Osnabrügge: "Dann geht das Licht aus"

Der Sport ruht in der Corona-Krise. Die Klubs haben keine Einnahmen, die Kosten aber laufen weiter, auch die für die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG). Vor diesem Hintergrund ergriff der DFB gemeinsam mit der DFL, der Handball-Bundesliga, der Basketball Bundesliga und der Deutschen Eishockey Liga die Initiative und kontaktierte die VBG mit der Bitte, die Beiträge für 2019 generell zu stunden beziehungsweise Gespräche über einen Beitrags-Erlass zu führen. Gestern nun veröffentlichte die VBG eine Pressemitteilung, in der weder von einer generellen Stundung noch von einem Erlass der Beiträge die Rede ist, sondern viel mehr von einer Erhöhung. Was bedeutet dies für die Fußballklubs, insbesondere die der 3. Liga, der FLYERALARM Frauen-Bundesliga und der Regionalligen? Wie kann es in einer Krise wie der derzeitigen zu einer Beitragserhöhung kommen? Und wie bewertet der DFB das Vorgehen? DFB-Schatzmeister Dr. Stephan Osnabrügge nimmt dazu im DFB.de-Interview Stellung.

DFB.de: Herr Dr. Osnabrügge, die VBG hat am 2. April per Pressemitteilung bekannt gegeben, dass die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung für 2019 steigen. Wie bewertet der DFB die Pressemitteilung der VBG?

Dr. Stephan Osnabrügge: Die VBG leistet als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung einen wichtigen Beitrag zur Rehabilitation von Unfallgeschädigten und zur Prävention. Deshalb ist die Unfallversicherung ja auch eine gesetzliche Pflichtversicherung, auch für die Klubs im professionellen Fußball. Der Beitrag zur VBG setzt sich zusammen aus den Bruttoarbeitsentgelten multipliziert mit der Gefahrklasse sowie dem sogenannten Beitragsfuß. Der Beitragsfuß wird nun für 2019 angehoben. In Kombination mit den aktuellen Gefahrklassen führt dies zu dramatischen Steigerungen für die Klubs. Wir wissen selbstverständlich, dass sich die Beiträge nach dem Umlageprinzip bemessen und nach der Satzung der VBG geregelt sind. Aber trotzdem: Eine solche Botschaft ist in der aktuellen Krise ein Schlag ins Gesicht des gesamten Fußballs, ja, des gesamten Sports.

DFB.de: Das müssen Sie uns bitte erklären.

Osnabrügge: Wir wussten natürlich, dass die Beitragsbescheide für 2019 bevorstehen. Sie werden üblicherweise im April versandt und sind dann zum 15.Mai fällig. Wir wissen aber auch, dass Deutschland derzeit im Ausnahmezustand ist. Viele Unternehmen stehen vor dem Aus. Die Situation im Fußball, insbesondere in den Spielklassen im Übergang vom Amateur- zum Profisport, wie den Regionalligen, der FLYERALARM Frauen-Bundesliga oder der 3. Liga ist in besonderer Weise dramatisch: Die Klubs tragen sich im Wesentlichen aus Ticketeinnahmen und Sponsoring. Und beides fällt aktuell ersatzlos weg. Die Kosten laufen aber weiter.

DFB.de: Aber was hat das mit der VBG zu tun?

Osnabrügge: Der Staat hat zugesagt, die deutsche Wirtschaft erhalten zu wollen: Hierzu zählen auch die Fußballklubs, auch die der 3. Liga, der FLYERALARM Frauen-Bundesliga und der Regionalligen. Die VBG ist eine bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts und damit Teil des Staates. Dass man nun wohl plant, die Beitragsbescheide so zu verschicken werden, als wäre in Deutschland nichts passiert, ist schlimm. Dass begleitend auch noch bekannt gegeben wird, dass sich die Beiträge dramatisch erhöhen, verschlägt mir die Sprache. Spätestens an dieser Stelle hätte ich erwartet, dass die Verantwortlichen innehalten und gemeinsam mit ihrer Aufsichtsbehörde, dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales, nach Lösungen in einer Ausnahmesituation suchen.

