Ottmar Hitzfeld: Der Gentleman-Trainer verabschiedet sich

50 Jahre, 50 Gesichter: Für DFB.de erzählt der Autor und Historiker Udo Muras die Geschichte der Bundesliga an Persönlichkeiten nach, die die deutsche Eliteliga prägten. Jahr für Jahr. 2007/08 erhält Trainer Ottmar Hitzfeld einen würdigen Abschied. Er verlässt die Bundesliga als Doublegewinner - und unter Tränen.

Nichts hatten sie gewonnen in der Vorsaison, nun wollten sie alles. Im Sommer 2007 rüstete der FC Bayern gewaltig auf und stellte die Weichen für eine wieder erfolgreichere Zukunft. Franck Ribery kam nach München. Luca Toni, Miroslav Klose, Ze Roberto, Marcell Jansen und noch einige mehr. Der Trainer aber blieb. Ottmar Hitzfeld sollte die Chance bekommen, als Sieger von der Bühne abzutreten, die er eigentlich schon verlassen hatte.

Ribery und Toni schlagen voll ein

2004 hatte er in München aufgehört, das "beiderseitige Einvernehmen" war in diesem Fall wirklich mehr als die branchenübliche Floskel, die Differenzen übertünchen soll. Hitzfeld gestand später, er habe ein Burn-out-Syndrom gehabt. Selbst die Stelle des Bundestrainers hatte der Meistermacher von Borussia Dortmund und den Bayern abgelehnt. Aber als Uli Hoeneß im Januar 2007 in der Stunde der Not rief, konnte er nicht Nein sagen. Aber er konnte auch keine Wunder vollbringen, erstmals seit 1995 verpassten die Bayern die Champions-League-Teilnahme. Ein Makel, auch in der Bilanz des Erfolgstrainers.

Die Saison 2007/2008 sollte all das ausmerzen - und es gelang auf beeindruckende Weise. Vom Start weg regierten die Bayern die Bundesliga, waren an allen 34 Spieltagen Erster und spielten teils begeisternd auf. Hitzfeld fand die Balance, das Starensemble so zu führen, dass keiner ausscherte. Der Meister der Rotation zeigte noch einmal sein ganzes psychologisches Geschick.

Ribery und Toni schlugen gleich voll ein, es war, als hätten sie alle schon Jahre zusammengespielt. Nach den Höhepunkten der Saison befragt, antwortete der Gentleman-Trainer: "Für mich zählt die ganze Saison, der Umbruch, den wir mit zehn neuen Spielern gestaltet haben. Einige beherrschten die deutsche Sprache nicht, auch auf den Spielern lastete ein gewaltiger Druck."

Rummenigge: "Fußball ist keine Mathematik"

Der größte aber lastete auf ihm, spätestens nach jener UEFA-Cup-Partie gegen Bolton Wanderers, als der Himmel über München trübe wurde. Hitzfeld hatte - wie so oft - rotiert und die Stammspieler Philipp Lahm und Martin Demichels geschont. Sie saßen auf der Tribüne.

Im Gefühl des Sieges wechselte der Coach beim Stand von 2:1 Franck Ribery, Lukas Podolski und Bastian Schweinsteiger aus. Prompt kam der Vorletzte der Premier League noch zum Ausgleich, und Bayern-Vorstand Karl-Heinz Rummenigge grollte: "Ich bin stinksauer. Das Publikum hat das Recht auf die beste Mannschaft." Dann fielen die berühmten Worte gegen den studierten Mathematiker Hitzfeld: "Fußball ist keine Mathematik!" Hitzfeld konterte nüchtern: "Ich hoffe, dass ich das kleine Ein-mal-eins des Fußballs beherrsche."

Kurz darauf gab er bekannt, die Bayern am Saisonende zu verlassen, was ohnehin im Schwange, aber eben noch nicht sicher gewesen war. Hitzfeld, damals 59, sagte nach der Saison: "Eigentlich bin ich sehr glücklich und habe ein gutes Gefühl, die richtigen Entscheidungen getroffen zu haben - dass ich im Dezember sagte, ich werde am Saisonende aufhören. Für die Rückrunde war der Druck immens gewesen, Ausrutscher hätte ich in der folgenden Saison nicht mehr korrigieren können."

