Oliver Glasner: "Pokalsieg? Erst mal gegen Schalke gewinnen"

Trainer Oliver Glasner steht mit dem VfL Wolfsburg auf dem dritten Tabellenplatz der Bundesliga und möchte auch im DFB-Pokalachtelfinale heute (ab 18.30 Uhr, live bei Sport1 und Sky) gegen den FC Schalke 04 erfolgreich sein. Im aktuellen DFB.de-Interview spricht Oliver Glasner mit Mitarbeiter Oliver Jensen über die erfolgreiche Saison des VfL, die Zukunft von Wout Weghorst und seine Erinnerungen an Sadio Mané.

DFB.de: Herr Glasner, in Österreich gewannen Sie mit dem FC Red Bull Salzburg die Meisterschaft und den Cup. Wie wichtig wäre es Ihnen, auch in Deutschland einen Titel zu gewinnen, zum Beispiel den DFB-Pokal?

Oliver Glasner: Jeder Titel ist schön und natürlich auch das Ziel. Aber das ist nicht so einfach. Jetzt geht es erst einmal darum, die Hürde FC Schalke 04 zu nehmen, ein gutes Spiel abzuliefern und das Viertelfinale zu erreichen. Ich denke immer gerne Schritt für Schritt. Sollte das am Ende zum Pokalsieg führen, wäre das ein toller Erfolg.

DFB.de: In der Bundesliga gewannen Sie Ende November gegen Schalke mit 2:0. Welche Erinnerungen haben Sie an dieses Spiel?

Glasner: Da wir das Spiel gewonnen haben, sind das natürlich positive Erinnerungen. Ich denke allerdings, dass Schalke sich seither ein bisschen verändert hat - nicht nur wegen des Trainerwechsels. Sie hatten insgesamt ein ganz schwieriges Jahr 2020. Ich habe das Gefühl, dass sie sich seitdem ein bisschen konsolidieren. Auch wenn sich das bislang nicht immer in den Ergebnissen widerspiegelt.

DFB.de: Welchen einen Auftritt erwarten Sie von Schalke, das in der Bundesliga gegen den drohenden Abstieg kämpft?

Glasner: Im Pokal hat Schalke die Chance, ein bisschen Wiedergutmachung für eine schwierige Bundesligasaison zu betreiben. Mit dieser Einstellung werden sie das Spiel angehen.

DFB.de: Können Sie sich erklären, warum der FC Schalke 04 mit einem durchaus namhaften Kader überhaupt in diese Situation geraten ist?

Glasner: Nein, das ist für mich nach wie vor ein Rätsel. Nach der Hinrunde der Saison 2019/2020 standen sie mit 30 Punkten noch auf Tabellenplatz fünf, haben danach auch das erste Spiel der Rückrunde gegen Gladbach eindrucksvoll gewonnen. Dann gewinnen sie plötzlich über 30 Spiele kein einziges Mal mehr. Als Außenstehender gibt es keine rationale Erklärung dafür.

DFB.de: Sie haben nun erst in der Winterpause den brasilianischen Rechtsverteidiger William nach Schalke verliehen, der nach seinem Kreuzbandriss kaum noch Einsätze bekam. Müssen Sie befürchten, dass er Schalke wertvolle Tipps für die taktische Ausrichtung geben wird?

Glasner: Natürlich weiß er, wie unsere Abläufe sind und wie wir spielen. Aber mittlerweile hat man ohnehin so viele Analysemöglichkeiten, dass es kaum noch möglich ist, den Gegner zu überraschen. Vielleicht kann er den einen oder anderen Hinweis geben. Aber das wird nicht spielentscheidend sein.

DFB.de: Der FC Bayern München ist überraschend aus dem DFB-Pokal ausgeschieden. Steigt dadurch die Titelchance für alle anderen Vereine?

Glasner: Da Bayern in den letzten Jahren oft im Finale war und meist auch den DFB-Pokal gewann, steigen sicherlich die Chancen der anderen Vereine. Schließlich ist nun der amtierende Champions-League-Sieger nicht mehr dabei. Aber zunächst einmal müssen wir das Spiel gegen Schalke gewinnen.

DFB.de: Sprechen wir über Ihre Mannschaft: Wout Weghorst zählt als Torjäger zu den Erfolgsgaranten des VfL Wolfsburg. Was zeichnet ihn aus?

