Olympia-Historie der DDR: Vier Teilnahmen, vier Medaillen

Der Start ins Olympische Fußballturnier 2021 steht kurz bevor. Zeit für DFB.de, auf vergangene Teilnahmen zurückzuschauen. In Teil drei der Olympiaserie: Die Bilanz der DDR von zweimal Bronze, einmal Silber und Olympia-Gold 1976 in Montreal.

Die Olympiabilanz der DDR-Fußballer ist weit besser als die des Westens. Von allen vier Spielen brachten sie Medaillen mit, doppelt so viele wie die BRD-Kicker. Dabei war es ein Start mit Hindernissen. Bis 1964 erlaubte das IOC nur eine gesamtdeutsche Mannschaft, was dazu führte, dass auf Beharren der DDR interne Ausscheidungsspiele stattfinden sollten. Es waren quasi die ersten Länderspiele zwischen Ost und West. 1952 gab es in den Debatten der beiden NOK’s noch keine Einigung über das Prozedere. Da die DDR zudem keine A-Nationalmannschaft hatte, fuhr Deutschland eben nur mit West-Spielern nach Helsinki. So war es auch 1956 in Melbourne, weil die DDR die angesetzten Termine für die Ausscheidungsspiele platzen ließ. Vor Rom 1960 fanden sie endlich statt.

Es waren zwei Stücke aus dem Kuriositätenkabinett des Fußballs, die es aber beide nicht in die offiziellen Statistiken der Verbände schafften. Gegeben hat es sie dennoch. Bundestrainer Sepp Herberger wollte wie schon zuvor eine Auswahl aus beiden Staaten, die DDR nur das nicht. So vereinbarte man nach fünf Verhandlungsrunden auf der Wartburg in Eisenach zwei Qualifikationsspiele zwischen den Staatsamateuren der DDR, quasi die Nationalelf, und der westdeutschen Amateurnationalmannschaft. Profis waren bei Olympia verboten und die gab es ja im Westen, wenn die Vertragsspieler um Fritz Walter auch nur bis zu 320 Mark im Monat verdienten. Für das IOC war das zu viel. Die DDR war also im Vorteil und Herberger fürchtete eine Blamage. Damit diese nicht noch zu Propagandazwecken genutzt würde, setzte der DFB bei den Verhandlungen zwei Geisterspiele durch. Die Orte Ost-Berlin und Düsseldorf durften nicht publiziert werden. Dann kickten sie. Ohne Zuschauer, nur eine Handvoll Journalisten, die erst am Spieltag den Austragungsort erfuhren. Zur allgemeinen Überraschung gewann der Westen beide Spiele (2:1 und 2:0), schaffte es aber doch nicht nach Rom, weil er an Finnlands Amateuren scheiterte. Viel Wind um nichts.

So ein Geheimtreffen gab es nie mehr und als sich vor Tokio 1964 die gleiche Problematik stellte, wurden Zuschauer erlaubt. Und sie strömten: 50.000 sahen im September 1963 in Karl-Marx-Stadt ein 3:0 des Ostens, der sich vor 15.000 in Hannover eine 1:2-Niederlage leisten konnte. Schon kurios, denn diesmal durfte auch die DDR nicht mit der A-Elf spielen. Das Duell fiel in eine besonders angespannte Phase im deutsch-deutschen Klima. Als die DDR im August 1961 in Berlin die Mauer hochzog, boykottierte der westdeutsche DSB den Sportverkehr, bis 1965 durfte keiner mit den Brüdern und Schwestern aus dem Osten Sport treiben.

Olympia-Debüt der DDR

Auch bei Olympia ging die DDR dem kapitalistischen Westen aus dem Weg. Die Lose wollten es 1964 so. In der Vorrunde gab es zwei Siege in Yokohama (4:0 gegen den Iran, 2:0 gegen Mexiko) und ein 1:1 in Tokio gegen Rumänien. Damit hatte die Mannschaft von Karoly Soos das Viertelfinale erreicht, wo sie auf die hoch gewetteten Jugoslawen trafen. Die wurden blitzartig überrascht durch ein Tor des Leipzigers Henning Frenzel gleich in der 1. Minute. Es blieb das einzige des Nachmittags (Anstoß: 14 Uhr) und so kamen sie ins Halbfinale, wo der nächste sozialistische Bruderstaat wartete.

Auch gegen die CSSR gingen sie in Führung, durch Jürgen Nöldner (25.), doch diesmal reichte sie nicht. Kurz nach der Pause und unmittelbar vor dem Abpfiff kamen die Tschechen zu ihren Toren und der Gold-Traum war geplatzt. Immerhin hatten sie eine gute Entschuldigung: Kapitän Klaus Urbanczyk war nach einem Zusammenprall mit Torwart Jürgen Heinsch schon nach 30 Minuten mit verletztem Knie ausgeschieden. Wechsel waren nicht erlaubt, in Unterzahl bekamen sie die Tore.

