Oberdorf: "Auf und neben dem Platz Verantwortung übernehmen"

Die Fans haben entschieden: Beim Voting des Fan Club Nationalmannschaft ist Lena Oberdorf zur Nationalspielerin des Jahres 2020 gewählt worden. Im DFB.de-Interview erklärt die erst 19 Jahre alte Defensivspielerin, warum ihr diese Auszeichnung besonders wichtig ist. Die Mittelfeldspielerin des VfL Wolfsburg schaut auch auf das Länderspieljahr 2020 zurück und blickt auf die Herausforderungen, die 2021 auf sie warten.

DFB.de: Frau Oberdorf, herzlichen Glückwunsch zu der Auszeichnung durch die Fans. Was bedeutet Ihnen das?

Lena Oberdorf: Vielen Dank. Mich freut an dieser Auszeichnung besonders, dass sie von den Fans kommt. Das ist gerade im Moment besonders schön, weil wir derzeit ja kein Feedback im Stadion bekommen. Die Zuschauer fehlen unglaublich. Aber wir merken dennoch, dass die Unterstützung da ist. Dafür sind wir sehr dankbar. Das gilt sowohl für den VfL Wolfsburg als auch für die Nationalmannschaft.

DFB.de: Sind Sie mit Ihrem Jahr in der Nationalmannschaft genauso zufrieden wie die Fans?

Oberdorf: Es war auf jeden Fall in Ordnung. Der Wechsel zum VfL Wolfsburg im vergangenen Sommer hat mir gutgetan und noch mal guten Schwung gegeben. Das hat zur Folge, dass ich auch in der Nationalmannschaft eine andere Rolle einnehme. Obwohl ich mit 19 Jahren noch sehr jung bin, versuche ich voranzugehen. Auf dem Platz, aber auch daneben. Es ist einfach mein Anspruch, Verantwortung zu übernehmen. Fußballerisch hat mir dieses Jahr viel gegeben. Ansonsten war es wegen Corona natürlich nicht besonders schön.

DFB.de: Das Jahr 2020 mit der Nationalmannschaft fing mit dem Algarve Cup an.

Oberdorf: Wir sind mit Siegen gegen Schweden und Norwegen gestartet. Ich weiß noch, dass wir am Tag vor dem Endspiel gerade beim Essen waren, als uns die Nachricht erreicht hat, dass das Virus aus China sich auch in Deutschland verbreiten würde. Bis dahin war Corona gefühlt weit weg. Ich hatte niemals erwartet, was daraus folgen würde. Die Italienerinnen, gegen die wir im Endspiel antreten sollten, mussten dann vorzeitig abreisen. Wir haben uns den Sieg beim Algarve Cup geteilt, das war die beste Lösung in einer sehr komischen Situation. Seitdem leben wir alle weitestgehend in einer Fußballblase und versuchen, das Beste aus der aktuellen Lage zu machen.

DFB.de: Nach dem ersten Lockdown ging es mit den Qualifikationsspielen für die Europameisterschaft weiter.

Oberdorf: Diese Aufgabe haben wir sehr souverän gelöst. Wir haben alle Spiele gewonnen und uns verlustpunktfrei qualifiziert. In allen Begegnungen haben wir nur einen einzigen Gegentreffer kassiert - und das war ein Elfmeter gegen Irland. Darauf hätte ich gut verzichten können, aber das ist logischerweise Jammern auf sehr hohem Niveau.

DFB.de: Alles gut also?

Oberdorf: Nein, das natürlich auch nicht. Dann müssten wir ja nicht mehr weiterarbeiten. Vieles war positiv. Aber es gibt natürlich noch einige Dinge, die wir optimieren können und müssen. Ich bin größtenteils zufrieden, aber es geht immer noch besser.

DFB.de: Geht es nach dem Ausscheiden im Viertelfinale der WM in Frankreich 2019 jetzt wieder aufwärts?

Oberdorf: Ich finde, dass man das etwas relativieren muss. Auch bei der WM war nicht alles schlecht. Wir hatten bis zu diesem Viertelfinale alle vier Begegnungen gewonnen. Klar, die Niederlage gegen Schweden war dann bitter. Aber an diesem Tag lief es einfach nicht für uns. Wir hatten Chancen, die Begegnung für uns zu entscheiden. Das hat nicht geklappt. Deshalb bleibt das Turnier in der allgemeinen Wahrnehmung negativ belastet. Aber wir schauen nach vorne. Wir haben jetzt noch mehr als ein Jahr Zeit, um uns auf die Europameisterschaft 2022 in England vorzubereiten. Das Turnier ist ja auch wegen Corona verlegt worden. Wenn wir diese Zeit sinnvoll nutzen, bin ich sehr zuversichtlich, dass wir wieder eine gute Rolle spielen werden.

