Nüsken: "Wir träumen alle von der EM"

Die Karriere von Sjoeke Nüsken hätte wohl schon jetzt genug Inhalt für einen eigenen Hollywood-Blockbuster. Die gebürtige Westfälin gehörte im Kindesalter zu den besten Tennisspielerinnen Deutschlands, entschied sich dann aber dennoch für die Fußballschuhe und kämpfte sich trotz zweier schwerer Verletzungen bis zur deutschen A-Nationalmannschaft. Bei den kommenden Länderspielen gegen Australien am Samstag, 10. April (ab 16.10 Uhr, live in der ARD), und Norwegen am Dienstag, 13. April (ab 16 Uhr, live im ZDF) in der BRITA-Arena in Wiesbaden, könnte die 20-Jährige nun ihren zweiten Auftritt unter Martina Voss-Tecklenburg feiern.

Doch danach sah es gerade zu Beginn von Sjoeke Nüskens Leben mal so überhaupt nicht aus. In der U 9 und U 10 war die Hammerin Deutsche Meisterin im Tennis und hätte hier wohl sicher auch eine große Karriere starten können. Doch kurze Zeit später legte sie den Tennisschläger beiseite, schnürte stattdessen die Fußballschuhe und wurde auch mit dem etwas größeren Ball sehr erfolgreich. "Ich bin einfach eine Teamspielerin. Es macht mir so viel mehr Spaß, mit der ganzen Mannschaft zu feiern, als nur allein für mich. Und vor allem war meine Schwester ebenfalls Fußballerin, das hat die Entscheidung dann leichter gemacht", nennt die 20-Jährige, die in der gesamten Kindheit ihre Schwester als großes Vorbild hatte, die Gründe für den unüblichen Sportartenwechsel. Die knapp vier Jahre ältere Hjördis Nüsken nämlich spielte, wie Sjoeke später auch, in den deutschen U 15- und U 16-Auswahlen und lief in der 2. Frauen-Bundesliga für den FSV Gütersloh auf.

"Es geht nur um Sport"

Generell ist aber auch die ganze Familie Nüsken mit dem Wort "sportverrückt" wohl nicht mal annähernd richtig zu beschreiben. "Es geht eigentlich nur um Sport. Immer. Ob bei den Gesprächen beim Essen oder auch dann nachher im Garten. Dabei muss es nicht immer nur Fußball sein." Neben Sjoeke und Hjördis sind auch die anderen Nüskens nämlich in Sportarten wie Turnen oder Volleyball zu Hause.

Nachdem sich die heute 20-jährige Westfälin dann aber endgültig für das runde Leder entschieden hatte, ging es auch mit ihrer Fußball-Karriere steil bergauf. Nüsken spielte in der U 14-, U 16- und U 18-Westfalenauswahl, wurde auch ab der U 15 jedes Jahr für die deutschen Juniorinnen-Mannschaften nominiert und gewann 2017 als Stammspielerin die U 17-Europameisterschaft im DFB-Trikot. Trotz des riesigen Erfolgs blieb die Mittelfeldspielerin aber stets auf dem Boden: "Ich wollte unbedingt in Hamm auf dem Mädchenfußballinternat mein Abitur machen und deswegen kam es nie in Frage, schon mit 16 oder 17 zu einem großen Verein zu wechseln. Bis heute weiß ich auch, dass es genau die richtige Entscheidung war." Bis zur A-Jugend spielte die 1,73 Meter große Kickerin daher dank einer Ausnahmegenehmigung für die Jungen von Westfalia Rhynern, ehe dann aber doch 2019 der Wechsel in die Welt der nationalen Frauenfußball-Elite - zum 1. FFC Frankfurt - folgte.

Vom Rückschlag "stärker zurückgekommen"

Ganz rosig verlief dieser Sommer 2019 dann allerdings nicht. Ein Außenbandriss erschwerte das Ankommen am Main, statt Bundesliga-Training stand hartes Reha-Programm auf dem Plan. "Das war natürlich ein Mega-Schock", schaut Nüsken, die schon 2016 durch eine große Verletzung gestoppt worden war, auf diese Zeit zurück. "Aber heute kann ich sagen, dass das alles vielleicht auch etwas Gutes hatte. Ich musste mich zurück kämpfen, war komplett auf mich allein gestellt und bin stärker zurückgekommen, als ich es zuvor war."