Glasner: Mir ist wichtig, dass wir ihn nicht nur auf seine Tore reduzieren. Er ist nämlich nicht nur aufgrund seiner Treffer wichtig für uns. Mit ihm beginnt vorne auch unsere erste Defensivreihe. Er ist als Mittelstürmer immer sehr gewillt, mitzuarbeiten. Er macht unglaublich weite Wege. Das ist für unser Spiel ganz wichtig. Zudem ist er natürlich ein echter Vollblutstürmer. Das merkt man jeden Tag im Training: Er freut sich über jedes Tor und ärgert sich über jede vergebene Chance. Versiebt er im Training zwei Kopfballchancen, geht er nach dem Training noch Kopfbälle üben. An Wout sieht man das, was meine feste Überzeugung ist...

DFB.de: ... und die lautet?

Glasner: Wenn du bereit bist, in eine Sache sehr viel zu investieren, bekommst du auch sehr viel zurück.

DFB.de: Müssen Sie befürchten, dass er trotz des Vertrags nicht mehr lange in Wolfsburg zu halten sein wird?

Glasner: Ich bin, Stand heute, sehr hoffnungsvoll, dass er bei uns bleibt. Ich bin mit ihm fast täglich im Austausch, und wir haben auch über dieses Thema gesprochen. Er gab mir in keiner Weise zu verstehen, dass er aktiv nach einem anderen Verein sucht und sich verändern möchte. Er fühlt sich bei uns sehr wohl und weiß, was er an uns hat: Er spielt in einer der Topligen Europas im oberen Tabellendrittel mit. Daher habe ich derzeit überhaupt keine Bedenken.

DFB.de: Ihre Mannschaft hat in der Bundesliga bislang lediglich gegen den FC Bayern München und Borussia Dortmund verloren und steht auf einem Champions-League-Platz. Ist der VfL Wolfsburg somit bereits ein Topteam?

Glasner: Ich würde eher sagen, ich sehe uns in einer guten Entwicklung zu einem sehr stabilen Bundesligisten. Obwohl wir einige schwierige Phasen hatten - damit meine ich die Verletzungen, die englischen Wochen und die Corona-Fälle vor Weihnachten -, sind wir sehr stabil aufgetreten. Das liegt daran, dass die Mannschaft funktioniert. Spieler, die hineinkommen, bringen ihre Leistung. Deshalb sehe ich uns auf einem guten Weg. Aber wir haben ja gerade darüber gesprochen, was bei Schalke 04 passiert ist. Daher ist es wichtig, dass wir diesen Spirit, diesen Drive und diesen Hunger aufrechterhalten. Es gibt noch immer viel Potenzial, um uns zu verbessern.

DFB.de: Maximilian Arnold hat in einem Interview mit der Sport Bild gesagt, dass er das frühe Ausscheiden aus der Europa-League-Qualifikation zwar bedauert, dass es die Mannschaft allerdings voranbringt, immer eine ganze Woche zum Trainieren zu haben. Würden Sie dem zustimmen?

Glasner: Ja, absolut. Die Möglichkeit, die ganze Woche über zu trainieren, hatten wir in der Saison zuvor fast überhaupt nicht. Wir hatten aufgrund der Europa League viele englische Wochen, dann kamen noch die Länderspielpausen dazu. Und nach der Corona-Unterbrechung war der Spielplan ebenfalls sehr eng. Nun sind wir geistig und körperlich frischer, konnten außerdem im Training noch mehr an unseren Abläufen arbeiten.

DFB.de: Haben Sie das Gefühl, dass die guten Leistungen Ihrer Mannschaft in der Öffentlichkeit zu wenig Beachtung erhalten?

Glasner: Ich recherchiere nicht ständig, was über uns geschrieben wird. Aber ich habe schon das Gefühl, dass unsere Leistungen anerkannt werden. Je erfolgreicher wird sind, desto mehr Aufmerksamkeit werden wir bekommen.

DFB.de: Im November gab es eine öffentlich geführte Diskussion zwischen Ihnen und Geschäftsführer Jörg Schmadtke bezüglich der Transfers. Wie würden Sie Ihr Verhältnis heute beschreiben?

Glasner: Ich würde unser Verhältnis als sehr professionell beschreiben. Wir versuchen beide, unseren Job im Sinne des VfL Wolfsburg bestmöglich zu erledigen, damit wir maximalen Erfolg haben.

