Nur die Corona-Krise konnte sie stoppen: Das Leid der Allesfahrer

Sie leben und leiden mit ihren Vereinen: Auch die Fans der Drittligisten sind durch die Corona-Krise in den Wartestand geschickt worden. Wie überbrücken sie diese Zeit? Wie ist das Leben ohne Fußball? Fanreporter Carsten Germann hat für DFB.de bei vier leidenschaftlichen Anhängern nachgefragt.

Die Zahl der Kilometer, die sie für und mit ihrem Lieblingsverein zurückgelegt haben, lässt sich nur schätzen. Eigentlich wären Fritz Fehling und Franz Hell mit dem TSV 1860 München dieser Tage ebenso auf Achse gewesen wie Michal Wildberg und Mathias "Schmattes" Langnickel mit dem MSV Duisburg. Die Ausbreitung der Corona-Pandemie hat sie und alle anderen Fans in den Wartestand geschickt. "Es ist alles schon gesagt - nur nicht von jedem", mit diesem Zitat des Münchner Volksschauspielers und Komikers Karl Valentin versucht Franz Hell, das zusammenzufassen, was viele Fußballanhänger in Deutschland derzeit denken. "Jeder sagt etwas, jeder weiß etwas und alle zwei oder drei Tage wird dies revidiert", meint der lebenslange Fan von 1860 München.

Franz Hell hat eine klare Meinung zu einer möglichen Wiederaufnahme des Spielbetriebs in der 3. Liga: "Ich würde es begrüßen, wenn man die Saison ordnungsgemäß zu Ende spielen würde, am liebsten mit Zuschauern, nur wenn es gar nicht anders geht, dann sollte man Geisterspiele durchführen." Für diesen Fall hat man an der Grünwalder Straße schon Vorbereitungen getroffen. "Es sind viele Aktionen geplant, aber die kommen erst zum Tragen, wenn man Genaueres weiß", erklärt Hell. "Falls es zu Geisterspielen kommt, wollen wir ein quasi ausverkauftes Stadion haben – mit Geisterspielkarten und einem großen Banner auf der Tribüne, das die Fans im Bild zeigt. Die Mannschaft soll nicht das Gefühl haben, alleine da zu stehen."

Genug zu tun, aber das "Gemeinschaftsgefühl fehlt"

Wirklich getrennt von seiner "Liebe", den Giesinger "Löwen", fühlt sich Franz Hell allerdings nicht. "Ich bin in der ARGE tätig (seit 1977 bestehende Organisation, in der sich die Fanklubs von 1860 München zusammengeschlossen haben, Anm. d. Red.) und wir haben viele Anfragen von den gut 500 Fanklubs, die unter unserem Dach organisiert sind. Da geht uns die Arbeit nicht aus, aber der Fußball fehlt natürlich schon." Es ist, wie Hell es formuliert, "das Gemeinschaftsgefühl", das er am meisten vermisst. Und natürlich die Begeisterung und die besondere Aura, die den Deutschen Meister von 1966 umgibt.

Diese Leidenschaft spürt man im Gespräch mit dem ehemaligen Gutachter und Immobilienbewerter, der inzwischen im Ruhestand ist. "Natürlich denke ich bei meinen wichtigsten Erlebnissen mit 1860 in der jüngeren Vergangenheit an das Spiel gegen Saarbrücken zum Aufstieg in die 3. Liga, das war sehr emotional", erzählt Hell. Auch die Bundesliga-Rückkehr 1977 mit drei Spielen gegen Arminia Bielefeld und vor allem das entscheidende, dritte Match in Frankfurt vor 60.000 Zuschauern, davon 40.000 aus München, oder die Champions-League-Qualifikationsspiele gegen Leeds United im Jahr 2000 ("Eine große Sache, wieder mit Sechzig in England spielen zu dürfen") gehören zu seinen absoluten 1860-Hits.

Kultfan Fehling: Seit fast 50 Jahren kein Ligaspiel verpasst

Mit Franz Hell seit Jahren in Sachen "Löwen" unterwegs ist Fritz Fehling (68). "Ich habe den Fußball, meine Musik mit den Rolling Stones und der Spider Murphy Gang und ich bin Biergarten-Gänger", berichtet Fehling, "das kann ich alles im Moment nicht aktiv verfolgen, aber das muss man aber akzeptieren. Ich halte mich an die Auflagen und mache das, was ich zu Hause schon lange machen wollte. Natürlich geht mir Sechzig ab!"

