Osnabrücks Köhler: "Schicksal selbst in die Hand nehmen"

Im deutschen Profifußball ruht während der Länderspielpause komplett der Ball? Nicht ganz! In der 3. Liga empfängt der VfL Osnabrück am Samstag (ab 14 Uhr, live bei MagentaSport und im NDR) den Aufstiegskonkurrenten Eintracht Braunschweig. Im DFB.de-Interview spricht VfL-Mittelfeldspieler Sven Köhler (25) mit Mitarbeiter Dominik Dittmar über das Derby und ein "Loch" in seiner Karriere.

DFB.de: Mit dem 3:1-Heimsieg gegen Viktoria Berlin verbesserte der VfL Osnabrück seine Ausgangsposition in der Spitzengruppe. Was war aus Ihrer Sicht entscheidend, Herr Köhler?

Sven Köhler: Vor allem unsere Reaktion auf den zwischenzeitlichen Ausgleich der Berliner war sehr gut. Wir waren gegen einen tiefstehenden Gegner spielbestimmend, Konter sind dennoch ganz schwer komplett zu verhindern. Dass wir das Gegentor bekommen haben, war unglücklich. Davon haben wir uns aber nicht beeindrucken lassen. Wir sind ruhig geblieben, haben an unsere Stärken geglaubt und sind dafür mit zwei weiteren Toren belohnt worden.

DFB.de: Mit Ihrem vierten Saisontreffer stellten Sie den Endstand her. Um das Tor gab es einige Diskussionen. Wie haben Sie die Situation erlebt?

Köhler: Ich bin bei einem Eckball unserem Schützen Aaron Opoku zunächst ein wenig entgegengelaufen und habe dann vom kurzen Pfosten aus auf das Tor geköpft. Ich war mir zunächst selbst nicht ganz sicher, ob der Ball komplett hinter der Linie war. Mein überzeugender Jubel war dann aber vielleicht auch ein Grund dafür, warum der Schiedsrichter-Assistent den Ball im Tor gesehen hat. (lacht) Die TV-Bilder haben ja später auch gezeigt, dass die Entscheidung richtig war. Damit hat die Eckenvariante zwischen Aaron Opoku und mir schon zum zweiten Mal in einem Spiel gegen Berlin geklappt. Aber auch sonst sorgen wir so für Unruhe und Gefahr beim Gegner.

DFB.de: Es war bereits das zweite 3:1 hintereinander. Ist der Mannschaft damit die richtige Reaktion auf den 0:1-Rückschlag gegen den 1. FC Kaiserslautern gelungen?

Köhler: Die Niederlage gegen unseren direkten Konkurrenten aus Kaiserslautern war sehr bitter. Mit der bis dahin ersten richtigen Torchance war der FCK im zweiten Durchgang in Führung gegangen. Dabei waren wir eigentlich klar besser. Ich hätte zum Beispiel auch schon in diesem Spiel treffen können. Dass wir in den Spielen danach direkt wieder in die Spur gefunden haben, spricht für unsere Entwicklung.

DFB.de: 22 Punkte aus den bisherigen elf Spielen im Jahr 2022 bedeuten in der 3. Liga hinter dem 1. FC Kaiserslautern die zweitbeste Ausbeute, gleichauf mit Spitzenreiter 1. FC Magdeburg. Gab es aus Ihrer Sicht einen Schlüsselmoment?

Köhler: Das Vorbereitungsspiel gegen Holstein Kiel zu Beginn des Jahres könnte durchaus ein solcher Punkt gewesen sein. Die Partie ging über insgesamt 135 Minuten. Am Ende waren wir zwar 2:3 unterlegen. Nach 90 Minuten lagen wir aber 2:1 vorne. Dabei haben beide Teams in einer Besetzung gespielt, die jeweils auch in Pflichtspielen hätte auflaufen können. Zu sehen, dass wir gegen einen Zweitligisten so gut mithalten können, hat uns Selbstvertrauen gegeben. Und mit dem 2:1 gegen den 1. FC Saarbrücken sind wir dann ja auch direkt erfolgreich in den Ligabetrieb gestartet.

