Niedzkowski: "Trainern helfen, ihren persönlichen Weg zu finden"

Der 66. Fußball-Lehrer-Lehrgang ist unter vielen Aspekten interessant. Der Lehrgang wurde reformiert, inhaltlich und strukturell. Er ist prominent besetzt, mit Tim Borowski und Christian Rahn sind zwei Ex-Nationalspieler dabei. Lehrgangsleiter ist zum zweiten Mal Daniel Niedzkowski. Im DFB.de-Interview spricht er über den reformierten Lehrgang und seine Teilnehmer.

DFB.de: Herr Niedzkowski, heute startet der neue Fußball-Lehrer-Lehrgang, in der vergangenen Woche wurde der Kader der U 21-Nationalmannschaft für die EM in Italien und San Marino nominiert, in einer Woche beginnt das Trainingslager. Sie sind Leiter des Fußball-Lehrer-Lehrgangs und Assistenztrainer der U 21-Nationalmannschaft. Wie bewältigen Sie diesen Aufwand?

Daniel Niedzkowski: Aktuell ist es viel, keine Frage. Vor allem, weil wir beim Fußball-Lehrer-Lehrgang diverse Neuerungen eingeführt haben und im Hintergrund zudem sehr viel konzeptionelle Arbeit gefragt ist, die den Gesamtansatz der Trainerentwicklung in Deutschland betrifft und daher einen hohen Stellenwert hat. Man kann es aber auch positiv formulieren - über Langeweile kann ich mich nicht beschweren. Außerdem sehe ich es als Auszeichnung und als Chance an, an vielen entscheidenden Stellen involviert zu sein und viele relevante Entwicklungen beeinflussen zu können. Und das Wichtigste: Mir macht das alles Spaß.

DFB.de: Dennoch: Ist es nicht fast unmöglich, angesichts dieser Ballung allen Funktionen voll gerecht zu werden?

Niedzkowski: Nein. Dabei ist es mit Blick auf die U 21-Nationalmannschaft hilfreich, dass wir nicht erst seit gestern zusammenarbeiten. Die Konstellation mit Stefan Kuntz als Chef sowie Toni Di Salvo und mir als Assistenten ist optimal, wir sind als Team sehr eingespielt. Natürlich waren bei der Nominierung des Kaders viele Entscheidungen zu treffen und natürlich war ich dabei gefragt. Aber es ist so, dass, gerade was die Frage der Sichtung von Spielern betrifft, Stefan Kuntz und Toni Di Salvo sehr aktiv waren. Ich habe per Videobeobachtung ergänzt und das kann ich gut von Zuhause oder von Hennef aus machen. Außerdem verläuft die Kommunikation zwischen uns auch überragend, eben weil wir uns so gut kennen und großes Vertrauen zueinander haben. Insofern: Ich fühle mich aktuell durchaus gefordert - aber nicht überfordert.

DFB.de: Mit Blick auf die EM und den Kader der U 21 - wie optimistisch sind Sie, was die Mission Titelverteidigung betrifft?

Niedzkowski: Es gibt keine Mission Titelverteidigung. Wir haben das Turnier vor zwei Jahren gewonnen, aber es war eine andere Mannschaft, die den Titel geholt hat. Aus dem Team des Turniers 2017 in Polen sind 2019 nur noch fünf Spieler dabei, von denen nur drei im Turnier Einsatzzeiten hatten. Es würde der aktuellen Mannschaft nicht gerecht, ihr das Etikett "Titelverteidiger" anzuheften. Für uns geht es mit dieser Mannschaft darum, um einen ersten Titel zu kämpfen. Die Mannschaft hat große Qualität, wir müssen uns nicht verstecken.

DFB.de: Element des Fußball-Lehrer-Lehrgangs ist das Modul Spitzenfußball-Analyse, das praktischerweise im Rahmen der U 21-EM durchgeführt wird. Wie werden die Abläufe vor Ort aussehen? Geht es dabei einzig um die Schulung der Lehrgangsteilnehmer oder werden die Erkenntnisse auch aktuell für die U 21 verwertet?

Niedzkowski: Der Lehrgang wird die Gruppen A und C beobachten und nicht unsere Gruppe B. Die Analysearbeit des Lehrgangs wird also für die Gruppenphase noch keine Rolle spielen, im Laufe des Turniers kann sie aber relevant werden. Wenn wir das Halbfinale erreichen. Wir als U 21-Nationalmannschaft scouten natürlich auch selber, Thomas Schneider, Frank Kramer und Michael Prus sind für uns im Einsatz. Vor einem möglichen Halbfinale oder Finale werden wir uns aber natürlich auch mit den Lehrgangsteilnehmern austauschen, die den jeweiligen Gegner beobachtet haben. Das haben wir 2017 genauso gemacht - geschadet hat es nicht.

