Niersbach: „Tradition wahren und eine Frische ausstrahlen“

Der am Freitag beim DFB-Bundestag in Mainz vom Präsidium ins Amt berufene und einstimmig vom Plenum bestätigte neue DFB-Generalsekretär Wolfgang Niersbach spricht im "DFB.de-Gespräch der Woche“ mit DFB-Internetredakteur Thomas Hackbarth über seine neue Aufgabe, die anstehenden Verhandlungen über die TV-Rechte und die Aufwertung der U-Mannschaften.

Frage: Am Freitag wurden Sie in der Mainzer Rheingoldhalle vom Bundestag einstimmig zum DFB-Generalsekretär gewählt, knapp ein Jahr nachdem die Tätigkeit des WM-Organisationskomitees, in dem Sie Vizepräsident waren, geendet hat. Danach waren Sie ein Jahr als Direktor Teammanagement im der DFB tätig. Welche unmittelbar anstehenden Aufgaben erwarten nun den neuen DFB-Generalsekretär?

Wolfgang Niersbach: In jedem Fall ist dieses Amt eine große Herausforderung. Horst R. Schmidt hat mit seiner Arbeit in den vergangenen 15 Jahren hohe Maßstäbe gesetzt. Ich habe auch seinen Vorgänger Dr. Wilfried Gerhardt kennen gelernt, und weiß, dass das Bild des DFB als seriöser und absolut verlässlich arbeitender Spitzenverband des Sportes entscheidend durch seine Generalsekretäre geprägt wurde. Als ich zum DFB kam, gab es 50 Mitarbeiter, heute sind es 180. Diesen Apparat unter der Leitung der ehrenamtlichen Mitarbeiter zu führen, ist eine große Aufgabe. An der Spitze steht DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger, mit dem ich mich freundschaftlich verbunden fühle. Gerade auch der Generalsekretär muss über die unzähligen Themen den Überblick wahren.

Der neue DFB-Generalsekretär Wolfgang Niersbach

Frage: Das Leben besteht nicht nur aus unmittelbar anstehenden Pflichten. Mit welchen Visionen gehen Sie denn die neue Aufgabe an?

Wolfgang Niersbach: Meine große Vision ist es, die traditionellen Werte zu wahren und dabei auch innovativ zu arbeiten und eine Frische auszustrahlen. Wir wollen sicher nicht jedem Trend hinterher hüpfen, aber wir wollen immer offen gegenüber neuen Entwicklungen bleiben, gerade auch im Bereich der Kommunikation. Dass der DFB hervorragend aufgestellt ist, wird in der Öffentlichkeit nicht immer verstanden. Viele haben immer noch das Bild des unbeweglichen Tankers im Kopf. Sicher dauern Entscheidungswege bei uns manchmal etwas länger, aber wichtig ist doch, dass am Ende die richtige und die seriöse Entscheidung gefällt wird.

Frage: Mal ganz persönlich gefragt: Sie kommen selbst aus der Medien-Branche und gelten als lockerer und offener Typ im Umgang mit der Presse. Verlangt die neue Aufgabe von Ihnen mehr Verschlossenheit und eine betonte Förmlichkeit im Auftritt?

Wolfgang Niersbach: Ich habe nicht vor, mich in meinem Wesen oder Auftreten zu ändern oder meinen Charakter zu verbiegen. Die Entscheidungsträger wissen, wer und wie ich bin und kennen meine Art. Wenn sie damit ein Problem haben würden, hätten Sie mich nicht für dieses Amt vorgesehen. Ich will und werde mich nicht verändern und sage momentan auch meinen engsten Freunden, Sie mögen mir an das Schienbein treten, wenn das passieren sollte.

Frage: Hätte sich der sid-Journalist Wolfgang Niersbach vorstellen können, einmal den DFB als Generalsekretär zu lenken?