Bundesligarekord: Nur 21 Gegentore

Aber es gab keine, abgesehen von einer Niederlage in Cottbus marschierten die Bayern souverän zum Titel. Sie verloren 2007/2008 nur zwei Spiele, 21 Gegentore stellten einen Bundesligarekord dar, der bis 2013 hielt. In Berlin holten die Bayern gegen Hitzfelds Ex-Klub Borussia Dortmund auch den DFB-Pokal. Den kompletten Triumph verhinderte nur ein schwarzer Tag im Halbfinalrückspiel der Europa League in St. Petersburg. Und doch ging Hitzfeld im Triumph.

Mit sieben Meisterschaften ist er der zweiterfolgreichste Bundesligatrainer. Nur Udo Lattek (8) ist ihm voraus, dafür hat Hitzfeld die Champions League einmal mehr gewonnen als Lattek, nämlich zweimal. Wer der erfolgreichste deutsche Trainer ist, wird sich wohl nie klären lassen. Dass der Abschied schwer fiel, ist dagegen unstrittig. Hitzfeld und Hoeneß überkamen am 17. Mai 2008 Tränen der Rührung, dann schenkte die Mannschaft dem Trainer gegen Hertha BSC einen letzten Sieg - 4:1.

Danach übernahm Ottmar Hitzfeld übergangslos die Auswahl der Schweiz, die 2010 in Südafrika den Weltmeister Spanien schlug. Aktuell steuert er auf die WM 2014 in Brasilien zu. Der Erfolg bleibt Ottmar Hitzfeld treu, denn der Mathematiker kennt noch immer die richtige Formel.

Ottmar Hizfelds Bundesligabilanz: 22 Spiele, 5 Tore als Spieler; 461 Spiele als Trainer, 7 Meisterschaften.

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50 Jahre, 50 Gesichter: Für DFB.de erzählt der Autor und Historiker Udo Muras die Geschichte der Bundesliga an Persönlichkeiten nach, die die deutsche Eliteliga prägten. Jahr für Jahr. 2007/08 erhält Trainer Ottmar Hitzfeld einen würdigen Abschied. Er verlässt die Bundesliga als Doublegewinner - und unter Tränen.

Nichts hatten sie gewonnen in der Vorsaison, nun wollten sie alles. Im Sommer 2007 rüstete der FC Bayern gewaltig auf und stellte die Weichen für eine wieder erfolgreichere Zukunft. Franck Ribery kam nach München. Luca Toni, Miroslav Klose, Ze Roberto, Marcell Jansen und noch einige mehr. Der Trainer aber blieb. Ottmar Hitzfeld sollte die Chance bekommen, als Sieger von der Bühne abzutreten, die er eigentlich schon verlassen hatte.

Ribery und Toni schlagen voll ein

2004 hatte er in München aufgehört, das "beiderseitige Einvernehmen" war in diesem Fall wirklich mehr als die branchenübliche Floskel, die Differenzen übertünchen soll. Hitzfeld gestand später, er habe ein Burn-out-Syndrom gehabt. Selbst die Stelle des Bundestrainers hatte der Meistermacher von Borussia Dortmund und den Bayern abgelehnt. Aber als Uli Hoeneß im Januar 2007 in der Stunde der Not rief, konnte er nicht Nein sagen. Aber er konnte auch keine Wunder vollbringen, erstmals seit 1995 verpassten die Bayern die Champions-League-Teilnahme. Ein Makel, auch in der Bilanz des Erfolgstrainers.

Die Saison 2007/2008 sollte all das ausmerzen - und es gelang auf beeindruckende Weise. Vom Start weg regierten die Bayern die Bundesliga, waren an allen 34 Spieltagen Erster und spielten teils begeisternd auf. Hitzfeld fand die Balance, das Starensemble so zu führen, dass keiner ausscherte. Der Meister der Rotation zeigte noch einmal sein ganzes psychologisches Geschick.