DFB.de: Der neue Fußball-Lehrer-Lehrgang ist prominent besetzt. Gibt es einen Teilnehmer oder eine Teilnehmerin, auf den Sie sich besonders freuen oder von dessen Input Sie sich besonders viel versprechen?

Niedzkowski: Ich freue mich auf alle Teilnehmer gleichermaßen. Im vergangenen Lehrgang waren drei Ex-Nationalspieler dabei, Daniel Bierofka, Andreas Hinkel und Patrick Helmes. Das war überragend, die drei haben den Kurs mit ihrer Erfahrung deutlich bereichert - genau wie andere Trainer auf anderen Wegen. Wir sind damals aber gut damit gefahren, keine Unterschiede zwischen den Teilnehmern aufgrund ihrer Vergangenheit zu machen und werden dies auch diesmal nicht tun.

DFB.de: Tim Borowski ist im neuen Kurs dabei, Steven Cherundolo, Christian Rahn. Etliche Länderspiele für Deutschland und die USA kommen zusammen, dazu die Erfahrung als Spieler von Bayern München. Das ist nochmal eine andere Hausnummer als im Lehrgang 2018/2019.

Niedzkowski: Ich will das gar nicht miteinander vergleichen. Es ist großartig, diese Perspektive und diese Expertise im Kurs zu haben. Insbesondere das Internationale finde ich sehr spannend, für den Kurs insgesamt ist das einfach ein riesiger Mehrwert. Wir diskutieren über die verschiedensten Themen, sprechen über Lösungen und am Ende läuft es häufig auf die Frage hinaus, ob und wie man Dinge mit absoluten Top-Spielern und bei Top-Mannschaften wirklich umsetzen kann? Dann ist es phantastisch, Teilnehmer im Kurs zu haben, die diese Frage beantworten können, weil sie diese Erfahrung selber gemacht haben.

DFB.de: Borowski kommt über einen speziellen Ausbildungsweg in den Lehrgang. Können Sie die Hintergründe dazu erläutern?

Niedzkowski: Er absolviert ein spezielles Programm nach Vorgaben der UEFA, durch das Trainer mit umfassender internationaler Spielerkarriere gefördert werden sollen. Über die Teilnahme an normalen DFB-Elite-Jugend- und A-Lizenzlehrgängen hinaus hat er in einer Kleingruppe maßgeschneiderte Zusatzmodule mit Praxisblöcken und Hospitationen in verschiedenen Leistungszentren absolviert. Er hat sich dabei als sehr intelligenter, lernwilliger Typ präsentiert, der zudem bereits über mehrere Jahre Trainererfahrung verfügt. Er hat die besondere Fähigkeit, seine Erfahrungen als Top-Spieler außerordentlich klar zu reflektieren und auf den Punkt zu bringen und ist dadurch in der Lage, seine Erkenntnisse sehr gut auf seine Arbeit als Trainer zu übertragen. Wenn, wie bei Tim, Spielerkarriere, eine hohe Reflexionsfähigkeit und Trainererfahrung zusammenkommen, kann dieser Mix eine perfekte Basis für eine tolle Trainerkarriere bilden.

DFB.de: Es gibt andere spannende Personalien im Kurs. Sogar ein Bundestrainer ist dabei.

Niedzkowski: Ja, mit Conny Frank Fritsch wird der Bundestrainer der CP-Nationalmannschaft den Kurs absolvieren.

DFB.de: Also der Nationalmannschaft für Spieler mit Cerebralparese, einer Hirnschädigung, die zu körperlichen Beeinträchtigungen führt. Wie kam es dazu?

Niedzkowski: Er hat sich beworben und die Eignungsprüfung erfolgreich absolviert.

DFB.de: So einfach?

Niedzkowski: Letztlich ja. Uns ist natürlich bewusst, dass diese Konstellation nicht ganz gewöhnlich ist. Umso interessanter finde ich sie. Conny Frank Fritsch ist selber von der Cerebralparese betroffen und kann das wichtige Thema der gesellschaftlichen Verantwortung aus einem ganz anderen Blickwinkel beleuchten, uns eine weitere Perspektive geben, die im "normalen" Profisport so manches Mal zu kurz kommt. Im Rahmen der Eignungsprüfung habe ich ihn als sehr reflektierten Menschen erlebt, der außerdem ein richtig guter Trainer ist. Ich freue mich sehr auf ihn und bin sicher, dass er dem Kurs viel geben wird. Wobei ich, wenn wir über einzelne Teilnehmer sprechen, Imke Wübbenhorst als weibliche Teilnehmerin nicht vergessen möchte. Ihre Perspektive halte ich ebenfalls für sehr spannend, grundsätzlich, aber natürlich auch durch die Erfahrungen, die sie zuletzt als Trainerin im Herrenbereich gesammelt hat.