Der Ausfall von Urbanczyk ergab noch eine ganz besondere Geschichte. Vor dem Spiel um Platz 3 ordnete Trainer Soos an, dass Urbanczyk im Siegfalle eine Medaille bekommen und deshalb ein anderer verzichten müsse, denn es gab damals nur elf Medaillen. Soos: "Wenn der Mannschaft das nicht passt, dann spielen wir eben mit zehn Mann." Der für den Kapitän in die Elf gerückte Peter Rock aus Jena fügte sich und so bekam Urbanczyk nach dem 3:1 über Ägypten als erster deutscher Fußballer eine Olympia-Medaille, denn auf dem Siegerpodium durfte er stehen. Das NOK der DDR sorgte indes dafür, dass alle Reservisten auch eine Replik bekamen. Immerhin.

Rock wurde danach für seine Selbstlosigkeit gepriesen und trat im Staatsfernsehen auf, dabei hatte er gar keine andere Wahl gehabt als zu verzichten. Das aber kam erst viel später raus und nach der Wende gab er zu, dass er "so etwas wie Ungerechtigkeit" verspürt habe.

Erstes offizielles Länderspiel zwischen DDR und BRD

Nach Mexiko schaffte es die DDR 1968 nicht, trotz glatter Siege gegen Griechenland (zweimal 5:0) und Rumänien (zweimal 1:0). Die Hürde Bulgarien war zu hoch (3:2 und 1:4).

Aber 1972 in München waren sie wieder dabei, nun erstmals unter Trainer Georg Buschner. In Gruppe D gab es Kantersiege gegen Ghana (4:0) und Kolumbien (6:1) und ein 1:2 gegen Polens Nationalmannschaft. Dass sich die beiden Ostblock-Teams in der Vorrunde durchsetzten, verwunderte nicht. Weiterhin spielten Profis gegen Amateure, bloß dass sich die Profis nicht so nannten. Sie waren alle Staatsamateure, offiziell in Betrieben oder beim Militär beschäftigt, wo sie in der Regel nur sporadisch ihren Dienst versahen.

In der erstmals bei Olympia ausgetragenen Zwischenrunde kam es zum brisanten ersten offiziellen Länderspiel mit der BRD. Zuvor mussten beide Teams noch zweimal antreten. Der Westen verlor 1:4 gegen Ungarn, der Osten 0:2. Damit war Gold schon weg und weil die BRD auch gegen Mexiko patzte (1:1), während die DDR diesen Gegner 7:0 abfertigte, reichte ihr ein Punkt fürs Halbfinale. Beeindruckt hatte sie die West-Presse dennoch nicht sonderlich, selbst nach dem Schützenfest gegen Mexiko, das in Ingolstadt stattfand, stand im kicker: "Sie schoss schöne Tore, zeigte aber kein schönes Spiel." Wohl erstmals fiel den westlichen Beobachtern damals der Name Jürgen Sparwasser auf, der Magdeburger erzielte drei Tore.

Olympia-Attentat überschattet Ländervergleich 

Unmittelbar vor dem Showdown mit Jupp Derwalls mit Bundesligaspielern verstärkten West-Amateuren wurden die DDR-Spieler Zeugen der großen Tragödie von München. Am Morgen des 5. September drangen palästinensische Terroristen in Hotelzimmer israelischer Sportler ein, ermordeten zwei von ihnen und nahmen neun Geiseln. Es kam zu Verhandlungen mit der Bundesregierung, Innenminister Hans-Dietrich Genscher stand im Hof und sprach mit den Terroristen, die Gefangene freipressen wollten. Schräg gegenüber wohnte die DDR-Auswahl und Hans-Jürgen Kreische zückte seine Kamera. In 11 Freunde erzählte er 2016 von den dramatischen Momenten: "Wir wohnten in einem oberen Stockwerk direkt gegenüber der Israelis, Luftlinie 40 Meter. Dann kam es zur Geiselnahme, morgens um fünf. Während sich auf den umliegenden Gebäuden Scharfschützen postierten, sollten wir auf den Zimmern ausharren. In dieser angespannten Situation fiel mir meine Kamera ein. Mit ihr kroch ich zum Balkon und habe durch einen Spalt zwischen den Blumentöpfen die Leute fotografiert, die unten vor dem Flachbau miteinander verhandelten. Eigentlich war es sehr riskant, aber in dem Moment habe ich mir nichts dabei gedacht. Ich fotografierte einen vermummten Palästinenser mit einer Maschinenpistole im Anschlag."