Die Erlebnisse der beiden eingeschworenen Fans mit den Blau-Weißen bieten fast schon filmreifen Stoff. Wie sehr sie mit Sechzig leben und leiden, schildert unter anderem die sehenswerte ARD-Dokumentation Nie mehr erste Liga? – Traditionsvereine nach dem Absturz von September 2017. "Seit es die Bundesliga gibt, seit 1963, bin ich Sechzig-Fan, aber ich bin keiner, der die Spiele zählt", sagt Fritz Fehling heute. "Ich habe 1972 das letzte Punktspiel von 1860 verpasst, seitdem noch das ein oder andere Pokalspiel in Bayernliga-Zeiten oder ein Freundschaftsspiel, das vom Termin her nicht gepasst hat." Für ihn wie auch für Franz Hell das absolute Highlight: Die drei Aufstiegsspiele zur Bundesliga 1977, im Sechziger-Fanjargon nur "Die Bielefeld-Spiele" genannt. "Auch der Bundesliga-Aufstieg mit Werner Lorant 1994 in Meppen und die Deutsche Meisterschaft 1966 bleiben natürlich haften. Ich habe auch viele Trainingslager und den Peace-Cup in Südkorea, Freundschaftsspiele in Shanghai oder in Kanada besucht", sagt Fehling.

Duisburger Duo: Urlaub ja, aber bitte mit Fußball!

Die 3. Liga hat man auch mehr als 630 Kilometer nordwestlich von München, in Duisburg, fest im Blick. Mathias "Schmattes" Langnickel und Michael Wildberg, Autor von So lonely – Ein Leben mit dem MSV Duisburg (2011), warten in der Corona-Pause auf die Rückkehr ihrer "Zebras." Ihre Fanbiografien sind – wie bei den Münchner Urgesteinen – eine Einladung für jeden Fußball-Filmemacher.

"Schmattes" Langnickel geht bereits seit 1988 zum MSV und ist darüber hinaus bekennender Groundhopper. "In den letzten 15 Jahren habe ich genau 16 Spiele verpasst. Ich bin der klassische Allesfahrer, inklusive Trainingslager", sagt er. "Ich habe allerdings mit dem MSV nicht so viele Reisen unternommen, diese gab es dann eher beim Groundhopping und im Urlaub, wo ich auch immer Fußball mitnehme: 2. Liga in Mexiko, 5. Liga in Tschechien, erste und zweite Liga in Sansibar und Tansania." Seit 2014 ist er dort auch am Aufbau des Fan-Vereins TanZebras FC beteiligt. Als seine persönlichen MSV-Highlights nennt er die Pokalfinals 1998 und 2011 gegen den FC Bayern München und den FC Schalke 04 sowie das Finale 2014 im Niederrhein-Pokal bei Rot-Weiß Essen (1:1 n. V.; 1:4 n. E.).

Michael Wildberg stammt aus Duisburg-Meiderich und hat mit dem MSV noch die ganz harten Zeiten in der damals drittklassigen Oberliga Nordrhein miterlebt. Sein erstes prägendes Erlebnis mit den "Zebras": ein 1:1 in einem Freundschaftsspiel gegen den FC Bayern München. Darauf lässt sich aufbauen. "Ich dachte damals, wenn der MSV gegen den FC Bayern unentschieden spielt, dann sind wir mindestens genauso gut", sagt er lachend. In Wildbergs MSV-Hitliste liegen der Bundesliga-Aufstieg 1991 mit dem entscheidenden Tor von Michael Tönnies ("Er war mein persönlicher Gott") vier Minuten vor Schluss zum 1:0 gegen Blau-Weiß 90 Berlin, das Pokalfinale 2011 gegen Schalke, als die Duisburger Fans trotz des 0:5 ihren MSV in der Schlussviertelstunde feierten und sogar die vor dem Spiel gezeigte Choreografie wieder aufrollten.