DFB.de: Der Rückstand auf den Relegationsplatz beträgt vier Punkte. Wie schätzen Sie die Chancen auf die direkte Rückkehr in die 2. Bundesliga mit dem VfL Osnabrück ein?

Köhler: Aktuell sind wir als Tabellensechster noch eher in einer Außenseiterrolle, aber die Chance ist definitiv da. In den acht noch verbleibenden Spielen kann eine Menge passieren. Wenn es uns gelingt, unseren Zwei-Punkte-Schnitt bis zum Saisonende beizubehalten, können wir bis zum Ende ein Wörtchen mitreden.

DFB.de: Im Nachwuchsbereich waren Sie für Borussia Dortmund und den VfL Bochum am Ball. Beim FC Schalke 04 wurden Sie an der Seite der heutigen Nationalspieler Leroy Sané und Thilo Kehrer Deutscher A-Junioren-Meister. Welche Erinnerungen haben Sie daran?

Köhler: Das war ein überragendes Jahr. Aus der Mannschaft von damals könnte man auch heute noch ein sehr vielversprechendes Team zusammenstellen. Fabian Reese und Phil Neumann sind Stammspieler in der 2. Bundesliga bei Holstein Kiel. Felix Platte kommt beim SC Paderborn 07 zu zahlreichen Einsätzen. Felix Schröter ist mittlerweile in Norwegen am Ball und Jacob Rasmussen hat schon in Italien und den Niederlanden in der höchsten Spielklasse gespielt. Leroy Sané und Thilo Kehrer ragen da als aktuelle Nationalspieler aber natürlich noch ein Stück heraus. Der Weg, den beide hingelegt haben, ist beeindruckend. Und es freut mich, ein Teil dieses Teams gewesen zu sein. Mit Hendrik Lohmar, der beim SC Wiedenbrück in der Regionalliga West unter Vertrag steht, bin ich noch eng befreundet. Und ich freue mich schon auf das Wiedersehen mit Maurice Multhaup in unserem Nachholspiel gegen Eintracht Braunschweig am Samstag.

DFB.de: Im Sommer 2015 durften Sie als 18-Jähriger auch mit den Schalker Profis ins Trainingslager. Wie war das für Sie, mit den Stars auf dem Platz zu stehen?

Köhler: Rückblickend Fluch und Segen zugleich. Die Qualität in der Mannschaft war damals enorm: Leon Goretzka, Julian Draxler, Sead Kolasinac, Klaas-Jan Huntelaar, dazu auch Leroy und Thilo. Plötzlich war auch ich mittendrin und gefühlt sportlich auch ganz nah dran. Vor allem Leon Goretzka, der damals ja auch noch sehr jung war, hat sich viel mit uns A-Jugendlichen auseinandergesetzt, viel von uns gefordert, uns aber auch gelobt. Vom Kopf her war ich für das Training mit den Profis aber letztendlich noch nicht bereit. Ich bin damit falsch umgegangen.

DFB.de: Wie meinen Sie das?

Köhler: Nach der Vorbereitung sollte ich wieder für die U 23 in der Regionalliga West spielen. Wieder für die zweite Mannschaft aufzulaufen, hatte ich - fälschlicherweise - als Rückschritt angesehen, anstatt es als Möglichkeit zu begreifen, mich mit regelmäßiger Wettkampfpraxis weiterzuentwickeln und durch gute Leistungen wieder anzubieten. Dann kam noch eine Auswechslung in der ersten Halbzeit dazu. Sich dann einzugestehen, dass das eben nicht nur die Schuld von anderen ist, hat etwas gedauert. Ich bin in ein Loch gefallen, war fußballerisch an einem Tiefpunkt.

DFB.de: War der Wechsel zum damals fünftklassigen SV Lippstadt 08 der Wendepunkt?