DFB.de: Themawechsel: Sie haben während Ihrer aktiven Laufbahn ein Studium an der deutschen Fernuniversität in Hagen als Diplom-Kaufmann abgeschlossen. Würden Sie sich wünschen, dass mehr Fußballspieler sich auf Ihre Zeit nach der Karriere vorbereiten?

Glasner: Auf alle Fälle. Es muss allerdings nicht immer ein Studium sein. Es ist grundsätzlich gut, wenn man über den Tellerrand hinausblickt und sich mit anderen Inhalten über den Fußball hinaus beschäftigt. Das erweitert den Horizont. Es gibt viele interessante Bereiche.

DFB.de: Können Sie Beispiele aus Ihrer Mannschaft nennen?

Glasner: Ich weiß zum Beispiel von Maxence Lacroix, dass er sich für die Wirtschaft und für Aktienkurse interessiert. Es gibt Spieler, die sich mit Immobilien beschäftigen. Man tut vielen Fußballspielern unrecht, wenn man sagt, die hätten nur Fußball im Kopf. Viele sind sich ihrer Verantwortung bewusst und auch sozial sehr engagiert. Josuha Guilavogui hat zum Beispiel ein Schulprojekt in Guinea. Es gibt auch in vielen anderen Vereinen solche Beispiele - unter anderem Joshua Kimmich und Leon Goretzka, die den Corona-Fonds ins Leben gerufen haben.

DFB.de: Sie haben nach Ihrer aktiven Laufbahn bei RB Salzburg nicht als Trainer angefangen, sondern zunächst als Sportlicher Koordinator. Wie kam es dazu?

Glasner: Ich hatte, wie gesagt, parallel zum Fußball studiert. Danach dachte ich: Du hast doch jetzt nicht sieben Jahre studiert, um dann Trainer zu werden! Ich bekam die Möglichkeit, in Salzburg als Sportkoordinator anzufangen. Das war eine gute Verknüpfung meiner Zeit als Fußballprofi und meines Wirtschaftsstudiums. Ich konnte gemeinsam mit dem Sportdirektor Ideen entwickeln und den Kader mitgestalten.

DFB.de: Später wurden Sie dann Co-Trainer unter Roger Schmidt, der in Deutschland noch als ehemaliger Trainer von Bayer Leverkusen bekannt ist und heute den PSV Eindhoven trainiert. Hat er Sie als Trainer geprägt?

Glasner: Auf jeden Fall. Im Sommer 2012 kamen Ralf Rangnick und Roger Schmidt nach Salzburg. Dadurch fand ein kompletter Philosophiewechsel statt. Nach einem halben Jahr als Sportkoordinator habe ich gemerkt, dass ich wieder auf dem Fußballplatz stehen und mit den Spielern arbeiten wollte. Das habe ich Ralf Rangnick gesagt. Er suchte ohnehin gerade nach einem Co-Trainer für Roger.

DFB.de: Das klingt nach einem perfekten Timing…

Glasner: Roger und ich trafen uns daraufhin zum Abendessen. Wir tauschten uns über Fußball aus und stellten fest, dass wir in vielen Bereichen sehr ähnliche Anschauungen haben, auch im Umgang mit den Spielern. Daher meinte Roger, dass das gut passen würde. Wir haben uns sehr, sehr gut ergänzt. Diese Zeit hat mich in der Trainingsgestaltung und im Umgang mit Spielern sehr geprägt, gerade auch mit Spielern aus anderen Kulturen.

DFB.de: An welche Spieler denken Sie?

Glasner: Sadio Mane kam zum Beispiel als 19-Jähriger zu uns. Er ist Senegalese, hatte vorher ein Jahr in Frankreich gespielt, konnte damals weder Deutsch noch Englisch sprechen. Später wurde er mit dem FC Liverpool Champions-League-Sieger. Zu unserer Zeit hatte er noch ganz andere Themen abseits vom Fußball. Das zeigt, wie wichtig es ist, auch junge Spieler mit einem anderen kulturellen Hintergrund zu unterstützen. Man muss nicht jeden Spieler strikt in das deutsche oder österreichische Muster, zum Beispiel Pünktlichkeit und höchste Disziplin, reinzwängen. Man muss Rücksicht auf andere Kulturen nehmen. Das habe ich damals in Salzburg gelernt.