Dann gaben ihm die Sicherheitskräfte eindeutige Zeichen in Deckung zu gehen. Das Drama endete bekanntlich noch blutiger, die Geiselbefreiung misslang und elf Tote waren zu beklagen. Die Spiele aber, sagte der IOC-Präsident, mussten weitergehen. Ein Schatten lag über dem Fortgang der Spiele, auch über dem deutsch-deutschen Duell. Dennoch war das Olympiastadion am 7. September ausverkauft. 80.000 sahen ein gutes Spiel, für Derwall war es "unser bestes". Verloren wurde es dennoch, weil die DDR laut kicker "mannschaftlich geschlossener, körperlich stabiler" wäre und "mit Jürgen Croy einen der besten Torhüter Europas" besäße. Dreimal ging der Osten in Führung - durch Jürgen Pommerenke (12.), Joachim Streich (53.) und Joker Eberhard "Matz" Vogel (83.), der als Einziger schon in Tokio dabei gewesen war. Nur zweimal hatte der Westen eine Antwort: Europameister Uli Hoeneß (31.) und der kommende Welttrainer Ottmar Hitzfeld (62.) überwanden Croy. Im DFB-Tor aber stand ein gewisser Hans-Jürgen Bradler vom VfL Bochum. Die DDR sonnte sich angesichts der ungleichen Kräfteverhältnisse nicht lange in ihrem Erfolg. Trainer Buschner sagte bescheiden: "Wir sind nicht nach München gekommen, um eine Medaille zu holen, sondern hauptsächlich zur Vorbereitung auf die WM 74." An der würden zehn der Olympioniken teilnehmen, auf BRD-Seite nur Uli Hoeneß.

Die nicht angestrebte Medaille brachte die DDR doch mit nach Hause, auf kuriose Weise. Im Spiel um Platz 3 traf sie auf den großen Bruder Sowjetunion mit dem kommenden Weltstar Oleg Blochin. Die Russen zogen schnell auf 2:0 davon, ehe Kreische per Handelfmeter verkürzte. Nach der Pause stach wie schon gegen die BRD Joker "Matz" Vogel, nur zwei Minuten nach seiner Einwechslung. Weil auch in der Verlängerung keine Tore mehr fielen, bekamen einfach beide Teams die Bronzemedaille, Vogel schon zum zweiten Mal.

DDR holt Olympia-Gold

Es sollte noch besser werden, der Höhepunkt kam 1976 in Montreal. Trainer Buschner war noch immer zuständig, mit Bernd Bransch, Jürgen Croy, Reinhard Häfner, Lothar Kurbjuweit und Konrad "Conny" Weise hatte er fünf München-Fahrer mit an Bord.

Insgesamt 17 Spieler vertraten die DDR in Kanada. Nach dem Auftaktspiel von Toronto, einem 0:0 gegen Brasilien, war dicke Luft. Der Sportbundpräsident der DDR, Manfred Ewald, verriet mangelnden Sachverstand, als er das Remis gegen "ein fußballerisches Entwicklungsland" beklagte und glatt mit Abreise drohte. Doch die halbe Vorrunde war schon geschafft, da Nigeria das Turnier boykottierte, ging es in Montreal nur noch gegen Spanien. Ein Tor des Dresdners Dixie Dörner bahnte den Weg ins Viertelfinale, in das in der olympischen Geschichte nicht viele Teams mit 1:0 Toren gekommen sind. Drei Tage später steigerten sie in Ottawa die Torproduktion und schlugen Frankreich deutlich. Zum 4:0 steuerte Dörner nun zwei Tore bei, ferner trafen der Leipziger Wolfram Löwe und Dynamo Berlins Hans-Jürgen Riediger. Im Halbfinale wartete wieder die UdSSR, vor 50.000 Zuschauern gewannen sie auch dieses Spiel (2:1).  Ein Doppelschlag sorgte für die Vorentscheidung, Dörners Elfmeter (61.) ließ Kurbjuweit aus Jena das 2:0 (65.) folgen. Die Russen kamen per Elfmeter nur noch zum Ehrentor und mussten sich schon zum zweiten Mal in Folge über den renitenten kleinen Bruderstaat ärgern.