Wolfgang Niersbach: Das habe ich mir nicht im Traum vorgestellt. Überhaupt habe ich meinen beruflichen Weg nicht geplant. Ich bin kein Machtmensch. Ich habe mir keinen Plan aufgeschrieben, wann ich welchen beruflichen Schritt machen muss. In meinem Lebensweg war es wichtig, dass sich eine Stufe immer auf der nächsten aufgebaut hat. Ich hätte nie DFB-Pressechef ohne meine journalistische Erfahrung werden können, denn in so einem Job muss man wissen, wie die andere Seite tickt. Ohne die Erfahrungen beim DFB und bei der Nationalmannschaft, hätte ich nicht Vizepräsident des Organisationskomitees werden können, mit Aufgaben die weit über das Medienthema hinausgingen.

Frage: Am Donnerstag wurde in Mainz eine weitreichende Kooperation zwischen dem DFB und dem französischen Fußballverband FFF unterschrieben. Eine Herzensangelegenheit?

Wolfgang Niersbach: Mich verbindet in der Tat sehr viel mit Frankreich. Ich spreche die Sprache leidlich, liebe die französische Mentalität, liebe speziell die Atmosphäre in Paris. Die beiden Verbände, die sich von der Struktur und Mitgliederzahl ähneln, rücken jetzt näher zusammen. Wir können viel gemeinsam erreichen. Ein erster Schritt war sicherlich, dass die Franzosen ihre eigene Bewerbung für die Frauen-WM 2011 zugunsten des DFB zurück gezogen haben. Wären wir als Kontrahenten in Zürich aufgetreten, hätten auf alle Fälle Europa verloren. So stellen wir uns die weitere Zusammenarbeit vor.

Frage: Ein wichtiges Thema der kommenden Wochen werden die anstehenden TV-Verhandlungen sein. Was genau liegt auf dem Tisch und über welche Pakete wird verhandelt?

Wolfgang Nierbach: Unsere Fernsehverträge laufen alle bis zum 30. Juni 2009. Bis zum Sommer 2008 gibt es ein Erstverhandlungsrecht für die Sport A, die Agentur von ARD und ZDF. Bis zu diesem Zeitpunkt, den 30. Juni 2008, dürfen wir mit keinem anderen Interessenten sprechen. Wir sind intern mit der DFL einig, dass wir der Bundesliga den Vortritt überlassen, ihre Verträge möglichst schnell unter Dach und Fach zu bringen. Dann wissen wir, wie die Übertragungsstruktur im Profifußball aussieht. Dann schließen sich für uns die Fragen an: Wie wird der DFB-Pokal platziert? Wie wird die neue 3. Liga platziert? Mit den Gesprächen über die Vergabe der Länderspiele wollen wir im Frühjahr 2008 beginnen. Es ist kein Geheimnis, dass hier eine große Nähe zu ARD und ZDF besteht. Für den DFB-Pokal gibt es dagegen keine Automatik. Wir werden diese Rechte ausschreiben und die DFL stark einbinden. Die Gelder gehen schließlich an die Klubs, der DFB fungiert hier nur als Treuhänder.

Frage: Premiere hat bereits Interesse für die Pokalspiele bekundet.

Wolfgang Niersbach: Es gibt sicher viele Interessenten und eine spannende Frage wird sein, ob und wie man Pay-TV beim DFB-Pokal zukünftig einbinden kann.

Frage: Seit dem Sommer produziert der DFB selbst das TV-Signal der U21-Spiele. Warum haben Sie sich zu diesem Schritt entschlossen?

Wolfgang Niersbach: Sportcast, eine Tochter der DFL, produziert das Signal für die U 21-Spiele mittlerweile für den DFB. Wir erreichen hier einen sehr hohen Standard, so dass ich mir vorstellen kann, dieses Verfahren auf die A-Länderspiele auszudehnen. Ohnehin beauftragen die großen Networks mittlerweile Dienstleister mit der Produktion der Spiele. Ein wichtiger Bestandteil des künftigen Vertrags wird es sein, dass wir eigene Sendeplätze für Videobotschaften bekommen, so wie es FIFA und UEFA auch praktizieren. Zuletzt haben wir mittels des Fernsehens unseren Spot zum Bau der 1000 Mini-Spielfelder in ganz Deutschland ausgestrahlt. Bislang handelt es dabei um guten Willen. Künftig soll die Ausstrahlung zur Pflicht werden.