[oj]

Trainer Oliver Glasner steht mit dem VfL Wolfsburg auf dem dritten Tabellenplatz der Bundesliga und möchte auch im DFB-Pokalachtelfinale heute (ab 18.30 Uhr, live bei Sport1 und Sky) gegen den FC Schalke 04 erfolgreich sein. Im aktuellen DFB.de-Interview spricht Oliver Glasner mit Mitarbeiter Oliver Jensen über die erfolgreiche Saison des VfL, die Zukunft von Wout Weghorst und seine Erinnerungen an Sadio Mané.

DFB.de: Herr Glasner, in Österreich gewannen Sie mit dem FC Red Bull Salzburg die Meisterschaft und den Cup. Wie wichtig wäre es Ihnen, auch in Deutschland einen Titel zu gewinnen, zum Beispiel den DFB-Pokal?

Oliver Glasner: Jeder Titel ist schön und natürlich auch das Ziel. Aber das ist nicht so einfach. Jetzt geht es erst einmal darum, die Hürde FC Schalke 04 zu nehmen, ein gutes Spiel abzuliefern und das Viertelfinale zu erreichen. Ich denke immer gerne Schritt für Schritt. Sollte das am Ende zum Pokalsieg führen, wäre das ein toller Erfolg.

DFB.de: In der Bundesliga gewannen Sie Ende November gegen Schalke mit 2:0. Welche Erinnerungen haben Sie an dieses Spiel?

Glasner: Da wir das Spiel gewonnen haben, sind das natürlich positive Erinnerungen. Ich denke allerdings, dass Schalke sich seither ein bisschen verändert hat - nicht nur wegen des Trainerwechsels. Sie hatten insgesamt ein ganz schwieriges Jahr 2020. Ich habe das Gefühl, dass sie sich seitdem ein bisschen konsolidieren. Auch wenn sich das bislang nicht immer in den Ergebnissen widerspiegelt.

DFB.de: Welchen einen Auftritt erwarten Sie von Schalke, das in der Bundesliga gegen den drohenden Abstieg kämpft?

Glasner: Im Pokal hat Schalke die Chance, ein bisschen Wiedergutmachung für eine schwierige Bundesligasaison zu betreiben. Mit dieser Einstellung werden sie das Spiel angehen.

DFB.de: Können Sie sich erklären, warum der FC Schalke 04 mit einem durchaus namhaften Kader überhaupt in diese Situation geraten ist?

Glasner: Nein, das ist für mich nach wie vor ein Rätsel. Nach der Hinrunde der Saison 2019/2020 standen sie mit 30 Punkten noch auf Tabellenplatz fünf, haben danach auch das erste Spiel der Rückrunde gegen Gladbach eindrucksvoll gewonnen. Dann gewinnen sie plötzlich über 30 Spiele kein einziges Mal mehr. Als Außenstehender gibt es keine rationale Erklärung dafür.

DFB.de: Sie haben nun erst in der Winterpause den brasilianischen Rechtsverteidiger William nach Schalke verliehen, der nach seinem Kreuzbandriss kaum noch Einsätze bekam. Müssen Sie befürchten, dass er Schalke wertvolle Tipps für die taktische Ausrichtung geben wird?

Glasner: Natürlich weiß er, wie unsere Abläufe sind und wie wir spielen. Aber mittlerweile hat man ohnehin so viele Analysemöglichkeiten, dass es kaum noch möglich ist, den Gegner zu überraschen. Vielleicht kann er den einen oder anderen Hinweis geben. Aber das wird nicht spielentscheidend sein.

DFB.de: Der FC Bayern München ist überraschend aus dem DFB-Pokal ausgeschieden. Steigt dadurch die Titelchance für alle anderen Vereine?

Glasner: Da Bayern in den letzten Jahren oft im Finale war und meist auch den DFB-Pokal gewann, steigen sicherlich die Chancen der anderen Vereine. Schließlich ist nun der amtierende Champions-League-Sieger nicht mehr dabei. Aber zunächst einmal müssen wir das Spiel gegen Schalke gewinnen.

DFB.de: Sprechen wir über Ihre Mannschaft: Wout Weghorst zählt als Torjäger zu den Erfolgsgaranten des VfL Wolfsburg. Was zeichnet ihn aus?