DFB.de: Der Lehrgang 2019/2020 unterscheidet sich in mehreren Punkten von seinen Vorgängern, die Ausbildung wurde reformiert, inhaltlich, strukturell und konzeptionell. Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang die DFB-Akademie, unter deren Dach die Ausbildung durchgeführt wird?

Niedzkowski: Für den Lehrgang leistet die DFB-Akademie sehr wertvolle Arbeit. Tobias Haupt, der Leiter der Akademie, ist für uns und für mich ein wichtiger Partner, genauso natürlich Direktor Oliver Bierhoff. Die DFB-Akademie hat für mich grundsätzlich eine enorme Bedeutung, weil es wichtig ist, dass es im Fußball eine Institution gibt, die Dinge objektiv darstellt. Und das leistet die DFB-Akademie. Im Fußball gibt es viele gefühlte Wahrheiten, viel Subjektivität. Ein Beispiel im Bereich der Trainer: Für die Frage, welche Anforderungen an einen Trainer im Profifußball im Jahr 2019 gestellt werden und welche Kompetenzen er dafür besitzen sollte, gibt es etliche subjektive Meinungen. Die sind gut und wichtig, aber es gibt keine klaren, übergreifenden Erkenntnisse. Und diese liefert die Akademie. Im Rahmen einer Kooperationsstudie wird aktuell anhand einer großen Anzahl von Interviews mit Trainern ein objektives Anforderungs- bzw. Kompetenzprofil für Cheftrainer der Ligen 1 bis 3 ermittelt - natürlich in dem Wissen, dass immer spezielle, situationsbedingte Anforderungen dazukommen. In der Folge soll diese Studie auch auf Nachwuchstrainer ausgeweitet werden. Dass solche Erkenntnisse Auswirkungen auf die Arbeit im Rahmen des Fußball-Lehrer-Lehrgangs haben, versteht sich dann von selbst. Wobei die Akademie auch konkret und unmittelbar Einfluss auf den Lehrgang hat. Etwa durch zielgerichtete Kooperationen, die durch die Akademie initiiert werden.

DFB.de: Zum Beispiel?

Niedzkowski: Die Sprach-App Babbel, mit der wir in diesem Jahr ein Pilot-Projekt im Lehrgang fahren. Wir geben den Trainern damit die Möglichkeit, während des Lehrgangs in Eigenregie, aber von uns begleitet, eine Sprache zu erlernen. Ein weiterer Pilot wird zudem mit Blinkist durchgeführt, einer App, durch die Inhalte von Sachbüchern verdichtet werden. Angebote wie diese werden wir im Kurs nutzen und den Teilnehmern zur Verfügung stellen.



Der 66. Fußball-Lehrer-Lehrgang ist unter vielen Aspekten interessant. Der Lehrgang wurde reformiert, inhaltlich und strukturell. Er ist prominent besetzt, mit Tim Borowski und Christian Rahn sind zwei Ex-Nationalspieler dabei. Lehrgangsleiter ist zum zweiten Mal Daniel Niedzkowski. Im DFB.de-Interview spricht er über den reformierten Lehrgang und seine Teilnehmer.

DFB.de: Herr Niedzkowski, heute startet der neue Fußball-Lehrer-Lehrgang, in der vergangenen Woche wurde der Kader der U 21-Nationalmannschaft für die EM in Italien und San Marino nominiert, in einer Woche beginnt das Trainingslager. Sie sind Leiter des Fußball-Lehrer-Lehrgangs und Assistenztrainer der U 21-Nationalmannschaft. Wie bewältigen Sie diesen Aufwand?

Daniel Niedzkowski: Aktuell ist es viel, keine Frage. Vor allem, weil wir beim Fußball-Lehrer-Lehrgang diverse Neuerungen eingeführt haben und im Hintergrund zudem sehr viel konzeptionelle Arbeit gefragt ist, die den Gesamtansatz der Trainerentwicklung in Deutschland betrifft und daher einen hohen Stellenwert hat. Man kann es aber auch positiv formulieren - über Langeweile kann ich mich nicht beschweren. Außerdem sehe ich es als Auszeichnung und als Chance an, an vielen entscheidenden Stellen involviert zu sein und viele relevante Entwicklungen beeinflussen zu können. Und das Wichtigste: Mir macht das alles Spaß.