Denn vielleicht mit etwas Verzögerung schrieb die Hammerin trotzdem ihre Geschichte weiter, wurde zu Beginn diesen Jahres von Martina Voss-Tecklenburg zum dritten Mal für die A-Nationalmannschaft nominiert und feierte ihr erstes Länderspiel. "Das war ein unglaubliches Gefühl", weiß die Frankfurterin, die mittlerweile aufgrund ihres etwas unorthodoxen Spielstils gerne mit Thomas Müller verglichen wird, noch genau. "Das werde ich nie vergessen, als plötzlich gerufen wurde: Sjoeke, mach dich bereit - und ich etwas später neben Alex Popp eingewechselt wurde. Ich war mega aufgeregt, aber es war echt gut, nicht so ganz allein gewesen zu sein. Sie hat mich dann geführt und mir ab und zu gesagt, wenn ich kopflos hin- und hergelaufen bin."

Und nicht nur bei ihrem ersten Länderspiel musste sie nicht alleine zurechtkommen. "Eigentlich machen Soffe (Sophia KleinherneAnm. d. Red.) und ich immer alles gemeinsam. So sind wir nie allein und können uns unterstützen, wenn jemand Hilfe braucht. Wir spielen zusammen in Frankfurt und sind etwa gleich alt. Das passt einfach", freut sich Sjoeke Nüsken, bei der es immer noch etwas kribbelt, wenn sie vor das DFB-Hotel gefahren wird. "Aber es wird besser", sagt das Mitglied der Bundeswehr-Fördergruppe für Spitzensportler*innen lachend.

"Als Kind davon geträumt"

Dabei gibt es neben dem ersten Länderspiel sogar ein weiteres sportliches Highlight. Nach einer starken Leistung schaffte Nüsken nämlich an Karsamstag - mit Eintracht Frankfurt - erstmals in ihrer Karriere den Sprung in das DFB-Pokal-Finale nach Köln. Ende Mai steht die Eintracht dann Seriensieger VfL Wolfsburg gegenüber. "Mega, ein echter Gänsehautmoment und totale Erleichterung", beschreibt die Nationalspielerin ihre Gefühlslage beim Abpfiff nach dem 2:1-Sieg gegen Freiburg. "Wir haben es uns so sehr verdient, gerade nach dem es in der Liga nicht ganz so gut läuft. Jetzt freuen wir uns alle extrem auf das Endspiel." Die folgende, Corona-konforme Pokal-Sause am Frankfurter Stadion wird Nüsken wohl nie vergessen, auch wenn am Ende ein bisschen die Wehmut herrschte: "Es ist natürlich total schade, dass keine Fans da waren und das Feiern eben doch nicht so ging, wie man es sich vielleicht gewünscht hätte."

Spätestens im kommenden Jahr wird dies sich dann aber sehr wahrscheinlich ändern. Denn 2022 findet "endlich" die verschobene Europameisterschaft in England statt - aller Voraussicht nach mit Zuschauern. "Das sind diese Dinge, von denen du als Kind geträumt hast. EM und dann auch noch in so einem Land mit so tollen Stadien und Fans", kommt die 20-Jährige ins Schwärmen, weiß aber auch genau, dass der Weg dahin noch lang ist. "Natürlich kam mir die Verschiebung dann auch etwas entgegen. Nun habe ich ein Jahr mehr Zeit, mich zu beweisen und zu zeigen, dass ich unbedingt dabei sein muss. Aber es gibt so viele gute Mädels im Mittelfeld und wir alle träumen von der EM. Ich werde alles geben, um dabei zu sein."

Erstmal stehen für die Ex-Tennisspielerin und das Team von Martina Voss-Tecklenburg nun aber die Länderspiele gegen Australien und Norwegen auf dem Fahrplan. Wer weiß, wie die Chancen auf weitere Länderspiele für Sjoeke Nüsken stehen, vielleicht sogar besser als sie es sich erhofft hatte. Es wäre das nächste rosige Kapitel einer echten Bilderbuchkarriere.