Glasner: Mir ist wichtig, dass wir ihn nicht nur auf seine Tore reduzieren. Er ist nämlich nicht nur aufgrund seiner Treffer wichtig für uns. Mit ihm beginnt vorne auch unsere erste Defensivreihe. Er ist als Mittelstürmer immer sehr gewillt, mitzuarbeiten. Er macht unglaublich weite Wege. Das ist für unser Spiel ganz wichtig. Zudem ist er natürlich ein echter Vollblutstürmer. Das merkt man jeden Tag im Training: Er freut sich über jedes Tor und ärgert sich über jede vergebene Chance. Versiebt er im Training zwei Kopfballchancen, geht er nach dem Training noch Kopfbälle üben. An Wout sieht man das, was meine feste Überzeugung ist...

DFB.de: ... und die lautet?

Glasner: Wenn du bereit bist, in eine Sache sehr viel zu investieren, bekommst du auch sehr viel zurück.

DFB.de: Müssen Sie befürchten, dass er trotz des Vertrags nicht mehr lange in Wolfsburg zu halten sein wird?

Glasner: Ich bin, Stand heute, sehr hoffnungsvoll, dass er bei uns bleibt. Ich bin mit ihm fast täglich im Austausch, und wir haben auch über dieses Thema gesprochen. Er gab mir in keiner Weise zu verstehen, dass er aktiv nach einem anderen Verein sucht und sich verändern möchte. Er fühlt sich bei uns sehr wohl und weiß, was er an uns hat: Er spielt in einer der Topligen Europas im oberen Tabellendrittel mit. Daher habe ich derzeit überhaupt keine Bedenken.

DFB.de: Ihre Mannschaft hat in der Bundesliga bislang lediglich gegen den FC Bayern München und Borussia Dortmund verloren und steht auf einem Champions-League-Platz. Ist der VfL Wolfsburg somit bereits ein Topteam?

Glasner: Ich würde eher sagen, ich sehe uns in einer guten Entwicklung zu einem sehr stabilen Bundesligisten. Obwohl wir einige schwierige Phasen hatten - damit meine ich die Verletzungen, die englischen Wochen und die Corona-Fälle vor Weihnachten -, sind wir sehr stabil aufgetreten. Das liegt daran, dass die Mannschaft funktioniert. Spieler, die hineinkommen, bringen ihre Leistung. Deshalb sehe ich uns auf einem guten Weg. Aber wir haben ja gerade darüber gesprochen, was bei Schalke 04 passiert ist. Daher ist es wichtig, dass wir diesen Spirit, diesen Drive und diesen Hunger aufrechterhalten. Es gibt noch immer viel Potenzial, um uns zu verbessern.

DFB.de: Maximilian Arnold hat in einem Interview mit der Sport Bild gesagt, dass er das frühe Ausscheiden aus der Europa-League-Qualifikation zwar bedauert, dass es die Mannschaft allerdings voranbringt, immer eine ganze Woche zum Trainieren zu haben. Würden Sie dem zustimmen?

Glasner: Ja, absolut. Die Möglichkeit, die ganze Woche über zu trainieren, hatten wir in der Saison zuvor fast überhaupt nicht. Wir hatten aufgrund der Europa League viele englische Wochen, dann kamen noch die Länderspielpausen dazu. Und nach der Corona-Unterbrechung war der Spielplan ebenfalls sehr eng. Nun sind wir geistig und körperlich frischer, konnten außerdem im Training noch mehr an unseren Abläufen arbeiten.

DFB.de: Haben Sie das Gefühl, dass die guten Leistungen Ihrer Mannschaft in der Öffentlichkeit zu wenig Beachtung erhalten?

Glasner: Ich recherchiere nicht ständig, was über uns geschrieben wird. Aber ich habe schon das Gefühl, dass unsere Leistungen anerkannt werden. Je erfolgreicher wird sind, desto mehr Aufmerksamkeit werden wir bekommen.

DFB.de: Im November gab es eine öffentlich geführte Diskussion zwischen Ihnen und Geschäftsführer Jörg Schmadtke bezüglich der Transfers. Wie würden Sie Ihr Verhältnis heute beschreiben?

Glasner: Ich würde unser Verhältnis als sehr professionell beschreiben. Wir versuchen beide, unseren Job im Sinne des VfL Wolfsburg bestmöglich zu erledigen, damit wir maximalen Erfolg haben.