DFB.de: Dennoch: Ist es nicht fast unmöglich, angesichts dieser Ballung allen Funktionen voll gerecht zu werden?

Niedzkowski: Nein. Dabei ist es mit Blick auf die U 21-Nationalmannschaft hilfreich, dass wir nicht erst seit gestern zusammenarbeiten. Die Konstellation mit Stefan Kuntz als Chef sowie Toni Di Salvo und mir als Assistenten ist optimal, wir sind als Team sehr eingespielt. Natürlich waren bei der Nominierung des Kaders viele Entscheidungen zu treffen und natürlich war ich dabei gefragt. Aber es ist so, dass, gerade was die Frage der Sichtung von Spielern betrifft, Stefan Kuntz und Toni Di Salvo sehr aktiv waren. Ich habe per Videobeobachtung ergänzt und das kann ich gut von Zuhause oder von Hennef aus machen. Außerdem verläuft die Kommunikation zwischen uns auch überragend, eben weil wir uns so gut kennen und großes Vertrauen zueinander haben. Insofern: Ich fühle mich aktuell durchaus gefordert - aber nicht überfordert.

DFB.de: Mit Blick auf die EM und den Kader der U 21 - wie optimistisch sind Sie, was die Mission Titelverteidigung betrifft?

Niedzkowski: Es gibt keine Mission Titelverteidigung. Wir haben das Turnier vor zwei Jahren gewonnen, aber es war eine andere Mannschaft, die den Titel geholt hat. Aus dem Team des Turniers 2017 in Polen sind 2019 nur noch fünf Spieler dabei, von denen nur drei im Turnier Einsatzzeiten hatten. Es würde der aktuellen Mannschaft nicht gerecht, ihr das Etikett "Titelverteidiger" anzuheften. Für uns geht es mit dieser Mannschaft darum, um einen ersten Titel zu kämpfen. Die Mannschaft hat große Qualität, wir müssen uns nicht verstecken.

DFB.de: Element des Fußball-Lehrer-Lehrgangs ist das Modul Spitzenfußball-Analyse, das praktischerweise im Rahmen der U 21-EM durchgeführt wird. Wie werden die Abläufe vor Ort aussehen? Geht es dabei einzig um die Schulung der Lehrgangsteilnehmer oder werden die Erkenntnisse auch aktuell für die U 21 verwertet?

Niedzkowski: Der Lehrgang wird die Gruppen A und C beobachten und nicht unsere Gruppe B. Die Analysearbeit des Lehrgangs wird also für die Gruppenphase noch keine Rolle spielen, im Laufe des Turniers kann sie aber relevant werden. Wenn wir das Halbfinale erreichen. Wir als U 21-Nationalmannschaft scouten natürlich auch selber, Thomas Schneider, Frank Kramer und Michael Prus sind für uns im Einsatz. Vor einem möglichen Halbfinale oder Finale werden wir uns aber natürlich auch mit den Lehrgangsteilnehmern austauschen, die den jeweiligen Gegner beobachtet haben. Das haben wir 2017 genauso gemacht - geschadet hat es nicht.

DFB.de: Der neue Fußball-Lehrer-Lehrgang ist prominent besetzt. Gibt es einen Teilnehmer oder eine Teilnehmerin, auf den Sie sich besonders freuen oder von dessen Input Sie sich besonders viel versprechen?

Niedzkowski: Ich freue mich auf alle Teilnehmer gleichermaßen. Im vergangenen Lehrgang waren drei Ex-Nationalspieler dabei, Daniel Bierofka, Andreas Hinkel und Patrick Helmes. Das war überragend, die drei haben den Kurs mit ihrer Erfahrung deutlich bereichert - genau wie andere Trainer auf anderen Wegen. Wir sind damals aber gut damit gefahren, keine Unterschiede zwischen den Teilnehmern aufgrund ihrer Vergangenheit zu machen und werden dies auch diesmal nicht tun.

DFB.de: Tim Borowski ist im neuen Kurs dabei, Steven Cherundolo, Christian Rahn. Etliche Länderspiele für Deutschland und die USA kommen zusammen, dazu die Erfahrung als Spieler von Bayern München. Das ist nochmal eine andere Hausnummer als im Lehrgang 2018/2019.