Am 31. Juli stieg das große Finale gegen Polen, das als Favorit galt. Spielte es doch noch mit fast allen WM-Stars von 1974, als die Elf um Lato, Deyna und Szarmach Platz drei belegt hatte. Aber auch bei Olympia ist der Ball rund und er rollte in Richtung der Deutschen. Auch weil Weltklassemann Jan Tomaszewski mit Fieber im Tor stand und entsprechend parierte, hieß es schon nach 14 Minuten 2:0. Hartmut Schade traf per Freistoß, Martin Hoffmann verwertete eine Vorlage von Häfner. Tomaszewski ließ sich auswechseln, um seinem Team nicht weiter zu schaden. "Danach lief eigentlich alles recht locker. Wir bekamen nie das Gefühl, dass noch irgendetwas schief gehen konnte", erzählte Konny Weise später der Fußball Woche. Selbst als WM-Torschützenkönig Grzegorz Lato verkürzte (60.), taumelte die DDR nicht. Häfners Solo ließ sie alle jubeln, es brachte die Entscheidung und Buschner konnte durchwechseln, schickte Bernd Bransch aus Halle in die Partie. Der war 32 und über den Zenit hinaus, aber immer noch wertvoll fürs Team. Das demonstrierte ihm Buschner - aus Verbundenheit für seine langjährigen Dienste. Da Buschner damit alle 17 Spieler eingesetzt hatte, durften sich auch alle als Olympiasieger fühlen. Es war der größte Erfolg für den DDR-Fußball und blieb der einzige Titel für die Nationalmannschaft, deren Olympia-Spiele nach einem FIFA-Beschluss von 1999 nicht in die offiziellen Statistiken eingingen.

Unerwartet ins Olympia-Finale

Einmal flogen sie noch nach Olympia. 1980 wurden die Spiele nach Moskau vergeben, der Westen boykottierte sie wegen der sowjetischen Intervention in Afghanistan. Das erhöhte die Siegchancen des automatisch qualifizierten Titelverteidigers, entwertete jedoch den Wettbewerb - wie in allen Sportarten.

Die DDR bildete für die Spiele 1980 erstmals eine reine Olympiamannschaft, die in Dr. Rudolf Krause einen eigenen Trainer bekam. Georg Buschner sollte sich auf die EM-Teilnahme in Italien konzentrieren. Entsprechend wurden kaum Nationalspieler für Moskau nominiert, der 17-köpfige Kader kam auf insgesamt 60 Länderspiele. An den ehrgeizigen Zielen änderte das wenig. Die Vorrunde in Kiew wurde ungeschlagen überstanden, die Gegner wurden immer leichter, die Ergebnisse immer besser: Mit einem 1:1 gegen Spanien, einem 1:0 gegen Algerien und einem 5:0 gegen Syrien wurde das Viertelfinale erreicht. Auch dafür musste man Kiew nicht verlassen, erst nach dem 4:0 gegen den Irak ging es in die Olympiastadt. Zum dritten Mal in Folge trafen sie auf die UdSSR, nun in deren Hauptstadt. Unter den 95.000 Zuschauern waren 5000 Schlachtenbummler aus Deutschland und so ähnlich schätzte man auch die Kräfteverhältnisse ein. Irrtum! Wolf-Rüdiger Netz brachte mit seinem bereits vierten Olympia-Tor die Massen zum Schweigen, die frühe Führung (16. Minute) brachten die Deutschen über die Zeit. Das Pfeifkonzert, das nach Abpfiff gegeben wurde, durften sie als Anerkennung werten.

Dr. Krause freute sich ungemein, "den heißen Goldfavoriten" geschlagen zu haben und gestand: "Meine Mannschaft hat mehr erbracht als ich von ihr erwartet habe." Nun aber wurde die Goldmedaille erwartet. Die DDR zog am 2. August 1980 als Favorit in ihr zweites Olympia-Finale. Dort warteten die Tschechen, die mit sieben EM-Teilnehmern angetreten waren. 95.000 Zuschauer füllten die Ränge des letzten Fußballspiels einer DDR-Elf bei Olympia, was damals natürlich keiner wusste. Es endete mit einer leichten Enttäuschung, die Tschechen gewannen mit 1:0. Als das Tor des Tages nach einem Fehler von Keeper Bodo Rudwaleit durch Svoboda fiel (77.), waren nur noch 20 Spieler auf dem Platz. Der Magdeburger Lothar Steinbach, bis dahin überragend, und sein Gegenspieler Jan Berger waren nach 58 Minuten wegen einer Rangelei des Feldes verwiesen worden. Ein etwas unschöner Ausklang eines Kapitels deutscher Sportgeschichte, die nicht mehr fortgeschrieben werden kann. Auch die Siegerehrung im Dauerregen von Moskau war nicht sonderlich erhebend, pfiffen die Russen doch ihr Team, das am Vortag Bronze holte, gellend aus - was umso peinlicher war, als jeder Spieler einzeln aufgerufen wurde.

Das galt auch für die 17 Silbermedaillengewinner aus Deutschland, die diesen Glanzmoment ihrer Karriere indes nicht missen möchten. Die kleine DDR bei Olympia - das war eine bemerkenswert erfolgreiche Geschichte unter besonderen Umständen. Gerade im Fußball.