Frage: Das Internet ist auf dem Weg, zumindest international das wichtigste darstellende Medium zu werden. Wie schaut hier die mittelfristige Planung beim DFB aus?

Wolfgang Niersbach: Ich denke an die Tage, als ich beim DFB an fing, wie schwer es war, jeden einzelnen Verein zu erreichen. Heute übermitteln wir binnen Sekunden Trainingsanleitungen oder auch administrative Tipps an die Vereine über das Internet. Mit dem Ergebnisdienst www.fussball.de haben wir eine sensationelle Service-Leistung geschaffen. Anfangs dachten wir, es sei Utopie und Traumtänzerei, zwei Stunden nach Abpfiff alle Ergebnisse aller Vereine aus ganz Deutschland auf einer zentralen Plattform anbieten zu können. Aber es ist uns gelungen. Und das ist ein Pfund. Kein anderer großer Verband auf der Welt schafft das. Das Motto unseres Bundestages lautete „Fußball ist Zukunft“. Das bedeutet auch „Fußball ist Zukunft durch das Internet“.

Frage: Bleiben wir beim Thema elektronische Medien: Wie zufrieden sind Sie mit der telegenen Ausstrahlung der Trainer Joachim Löw und Silvia Neid?

Wolfgang Niersbach: Darauf kommt es ja überhaupt nicht an. Wem nutzt ein glänzender Auftritt oder das topschicke Outfit, wenn ich vorher 0:4 verloren habe? Beide Trainer vermitteln die Werte des DFB: absolute Glaubwürdigkeit und Seriosität. Umso besser, dass sie ihre Botschaften auch noch prima rüberbringen können.

Frage: Sie waren selbst lange Jahre Pressechef des Nationalteams. Wie viel Spaß macht Ihnen die gegenwärtige Nationalmannschaft?

Wolfgang Niersbach: Ich habe mehrere Spieler-Generationen hautnah kennen gelernt. Thomas Häßler hat über 100 Länderspiele gemacht, und ich habe kein einziges versäumt. Lothar Matthäus habe ich als Journalist als Jugendspieler kennen gelernt. Heute sehe ich Spieler, deren Vater ich sein könnte. Unsere U17-Spieler haben Rudi Völler oder Lothar Matthäus gar nicht mehr beim WM-Titelgewinn spielen sehen. Das ist das große Faszinosum Nationalmannschaft. Spielergenerationen kommen und gehen, die Begeisterung bleibt. Auch ich springe heute noch bei jedem Tor hoch, genauso wie ich es bei meinem ersten Länderspiel als Fan gemacht habe. Das war übrigens 1972 beim Länderspiel Deutschland gegen Belgien während der Europameisterschaft. Franz Beckenbauer und Günter Netzer, das damalige Traumtandem, gehören heute zu meinen besten Freunden. Also, man merkt schon, der Fußball lässt mich nicht los und gerade auch die Nationalmannschaft zeigt seit Jahren ansprechenden Fußball.

Frage: Werden wir Europameister?

Wolfgang Niersbach: Ja, wenn wir alle sechs Spiele gewinnen. Aber die anderen haben das auch vor...Ernsthaft, wir haben gute Chancen. Oft genug haben wir aber schon erlebt, wie ein unberechtigter Platzverweis oder ein dummer Elfmeter dazu führt, dass alle Prognosen, auch die wissenschaftlichen, in der Tonne landen. Eines kann ich versichern: Rund um das Nationalteam wird sehr professionell gearbeitet.

Frage: Stärkster Konkurrent?

Wolfgang Niersbach: Der Weltmeister muss sich erst Mal qualifizieren und auch die Engländer wackeln. Nach den jüngsten Eindrücken sind die Tschechen der stärkste Konkurrent (lacht).

Frage: Während des zurückliegenden Jahres haben Sie sich als DFB-Direktor auch um die U-Teams gekümmert. Wie zuversichtlich sind Sie für die in den nächsten Monaten anstehenden EM-Qualifikationsspiele der U21?