Niedzkowski: Ich will das gar nicht miteinander vergleichen. Es ist großartig, diese Perspektive und diese Expertise im Kurs zu haben. Insbesondere das Internationale finde ich sehr spannend, für den Kurs insgesamt ist das einfach ein riesiger Mehrwert. Wir diskutieren über die verschiedensten Themen, sprechen über Lösungen und am Ende läuft es häufig auf die Frage hinaus, ob und wie man Dinge mit absoluten Top-Spielern und bei Top-Mannschaften wirklich umsetzen kann? Dann ist es phantastisch, Teilnehmer im Kurs zu haben, die diese Frage beantworten können, weil sie diese Erfahrung selber gemacht haben.

DFB.de: Borowski kommt über einen speziellen Ausbildungsweg in den Lehrgang. Können Sie die Hintergründe dazu erläutern?

Niedzkowski: Er absolviert ein spezielles Programm nach Vorgaben der UEFA, durch das Trainer mit umfassender internationaler Spielerkarriere gefördert werden sollen. Über die Teilnahme an normalen DFB-Elite-Jugend- und A-Lizenzlehrgängen hinaus hat er in einer Kleingruppe maßgeschneiderte Zusatzmodule mit Praxisblöcken und Hospitationen in verschiedenen Leistungszentren absolviert. Er hat sich dabei als sehr intelligenter, lernwilliger Typ präsentiert, der zudem bereits über mehrere Jahre Trainererfahrung verfügt. Er hat die besondere Fähigkeit, seine Erfahrungen als Top-Spieler außerordentlich klar zu reflektieren und auf den Punkt zu bringen und ist dadurch in der Lage, seine Erkenntnisse sehr gut auf seine Arbeit als Trainer zu übertragen. Wenn, wie bei Tim, Spielerkarriere, eine hohe Reflexionsfähigkeit und Trainererfahrung zusammenkommen, kann dieser Mix eine perfekte Basis für eine tolle Trainerkarriere bilden.

DFB.de: Es gibt andere spannende Personalien im Kurs. Sogar ein Bundestrainer ist dabei.

Niedzkowski: Ja, mit Conny Frank Fritsch wird der Bundestrainer der CP-Nationalmannschaft den Kurs absolvieren.

DFB.de: Also der Nationalmannschaft für Spieler mit Cerebralparese, einer Hirnschädigung, die zu körperlichen Beeinträchtigungen führt. Wie kam es dazu?

Niedzkowski: Er hat sich beworben und die Eignungsprüfung erfolgreich absolviert.

DFB.de: So einfach?

Niedzkowski: Letztlich ja. Uns ist natürlich bewusst, dass diese Konstellation nicht ganz gewöhnlich ist. Umso interessanter finde ich sie. Conny Frank Fritsch ist selber von der Cerebralparese betroffen und kann das wichtige Thema der gesellschaftlichen Verantwortung aus einem ganz anderen Blickwinkel beleuchten, uns eine weitere Perspektive geben, die im "normalen" Profisport so manches Mal zu kurz kommt. Im Rahmen der Eignungsprüfung habe ich ihn als sehr reflektierten Menschen erlebt, der außerdem ein richtig guter Trainer ist. Ich freue mich sehr auf ihn und bin sicher, dass er dem Kurs viel geben wird. Wobei ich, wenn wir über einzelne Teilnehmer sprechen, Imke Wübbenhorst als weibliche Teilnehmerin nicht vergessen möchte. Ihre Perspektive halte ich ebenfalls für sehr spannend, grundsätzlich, aber natürlich auch durch die Erfahrungen, die sie zuletzt als Trainerin im Herrenbereich gesammelt hat.

DFB.de: Der Lehrgang 2019/2020 unterscheidet sich in mehreren Punkten von seinen Vorgängern, die Ausbildung wurde reformiert, inhaltlich, strukturell und konzeptionell. Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang die DFB-Akademie, unter deren Dach die Ausbildung durchgeführt wird?