DFB.de: Was bedeutet das Vorgehen der VBG konkret für die Vereine?

Osnabrügge: Macht die VBG ihre Ankündigung wahr, werden in den kommenden Tagen Beitragsbescheide verschickt, die bis zum 15. Mai zu zahlen sein werden. Die gesamte Beitragslast für beispielsweise die Klubs der 3. Liga wurde mit rund 11,75 Millionen Euro erwartet. Nun werden dies rund 13 Millionen Euro sein. Mehrere Vereinsvertreter aus den Regionalligen haben mir klar gesagt: "Dann geht bei uns das Licht aus!" Und ich kann mir vorstellen, dass es bei dem ein oder anderen Verein der 3. Liga ähnliche Auswirkungen hätte.

DFB.de: Aber die VBG weist in ihrer Pressemitteilung selbst auf Zahlungserleichterungen wie Stundung und Ratenzahlung hin. Hilft das nicht?

Osnabrügge: Nein. Es handelt sich dabei um die "normalen" Instrumentarien bei wirtschaftlichen Schieflagen. Wir befinden uns aber nicht in einer "normalen" Situation. Die VBG darf solchen Anträgen gesetzlich nur dann nachgeben, wenn eine erhebliche Härte vorliegt und die Voraussetzungen im Einzelnen nachgewiesen werden. Der Klub müsste einen Ratenplan vorlegen, der eine Schlussrate spätestens am 15. Dezember 2020 vorsieht. Anders als beispielsweise bei der Kurzarbeit wurde wohl übersehen, dass Bürokratie das Letzte ist, was die Fußballklubs jetzt brauchen. Und eine Stundung bis zum 15. Dezember hilft niemandem etwas. Wir wissen heute nicht, ob es im Jahr 2020 überhaupt nochmal möglich werden wird, Fußballspiele mit Zuschauern zu veranstalten. Für die Regionalligen zum Beispiel helfen Geisterspiele sehr wenig. Dort ist die Lage eine andere als in den Lizenzligen. Wie soll ein Verein einen Ratenplan bis zum 15. Dezember aufstellen?

DFB.de: Was wird der DFB nun unternehmen?

Osnabrügge: Der DFB hatte auf all diese Aspekte in einem gemeinsamen Schreiben mit der DFL, der Handball-Bundesliga, der Basketball Bundesliga und der Deutschen Eishockey Liga an die VBG hingewiesen und dringend darum gebeten, die Beiträge einheitlich bis mindestens zum 30. Juni 2021 zu stunden, besser noch bis Ende 2021. Und wir hatten um politische Gespräche über einen Beitragserlass gebeten. Darauf haben wir bislang keine Antwort erhalten. Stattdessen müssen wir nun die Pressemitteilung der VBG zum Beitragsfuß zur Kenntnis nehmen. Wir werden uns nochmals an die VBG wenden und darauf hinweisen, dass sich nicht nur Deutschland, sondern auch die gesamte Sportlandschaft in einem Ausnahmezustand befindet. Und dass den Hilfsansagen des Staates einschließlich seiner Körperschaften Taten folgen müssen.

DFB.de: Was raten Sie den betroffenen Vereinen?

Osnabrügge: So schwer es ist: Die Beitragsbescheide sind vollziehbar, und im Regelfall werden sie sogar abgebucht. Im Moment helfen nur Stundungsanträge (Anm. d. Red.: Die Vereine finden hier die Informationen). Ich hoffe allerdings noch darauf, dass wir in Gesprächen mit allen Beteiligten eine einheitliche Lösung mit Augenmaß für den gesamten Fußball, für den gesamten Sport hinbekommen. Offenbar ist noch nicht jedem der Ernst der Lage bewusst.