Auch ohne Fußball dreht sich alles um den MSV

Es sind Momente, die fehlen. "Es ist schon hart für die Spieler, für die Fans, für jeden im Verein", unterstreicht Michael Wildberg, "ich mache mir als Sozialarbeiter auch über andere Berufsgruppen Gedanken, aber das Spiel, das ganze Drumherum, das fehlt mir."

Wie überbrücken die hartgesottenen Fans die Corona-Pause? "Es ist schwierig", gesteht Langnickel, "an den Wochenenden habe ich plötzlich ganz viel Zeit." Dass der MSV nicht spielt, heißt für ihn jedoch nicht, dass es bei ihm nicht um den MSV geht. "Ich bin gleichzeitig Vorsitzender bei Zebraherde e. V (einem Partner aller Fans und Fanvereinigungen des MSV, Anm. d. Red.), wir stehen im Dialog mit den Verantwortlichen des MSV Duisburg und wir nutzen die Zeit, um uns im Verein noch besser aufzustellen, machen viele Online-Aktionen." Das eingespielte Geld geht an wohltätige Zwecke."

"Kauf den Fanshop leer"

Zu den zahlreichen Aktivitäten gehört unter anderem ein MSV-Kneipenquiz. Eine T-Shirt Aktion mit MSV-Hemden ("Made in DU") zum symbolischen Preis von 19,02 Euro - der MSV wurde 1902 gegründet - brachte fast 12.000 Euro ein. Die Aktion "Kauf den Fanshop leer" bescherte sogar mehr als 100.000 Euro. Für die Promotion der T-Shirt-Aktion konnte man MSV-Legenden der 90er Jahre wie Joachim Hopp und Peter Közle gewinnen. Wie überall in Deutschland vernetzen sich Fans und Ultra-Organisationen über Konferenzsysteme, um Abstimmungen zu machen, es wird gemailt, telefoniert und via Skype kommuniziert. "Ich glaube, dass die fußballfreie Zeit für viele aktive Gruppierungen mehr Arbeit ist als sonst darstellt", sagt Mathias Langnickel.

Trotz dieser Aktivitäten gilt natürlich: Der einzig wahre Fußball ist durch nichts zu ersetzen. "Das kann ich in Worten nicht ausdrücken, das ist wie die Luft zum Atmen, mir fehlt der Jubel beim Tor, die Freunde, die man trifft, der Austausch, man redet ja rund um ein Spiel nicht nur über Fußball", schildert Matthias Langnickel.

Ganz großes Autokino in der Coronapause

Michael Wildberg ("Bis 2015 war MSV-Fansein für mich ein Halbtagsjob") beschäftigt sich ebenfalls mit Aktionen rund um seinen Herzensverein. Konkret: An diesem Mittwoch wird es direkt an der Schauinsland-Reisen-Arena in Duisburg in guter, alter 60er-Jahre-Tradition und gemäß den aktuellen Corona-Vorgaben ein Revival des Autokinos geben. Gezeigt wird die 128-minütige Dokumentation Meidericher Vizemeister von Matze Knorr, Kristian Lütjens und Michael Wildberg. Die online angebotenen, 180 Tickets, die es im Vorverkauf gab, waren binnen weniger Minuten ausverkauft.

Wie geht es mit der 3. Liga weiter? Diese Frage steht auch bei den Duisburger Fans über allem. "In meiner Brust schlagen dabei eigentlich zwei Herzen", erklärt Michael Wildberg, "Den Vorschlag des MSV, das Ding sportlich zu Ende zu bringen, finde ich fair. Da ich aber gegen Geisterspiele bin, sollte es am grünen Tisch gelöst werden. Ich wünsche mir eine faire Lösung, aber ich glaube nicht, dass diese kommen wird." Mathias Langnickel geht dagegen "von einem Saisonabbruch aus." Seine Meinung: "Ich bin ganz klar für die Aufstockung der Ligen, ohne Auf und Absteiger, natürlich ist das nicht ganz so einfach, aber das könnte man am ehesten durchziehen."

Ansonsten gilt für die Allesfahrer im Pott und an der Isar die Devise: Abwarten. Ihre Mannschaften jedenfalls fehlen ihn sehr - ebenso wie das Gefühl, bei den Spielen mitzufiebern, mitzujubeln und mitzuleiden.