Niedzkowski: Für den Lehrgang leistet die DFB-Akademie sehr wertvolle Arbeit. Tobias Haupt, der Leiter der Akademie, ist für uns und für mich ein wichtiger Partner, genauso natürlich Direktor Oliver Bierhoff. Die DFB-Akademie hat für mich grundsätzlich eine enorme Bedeutung, weil es wichtig ist, dass es im Fußball eine Institution gibt, die Dinge objektiv darstellt. Und das leistet die DFB-Akademie. Im Fußball gibt es viele gefühlte Wahrheiten, viel Subjektivität. Ein Beispiel im Bereich der Trainer: Für die Frage, welche Anforderungen an einen Trainer im Profifußball im Jahr 2019 gestellt werden und welche Kompetenzen er dafür besitzen sollte, gibt es etliche subjektive Meinungen. Die sind gut und wichtig, aber es gibt keine klaren, übergreifenden Erkenntnisse. Und diese liefert die Akademie. Im Rahmen einer Kooperationsstudie wird aktuell anhand einer großen Anzahl von Interviews mit Trainern ein objektives Anforderungs- bzw. Kompetenzprofil für Cheftrainer der Ligen 1 bis 3 ermittelt - natürlich in dem Wissen, dass immer spezielle, situationsbedingte Anforderungen dazukommen. In der Folge soll diese Studie auch auf Nachwuchstrainer ausgeweitet werden. Dass solche Erkenntnisse Auswirkungen auf die Arbeit im Rahmen des Fußball-Lehrer-Lehrgangs haben, versteht sich dann von selbst. Wobei die Akademie auch konkret und unmittelbar Einfluss auf den Lehrgang hat. Etwa durch zielgerichtete Kooperationen, die durch die Akademie initiiert werden.

DFB.de: Zum Beispiel?

Niedzkowski: Die Sprach-App Babbel, mit der wir in diesem Jahr ein Pilot-Projekt im Lehrgang fahren. Wir geben den Trainern damit die Möglichkeit, während des Lehrgangs in Eigenregie, aber von uns begleitet, eine Sprache zu erlernen. Ein weiterer Pilot wird zudem mit Blinkist durchgeführt, einer App, durch die Inhalte von Sachbüchern verdichtet werden. Angebote wie diese werden wir im Kurs nutzen und den Teilnehmern zur Verfügung stellen.

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DFB.de: Ein Anliegen der Reform des Fußball-Lehrer-Lehrgangs war, die Vereinbarkeit von Job und Ausbildung zu vereinfachen.

Niedzkowski: Genau. Es war nicht zu übersehen, dass viele Trainer große Schwierigkeiten hatten, die Ausbildung in Hennef und die Arbeit bei ihrem Verein miteinander zu koordinieren. Wir haben deswegen nach Möglichkeiten gesucht, den Teilnehmern mehr Zeit vor Ort bei ihren Vereinen zu geben, diese dann aber gezielt für ihre Entwicklung zu nutzen.

DFB.de: Warum wurde die Dauer der Ausbildung dann von neun auf elf Monate erhöht?

Niedzkowski: Uns kam es darauf an, Freiräume zu schaffen - kombiniert mit dem Ziel, über das Jahr die bestmögliche Entwicklung bei den Trainern zu erzielen. Daher wurde der Lehrgang entzerrt. Früher war es so, dass die Teilnehmer in nahezu jeder Woche drei Tage vor Ort in Hennef sein mussten. Das haben wir durch die Streckung auf einen längeren Zeitraum aufgelöst. Zusätzlich haben wir den logistischen Aufwand dadurch reduziert, dass wir durch Blended Learning den Lernort vielfach von Hennef weg und hin zum Verein verlagert haben. In Summe ergibt sich eine erhebliche Reduzierung der Präsenzzeiten in Hennef, die wir zudem stärker in freie Phasen und FIFA-Abstellungsperioden verlagert haben. In Spieltagswochen waren die Teilnehmer im alten Modell für 14 Wochen bei uns, im neuen Modell sind es acht.

DFB.de: Im Konzept zum neuen Lehrgang findet sich wiederholt der Begriff "Reality-based Learning". Was verbirgt sich dahinter?

Niedzkowski: "Reality-based Learning" kommt als Begriff von der UEFA und heißt nichts anderes als "Lernen in der Realität". Dabei geht es um das, was ich eben angesprochen habe: die Verlagerung des Lernortes hin zum Verein. Konkret: Die Teilnehmer sollen im Training mit Ihren Mannschaften das umsetzen, was wir in Hennef erarbeitet haben. Egal, wie gut man die Präsenzphasen einer Ausbildung aufbaut, die wichtigsten Entwicklungsschritte machen die Trainer immer in der praktischen Arbeit mit ihrer eigenen Mannschaft. Warum sollten wir die dann nicht gezielt nutzen? Der Königsweg wäre, jeden Trainer persönlich im Verein zu begleiten, dafür müssten wir aber die Anzahl der Trainer halbieren und die der Ausbilder mindestens verdoppeln. Der digitale Campus ist ein ideales Hilfsmittel, um diese Situation trotzdem herzustellen. Über den Campus können wir die Trainingseinheiten der Trainer mit ihrer eigenen Mannschaft per Video analysieren, mit ihnen darüber kommunizieren und ihnen Feedback geben. Das Video-Format ist auch eine gute Möglichkeit, die Entwicklung der Trainer zu dokumentieren. Wir können damit vergleichen, wie ihre Trainingseinheiten vor einem halben Jahr ausgesehen haben und wie sie heute aussehen.