Wolfgang Niersbach: Ich sehe nicht nur die Ergebnisse. Entscheidend ist es, dass es gelungen ist, die Philosophie der A-Nationalmannschaft auf die Juniorenteams runterzubrechen. Die Jungen und Mädchen, die zum DFB kommen, werden topprofessionell betreut. Fitnesscoaches, Mentaltrainer, zusätzliche Physiotherapeuten, Datenbanken mit den Leistungsdaten der Spieler, die medizinische Betreuung - das alles wird auf dem höchsten Niveau geleistet. Durch unsere Schule gehen doch die besten 100 Spieler eines jeden Jahrgangs. Die müssen sofort merken, dass sie besondern gefordert und gefördert werden. Viele junge Talente haben orthopädische Schäden, die nur bei einer genauen Untersuchung auffallen. Wir wollen nichts scheuen, und nichts versäumen, um unsere Eliteförderung weiter zu intensivieren. Unsere Sportdirektor Matthias Sammer mit seiner Ausstrahlung spielt dabei eine wesentliche Rolle.

Frage: Fünfzehn Jahre lang hat Horst R. Schmidt nun dem DFB als Generalsekretär vorgestanden. Welchen Ratschlag hat Ihnen ihr erfolgreicher Amtsvorgänger mit auf den Weg gegeben?

Wolfgang Niersbach: Seit der EURO 88 arbeite ich mit Horst R. Schmidt zusammen. Er ist mir in den zwanzig Jahren eine unglaublich konstante und verlässliche Größe gewesen. Seine Fähigkeit, bis in die letzte Verästelung zu denken und zu arbeiten, ist einmalig - da kommt keiner dran. Wir haben uns in unserer auch unterschiedlichen Art zu arbeiten gerade auch rund um die WM ideal ergänzt. Wir werden ihn vermissen. Ich wünsche ihm, dass er wirklich auch mehr Freizeit hat und sich nicht durch die Aufgabe in Südafrika komplett vereinnahmen lässt. Denn das Leben ist, auch wenn man es beim DFB manchmal meinen könnte, nicht nur Fußball und die Organisation rund um den Fußball.

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Der am Freitag beim DFB-Bundestag in Mainz vom Präsidium ins Amt berufene und einstimmig vom Plenum bestätigte neue DFB-Generalsekretär Wolfgang Niersbach spricht im "DFB.de-Gespräch der Woche“ mit DFB-Internetredakteur Thomas Hackbarth über seine neue Aufgabe, die anstehenden Verhandlungen über die TV-Rechte und die Aufwertung der U-Mannschaften.

Frage: Am Freitag wurden Sie in der Mainzer Rheingoldhalle vom Bundestag einstimmig zum DFB-Generalsekretär gewählt, knapp ein Jahr nachdem die Tätigkeit des WM-Organisationskomitees, in dem Sie Vizepräsident waren, geendet hat. Danach waren Sie ein Jahr als Direktor Teammanagement im der DFB tätig. Welche unmittelbar anstehenden Aufgaben erwarten nun den neuen DFB-Generalsekretär?

Wolfgang Niersbach: In jedem Fall ist dieses Amt eine große Herausforderung. Horst R. Schmidt hat mit seiner Arbeit in den vergangenen 15 Jahren hohe Maßstäbe gesetzt. Ich habe auch seinen Vorgänger Dr. Wilfried Gerhardt kennen gelernt, und weiß, dass das Bild des DFB als seriöser und absolut verlässlich arbeitender Spitzenverband des Sportes entscheidend durch seine Generalsekretäre geprägt wurde. Als ich zum DFB kam, gab es 50 Mitarbeiter, heute sind es 180. Diesen Apparat unter der Leitung der ehrenamtlichen Mitarbeiter zu führen, ist eine große Aufgabe. An der Spitze steht DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger, mit dem ich mich freundschaftlich verbunden fühle. Gerade auch der Generalsekretär muss über die unzähligen Themen den Überblick wahren.

Der neue DFB-Generalsekretär Wolfgang Niersbach

Frage: Das Leben besteht nicht nur aus unmittelbar anstehenden Pflichten. Mit welchen Visionen gehen Sie denn die neue Aufgabe an?