[dfb]

Sie leben und leiden mit ihren Vereinen: Auch die Fans der Drittligisten sind durch die Corona-Krise in den Wartestand geschickt worden. Wie überbrücken sie diese Zeit? Wie ist das Leben ohne Fußball? Fanreporter Carsten Germann hat für DFB.de bei vier leidenschaftlichen Anhängern nachgefragt.

Die Zahl der Kilometer, die sie für und mit ihrem Lieblingsverein zurückgelegt haben, lässt sich nur schätzen. Eigentlich wären Fritz Fehling und Franz Hell mit dem TSV 1860 München dieser Tage ebenso auf Achse gewesen wie Michal Wildberg und Mathias "Schmattes" Langnickel mit dem MSV Duisburg. Die Ausbreitung der Corona-Pandemie hat sie und alle anderen Fans in den Wartestand geschickt. "Es ist alles schon gesagt - nur nicht von jedem", mit diesem Zitat des Münchner Volksschauspielers und Komikers Karl Valentin versucht Franz Hell, das zusammenzufassen, was viele Fußballanhänger in Deutschland derzeit denken. "Jeder sagt etwas, jeder weiß etwas und alle zwei oder drei Tage wird dies revidiert", meint der lebenslange Fan von 1860 München.

Franz Hell hat eine klare Meinung zu einer möglichen Wiederaufnahme des Spielbetriebs in der 3. Liga: "Ich würde es begrüßen, wenn man die Saison ordnungsgemäß zu Ende spielen würde, am liebsten mit Zuschauern, nur wenn es gar nicht anders geht, dann sollte man Geisterspiele durchführen." Für diesen Fall hat man an der Grünwalder Straße schon Vorbereitungen getroffen. "Es sind viele Aktionen geplant, aber die kommen erst zum Tragen, wenn man Genaueres weiß", erklärt Hell. "Falls es zu Geisterspielen kommt, wollen wir ein quasi ausverkauftes Stadion haben – mit Geisterspielkarten und einem großen Banner auf der Tribüne, das die Fans im Bild zeigt. Die Mannschaft soll nicht das Gefühl haben, alleine da zu stehen."

Genug zu tun, aber das "Gemeinschaftsgefühl fehlt"

Wirklich getrennt von seiner "Liebe", den Giesinger "Löwen", fühlt sich Franz Hell allerdings nicht. "Ich bin in der ARGE tätig (seit 1977 bestehende Organisation, in der sich die Fanklubs von 1860 München zusammengeschlossen haben, Anm. d. Red.) und wir haben viele Anfragen von den gut 500 Fanklubs, die unter unserem Dach organisiert sind. Da geht uns die Arbeit nicht aus, aber der Fußball fehlt natürlich schon." Es ist, wie Hell es formuliert, "das Gemeinschaftsgefühl", das er am meisten vermisst. Und natürlich die Begeisterung und die besondere Aura, die den Deutschen Meister von 1966 umgibt.

Diese Leidenschaft spürt man im Gespräch mit dem ehemaligen Gutachter und Immobilienbewerter, der inzwischen im Ruhestand ist. "Natürlich denke ich bei meinen wichtigsten Erlebnissen mit 1860 in der jüngeren Vergangenheit an das Spiel gegen Saarbrücken zum Aufstieg in die 3. Liga, das war sehr emotional", erzählt Hell. Auch die Bundesliga-Rückkehr 1977 mit drei Spielen gegen Arminia Bielefeld und vor allem das entscheidende, dritte Match in Frankfurt vor 60.000 Zuschauern, davon 40.000 aus München, oder die Champions-League-Qualifikationsspiele gegen Leeds United im Jahr 2000 ("Eine große Sache, wieder mit Sechzig in England spielen zu dürfen") gehören zu seinen absoluten 1860-Hits.

Kultfan Fehling: Seit fast 50 Jahren kein Ligaspiel verpasst

Mit Franz Hell seit Jahren in Sachen "Löwen" unterwegs ist Fritz Fehling (68). "Ich habe den Fußball, meine Musik mit den Rolling Stones und der Spider Murphy Gang und ich bin Biergarten-Gänger", berichtet Fehling, "das kann ich alles im Moment nicht aktiv verfolgen, aber das muss man aber akzeptieren. Ich halte mich an die Auflagen und mache das, was ich zu Hause schon lange machen wollte. Natürlich geht mir Sechzig ab!"