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Der Start ins Olympische Fußballturnier 2021 steht kurz bevor. Zeit für DFB.de, auf vergangene Teilnahmen zurückzuschauen. In Teil drei der Olympiaserie: Die Bilanz der DDR von zweimal Bronze, einmal Silber und Olympia-Gold 1976 in Montreal.

Die Olympiabilanz der DDR-Fußballer ist weit besser als die des Westens. Von allen vier Spielen brachten sie Medaillen mit, doppelt so viele wie die BRD-Kicker. Dabei war es ein Start mit Hindernissen. Bis 1964 erlaubte das IOC nur eine gesamtdeutsche Mannschaft, was dazu führte, dass auf Beharren der DDR interne Ausscheidungsspiele stattfinden sollten. Es waren quasi die ersten Länderspiele zwischen Ost und West. 1952 gab es in den Debatten der beiden NOK’s noch keine Einigung über das Prozedere. Da die DDR zudem keine A-Nationalmannschaft hatte, fuhr Deutschland eben nur mit West-Spielern nach Helsinki. So war es auch 1956 in Melbourne, weil die DDR die angesetzten Termine für die Ausscheidungsspiele platzen ließ. Vor Rom 1960 fanden sie endlich statt.

Es waren zwei Stücke aus dem Kuriositätenkabinett des Fußballs, die es aber beide nicht in die offiziellen Statistiken der Verbände schafften. Gegeben hat es sie dennoch. Bundestrainer Sepp Herberger wollte wie schon zuvor eine Auswahl aus beiden Staaten, die DDR nur das nicht. So vereinbarte man nach fünf Verhandlungsrunden auf der Wartburg in Eisenach zwei Qualifikationsspiele zwischen den Staatsamateuren der DDR, quasi die Nationalelf, und der westdeutschen Amateurnationalmannschaft. Profis waren bei Olympia verboten und die gab es ja im Westen, wenn die Vertragsspieler um Fritz Walter auch nur bis zu 320 Mark im Monat verdienten. Für das IOC war das zu viel. Die DDR war also im Vorteil und Herberger fürchtete eine Blamage. Damit diese nicht noch zu Propagandazwecken genutzt würde, setzte der DFB bei den Verhandlungen zwei Geisterspiele durch. Die Orte Ost-Berlin und Düsseldorf durften nicht publiziert werden. Dann kickten sie. Ohne Zuschauer, nur eine Handvoll Journalisten, die erst am Spieltag den Austragungsort erfuhren. Zur allgemeinen Überraschung gewann der Westen beide Spiele (2:1 und 2:0), schaffte es aber doch nicht nach Rom, weil er an Finnlands Amateuren scheiterte. Viel Wind um nichts.

So ein Geheimtreffen gab es nie mehr und als sich vor Tokio 1964 die gleiche Problematik stellte, wurden Zuschauer erlaubt. Und sie strömten: 50.000 sahen im September 1963 in Karl-Marx-Stadt ein 3:0 des Ostens, der sich vor 15.000 in Hannover eine 1:2-Niederlage leisten konnte. Schon kurios, denn diesmal durfte auch die DDR nicht mit der A-Elf spielen. Das Duell fiel in eine besonders angespannte Phase im deutsch-deutschen Klima. Als die DDR im August 1961 in Berlin die Mauer hochzog, boykottierte der westdeutsche DSB den Sportverkehr, bis 1965 durfte keiner mit den Brüdern und Schwestern aus dem Osten Sport treiben.

Olympia-Debüt der DDR

Auch bei Olympia ging die DDR dem kapitalistischen Westen aus dem Weg. Die Lose wollten es 1964 so. In der Vorrunde gab es zwei Siege in Yokohama (4:0 gegen den Iran, 2:0 gegen Mexiko) und ein 1:1 in Tokio gegen Rumänien. Damit hatte die Mannschaft von Karoly Soos das Viertelfinale erreicht, wo sie auf die hoch gewetteten Jugoslawen trafen. Die wurden blitzartig überrascht durch ein Tor des Leipzigers Henning Frenzel gleich in der 1. Minute. Es blieb das einzige des Nachmittags (Anstoß: 14 Uhr) und so kamen sie ins Halbfinale, wo der nächste sozialistische Bruderstaat wartete.

Auch gegen die CSSR gingen sie in Führung, durch Jürgen Nöldner (25.), doch diesmal reichte sie nicht. Kurz nach der Pause und unmittelbar vor dem Abpfiff kamen die Tschechen zu ihren Toren und der Gold-Traum war geplatzt. Immerhin hatten sie eine gute Entschuldigung: Kapitän Klaus Urbanczyk war nach einem Zusammenprall mit Torwart Jürgen Heinsch schon nach 30 Minuten mit verletztem Knie ausgeschieden. Wechsel waren nicht erlaubt, in Unterzahl bekamen sie die Tore.