Wolfgang Niersbach: Meine große Vision ist es, die traditionellen Werte zu wahren und dabei auch innovativ zu arbeiten und eine Frische auszustrahlen. Wir wollen sicher nicht jedem Trend hinterher hüpfen, aber wir wollen immer offen gegenüber neuen Entwicklungen bleiben, gerade auch im Bereich der Kommunikation. Dass der DFB hervorragend aufgestellt ist, wird in der Öffentlichkeit nicht immer verstanden. Viele haben immer noch das Bild des unbeweglichen Tankers im Kopf. Sicher dauern Entscheidungswege bei uns manchmal etwas länger, aber wichtig ist doch, dass am Ende die richtige und die seriöse Entscheidung gefällt wird.

Frage: Mal ganz persönlich gefragt: Sie kommen selbst aus der Medien-Branche und gelten als lockerer und offener Typ im Umgang mit der Presse. Verlangt die neue Aufgabe von Ihnen mehr Verschlossenheit und eine betonte Förmlichkeit im Auftritt?

Wolfgang Niersbach: Ich habe nicht vor, mich in meinem Wesen oder Auftreten zu ändern oder meinen Charakter zu verbiegen. Die Entscheidungsträger wissen, wer und wie ich bin und kennen meine Art. Wenn sie damit ein Problem haben würden, hätten Sie mich nicht für dieses Amt vorgesehen. Ich will und werde mich nicht verändern und sage momentan auch meinen engsten Freunden, Sie mögen mir an das Schienbein treten, wenn das passieren sollte.

Frage: Hätte sich der sid-Journalist Wolfgang Niersbach vorstellen können, einmal den DFB als Generalsekretär zu lenken?

Wolfgang Niersbach: Das habe ich mir nicht im Traum vorgestellt. Überhaupt habe ich meinen beruflichen Weg nicht geplant. Ich bin kein Machtmensch. Ich habe mir keinen Plan aufgeschrieben, wann ich welchen beruflichen Schritt machen muss. In meinem Lebensweg war es wichtig, dass sich eine Stufe immer auf der nächsten aufgebaut hat. Ich hätte nie DFB-Pressechef ohne meine journalistische Erfahrung werden können, denn in so einem Job muss man wissen, wie die andere Seite tickt. Ohne die Erfahrungen beim DFB und bei der Nationalmannschaft, hätte ich nicht Vizepräsident des Organisationskomitees werden können, mit Aufgaben die weit über das Medienthema hinausgingen.

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Frage: Am Donnerstag wurde in Mainz eine weitreichende Kooperation zwischen dem DFB und dem französischen Fußballverband FFF unterschrieben. Eine Herzensangelegenheit?

Wolfgang Niersbach: Mich verbindet in der Tat sehr viel mit Frankreich. Ich spreche die Sprache leidlich, liebe die französische Mentalität, liebe speziell die Atmosphäre in Paris. Die beiden Verbände, die sich von der Struktur und Mitgliederzahl ähneln, rücken jetzt näher zusammen. Wir können viel gemeinsam erreichen. Ein erster Schritt war sicherlich, dass die Franzosen ihre eigene Bewerbung für die Frauen-WM 2011 zugunsten des DFB zurück gezogen haben. Wären wir als Kontrahenten in Zürich aufgetreten, hätten auf alle Fälle Europa verloren. So stellen wir uns die weitere Zusammenarbeit vor.

Frage: Ein wichtiges Thema der kommenden Wochen werden die anstehenden TV-Verhandlungen sein. Was genau liegt auf dem Tisch und über welche Pakete wird verhandelt?