Köhler: Voll und ganz. Ich hatte zu dem Zeitpunkt zu vielleicht noch einem Prozent daran geglaubt, es in den Profifußball zu schaffen. Ich wollte wieder festen Boden unter meinen Füßen und einfach wieder Spaß am Fußball haben. Die beste Chance dazu hatte ich beim SV Lippstadt 08 gesehen, dem größten Verein in meiner Heimatregion. Ich war wieder näher bei meiner Familie und habe sogar mit meinem älteren Bruder Nils in einer Mannschaft gespielt, was wir uns zuvor nie erträumt hätten. Dadurch sind wir noch enger zusammengerückt. Der Verein hat mir neben dem Fußball auch die Aussicht auf eine Ausbildung zum Industriekaufmann gegeben. Sportlich lief es vom ersten Moment an super. Mit Daniel Berlinski hatte ich einen Trainer, der in kurzer Zeit nicht nur mich, sondern die komplette Mannschaft unfassbar weiterentwickelt hat. Auch nach dem Aufstieg in die Regionalliga West lief es nicht schlecht. Im Winter 2019 hatten sich dann die ersten Vereine gemeldet, die Interesse an mir hatten. Anschließend wurde es gefühlt von Woche zu Woche mehr. Das war für mich das Zeichen: Die Tür zum Profifußball ist doch noch nicht zu.

DFB.de: Hat sich Ihr Blickwinkel auf den Fußball durch Ihre Erfahrungen verändert?

Köhler: Ja, vor allem meine eigene Wertschätzung gegenüber dem Fußball. Ich erinnere mich bewusst vor jedem Spiel an meinen schwierigen Weg bis zu diesem Punkt. Das hilft mir, meine Leistung abzurufen und die Spiele auch zu genießen. Durch meine Erfahrung beim FC Schalke 04 hatte ich mich auch dazu entschieden, mich nach eineinhalb Jahren in Osnabrück an einen anderen Verein ausleihen zu lassen, um wieder mehr Spielpraxis zu sammeln. Ich wollte mein Schicksal selbst in die Hand nehmen. Ich bin dem VfL und dem SC Verl sehr dankbar, dass die Leihe in der zurückliegenden Saison funktioniert hatte. Auch wenn es nur ein halbes Jahr war: Der Schritt war goldrichtig. Ich weiß schon jetzt, dass ich - in welcher genauen Funktion auch immer - nach meiner aktiven Karriere beim Fußball bleiben und an der Schnittstelle zwischen der U 19 und dem Seniorenfußball arbeiten will. Ich will jungen Spielern mit meiner Erfahrung helfen, dass auch nach Fehlern und dummen Sprüchen die Profikarriere noch möglich ist.

DFB.de: Während sich alle anderen Drittligisten in der Länderspielpause befinden, steht für den VfL das brisante Nachholspiel gegen den niedersächsischen Rivalen und direkten Konkurrenten Eintracht Braunschweig an. Wie schätzen Sie die Aufgabe ein?

Köhler: Wir treffen auf einen Gegner, der nach dem 1:0-Auswärtssieg bei der U 23 von Borussia Dortmund noch etwas besser im Aufstiegsrennen liegt. Die Mannschaft wirkt auf mich sehr stabil. Wir bekommen es mit einem Gegner zu tun, der über ein hohes Tempo im Umschaltspiel und mit Lion Lauberbach über einen starken Mittelstürmer verfügt. Mit Bryan Henning lauert dahinter noch ein guter Zehner. Und das sage ich nicht nur, weil ich mit ihm gut befreundet bin. (lacht) Uns erwartet eine hohe Hürde.

DFB.de: Was wird für Ihr Team wichtig sein?

Köhler: Wir wollen den Heimspielfaktor nutzen. Die Bremer Brücke wird vermutlich voll werden, mit einer engagierten Leistung können wir die Fans vom ersten Moment an mitnehmen. Nach den zurückliegenden Ergebnissen haben wir jeden Grund, mit Selbstvertrauen in die Aktionen zu gehen. Dazu gehört auch, den Gegner mit einer großen Überzeugung schon früh unter Druck zu setzen.