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Der Sport ruht in der Corona-Krise. Die Klubs haben keine Einnahmen, die Kosten aber laufen weiter, auch die für die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG). Vor diesem Hintergrund ergriff der DFB gemeinsam mit der DFL, der Handball-Bundesliga, der Basketball Bundesliga und der Deutschen Eishockey Liga die Initiative und kontaktierte die VBG mit der Bitte, die Beiträge für 2019 generell zu stunden beziehungsweise Gespräche über einen Beitrags-Erlass zu führen. Gestern nun veröffentlichte die VBG eine Pressemitteilung, in der weder von einer generellen Stundung noch von einem Erlass der Beiträge die Rede ist, sondern viel mehr von einer Erhöhung. Was bedeutet dies für die Fußballklubs, insbesondere die der 3. Liga, der FLYERALARM Frauen-Bundesliga und der Regionalligen? Wie kann es in einer Krise wie der derzeitigen zu einer Beitragserhöhung kommen? Und wie bewertet der DFB das Vorgehen? DFB-Schatzmeister Dr. Stephan Osnabrügge nimmt dazu im DFB.de-Interview Stellung.

DFB.de: Herr Dr. Osnabrügge, die VBG hat am 2. April per Pressemitteilung bekannt gegeben, dass die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung für 2019 steigen. Wie bewertet der DFB die Pressemitteilung der VBG?

Dr. Stephan Osnabrügge: Die VBG leistet als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung einen wichtigen Beitrag zur Rehabilitation von Unfallgeschädigten und zur Prävention. Deshalb ist die Unfallversicherung ja auch eine gesetzliche Pflichtversicherung, auch für die Klubs im professionellen Fußball. Der Beitrag zur VBG setzt sich zusammen aus den Bruttoarbeitsentgelten multipliziert mit der Gefahrklasse sowie dem sogenannten Beitragsfuß. Der Beitragsfuß wird nun für 2019 angehoben. In Kombination mit den aktuellen Gefahrklassen führt dies zu dramatischen Steigerungen für die Klubs. Wir wissen selbstverständlich, dass sich die Beiträge nach dem Umlageprinzip bemessen und nach der Satzung der VBG geregelt sind. Aber trotzdem: Eine solche Botschaft ist in der aktuellen Krise ein Schlag ins Gesicht des gesamten Fußballs, ja, des gesamten Sports.

DFB.de: Das müssen Sie uns bitte erklären.

Osnabrügge: Wir wussten natürlich, dass die Beitragsbescheide für 2019 bevorstehen. Sie werden üblicherweise im April versandt und sind dann zum 15.Mai fällig. Wir wissen aber auch, dass Deutschland derzeit im Ausnahmezustand ist. Viele Unternehmen stehen vor dem Aus. Die Situation im Fußball, insbesondere in den Spielklassen im Übergang vom Amateur- zum Profisport, wie den Regionalligen, der FLYERALARM Frauen-Bundesliga oder der 3. Liga ist in besonderer Weise dramatisch: Die Klubs tragen sich im Wesentlichen aus Ticketeinnahmen und Sponsoring. Und beides fällt aktuell ersatzlos weg. Die Kosten laufen aber weiter.

DFB.de: Aber was hat das mit der VBG zu tun?

Osnabrügge: Der Staat hat zugesagt, die deutsche Wirtschaft erhalten zu wollen: Hierzu zählen auch die Fußballklubs, auch die der 3. Liga, der FLYERALARM Frauen-Bundesliga und der Regionalligen. Die VBG ist eine bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts und damit Teil des Staates. Dass man nun wohl plant, die Beitragsbescheide so zu verschicken werden, als wäre in Deutschland nichts passiert, ist schlimm. Dass begleitend auch noch bekannt gegeben wird, dass sich die Beiträge dramatisch erhöhen, verschlägt mir die Sprache. Spätestens an dieser Stelle hätte ich erwartet, dass die Verantwortlichen innehalten und gemeinsam mit ihrer Aufsichtsbehörde, dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales, nach Lösungen in einer Ausnahmesituation suchen.