DFB.de: Wie praktikabel ist diese Verlagerung des Lernortes in den Verein - kann es nicht Situationen geben, in denen die Inhalte in Hennef nicht zur Situation einer Mannschaft passen. Etwa, wenn im Rahmen des Lehrgangs offensive Lösungen Thema sind, die Mannschaft aber aufgrund ihrer Zusammensetzung mit einem defensiven Ansatz zum Erfolg kommen will?

Niedzkowski: Jede Mannschaft muss auch offensive Prinzipien verinnerlichen, denn jede Mannschaft will Spiele gewinnen und dafür muss sie irgendwann auch mal ein Tor schießen. Außerdem lassen wir den Trainern große Freiheiten. Wenn wir im Kurs über Offensivprinzipien sprechen, dann besteht die Aufgabe für den Trainer nicht darin, mit seiner Mannschaft eine Woche lang bei jedem Training stoisch die Offensivprinzipien zehn bis 15 zu trainieren. Die Aufgabe könnte dann beispielweise sein, bei einer Trainingseinheit drei Offensivprinzipien abzubilden, und dabei kann der Trainer natürlich die Prinzipien wählen, die zur Spielweise seiner Mannschaft passen.

DFB.de: Im Konzept zu den inhaltlichen Änderungen des Lehrgangs findet sich die Formulierung "Orientierung an den tatsächlichen Aufgaben des einzelnen Trainers". Böse gefragt: Woran war die Ausbildung bislang orientiert?

Niedzkowski: Die hat sich schon immer an den Aufgaben des Trainers orientiert, gemeint ist hier einfach eine größere Individualisierung. Die Aufgaben sind nicht für jeden Trainer gleich. Nachwuchstrainer haben andere Aufgaben als Profitrainer, Verbandstrainer haben andere Aufgaben als Vereinstrainer. Es geht also um die konkreten Aufgaben des einzelnen Trainers. Diese variieren im Detail ja auch von Verein zu Verein, von Altersklasse zu Altersklasse und von Niveau zu Niveau. Um vor diesem Hintergrund genauer auszubilden, ist das Lernen in der Realität von großer Bedeutung, denn dadurch orientiert es sich ja automatisch an dessen tatsächlichen Aufgaben. Daher ist die Verlagerung des Lernortes für mich eine der wichtigsten Anpassungen, die wir ihm Rahmen des Lehrgangs vorgenommen haben.

DFB.de: Verlieren Sie dabei nicht Einfluss und Zugriff auf die Lehrgangsteilnehmer?

Niedzkowski: Nein. Unsere Funktion sehe ich darin, den Trainern dabei zu helfen, ihren persönlichen Weg zu finden. Wir erarbeiten gemeinsam allgemeine Prinzipien, müssen abseits dieser aber viel Individualität zulassen, um dem Trainer, seiner Persönlichkeit und seiner speziellen Situation gerecht zu werden. Natürlich diskutieren wir dann nachher darüber, ob die Anwendung der Prinzipien auf seine spezielle Situation gut oder weniger gut funktioniert hat und wo noch Potenzial liegt.

DFB.de: Sie wollen Trainer noch differenzierter ausbilden. Nachwuchstrainer sollen als Nachwuchstrainer und Profitrainer als Profitrainer ausgebildet werden.

Niedzkowski: Wie gesagt: Ja. Vor allem für die Zukunft wird das ein ganz wichtiger Auftrag sein.

DFB.de: Zeigen nicht die Beispiele von Florian Kohfeldt, Ante Covic oder Julian Nagelsmann, dass der Weg von Trainern häufig vom Nachwuchs zu den Profimannschaften führt? War es für diese Trainer nicht hilfreich, in der Ausbildung zum Fußball-Lehrer nicht auf den Nachwuchs beschränkt worden zu sein?

Niedzkowski: Ich glaube nicht, dass sich die Ausbildung so umfassend gestalten lässt, dass die Trainer danach gleichermaßen optimal auf das Trainieren von allen Mannschaften vorbereitet sind. Versucht man Trainer in einem Format für alle Aufgaben auszubilden, geht man immer einen Kompromiss ein. Wenn man einen Nachwuchstrainer nicht als Nachwuchstrainer ausbildet, wird am Ende der Nachwuchsspieler darunter leiden. Wenn man einen Profitrainer nicht als Profitrainer ausbildet, wird am Ende der Profispieler darunter leiden - und der Trainer selbst. Insofern ist eine Differenzierung bzw. mindestens eine Akzentuierung im Rahmen der Ausbildung notwendig.