[mspw]

Im deutschen Profifußball ruht während der Länderspielpause komplett der Ball? Nicht ganz! In der 3. Liga empfängt der VfL Osnabrück am Samstag (ab 14 Uhr, live bei MagentaSport und im NDR) den Aufstiegskonkurrenten Eintracht Braunschweig. Im DFB.de-Interview spricht VfL-Mittelfeldspieler Sven Köhler (25) mit Mitarbeiter Dominik Dittmar über das Derby und ein "Loch" in seiner Karriere.

DFB.de: Mit dem 3:1-Heimsieg gegen Viktoria Berlin verbesserte der VfL Osnabrück seine Ausgangsposition in der Spitzengruppe. Was war aus Ihrer Sicht entscheidend, Herr Köhler?

Sven Köhler: Vor allem unsere Reaktion auf den zwischenzeitlichen Ausgleich der Berliner war sehr gut. Wir waren gegen einen tiefstehenden Gegner spielbestimmend, Konter sind dennoch ganz schwer komplett zu verhindern. Dass wir das Gegentor bekommen haben, war unglücklich. Davon haben wir uns aber nicht beeindrucken lassen. Wir sind ruhig geblieben, haben an unsere Stärken geglaubt und sind dafür mit zwei weiteren Toren belohnt worden.

DFB.de: Mit Ihrem vierten Saisontreffer stellten Sie den Endstand her. Um das Tor gab es einige Diskussionen. Wie haben Sie die Situation erlebt?

Köhler: Ich bin bei einem Eckball unserem Schützen Aaron Opoku zunächst ein wenig entgegengelaufen und habe dann vom kurzen Pfosten aus auf das Tor geköpft. Ich war mir zunächst selbst nicht ganz sicher, ob der Ball komplett hinter der Linie war. Mein überzeugender Jubel war dann aber vielleicht auch ein Grund dafür, warum der Schiedsrichter-Assistent den Ball im Tor gesehen hat. (lacht) Die TV-Bilder haben ja später auch gezeigt, dass die Entscheidung richtig war. Damit hat die Eckenvariante zwischen Aaron Opoku und mir schon zum zweiten Mal in einem Spiel gegen Berlin geklappt. Aber auch sonst sorgen wir so für Unruhe und Gefahr beim Gegner.

DFB.de: Es war bereits das zweite 3:1 hintereinander. Ist der Mannschaft damit die richtige Reaktion auf den 0:1-Rückschlag gegen den 1. FC Kaiserslautern gelungen?

Köhler: Die Niederlage gegen unseren direkten Konkurrenten aus Kaiserslautern war sehr bitter. Mit der bis dahin ersten richtigen Torchance war der FCK im zweiten Durchgang in Führung gegangen. Dabei waren wir eigentlich klar besser. Ich hätte zum Beispiel auch schon in diesem Spiel treffen können. Dass wir in den Spielen danach direkt wieder in die Spur gefunden haben, spricht für unsere Entwicklung.

DFB.de: 22 Punkte aus den bisherigen elf Spielen im Jahr 2022 bedeuten in der 3. Liga hinter dem 1. FC Kaiserslautern die zweitbeste Ausbeute, gleichauf mit Spitzenreiter 1. FC Magdeburg. Gab es aus Ihrer Sicht einen Schlüsselmoment?

Köhler: Das Vorbereitungsspiel gegen Holstein Kiel zu Beginn des Jahres könnte durchaus ein solcher Punkt gewesen sein. Die Partie ging über insgesamt 135 Minuten. Am Ende waren wir zwar 2:3 unterlegen. Nach 90 Minuten lagen wir aber 2:1 vorne. Dabei haben beide Teams in einer Besetzung gespielt, die jeweils auch in Pflichtspielen hätte auflaufen können. Zu sehen, dass wir gegen einen Zweitligisten so gut mithalten können, hat uns Selbstvertrauen gegeben. Und mit dem 2:1 gegen den 1. FC Saarbrücken sind wir dann ja auch direkt erfolgreich in den Ligabetrieb gestartet.