DFB.de: Was macht Sie so zuversichtlich?

Oberdorf: Wir haben Qualität und eine gute Mischung aus jungen und erfahrenen Spielerinnen. Man braucht ein stabiles Fundament. Das setzt sich in der Nationalmannschaft aus Spielerinnen wie Alexandra Popp, Melanie Leupolz, Lina Magull und Dzsenifer Marozsan zusammen. Ich könnte noch einige weitere nennen. Marina Hegering zum Beispiel. Welche Rolle sie nach ihrer sehr langen Verletzungspause inzwischen einnimmt, ist unglaublich beeindruckend. Ich freue mich auch darauf, wenn Almuth Schult nach der Geburt ihrer Zwillinge bald wieder dabei ist. Das sind Spielerinnen, die ganz viel Qualität haben. Dazu kommen die jungen Spielerinnen, die viel Leichtigkeit mitbringen und unbekümmert auftreten. Ich bin stolz darauf, Teil dieses tollen Teams zu sein. Ich habe unglaublich Bock, mit diesen Spielerinnen zu zocken.

DFB.de: Beim VfL Wolfsburg haben Sie vor wenigen Tagen Ihren bis 2023 laufenden Vertrag vorzeitig bis 2024 verlängert. Wieso?

Oberdorf: Weil ich mich total wohl fühle und Wolfsburg für mich gerade genau der richtige Verein ist. Jedes Training auf diesem Niveau bringt mich weiter. Es ist extrem, was mir dieses erste Halbjahr in Wolfsburg gegeben hat. Die Bedingungen sind superprofessionell, und ich stehe jeden Tag Fußballerinnen auf dem Platz gegenüber, die in Deutschland und Europa zur absoluten Spitzenklasse zählen. Hinzu kommt, dass ich das Abitur hinter mich gebracht habe und mich nun voll auf den Fußball konzentrieren kann. Das ist eine große Erleichterung für mich. Diese Doppelbelastung war sehr herausfordernd. Es gab also keinen Grund für mich, nicht vorzeitig den Vertrag zu verlängern.

DFB.de: Sie sind im DFB-Pokal und der Champions League noch dabei. In der FLYERALARM Frauen-Bundesliga haben Sie zehn Siege gefeiert, dazu kommen ein Unentschieden und eine Niederlage. Trotzdem sind Sie fünf Punkte hinter dem FC Bayern. Wie ärgerlich ist das?

Oberdorf: Es ist ungewohnt für den VfL Wolfsburg, jetzt in der Verfolgerrolle zu sein. Aber man muss auch neidlos anerkennen, dass die Münchnerinnen bislang eine überragende Saison spielen. Sie haben alles gewonnen und erst einen Gegentreffer kassiert. Das ist eine fantastische Zwischenbilanz. Aber es ist noch nicht vorbei, sie sind noch nicht am Ziel.

DFB.de: Haben Sie noch die Hoffnung, die Deutsche Meisterschaft gewinnen zu können?

Oberdorf: Wir müssen alle Spiele gewinnen, also auch das direkte Duell gegen den FC Bayern. Hinzu kommt, dass wir darauf hoffen müssen, dass die Bayern sich noch den einen oder anderen Ausrutscher leisten. Ich glaube nicht, dass sie schon durch sind. Klar ist aber, dass wir jetzt eine Siegesserie bis zum Sommer brauchen.

DFB.de: Anfang Februar geht es nach einer kurzen Winterpause wieder los. Hatten Sie genug Zeit, um Ihren Akku aufzuladen?

Oberdorf: Das wird sich zeigen. Ich habe das Gefühl, dass mein Körper nichts gegen eine etwas längere Pause gehabt hätte. Aber für mein Herz war die Unterbrechung schon wieder viel zu lang. Grundsätzlich bin ich froh, dass wir nun wieder auf dem Platz stehen. Unser Trainerteam wird die Belastung gut steuern, so dass wir zum Start in die zweite Saisonhälfte Anfang Februar hoffentlich topfit sein werden. Wir haben uns viel vorgenommen. Die Aufholjagd kann gerne beginnen.