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Die Karriere von Sjoeke Nüsken hätte wohl schon jetzt genug Inhalt für einen eigenen Hollywood-Blockbuster. Die gebürtige Westfälin gehörte im Kindesalter zu den besten Tennisspielerinnen Deutschlands, entschied sich dann aber dennoch für die Fußballschuhe und kämpfte sich trotz zweier schwerer Verletzungen bis zur deutschen A-Nationalmannschaft. Bei den kommenden Länderspielen gegen Australien am Samstag, 10. April (ab 16.10 Uhr, live in der ARD), und Norwegen am Dienstag, 13. April (ab 16 Uhr, live im ZDF) in der BRITA-Arena in Wiesbaden, könnte die 20-Jährige nun ihren zweiten Auftritt unter Martina Voss-Tecklenburg feiern.

Doch danach sah es gerade zu Beginn von Sjoeke Nüskens Leben mal so überhaupt nicht aus. In der U 9 und U 10 war die Hammerin Deutsche Meisterin im Tennis und hätte hier wohl sicher auch eine große Karriere starten können. Doch kurze Zeit später legte sie den Tennisschläger beiseite, schnürte stattdessen die Fußballschuhe und wurde auch mit dem etwas größeren Ball sehr erfolgreich. "Ich bin einfach eine Teamspielerin. Es macht mir so viel mehr Spaß, mit der ganzen Mannschaft zu feiern, als nur allein für mich. Und vor allem war meine Schwester ebenfalls Fußballerin, das hat die Entscheidung dann leichter gemacht", nennt die 20-Jährige, die in der gesamten Kindheit ihre Schwester als großes Vorbild hatte, die Gründe für den unüblichen Sportartenwechsel. Die knapp vier Jahre ältere Hjördis Nüsken nämlich spielte, wie Sjoeke später auch, in den deutschen U 15- und U 16-Auswahlen und lief in der 2. Frauen-Bundesliga für den FSV Gütersloh auf.

"Es geht nur um Sport"

Generell ist aber auch die ganze Familie Nüsken mit dem Wort "sportverrückt" wohl nicht mal annähernd richtig zu beschreiben. "Es geht eigentlich nur um Sport. Immer. Ob bei den Gesprächen beim Essen oder auch dann nachher im Garten. Dabei muss es nicht immer nur Fußball sein." Neben Sjoeke und Hjördis sind auch die anderen Nüskens nämlich in Sportarten wie Turnen oder Volleyball zu Hause.

Nachdem sich die heute 20-jährige Westfälin dann aber endgültig für das runde Leder entschieden hatte, ging es auch mit ihrer Fußball-Karriere steil bergauf. Nüsken spielte in der U 14-, U 16- und U 18-Westfalenauswahl, wurde auch ab der U 15 jedes Jahr für die deutschen Juniorinnen-Mannschaften nominiert und gewann 2017 als Stammspielerin die U 17-Europameisterschaft im DFB-Trikot. Trotz des riesigen Erfolgs blieb die Mittelfeldspielerin aber stets auf dem Boden: "Ich wollte unbedingt in Hamm auf dem Mädchenfußballinternat mein Abitur machen und deswegen kam es nie in Frage, schon mit 16 oder 17 zu einem großen Verein zu wechseln. Bis heute weiß ich auch, dass es genau die richtige Entscheidung war." Bis zur A-Jugend spielte die 1,73 Meter große Kickerin daher dank einer Ausnahmegenehmigung für die Jungen von Westfalia Rhynern, ehe dann aber doch 2019 der Wechsel in die Welt der nationalen Frauenfußball-Elite - zum 1. FFC Frankfurt - folgte.

Vom Rückschlag "stärker zurückgekommen"

Ganz rosig verlief dieser Sommer 2019 dann allerdings nicht. Ein Außenbandriss erschwerte das Ankommen am Main, statt Bundesliga-Training stand hartes Reha-Programm auf dem Plan. "Das war natürlich ein Mega-Schock", schaut Nüsken, die schon 2016 durch eine große Verletzung gestoppt worden war, auf diese Zeit zurück. "Aber heute kann ich sagen, dass das alles vielleicht auch etwas Gutes hatte. Ich musste mich zurück kämpfen, war komplett auf mich allein gestellt und bin stärker zurückgekommen, als ich es zuvor war."