Wolfgang Nierbach: Unsere Fernsehverträge laufen alle bis zum 30. Juni 2009. Bis zum Sommer 2008 gibt es ein Erstverhandlungsrecht für die Sport A, die Agentur von ARD und ZDF. Bis zu diesem Zeitpunkt, den 30. Juni 2008, dürfen wir mit keinem anderen Interessenten sprechen. Wir sind intern mit der DFL einig, dass wir der Bundesliga den Vortritt überlassen, ihre Verträge möglichst schnell unter Dach und Fach zu bringen. Dann wissen wir, wie die Übertragungsstruktur im Profifußball aussieht. Dann schließen sich für uns die Fragen an: Wie wird der DFB-Pokal platziert? Wie wird die neue 3. Liga platziert? Mit den Gesprächen über die Vergabe der Länderspiele wollen wir im Frühjahr 2008 beginnen. Es ist kein Geheimnis, dass hier eine große Nähe zu ARD und ZDF besteht. Für den DFB-Pokal gibt es dagegen keine Automatik. Wir werden diese Rechte ausschreiben und die DFL stark einbinden. Die Gelder gehen schließlich an die Klubs, der DFB fungiert hier nur als Treuhänder.

Frage: Premiere hat bereits Interesse für die Pokalspiele bekundet.

Wolfgang Niersbach: Es gibt sicher viele Interessenten und eine spannende Frage wird sein, ob und wie man Pay-TV beim DFB-Pokal zukünftig einbinden kann.

Frage: Seit dem Sommer produziert der DFB selbst das TV-Signal der U21-Spiele. Warum haben Sie sich zu diesem Schritt entschlossen?

Wolfgang Niersbach: Sportcast, eine Tochter der DFL, produziert das Signal für die U 21-Spiele mittlerweile für den DFB. Wir erreichen hier einen sehr hohen Standard, so dass ich mir vorstellen kann, dieses Verfahren auf die A-Länderspiele auszudehnen. Ohnehin beauftragen die großen Networks mittlerweile Dienstleister mit der Produktion der Spiele. Ein wichtiger Bestandteil des künftigen Vertrags wird es sein, dass wir eigene Sendeplätze für Videobotschaften bekommen, so wie es FIFA und UEFA auch praktizieren. Zuletzt haben wir mittels des Fernsehens unseren Spot zum Bau der 1000 Mini-Spielfelder in ganz Deutschland ausgestrahlt. Bislang handelt es dabei um guten Willen. Künftig soll die Ausstrahlung zur Pflicht werden.

Frage: Das Internet ist auf dem Weg, zumindest international das wichtigste darstellende Medium zu werden. Wie schaut hier die mittelfristige Planung beim DFB aus?

Wolfgang Niersbach: Ich denke an die Tage, als ich beim DFB an fing, wie schwer es war, jeden einzelnen Verein zu erreichen. Heute übermitteln wir binnen Sekunden Trainingsanleitungen oder auch administrative Tipps an die Vereine über das Internet. Mit dem Ergebnisdienst www.fussball.de haben wir eine sensationelle Service-Leistung geschaffen. Anfangs dachten wir, es sei Utopie und Traumtänzerei, zwei Stunden nach Abpfiff alle Ergebnisse aller Vereine aus ganz Deutschland auf einer zentralen Plattform anbieten zu können. Aber es ist uns gelungen. Und das ist ein Pfund. Kein anderer großer Verband auf der Welt schafft das. Das Motto unseres Bundestages lautete „Fußball ist Zukunft“. Das bedeutet auch „Fußball ist Zukunft durch das Internet“.

Frage: Bleiben wir beim Thema elektronische Medien: Wie zufrieden sind Sie mit der telegenen Ausstrahlung der Trainer Joachim Löw und Silvia Neid?

Wolfgang Niersbach: Darauf kommt es ja überhaupt nicht an. Wem nutzt ein glänzender Auftritt oder das topschicke Outfit, wenn ich vorher 0:4 verloren habe? Beide Trainer vermitteln die Werte des DFB: absolute Glaubwürdigkeit und Seriosität. Umso besser, dass sie ihre Botschaften auch noch prima rüberbringen können.

Frage: Sie waren selbst lange Jahre Pressechef des Nationalteams. Wie viel Spaß macht Ihnen die gegenwärtige Nationalmannschaft?