DFB.de: Der Rückstand auf den Relegationsplatz beträgt vier Punkte. Wie schätzen Sie die Chancen auf die direkte Rückkehr in die 2. Bundesliga mit dem VfL Osnabrück ein?

Köhler: Aktuell sind wir als Tabellensechster noch eher in einer Außenseiterrolle, aber die Chance ist definitiv da. In den acht noch verbleibenden Spielen kann eine Menge passieren. Wenn es uns gelingt, unseren Zwei-Punkte-Schnitt bis zum Saisonende beizubehalten, können wir bis zum Ende ein Wörtchen mitreden.

DFB.de: Im Nachwuchsbereich waren Sie für Borussia Dortmund und den VfL Bochum am Ball. Beim FC Schalke 04 wurden Sie an der Seite der heutigen Nationalspieler Leroy Sané und Thilo Kehrer Deutscher A-Junioren-Meister. Welche Erinnerungen haben Sie daran?

Köhler: Das war ein überragendes Jahr. Aus der Mannschaft von damals könnte man auch heute noch ein sehr vielversprechendes Team zusammenstellen. Fabian Reese und Phil Neumann sind Stammspieler in der 2. Bundesliga bei Holstein Kiel. Felix Platte kommt beim SC Paderborn 07 zu zahlreichen Einsätzen. Felix Schröter ist mittlerweile in Norwegen am Ball und Jacob Rasmussen hat schon in Italien und den Niederlanden in der höchsten Spielklasse gespielt. Leroy Sané und Thilo Kehrer ragen da als aktuelle Nationalspieler aber natürlich noch ein Stück heraus. Der Weg, den beide hingelegt haben, ist beeindruckend. Und es freut mich, ein Teil dieses Teams gewesen zu sein. Mit Hendrik Lohmar, der beim SC Wiedenbrück in der Regionalliga West unter Vertrag steht, bin ich noch eng befreundet. Und ich freue mich schon auf das Wiedersehen mit Maurice Multhaup in unserem Nachholspiel gegen Eintracht Braunschweig am Samstag.

DFB.de: Im Sommer 2015 durften Sie als 18-Jähriger auch mit den Schalker Profis ins Trainingslager. Wie war das für Sie, mit den Stars auf dem Platz zu stehen?

Köhler: Rückblickend Fluch und Segen zugleich. Die Qualität in der Mannschaft war damals enorm: Leon Goretzka, Julian Draxler, Sead Kolasinac, Klaas-Jan Huntelaar, dazu auch Leroy und Thilo. Plötzlich war auch ich mittendrin und gefühlt sportlich auch ganz nah dran. Vor allem Leon Goretzka, der damals ja auch noch sehr jung war, hat sich viel mit uns A-Jugendlichen auseinandergesetzt, viel von uns gefordert, uns aber auch gelobt. Vom Kopf her war ich für das Training mit den Profis aber letztendlich noch nicht bereit. Ich bin damit falsch umgegangen.

DFB.de: Wie meinen Sie das?

Köhler: Nach der Vorbereitung sollte ich wieder für die U 23 in der Regionalliga West spielen. Wieder für die zweite Mannschaft aufzulaufen, hatte ich - fälschlicherweise - als Rückschritt angesehen, anstatt es als Möglichkeit zu begreifen, mich mit regelmäßiger Wettkampfpraxis weiterzuentwickeln und durch gute Leistungen wieder anzubieten. Dann kam noch eine Auswechslung in der ersten Halbzeit dazu. Sich dann einzugestehen, dass das eben nicht nur die Schuld von anderen ist, hat etwas gedauert. Ich bin in ein Loch gefallen, war fußballerisch an einem Tiefpunkt.

DFB.de: War der Wechsel zum damals fünftklassigen SV Lippstadt 08 der Wendepunkt?