Ribery und Toni schlugen gleich voll ein, es war, als hätten sie alle schon Jahre zusammengespielt. Nach den Höhepunkten der Saison befragt, antwortete der Gentleman-Trainer: "Für mich zählt die ganze Saison, der Umbruch, den wir mit zehn neuen Spielern gestaltet haben. Einige beherrschten die deutsche Sprache nicht, auch auf den Spielern lastete ein gewaltiger Druck."

Rummenigge: "Fußball ist keine Mathematik"

Der größte aber lastete auf ihm, spätestens nach jener UEFA-Cup-Partie gegen Bolton Wanderers, als der Himmel über München trübe wurde. Hitzfeld hatte - wie so oft - rotiert und die Stammspieler Philipp Lahm und Martin Demichels geschont. Sie saßen auf der Tribüne.

Im Gefühl des Sieges wechselte der Coach beim Stand von 2:1 Franck Ribery, Lukas Podolski und Bastian Schweinsteiger aus. Prompt kam der Vorletzte der Premier League noch zum Ausgleich, und Bayern-Vorstand Karl-Heinz Rummenigge grollte: "Ich bin stinksauer. Das Publikum hat das Recht auf die beste Mannschaft." Dann fielen die berühmten Worte gegen den studierten Mathematiker Hitzfeld: "Fußball ist keine Mathematik!" Hitzfeld konterte nüchtern: "Ich hoffe, dass ich das kleine Ein-mal-eins des Fußballs beherrsche."

Kurz darauf gab er bekannt, die Bayern am Saisonende zu verlassen, was ohnehin im Schwange, aber eben noch nicht sicher gewesen war. Hitzfeld, damals 59, sagte nach der Saison: "Eigentlich bin ich sehr glücklich und habe ein gutes Gefühl, die richtigen Entscheidungen getroffen zu haben - dass ich im Dezember sagte, ich werde am Saisonende aufhören. Für die Rückrunde war der Druck immens gewesen, Ausrutscher hätte ich in der folgenden Saison nicht mehr korrigieren können."

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Bundesligarekord: Nur 21 Gegentore

Aber es gab keine, abgesehen von einer Niederlage in Cottbus marschierten die Bayern souverän zum Titel. Sie verloren 2007/2008 nur zwei Spiele, 21 Gegentore stellten einen Bundesligarekord dar, der bis 2013 hielt. In Berlin holten die Bayern gegen Hitzfelds Ex-Klub Borussia Dortmund auch den DFB-Pokal. Den kompletten Triumph verhinderte nur ein schwarzer Tag im Halbfinalrückspiel der Europa League in St. Petersburg. Und doch ging Hitzfeld im Triumph.

Mit sieben Meisterschaften ist er der zweiterfolgreichste Bundesligatrainer. Nur Udo Lattek (8) ist ihm voraus, dafür hat Hitzfeld die Champions League einmal mehr gewonnen als Lattek, nämlich zweimal. Wer der erfolgreichste deutsche Trainer ist, wird sich wohl nie klären lassen. Dass der Abschied schwer fiel, ist dagegen unstrittig. Hitzfeld und Hoeneß überkamen am 17. Mai 2008 Tränen der Rührung, dann schenkte die Mannschaft dem Trainer gegen Hertha BSC einen letzten Sieg - 4:1.

Danach übernahm Ottmar Hitzfeld übergangslos die Auswahl der Schweiz, die 2010 in Südafrika den Weltmeister Spanien schlug. Aktuell steuert er auf die WM 2014 in Brasilien zu. Der Erfolg bleibt Ottmar Hitzfeld treu, denn der Mathematiker kennt noch immer die richtige Formel.

Ottmar Hizfelds Bundesligabilanz: 22 Spiele, 5 Tore als Spieler; 461 Spiele als Trainer, 7 Meisterschaften.