Die Erlebnisse der beiden eingeschworenen Fans mit den Blau-Weißen bieten fast schon filmreifen Stoff. Wie sehr sie mit Sechzig leben und leiden, schildert unter anderem die sehenswerte ARD-Dokumentation Nie mehr erste Liga? – Traditionsvereine nach dem Absturz von September 2017. "Seit es die Bundesliga gibt, seit 1963, bin ich Sechzig-Fan, aber ich bin keiner, der die Spiele zählt", sagt Fritz Fehling heute. "Ich habe 1972 das letzte Punktspiel von 1860 verpasst, seitdem noch das ein oder andere Pokalspiel in Bayernliga-Zeiten oder ein Freundschaftsspiel, das vom Termin her nicht gepasst hat." Für ihn wie auch für Franz Hell das absolute Highlight: Die drei Aufstiegsspiele zur Bundesliga 1977, im Sechziger-Fanjargon nur "Die Bielefeld-Spiele" genannt. "Auch der Bundesliga-Aufstieg mit Werner Lorant 1994 in Meppen und die Deutsche Meisterschaft 1966 bleiben natürlich haften. Ich habe auch viele Trainingslager und den Peace-Cup in Südkorea, Freundschaftsspiele in Shanghai oder in Kanada besucht", sagt Fehling.

Duisburger Duo: Urlaub ja, aber bitte mit Fußball!

Die 3. Liga hat man auch mehr als 630 Kilometer nordwestlich von München, in Duisburg, fest im Blick. Mathias "Schmattes" Langnickel und Michael Wildberg, Autor von So lonely – Ein Leben mit dem MSV Duisburg (2011), warten in der Corona-Pause auf die Rückkehr ihrer "Zebras." Ihre Fanbiografien sind – wie bei den Münchner Urgesteinen – eine Einladung für jeden Fußball-Filmemacher.

"Schmattes" Langnickel geht bereits seit 1988 zum MSV und ist darüber hinaus bekennender Groundhopper. "In den letzten 15 Jahren habe ich genau 16 Spiele verpasst. Ich bin der klassische Allesfahrer, inklusive Trainingslager", sagt er. "Ich habe allerdings mit dem MSV nicht so viele Reisen unternommen, diese gab es dann eher beim Groundhopping und im Urlaub, wo ich auch immer Fußball mitnehme: 2. Liga in Mexiko, 5. Liga in Tschechien, erste und zweite Liga in Sansibar und Tansania." Seit 2014 ist er dort auch am Aufbau des Fan-Vereins TanZebras FC beteiligt. Als seine persönlichen MSV-Highlights nennt er die Pokalfinals 1998 und 2011 gegen den FC Bayern München und den FC Schalke 04 sowie das Finale 2014 im Niederrhein-Pokal bei Rot-Weiß Essen (1:1 n. V.; 1:4 n. E.).

Michael Wildberg stammt aus Duisburg-Meiderich und hat mit dem MSV noch die ganz harten Zeiten in der damals drittklassigen Oberliga Nordrhein miterlebt. Sein erstes prägendes Erlebnis mit den "Zebras": ein 1:1 in einem Freundschaftsspiel gegen den FC Bayern München. Darauf lässt sich aufbauen. "Ich dachte damals, wenn der MSV gegen den FC Bayern unentschieden spielt, dann sind wir mindestens genauso gut", sagt er lachend. In Wildbergs MSV-Hitliste liegen der Bundesliga-Aufstieg 1991 mit dem entscheidenden Tor von Michael Tönnies ("Er war mein persönlicher Gott") vier Minuten vor Schluss zum 1:0 gegen Blau-Weiß 90 Berlin, das Pokalfinale 2011 gegen Schalke, als die Duisburger Fans trotz des 0:5 ihren MSV in der Schlussviertelstunde feierten und sogar die vor dem Spiel gezeigte Choreografie wieder aufrollten.