Denn vielleicht mit etwas Verzögerung schrieb die Hammerin trotzdem ihre Geschichte weiter, wurde zu Beginn diesen Jahres von Martina Voss-Tecklenburg zum dritten Mal für die A-Nationalmannschaft nominiert und feierte ihr erstes Länderspiel. "Das war ein unglaubliches Gefühl", weiß die Frankfurterin, die mittlerweile aufgrund ihres etwas unorthodoxen Spielstils gerne mit Thomas Müller verglichen wird, noch genau. "Das werde ich nie vergessen, als plötzlich gerufen wurde: Sjoeke, mach dich bereit - und ich etwas später neben Alex Popp eingewechselt wurde. Ich war mega aufgeregt, aber es war echt gut, nicht so ganz allein gewesen zu sein. Sie hat mich dann geführt und mir ab und zu gesagt, wenn ich kopflos hin- und hergelaufen bin."

Und nicht nur bei ihrem ersten Länderspiel musste sie nicht alleine zurechtkommen. "Eigentlich machen Soffe (Sophia KleinherneAnm. d. Red.) und ich immer alles gemeinsam. So sind wir nie allein und können uns unterstützen, wenn jemand Hilfe braucht. Wir spielen zusammen in Frankfurt und sind etwa gleich alt. Das passt einfach", freut sich Sjoeke Nüsken, bei der es immer noch etwas kribbelt, wenn sie vor das DFB-Hotel gefahren wird. "Aber es wird besser", sagt das Mitglied der Bundeswehr-Fördergruppe für Spitzensportler*innen lachend.

"Als Kind davon geträumt"

Dabei gibt es neben dem ersten Länderspiel sogar ein weiteres sportliches Highlight. Nach einer starken Leistung schaffte Nüsken nämlich an Karsamstag - mit Eintracht Frankfurt - erstmals in ihrer Karriere den Sprung in das DFB-Pokal-Finale nach Köln. Ende Mai steht die Eintracht dann Seriensieger VfL Wolfsburg gegenüber. "Mega, ein echter Gänsehautmoment und totale Erleichterung", beschreibt die Nationalspielerin ihre Gefühlslage beim Abpfiff nach dem 2:1-Sieg gegen Freiburg. "Wir haben es uns so sehr verdient, gerade nach dem es in der Liga nicht ganz so gut läuft. Jetzt freuen wir uns alle extrem auf das Endspiel." Die folgende, Corona-konforme Pokal-Sause am Frankfurter Stadion wird Nüsken wohl nie vergessen, auch wenn am Ende ein bisschen die Wehmut herrschte: "Es ist natürlich total schade, dass keine Fans da waren und das Feiern eben doch nicht so ging, wie man es sich vielleicht gewünscht hätte."

Spätestens im kommenden Jahr wird dies sich dann aber sehr wahrscheinlich ändern. Denn 2022 findet "endlich" die verschobene Europameisterschaft in England statt - aller Voraussicht nach mit Zuschauern. "Das sind diese Dinge, von denen du als Kind geträumt hast. EM und dann auch noch in so einem Land mit so tollen Stadien und Fans", kommt die 20-Jährige ins Schwärmen, weiß aber auch genau, dass der Weg dahin noch lang ist. "Natürlich kam mir die Verschiebung dann auch etwas entgegen. Nun habe ich ein Jahr mehr Zeit, mich zu beweisen und zu zeigen, dass ich unbedingt dabei sein muss. Aber es gibt so viele gute Mädels im Mittelfeld und wir alle träumen von der EM. Ich werde alles geben, um dabei zu sein."

Erstmal stehen für die Ex-Tennisspielerin und das Team von Martina Voss-Tecklenburg nun aber die Länderspiele gegen Australien und Norwegen auf dem Fahrplan. Wer weiß, wie die Chancen auf weitere Länderspiele für Sjoeke Nüsken stehen, vielleicht sogar besser als sie es sich erhofft hatte. Es wäre das nächste rosige Kapitel einer echten Bilderbuchkarriere.

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