Der Ausfall von Urbanczyk ergab noch eine ganz besondere Geschichte. Vor dem Spiel um Platz 3 ordnete Trainer Soos an, dass Urbanczyk im Siegfalle eine Medaille bekommen und deshalb ein anderer verzichten müsse, denn es gab damals nur elf Medaillen. Soos: "Wenn der Mannschaft das nicht passt, dann spielen wir eben mit zehn Mann." Der für den Kapitän in die Elf gerückte Peter Rock aus Jena fügte sich und so bekam Urbanczyk nach dem 3:1 über Ägypten als erster deutscher Fußballer eine Olympia-Medaille, denn auf dem Siegerpodium durfte er stehen. Das NOK der DDR sorgte indes dafür, dass alle Reservisten auch eine Replik bekamen. Immerhin.

Rock wurde danach für seine Selbstlosigkeit gepriesen und trat im Staatsfernsehen auf, dabei hatte er gar keine andere Wahl gehabt als zu verzichten. Das aber kam erst viel später raus und nach der Wende gab er zu, dass er "so etwas wie Ungerechtigkeit" verspürt habe.

Erstes offizielles Länderspiel zwischen DDR und BRD

Nach Mexiko schaffte es die DDR 1968 nicht, trotz glatter Siege gegen Griechenland (zweimal 5:0) und Rumänien (zweimal 1:0). Die Hürde Bulgarien war zu hoch (3:2 und 1:4).

Aber 1972 in München waren sie wieder dabei, nun erstmals unter Trainer Georg Buschner. In Gruppe D gab es Kantersiege gegen Ghana (4:0) und Kolumbien (6:1) und ein 1:2 gegen Polens Nationalmannschaft. Dass sich die beiden Ostblock-Teams in der Vorrunde durchsetzten, verwunderte nicht. Weiterhin spielten Profis gegen Amateure, bloß dass sich die Profis nicht so nannten. Sie waren alle Staatsamateure, offiziell in Betrieben oder beim Militär beschäftigt, wo sie in der Regel nur sporadisch ihren Dienst versahen.

In der erstmals bei Olympia ausgetragenen Zwischenrunde kam es zum brisanten ersten offiziellen Länderspiel mit der BRD. Zuvor mussten beide Teams noch zweimal antreten. Der Westen verlor 1:4 gegen Ungarn, der Osten 0:2. Damit war Gold schon weg und weil die BRD auch gegen Mexiko patzte (1:1), während die DDR diesen Gegner 7:0 abfertigte, reichte ihr ein Punkt fürs Halbfinale. Beeindruckt hatte sie die West-Presse dennoch nicht sonderlich, selbst nach dem Schützenfest gegen Mexiko, das in Ingolstadt stattfand, stand im kicker: "Sie schoss schöne Tore, zeigte aber kein schönes Spiel." Wohl erstmals fiel den westlichen Beobachtern damals der Name Jürgen Sparwasser auf, der Magdeburger erzielte drei Tore.

Olympia-Attentat überschattet Ländervergleich 

Unmittelbar vor dem Showdown mit Jupp Derwalls mit Bundesligaspielern verstärkten West-Amateuren wurden die DDR-Spieler Zeugen der großen Tragödie von München. Am Morgen des 5. September drangen palästinensische Terroristen in Hotelzimmer israelischer Sportler ein, ermordeten zwei von ihnen und nahmen neun Geiseln. Es kam zu Verhandlungen mit der Bundesregierung, Innenminister Hans-Dietrich Genscher stand im Hof und sprach mit den Terroristen, die Gefangene freipressen wollten. Schräg gegenüber wohnte die DDR-Auswahl und Hans-Jürgen Kreische zückte seine Kamera. In 11 Freunde erzählte er 2016 von den dramatischen Momenten: "Wir wohnten in einem oberen Stockwerk direkt gegenüber der Israelis, Luftlinie 40 Meter. Dann kam es zur Geiselnahme, morgens um fünf. Während sich auf den umliegenden Gebäuden Scharfschützen postierten, sollten wir auf den Zimmern ausharren. In dieser angespannten Situation fiel mir meine Kamera ein. Mit ihr kroch ich zum Balkon und habe durch einen Spalt zwischen den Blumentöpfen die Leute fotografiert, die unten vor dem Flachbau miteinander verhandelten. Eigentlich war es sehr riskant, aber in dem Moment habe ich mir nichts dabei gedacht. Ich fotografierte einen vermummten Palästinenser mit einer Maschinenpistole im Anschlag."