Auch ohne Fußball dreht sich alles um den MSV

Es sind Momente, die fehlen. "Es ist schon hart für die Spieler, für die Fans, für jeden im Verein", unterstreicht Michael Wildberg, "ich mache mir als Sozialarbeiter auch über andere Berufsgruppen Gedanken, aber das Spiel, das ganze Drumherum, das fehlt mir."

Wie überbrücken die hartgesottenen Fans die Corona-Pause? "Es ist schwierig", gesteht Langnickel, "an den Wochenenden habe ich plötzlich ganz viel Zeit." Dass der MSV nicht spielt, heißt für ihn jedoch nicht, dass es bei ihm nicht um den MSV geht. "Ich bin gleichzeitig Vorsitzender bei Zebraherde e. V (einem Partner aller Fans und Fanvereinigungen des MSV, Anm. d. Red.), wir stehen im Dialog mit den Verantwortlichen des MSV Duisburg und wir nutzen die Zeit, um uns im Verein noch besser aufzustellen, machen viele Online-Aktionen." Das eingespielte Geld geht an wohltätige Zwecke."

"Kauf den Fanshop leer"

Zu den zahlreichen Aktivitäten gehört unter anderem ein MSV-Kneipenquiz. Eine T-Shirt Aktion mit MSV-Hemden ("Made in DU") zum symbolischen Preis von 19,02 Euro - der MSV wurde 1902 gegründet - brachte fast 12.000 Euro ein. Die Aktion "Kauf den Fanshop leer" bescherte sogar mehr als 100.000 Euro. Für die Promotion der T-Shirt-Aktion konnte man MSV-Legenden der 90er Jahre wie Joachim Hopp und Peter Közle gewinnen. Wie überall in Deutschland vernetzen sich Fans und Ultra-Organisationen über Konferenzsysteme, um Abstimmungen zu machen, es wird gemailt, telefoniert und via Skype kommuniziert. "Ich glaube, dass die fußballfreie Zeit für viele aktive Gruppierungen mehr Arbeit ist als sonst darstellt", sagt Mathias Langnickel.

Trotz dieser Aktivitäten gilt natürlich: Der einzig wahre Fußball ist durch nichts zu ersetzen. "Das kann ich in Worten nicht ausdrücken, das ist wie die Luft zum Atmen, mir fehlt der Jubel beim Tor, die Freunde, die man trifft, der Austausch, man redet ja rund um ein Spiel nicht nur über Fußball", schildert Matthias Langnickel.

Ganz großes Autokino in der Coronapause

Michael Wildberg ("Bis 2015 war MSV-Fansein für mich ein Halbtagsjob") beschäftigt sich ebenfalls mit Aktionen rund um seinen Herzensverein. Konkret: An diesem Mittwoch wird es direkt an der Schauinsland-Reisen-Arena in Duisburg in guter, alter 60er-Jahre-Tradition und gemäß den aktuellen Corona-Vorgaben ein Revival des Autokinos geben. Gezeigt wird die 128-minütige Dokumentation Meidericher Vizemeister von Matze Knorr, Kristian Lütjens und Michael Wildberg. Die online angebotenen, 180 Tickets, die es im Vorverkauf gab, waren binnen weniger Minuten ausverkauft.

Wie geht es mit der 3. Liga weiter? Diese Frage steht auch bei den Duisburger Fans über allem. "In meiner Brust schlagen dabei eigentlich zwei Herzen", erklärt Michael Wildberg, "Den Vorschlag des MSV, das Ding sportlich zu Ende zu bringen, finde ich fair. Da ich aber gegen Geisterspiele bin, sollte es am grünen Tisch gelöst werden. Ich wünsche mir eine faire Lösung, aber ich glaube nicht, dass diese kommen wird." Mathias Langnickel geht dagegen "von einem Saisonabbruch aus." Seine Meinung: "Ich bin ganz klar für die Aufstockung der Ligen, ohne Auf und Absteiger, natürlich ist das nicht ganz so einfach, aber das könnte man am ehesten durchziehen."

Ansonsten gilt für die Allesfahrer im Pott und an der Isar die Devise: Abwarten. Ihre Mannschaften jedenfalls fehlen ihn sehr - ebenso wie das Gefühl, bei den Spielen mitzufiebern, mitzujubeln und mitzuleiden.

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