DFB.de: Themawechsel: Sie haben während Ihrer aktiven Laufbahn ein Studium an der deutschen Fernuniversität in Hagen als Diplom-Kaufmann abgeschlossen. Würden Sie sich wünschen, dass mehr Fußballspieler sich auf Ihre Zeit nach der Karriere vorbereiten?

Glasner: Auf alle Fälle. Es muss allerdings nicht immer ein Studium sein. Es ist grundsätzlich gut, wenn man über den Tellerrand hinausblickt und sich mit anderen Inhalten über den Fußball hinaus beschäftigt. Das erweitert den Horizont. Es gibt viele interessante Bereiche.

DFB.de: Können Sie Beispiele aus Ihrer Mannschaft nennen?

Glasner: Ich weiß zum Beispiel von Maxence Lacroix, dass er sich für die Wirtschaft und für Aktienkurse interessiert. Es gibt Spieler, die sich mit Immobilien beschäftigen. Man tut vielen Fußballspielern unrecht, wenn man sagt, die hätten nur Fußball im Kopf. Viele sind sich ihrer Verantwortung bewusst und auch sozial sehr engagiert. Josuha Guilavogui hat zum Beispiel ein Schulprojekt in Guinea. Es gibt auch in vielen anderen Vereinen solche Beispiele - unter anderem Joshua Kimmich und Leon Goretzka, die den Corona-Fonds ins Leben gerufen haben.

DFB.de: Sie haben nach Ihrer aktiven Laufbahn bei RB Salzburg nicht als Trainer angefangen, sondern zunächst als Sportlicher Koordinator. Wie kam es dazu?

Glasner: Ich hatte, wie gesagt, parallel zum Fußball studiert. Danach dachte ich: Du hast doch jetzt nicht sieben Jahre studiert, um dann Trainer zu werden! Ich bekam die Möglichkeit, in Salzburg als Sportkoordinator anzufangen. Das war eine gute Verknüpfung meiner Zeit als Fußballprofi und meines Wirtschaftsstudiums. Ich konnte gemeinsam mit dem Sportdirektor Ideen entwickeln und den Kader mitgestalten.

DFB.de: Später wurden Sie dann Co-Trainer unter Roger Schmidt, der in Deutschland noch als ehemaliger Trainer von Bayer Leverkusen bekannt ist und heute den PSV Eindhoven trainiert. Hat er Sie als Trainer geprägt?

Glasner: Auf jeden Fall. Im Sommer 2012 kamen Ralf Rangnick und Roger Schmidt nach Salzburg. Dadurch fand ein kompletter Philosophiewechsel statt. Nach einem halben Jahr als Sportkoordinator habe ich gemerkt, dass ich wieder auf dem Fußballplatz stehen und mit den Spielern arbeiten wollte. Das habe ich Ralf Rangnick gesagt. Er suchte ohnehin gerade nach einem Co-Trainer für Roger.

DFB.de: Das klingt nach einem perfekten Timing…

Glasner: Roger und ich trafen uns daraufhin zum Abendessen. Wir tauschten uns über Fußball aus und stellten fest, dass wir in vielen Bereichen sehr ähnliche Anschauungen haben, auch im Umgang mit den Spielern. Daher meinte Roger, dass das gut passen würde. Wir haben uns sehr, sehr gut ergänzt. Diese Zeit hat mich in der Trainingsgestaltung und im Umgang mit Spielern sehr geprägt, gerade auch mit Spielern aus anderen Kulturen.

DFB.de: An welche Spieler denken Sie?

Glasner: Sadio Mane kam zum Beispiel als 19-Jähriger zu uns. Er ist Senegalese, hatte vorher ein Jahr in Frankreich gespielt, konnte damals weder Deutsch noch Englisch sprechen. Später wurde er mit dem FC Liverpool Champions-League-Sieger. Zu unserer Zeit hatte er noch ganz andere Themen abseits vom Fußball. Das zeigt, wie wichtig es ist, auch junge Spieler mit einem anderen kulturellen Hintergrund zu unterstützen. Man muss nicht jeden Spieler strikt in das deutsche oder österreichische Muster, zum Beispiel Pünktlichkeit und höchste Disziplin, reinzwängen. Man muss Rücksicht auf andere Kulturen nehmen. Das habe ich damals in Salzburg gelernt.

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