DFB.de: Was bedeutet das Vorgehen der VBG konkret für die Vereine?

Osnabrügge: Macht die VBG ihre Ankündigung wahr, werden in den kommenden Tagen Beitragsbescheide verschickt, die bis zum 15. Mai zu zahlen sein werden. Die gesamte Beitragslast für beispielsweise die Klubs der 3. Liga wurde mit rund 11,75 Millionen Euro erwartet. Nun werden dies rund 13 Millionen Euro sein. Mehrere Vereinsvertreter aus den Regionalligen haben mir klar gesagt: "Dann geht bei uns das Licht aus!" Und ich kann mir vorstellen, dass es bei dem ein oder anderen Verein der 3. Liga ähnliche Auswirkungen hätte.

DFB.de: Aber die VBG weist in ihrer Pressemitteilung selbst auf Zahlungserleichterungen wie Stundung und Ratenzahlung hin. Hilft das nicht?

Osnabrügge: Nein. Es handelt sich dabei um die "normalen" Instrumentarien bei wirtschaftlichen Schieflagen. Wir befinden uns aber nicht in einer "normalen" Situation. Die VBG darf solchen Anträgen gesetzlich nur dann nachgeben, wenn eine erhebliche Härte vorliegt und die Voraussetzungen im Einzelnen nachgewiesen werden. Der Klub müsste einen Ratenplan vorlegen, der eine Schlussrate spätestens am 15. Dezember 2020 vorsieht. Anders als beispielsweise bei der Kurzarbeit wurde wohl übersehen, dass Bürokratie das Letzte ist, was die Fußballklubs jetzt brauchen. Und eine Stundung bis zum 15. Dezember hilft niemandem etwas. Wir wissen heute nicht, ob es im Jahr 2020 überhaupt nochmal möglich werden wird, Fußballspiele mit Zuschauern zu veranstalten. Für die Regionalligen zum Beispiel helfen Geisterspiele sehr wenig. Dort ist die Lage eine andere als in den Lizenzligen. Wie soll ein Verein einen Ratenplan bis zum 15. Dezember aufstellen?

DFB.de: Was wird der DFB nun unternehmen?

Osnabrügge: Der DFB hatte auf all diese Aspekte in einem gemeinsamen Schreiben mit der DFL, der Handball-Bundesliga, der Basketball Bundesliga und der Deutschen Eishockey Liga an die VBG hingewiesen und dringend darum gebeten, die Beiträge einheitlich bis mindestens zum 30. Juni 2021 zu stunden, besser noch bis Ende 2021. Und wir hatten um politische Gespräche über einen Beitragserlass gebeten. Darauf haben wir bislang keine Antwort erhalten. Stattdessen müssen wir nun die Pressemitteilung der VBG zum Beitragsfuß zur Kenntnis nehmen. Wir werden uns nochmals an die VBG wenden und darauf hinweisen, dass sich nicht nur Deutschland, sondern auch die gesamte Sportlandschaft in einem Ausnahmezustand befindet. Und dass den Hilfsansagen des Staates einschließlich seiner Körperschaften Taten folgen müssen.

DFB.de: Was raten Sie den betroffenen Vereinen?

Osnabrügge: So schwer es ist: Die Beitragsbescheide sind vollziehbar, und im Regelfall werden sie sogar abgebucht. Im Moment helfen nur Stundungsanträge (Anm. d. Red.: Die Vereine finden hier die Informationen). Ich hoffe allerdings noch darauf, dass wir in Gesprächen mit allen Beteiligten eine einheitliche Lösung mit Augenmaß für den gesamten Fußball, für den gesamten Sport hinbekommen. Offenbar ist noch nicht jedem der Ernst der Lage bewusst.

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