Wolfgang Niersbach: Ich habe mehrere Spieler-Generationen hautnah kennen gelernt. Thomas Häßler hat über 100 Länderspiele gemacht, und ich habe kein einziges versäumt. Lothar Matthäus habe ich als Journalist als Jugendspieler kennen gelernt. Heute sehe ich Spieler, deren Vater ich sein könnte. Unsere U17-Spieler haben Rudi Völler oder Lothar Matthäus gar nicht mehr beim WM-Titelgewinn spielen sehen. Das ist das große Faszinosum Nationalmannschaft. Spielergenerationen kommen und gehen, die Begeisterung bleibt. Auch ich springe heute noch bei jedem Tor hoch, genauso wie ich es bei meinem ersten Länderspiel als Fan gemacht habe. Das war übrigens 1972 beim Länderspiel Deutschland gegen Belgien während der Europameisterschaft. Franz Beckenbauer und Günter Netzer, das damalige Traumtandem, gehören heute zu meinen besten Freunden. Also, man merkt schon, der Fußball lässt mich nicht los und gerade auch die Nationalmannschaft zeigt seit Jahren ansprechenden Fußball.

Frage: Werden wir Europameister?

Wolfgang Niersbach: Ja, wenn wir alle sechs Spiele gewinnen. Aber die anderen haben das auch vor...Ernsthaft, wir haben gute Chancen. Oft genug haben wir aber schon erlebt, wie ein unberechtigter Platzverweis oder ein dummer Elfmeter dazu führt, dass alle Prognosen, auch die wissenschaftlichen, in der Tonne landen. Eines kann ich versichern: Rund um das Nationalteam wird sehr professionell gearbeitet.

Frage: Stärkster Konkurrent?

Wolfgang Niersbach: Der Weltmeister muss sich erst Mal qualifizieren und auch die Engländer wackeln. Nach den jüngsten Eindrücken sind die Tschechen der stärkste Konkurrent (lacht).

Frage: Während des zurückliegenden Jahres haben Sie sich als DFB-Direktor auch um die U-Teams gekümmert. Wie zuversichtlich sind Sie für die in den nächsten Monaten anstehenden EM-Qualifikationsspiele der U21?

Wolfgang Niersbach: Ich sehe nicht nur die Ergebnisse. Entscheidend ist es, dass es gelungen ist, die Philosophie der A-Nationalmannschaft auf die Juniorenteams runterzubrechen. Die Jungen und Mädchen, die zum DFB kommen, werden topprofessionell betreut. Fitnesscoaches, Mentaltrainer, zusätzliche Physiotherapeuten, Datenbanken mit den Leistungsdaten der Spieler, die medizinische Betreuung - das alles wird auf dem höchsten Niveau geleistet. Durch unsere Schule gehen doch die besten 100 Spieler eines jeden Jahrgangs. Die müssen sofort merken, dass sie besondern gefordert und gefördert werden. Viele junge Talente haben orthopädische Schäden, die nur bei einer genauen Untersuchung auffallen. Wir wollen nichts scheuen, und nichts versäumen, um unsere Eliteförderung weiter zu intensivieren. Unsere Sportdirektor Matthias Sammer mit seiner Ausstrahlung spielt dabei eine wesentliche Rolle.

Frage: Fünfzehn Jahre lang hat Horst R. Schmidt nun dem DFB als Generalsekretär vorgestanden. Welchen Ratschlag hat Ihnen ihr erfolgreicher Amtsvorgänger mit auf den Weg gegeben?

Wolfgang Niersbach: Seit der EURO 88 arbeite ich mit Horst R. Schmidt zusammen. Er ist mir in den zwanzig Jahren eine unglaublich konstante und verlässliche Größe gewesen. Seine Fähigkeit, bis in die letzte Verästelung zu denken und zu arbeiten, ist einmalig - da kommt keiner dran. Wir haben uns in unserer auch unterschiedlichen Art zu arbeiten gerade auch rund um die WM ideal ergänzt. Wir werden ihn vermissen. Ich wünsche ihm, dass er wirklich auch mehr Freizeit hat und sich nicht durch die Aufgabe in Südafrika komplett vereinnahmen lässt. Denn das Leben ist, auch wenn man es beim DFB manchmal meinen könnte, nicht nur Fußball und die Organisation rund um den Fußball.