Dann gaben ihm die Sicherheitskräfte eindeutige Zeichen in Deckung zu gehen. Das Drama endete bekanntlich noch blutiger, die Geiselbefreiung misslang und elf Tote waren zu beklagen. Die Spiele aber, sagte der IOC-Präsident, mussten weitergehen. Ein Schatten lag über dem Fortgang der Spiele, auch über dem deutsch-deutschen Duell. Dennoch war das Olympiastadion am 7. September ausverkauft. 80.000 sahen ein gutes Spiel, für Derwall war es "unser bestes". Verloren wurde es dennoch, weil die DDR laut kicker "mannschaftlich geschlossener, körperlich stabiler" wäre und "mit Jürgen Croy einen der besten Torhüter Europas" besäße. Dreimal ging der Osten in Führung - durch Jürgen Pommerenke (12.), Joachim Streich (53.) und Joker Eberhard "Matz" Vogel (83.), der als Einziger schon in Tokio dabei gewesen war. Nur zweimal hatte der Westen eine Antwort: Europameister Uli Hoeneß (31.) und der kommende Welttrainer Ottmar Hitzfeld (62.) überwanden Croy. Im DFB-Tor aber stand ein gewisser Hans-Jürgen Bradler vom VfL Bochum. Die DDR sonnte sich angesichts der ungleichen Kräfteverhältnisse nicht lange in ihrem Erfolg. Trainer Buschner sagte bescheiden: "Wir sind nicht nach München gekommen, um eine Medaille zu holen, sondern hauptsächlich zur Vorbereitung auf die WM 74." An der würden zehn der Olympioniken teilnehmen, auf BRD-Seite nur Uli Hoeneß.

Die nicht angestrebte Medaille brachte die DDR doch mit nach Hause, auf kuriose Weise. Im Spiel um Platz 3 traf sie auf den großen Bruder Sowjetunion mit dem kommenden Weltstar Oleg Blochin. Die Russen zogen schnell auf 2:0 davon, ehe Kreische per Handelfmeter verkürzte. Nach der Pause stach wie schon gegen die BRD Joker "Matz" Vogel, nur zwei Minuten nach seiner Einwechslung. Weil auch in der Verlängerung keine Tore mehr fielen, bekamen einfach beide Teams die Bronzemedaille, Vogel schon zum zweiten Mal.

DDR holt Olympia-Gold

Es sollte noch besser werden, der Höhepunkt kam 1976 in Montreal. Trainer Buschner war noch immer zuständig, mit Bernd Bransch, Jürgen Croy, Reinhard Häfner, Lothar Kurbjuweit und Konrad "Conny" Weise hatte er fünf München-Fahrer mit an Bord.

Insgesamt 17 Spieler vertraten die DDR in Kanada. Nach dem Auftaktspiel von Toronto, einem 0:0 gegen Brasilien, war dicke Luft. Der Sportbundpräsident der DDR, Manfred Ewald, verriet mangelnden Sachverstand, als er das Remis gegen "ein fußballerisches Entwicklungsland" beklagte und glatt mit Abreise drohte. Doch die halbe Vorrunde war schon geschafft, da Nigeria das Turnier boykottierte, ging es in Montreal nur noch gegen Spanien. Ein Tor des Dresdners Dixie Dörner bahnte den Weg ins Viertelfinale, in das in der olympischen Geschichte nicht viele Teams mit 1:0 Toren gekommen sind. Drei Tage später steigerten sie in Ottawa die Torproduktion und schlugen Frankreich deutlich. Zum 4:0 steuerte Dörner nun zwei Tore bei, ferner trafen der Leipziger Wolfram Löwe und Dynamo Berlins Hans-Jürgen Riediger. Im Halbfinale wartete wieder die UdSSR, vor 50.000 Zuschauern gewannen sie auch dieses Spiel (2:1).  Ein Doppelschlag sorgte für die Vorentscheidung, Dörners Elfmeter (61.) ließ Kurbjuweit aus Jena das 2:0 (65.) folgen. Die Russen kamen per Elfmeter nur noch zum Ehrentor und mussten sich schon zum zweiten Mal in Folge über den renitenten kleinen Bruderstaat ärgern.