Köhler: Voll und ganz. Ich hatte zu dem Zeitpunkt zu vielleicht noch einem Prozent daran geglaubt, es in den Profifußball zu schaffen. Ich wollte wieder festen Boden unter meinen Füßen und einfach wieder Spaß am Fußball haben. Die beste Chance dazu hatte ich beim SV Lippstadt 08 gesehen, dem größten Verein in meiner Heimatregion. Ich war wieder näher bei meiner Familie und habe sogar mit meinem älteren Bruder Nils in einer Mannschaft gespielt, was wir uns zuvor nie erträumt hätten. Dadurch sind wir noch enger zusammengerückt. Der Verein hat mir neben dem Fußball auch die Aussicht auf eine Ausbildung zum Industriekaufmann gegeben. Sportlich lief es vom ersten Moment an super. Mit Daniel Berlinski hatte ich einen Trainer, der in kurzer Zeit nicht nur mich, sondern die komplette Mannschaft unfassbar weiterentwickelt hat. Auch nach dem Aufstieg in die Regionalliga West lief es nicht schlecht. Im Winter 2019 hatten sich dann die ersten Vereine gemeldet, die Interesse an mir hatten. Anschließend wurde es gefühlt von Woche zu Woche mehr. Das war für mich das Zeichen: Die Tür zum Profifußball ist doch noch nicht zu.

DFB.de: Hat sich Ihr Blickwinkel auf den Fußball durch Ihre Erfahrungen verändert?

Köhler: Ja, vor allem meine eigene Wertschätzung gegenüber dem Fußball. Ich erinnere mich bewusst vor jedem Spiel an meinen schwierigen Weg bis zu diesem Punkt. Das hilft mir, meine Leistung abzurufen und die Spiele auch zu genießen. Durch meine Erfahrung beim FC Schalke 04 hatte ich mich auch dazu entschieden, mich nach eineinhalb Jahren in Osnabrück an einen anderen Verein ausleihen zu lassen, um wieder mehr Spielpraxis zu sammeln. Ich wollte mein Schicksal selbst in die Hand nehmen. Ich bin dem VfL und dem SC Verl sehr dankbar, dass die Leihe in der zurückliegenden Saison funktioniert hatte. Auch wenn es nur ein halbes Jahr war: Der Schritt war goldrichtig. Ich weiß schon jetzt, dass ich - in welcher genauen Funktion auch immer - nach meiner aktiven Karriere beim Fußball bleiben und an der Schnittstelle zwischen der U 19 und dem Seniorenfußball arbeiten will. Ich will jungen Spielern mit meiner Erfahrung helfen, dass auch nach Fehlern und dummen Sprüchen die Profikarriere noch möglich ist.

DFB.de: Während sich alle anderen Drittligisten in der Länderspielpause befinden, steht für den VfL das brisante Nachholspiel gegen den niedersächsischen Rivalen und direkten Konkurrenten Eintracht Braunschweig an. Wie schätzen Sie die Aufgabe ein?

Köhler: Wir treffen auf einen Gegner, der nach dem 1:0-Auswärtssieg bei der U 23 von Borussia Dortmund noch etwas besser im Aufstiegsrennen liegt. Die Mannschaft wirkt auf mich sehr stabil. Wir bekommen es mit einem Gegner zu tun, der über ein hohes Tempo im Umschaltspiel und mit Lion Lauberbach über einen starken Mittelstürmer verfügt. Mit Bryan Henning lauert dahinter noch ein guter Zehner. Und das sage ich nicht nur, weil ich mit ihm gut befreundet bin. (lacht) Uns erwartet eine hohe Hürde.

DFB.de: Was wird für Ihr Team wichtig sein?

Köhler: Wir wollen den Heimspielfaktor nutzen. Die Bremer Brücke wird vermutlich voll werden, mit einer engagierten Leistung können wir die Fans vom ersten Moment an mitnehmen. Nach den zurückliegenden Ergebnissen haben wir jeden Grund, mit Selbstvertrauen in die Aktionen zu gehen. Dazu gehört auch, den Gegner mit einer großen Überzeugung schon früh unter Druck zu setzen.

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