das war wieder mal schön.

[dfb]

Die Länderspielkarriere von Wolfgang Paul lässt sich in wenigen Schlagworten zusammenfassen: häufig dabei, nie gespielt, viel erlebt. Es gibt keinen anderen Fußballer, der so oft im Kader stand (siebenmal) und doch nie für Deutschland den Rasen betreten hat. Seine Erlebnisse rund um die Weltmeisterschaft 1966 gehören dennoch zu den Höhepunkten der - an Höhepunkten nicht armen - Karriere des ehemaligen Dortmunder Abwehrchefs. DFB.de hat sich mit dem inzwischen 81 Jahre alten "Rekord-Fast-Nationalspieler" unterhalten.

DFB.de: Herr Paul, die unvermeidliche Frage zur WM 1966 vorweg: Wembley-Tor – drin oder nicht?

Wolfgang Paul: Tilkowski hat hinterher zugegeben: Der war drin. Ich hab ihn dann gefragt: Hans, warum erzählst du das? Und er sagte nur: Damit die alle mal ruhig sind jetzt. (lacht)

DFB.de: Wir wollen über Ihre Zeit bei der Nationalmannschaft sprechen. Im April 1966 wurden Sie erstmals nominiert.

Paul: Nicht ganz. Schon unter Sepp Herberger wurde ich mal eingeladen. Vor der WM '66 hatten wir dann zwei Lehrgänge, einen in München-Grünwald und einen in Barsinghausen bei Hannover. Wir waren erst 35 Spieler, dann 24. Am Ende stand der WM-Kader und ich war unter den 22 Besten.

DFB.de: Beim inoffiziellen Testspiel gegen eine Budapester Stadtauswahl kamen Sie zum Einsatz.

Paul: Ja, und danach gab es sogar ein Lob von Bundestrainer Helmut Schön.

DFB.de: Die Vorbereitungsspiele in Irland und Nordirland haben Sie dann verpasst, aus gutem Grund: Mit Dortmund gelang Ihnen der erste Europapokal-Triumph eines deutschen Fußball-Klubs.

Paul: Genau. Am 4. und 7. Mai waren Länderspiele, am 5. Mai haben wir mit Dortmund das Finale des Europapokals der Pokalsieger im Hampden Park in Glasgow gewonnen. Gegen den großen Favoriten, Bill Shanklys FC Liverpool. Als Spielführer der Borussia durfte ich den Europapokal der Pokalsieger in Empfang nehmen. 

DFB.de: Die BVB-Helden stellten dann im WM-Quartier der deutschen Nationalmannschaft eine respektable Vierergruppe. Gab es so was wie Cliquenbildung?

Paul: Nein, wir waren ja ein Team. Hans Tilkowski, Siggi Held und Lothar Emmerich waren noch aus Dortmund dabei. Aber im Mannschaftshotel "Peveril of the Peak" habe ich mir das Zimmer mit Jürgen Grabowski von Eintracht Frankfurt geteilt. Wir haben uns alle gut verstanden.

DFB.de: Das Trainerteam liest sich wie das "Who's who" des deutschen Fußballs: Helmut Schön, Udo LattekDettmar Cramer. Wie haben Sie diese Konstellation erlebt?

Paul: Jeder hatte seine besondere Funktion. Schön war der Chef. Mit ihm kam ich wirklich gut zurecht. Er hat mir übrigens nach der WM noch mal zugesichert, dass ich unter ihm zum Länderspieldebüt komme. Leider wurde dann nichts draus. Wir sind trotzdem in Kontakt geblieben. Sogar Jahre später noch. Als er in den Neunzigern schwer krank wurde, wollten wir ihm hier in Olsberg einen Platz in der Alzheimer-Klinik besorgen. Leider ist er vorher gestorben. Lattek war für uns Reservisten zuständig. Wir hatten immer volles Programm und mussten uns quälen.

DFB.de: Von Dettmar Cramer sollen Sie sehr beeindruckt gewesen sein.

Paul: Das kann man wohl sagen. Er war ein besonderer Fachmann, große Klasse. Cramer hat unsere Gegner analysiert und uns auf die nächsten Partien vorbereitet. Daher leitete er auch häufig die Sitzungen anstelle von Schön. Das war immer interessant und lehrreich.

DFB.de: In der Abwehr legte sich das Trainer-Team früh auf Schnellinger, Weber, Schulz und Höttges fest. In dieser Formation wurden fünf von sechs WM-Partien gespielt.

Paul: Ja, und weil da noch keine Auswechslungen erlaubt waren, haben sie auch durchgespielt. Sonst wäre ich wohl auf eine ganze Reihe von Länderspielen gekommen, da bin ich mir ziemlich sicher.

DFB.de: Sie hatten auf Ihrer Position Willi Schulz vor der Nase, der ein großes Turnier spielte und zu "World Cup-Willi" aufstieg. Wie würden Sie Ihr Verhältnis beschreiben, haben Sie sich gut verstanden?

Paul: Na klar. Willi kannte ich schon ewig. Ich hab bereits als junger Mann mit dem VfL Schwerte gegen ihn gespielt, da war er noch bei Union Günnigfeld in Wattenscheid. Auch in der Westfalen-Auswahl haben wir uns regelmäßig getroffen. Er ist ein sehr angenehmer Mensch. Mit ihm klappte das sehr gut – und es klappt bis heute. Ab und zu sehen wir uns sogar noch. Manchmal sind das leider traurige Anlässe. Vor einem Jahr bei der Beerdigung von Hans Tilkowski etwa. Aber letztens hatten wir auch eine schöne Aktion im Fußballmuseum in Dortmund. Da waren einige 66er-Spieler: Uwe Seeler, Willi Schulz, Friedel Lutz und auch Horst-Dieter Höttges.

DFB.de: Welche Erinnerung bleibt sonst vom Turnier? Das Jahrhundert-Tor von Lothar Emmerich?

Paul: Gegen Spanien. Natürlich. Dazu die engen Stadien ohne Laufbahn, einmalig. So etwas gab es in Deutschland damals ja noch nicht. Und dann die Stimmung, die Fan-Gesänge: beeindruckend.

DFB.de: Würden Sie sagen, dass die WM '66 das zweitgrößte Highlight Ihrer Karriere war?

Paul: Es gab viele schöne Erlebnisse, ich mag da keine Rangfolge aufstellen. Die 13, 14 Spiele in der Westfalen-Auswahl zu Beginn meiner Laufbahn bedeuten mir beispielsweise auch sehr viel. Mit Willi Schulz und meinen Dortmunder Kameraden Willi Sturm und Charly Schütz, das war toll. Mit dem BVB haben wir einige Titel gewonnen: die Meisterschaft '63, den DFB-Pokal '65. Der Europapokalsieg steht natürlich über allem, und dass ich als Kapitän meiner Borussia vorangehen durfte. Die WM in England gehört aber zu den Höhepunkten, sicher. Auch ohne Einsatz.

DFB.de: Ende 2019 gastierte die Nationalmannschaft zuletzt in Dortmund. Gegen Argentinien. Wie sind Ihre Erinnerungen an dieses Spiel?

Paul: Ich hab wieder nicht gespielt. (lacht) Spaß beiseite. Zu Länderspielen bei uns im Westfalenstadion werden wir Dortmunder Nationalspieler ja immer eingeladen, und das war wieder mal schön.

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