Am 31. Juli stieg das große Finale gegen Polen, das als Favorit galt. Spielte es doch noch mit fast allen WM-Stars von 1974, als die Elf um Lato, Deyna und Szarmach Platz drei belegt hatte. Aber auch bei Olympia ist der Ball rund und er rollte in Richtung der Deutschen. Auch weil Weltklassemann Jan Tomaszewski mit Fieber im Tor stand und entsprechend parierte, hieß es schon nach 14 Minuten 2:0. Hartmut Schade traf per Freistoß, Martin Hoffmann verwertete eine Vorlage von Häfner. Tomaszewski ließ sich auswechseln, um seinem Team nicht weiter zu schaden. "Danach lief eigentlich alles recht locker. Wir bekamen nie das Gefühl, dass noch irgendetwas schief gehen konnte", erzählte Konny Weise später der Fußball Woche. Selbst als WM-Torschützenkönig Grzegorz Lato verkürzte (60.), taumelte die DDR nicht. Häfners Solo ließ sie alle jubeln, es brachte die Entscheidung und Buschner konnte durchwechseln, schickte Bernd Bransch aus Halle in die Partie. Der war 32 und über den Zenit hinaus, aber immer noch wertvoll fürs Team. Das demonstrierte ihm Buschner - aus Verbundenheit für seine langjährigen Dienste. Da Buschner damit alle 17 Spieler eingesetzt hatte, durften sich auch alle als Olympiasieger fühlen. Es war der größte Erfolg für den DDR-Fußball und blieb der einzige Titel für die Nationalmannschaft, deren Olympia-Spiele nach einem FIFA-Beschluss von 1999 nicht in die offiziellen Statistiken eingingen.

Unerwartet ins Olympia-Finale

Einmal flogen sie noch nach Olympia. 1980 wurden die Spiele nach Moskau vergeben, der Westen boykottierte sie wegen der sowjetischen Intervention in Afghanistan. Das erhöhte die Siegchancen des automatisch qualifizierten Titelverteidigers, entwertete jedoch den Wettbewerb - wie in allen Sportarten.

Die DDR bildete für die Spiele 1980 erstmals eine reine Olympiamannschaft, die in Dr. Rudolf Krause einen eigenen Trainer bekam. Georg Buschner sollte sich auf die EM-Teilnahme in Italien konzentrieren. Entsprechend wurden kaum Nationalspieler für Moskau nominiert, der 17-köpfige Kader kam auf insgesamt 60 Länderspiele. An den ehrgeizigen Zielen änderte das wenig. Die Vorrunde in Kiew wurde ungeschlagen überstanden, die Gegner wurden immer leichter, die Ergebnisse immer besser: Mit einem 1:1 gegen Spanien, einem 1:0 gegen Algerien und einem 5:0 gegen Syrien wurde das Viertelfinale erreicht. Auch dafür musste man Kiew nicht verlassen, erst nach dem 4:0 gegen den Irak ging es in die Olympiastadt. Zum dritten Mal in Folge trafen sie auf die UdSSR, nun in deren Hauptstadt. Unter den 95.000 Zuschauern waren 5000 Schlachtenbummler aus Deutschland und so ähnlich schätzte man auch die Kräfteverhältnisse ein. Irrtum! Wolf-Rüdiger Netz brachte mit seinem bereits vierten Olympia-Tor die Massen zum Schweigen, die frühe Führung (16. Minute) brachten die Deutschen über die Zeit. Das Pfeifkonzert, das nach Abpfiff gegeben wurde, durften sie als Anerkennung werten.

Dr. Krause freute sich ungemein, "den heißen Goldfavoriten" geschlagen zu haben und gestand: "Meine Mannschaft hat mehr erbracht als ich von ihr erwartet habe." Nun aber wurde die Goldmedaille erwartet. Die DDR zog am 2. August 1980 als Favorit in ihr zweites Olympia-Finale. Dort warteten die Tschechen, die mit sieben EM-Teilnehmern angetreten waren. 95.000 Zuschauer füllten die Ränge des letzten Fußballspiels einer DDR-Elf bei Olympia, was damals natürlich keiner wusste. Es endete mit einer leichten Enttäuschung, die Tschechen gewannen mit 1:0. Als das Tor des Tages nach einem Fehler von Keeper Bodo Rudwaleit durch Svoboda fiel (77.), waren nur noch 20 Spieler auf dem Platz. Der Magdeburger Lothar Steinbach, bis dahin überragend, und sein Gegenspieler Jan Berger waren nach 58 Minuten wegen einer Rangelei des Feldes verwiesen worden. Ein etwas unschöner Ausklang eines Kapitels deutscher Sportgeschichte, die nicht mehr fortgeschrieben werden kann. Auch die Siegerehrung im Dauerregen von Moskau war nicht sonderlich erhebend, pfiffen die Russen doch ihr Team, das am Vortag Bronze holte, gellend aus - was umso peinlicher war, als jeder Spieler einzeln aufgerufen wurde.

Das galt auch für die 17 Silbermedaillengewinner aus Deutschland, die diesen Glanzmoment ihrer Karriere indes nicht missen möchten. Die kleine DDR bei Olympia - das war eine bemerkenswert erfolgreiche Geschichte unter besonderen Umständen. Gerade im Fußball.

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