[sw]

Die Fans haben entschieden: Beim Voting des Fan Club Nationalmannschaft ist Lena Oberdorf zur Nationalspielerin des Jahres 2020 gewählt worden. Im DFB.de-Interview erklärt die erst 19 Jahre alte Defensivspielerin, warum ihr diese Auszeichnung besonders wichtig ist. Die Mittelfeldspielerin des VfL Wolfsburg schaut auch auf das Länderspieljahr 2020 zurück und blickt auf die Herausforderungen, die 2021 auf sie warten.

DFB.de: Frau Oberdorf, herzlichen Glückwunsch zu der Auszeichnung durch die Fans. Was bedeutet Ihnen das?

Lena Oberdorf: Vielen Dank. Mich freut an dieser Auszeichnung besonders, dass sie von den Fans kommt. Das ist gerade im Moment besonders schön, weil wir derzeit ja kein Feedback im Stadion bekommen. Die Zuschauer fehlen unglaublich. Aber wir merken dennoch, dass die Unterstützung da ist. Dafür sind wir sehr dankbar. Das gilt sowohl für den VfL Wolfsburg als auch für die Nationalmannschaft.

DFB.de: Sind Sie mit Ihrem Jahr in der Nationalmannschaft genauso zufrieden wie die Fans?

Oberdorf: Es war auf jeden Fall in Ordnung. Der Wechsel zum VfL Wolfsburg im vergangenen Sommer hat mir gutgetan und noch mal guten Schwung gegeben. Das hat zur Folge, dass ich auch in der Nationalmannschaft eine andere Rolle einnehme. Obwohl ich mit 19 Jahren noch sehr jung bin, versuche ich voranzugehen. Auf dem Platz, aber auch daneben. Es ist einfach mein Anspruch, Verantwortung zu übernehmen. Fußballerisch hat mir dieses Jahr viel gegeben. Ansonsten war es wegen Corona natürlich nicht besonders schön.

DFB.de: Das Jahr 2020 mit der Nationalmannschaft fing mit dem Algarve Cup an.

Oberdorf: Wir sind mit Siegen gegen Schweden und Norwegen gestartet. Ich weiß noch, dass wir am Tag vor dem Endspiel gerade beim Essen waren, als uns die Nachricht erreicht hat, dass das Virus aus China sich auch in Deutschland verbreiten würde. Bis dahin war Corona gefühlt weit weg. Ich hatte niemals erwartet, was daraus folgen würde. Die Italienerinnen, gegen die wir im Endspiel antreten sollten, mussten dann vorzeitig abreisen. Wir haben uns den Sieg beim Algarve Cup geteilt, das war die beste Lösung in einer sehr komischen Situation. Seitdem leben wir alle weitestgehend in einer Fußballblase und versuchen, das Beste aus der aktuellen Lage zu machen.

DFB.de: Nach dem ersten Lockdown ging es mit den Qualifikationsspielen für die Europameisterschaft weiter.

Oberdorf: Diese Aufgabe haben wir sehr souverän gelöst. Wir haben alle Spiele gewonnen und uns verlustpunktfrei qualifiziert. In allen Begegnungen haben wir nur einen einzigen Gegentreffer kassiert - und das war ein Elfmeter gegen Irland. Darauf hätte ich gut verzichten können, aber das ist logischerweise Jammern auf sehr hohem Niveau.

DFB.de: Alles gut also?

Oberdorf: Nein, das natürlich auch nicht. Dann müssten wir ja nicht mehr weiterarbeiten. Vieles war positiv. Aber es gibt natürlich noch einige Dinge, die wir optimieren können und müssen. Ich bin größtenteils zufrieden, aber es geht immer noch besser.

DFB.de: Geht es nach dem Ausscheiden im Viertelfinale der WM in Frankreich 2019 jetzt wieder aufwärts?

Oberdorf: Ich finde, dass man das etwas relativieren muss. Auch bei der WM war nicht alles schlecht. Wir hatten bis zu diesem Viertelfinale alle vier Begegnungen gewonnen. Klar, die Niederlage gegen Schweden war dann bitter. Aber an diesem Tag lief es einfach nicht für uns. Wir hatten Chancen, die Begegnung für uns zu entscheiden. Das hat nicht geklappt. Deshalb bleibt das Turnier in der allgemeinen Wahrnehmung negativ belastet. Aber wir schauen nach vorne. Wir haben jetzt noch mehr als ein Jahr Zeit, um uns auf die Europameisterschaft 2022 in England vorzubereiten. Das Turnier ist ja auch wegen Corona verlegt worden. Wenn wir diese Zeit sinnvoll nutzen, bin ich sehr zuversichtlich, dass wir wieder eine gute Rolle spielen werden.

DFB.de: Was macht Sie so zuversichtlich?

Oberdorf: Wir haben Qualität und eine gute Mischung aus jungen und erfahrenen Spielerinnen. Man braucht ein stabiles Fundament. Das setzt sich in der Nationalmannschaft aus Spielerinnen wie Alexandra Popp, Melanie Leupolz, Lina Magull und Dzsenifer Marozsan zusammen. Ich könnte noch einige weitere nennen. Marina Hegering zum Beispiel. Welche Rolle sie nach ihrer sehr langen Verletzungspause inzwischen einnimmt, ist unglaublich beeindruckend. Ich freue mich auch darauf, wenn Almuth Schult nach der Geburt ihrer Zwillinge bald wieder dabei ist. Das sind Spielerinnen, die ganz viel Qualität haben. Dazu kommen die jungen Spielerinnen, die viel Leichtigkeit mitbringen und unbekümmert auftreten. Ich bin stolz darauf, Teil dieses tollen Teams zu sein. Ich habe unglaublich Bock, mit diesen Spielerinnen zu zocken.

DFB.de: Beim VfL Wolfsburg haben Sie vor wenigen Tagen Ihren bis 2023 laufenden Vertrag vorzeitig bis 2024 verlängert. Wieso?

Oberdorf: Weil ich mich total wohl fühle und Wolfsburg für mich gerade genau der richtige Verein ist. Jedes Training auf diesem Niveau bringt mich weiter. Es ist extrem, was mir dieses erste Halbjahr in Wolfsburg gegeben hat. Die Bedingungen sind superprofessionell, und ich stehe jeden Tag Fußballerinnen auf dem Platz gegenüber, die in Deutschland und Europa zur absoluten Spitzenklasse zählen. Hinzu kommt, dass ich das Abitur hinter mich gebracht habe und mich nun voll auf den Fußball konzentrieren kann. Das ist eine große Erleichterung für mich. Diese Doppelbelastung war sehr herausfordernd. Es gab also keinen Grund für mich, nicht vorzeitig den Vertrag zu verlängern.

DFB.de: Sie sind im DFB-Pokal und der Champions League noch dabei. In der FLYERALARM Frauen-Bundesliga haben Sie zehn Siege gefeiert, dazu kommen ein Unentschieden und eine Niederlage. Trotzdem sind Sie fünf Punkte hinter dem FC Bayern. Wie ärgerlich ist das?

Oberdorf: Es ist ungewohnt für den VfL Wolfsburg, jetzt in der Verfolgerrolle zu sein. Aber man muss auch neidlos anerkennen, dass die Münchnerinnen bislang eine überragende Saison spielen. Sie haben alles gewonnen und erst einen Gegentreffer kassiert. Das ist eine fantastische Zwischenbilanz. Aber es ist noch nicht vorbei, sie sind noch nicht am Ziel.

DFB.de: Haben Sie noch die Hoffnung, die Deutsche Meisterschaft gewinnen zu können?

Oberdorf: Wir müssen alle Spiele gewinnen, also auch das direkte Duell gegen den FC Bayern. Hinzu kommt, dass wir darauf hoffen müssen, dass die Bayern sich noch den einen oder anderen Ausrutscher leisten. Ich glaube nicht, dass sie schon durch sind. Klar ist aber, dass wir jetzt eine Siegesserie bis zum Sommer brauchen.

DFB.de: Anfang Februar geht es nach einer kurzen Winterpause wieder los. Hatten Sie genug Zeit, um Ihren Akku aufzuladen?

Oberdorf: Das wird sich zeigen. Ich habe das Gefühl, dass mein Körper nichts gegen eine etwas längere Pause gehabt hätte. Aber für mein Herz war die Unterbrechung schon wieder viel zu lang. Grundsätzlich bin ich froh, dass wir nun wieder auf dem Platz stehen. Unser Trainerteam wird die Belastung gut steuern, so dass wir zum Start in die zweite Saisonhälfte Anfang Februar hoffentlich topfit sein werden. Wir haben uns viel vorgenommen. Die Aufholjagd kann gerne beginnen.

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