DFB.de: Und das geschieht schon?

Niedzkowski: Ja, wobei ich finde, dass wir hier mittelfristig noch weitere Schritte gehen müssen. Die Differenzierung erfolgt aktuell beispielsweise im Rahmen des Feedbacks, das wir den Teilnehmern während des Kurses geben. Wenn ein Nachwuchstrainer eine Trainingseinheit mit seiner Nachwuchsmannschaft durchführt, dann knüpft unser Feedback an nachwuchstypische Fragen an: Beispielsweise wie entwicklungsorientiert er mit den Spielern arbeitet. Wir haben die Differenzierung in der Ausbildung schon verstärkt, wir sind damit aber noch nicht am Ende.

DFB.de: Mit der DFB-Akademie wollen Sie die Absolventen künftig auch nach der Ausbildung begleiten und Angebote zur Weiterbildung schaffen. Zielt dies auf diese Konstellation - dass ein Fußball-Lehrer, der als Nachwuchstrainer gearbeitet hat und der dementsprechend im Rahmen des Lehrgangs seinen Schwerpunkt im Nachwuchsbereich hatte, die Ambition entwickelt, im Profibereich zu arbeiten?

Niedzkowski: Auch. Aktuell bieten wir schon die Elite-Cheftrainer-Fortbildung an. Da geht es hauptsächlich um Führungsthemen, zum Beispiel um interkulturelle Kommunikation und Kompetenzen. Solche Angebote wollen wir vermehrt schaffen. Wir wollen den Trainern über den DFB und die DFB-Akademie Möglichkeiten der Weiterbildung geben. Wir haben aktuell lediglich den vertikalen Bildungsweg. Ein Trainer macht eine Lizenz - und wenn er etwas in Richtung Weiterbildung machen will, muss er die nächste Lizenz absolvieren. Das ist zu starr. Trainer müssen gezielt punktuelle Weiterbildungen wahrnehmen können, ohne dass sie dafür die nächsthöhere Lizenzstufe durchlaufen müssen.

DFB.de: Im Konzept zum "neuen" Lehrgang findet sich häufig der Begriff "Selbstreflexion". Warum ist das so wichtig?

Niedzkowski: Im Zirkel des Lernens ist die Selbstreflexion ein entscheidender Faktor. Zwischen den Schritten: Erarbeiten, Umsetzen und Feedback ist es wichtig, das eigene Handeln, die eigenen Entscheidungen permanent zu reflektieren. Für Trainer ist es eine große Hilfe, eine Struktur an die Hand zu bekommen, anhand derer sie die Eigenanalyse optimieren. Einer der wichtigsten Aufträge, die wir als Ausbilder haben, besteht darin, die Trainer zu Selbstentwicklern zu machen. Für Trainer, erst recht, wenn sie im Profibereich arbeiten, ist es schwierig, ehrliches und kritisches Feedback zu erhalten. Das ergibt sich schon aus der Chefrolle. Das ist bedauerlich, aber Fakt. Und das bremst Entwicklungen. Insofern ist es essentiell, ein guter Feedbackgeber für die eigene Arbeit zu sein. Das Thema systematische Selbstreflexion spielt daher im Kurs eine große Rolle.

DFB.de: Unter Ihrer Leitung wurden bislang 24 neue Fußball-Lehrer-Lizenzen erteilt. Ist es für Sie erheblich, dass von Ihnen ausgebildete Trainer erfolgreich im Top-Bereich arbeiten? Verfolgen Sie den Werdegang Ihrer Schützlinge? Haben Sie noch Kontakt zu den Teilnehmern des vergangenen Kurses?

Niedzkowski: Es ist ja noch nicht so lange her, dass wir die Trainer aus dem Kurs entlassen haben, insofern würde ich noch nicht von Werdegängen sprechen. Aber Kontakt ist in vielen Fällen noch da. Mir ist das auch wichtig und ich freue mich darüber. Vor allem, wenn Trainer sich noch melden, wenn sie Fragen haben und sich von uns Hilfestellungen erhoffen. Oder einfach Input haben wollen, wenn sie Entscheidungen treffen müssen. Ich sehe es als großes Kompliment und Bestätigung, dass wir auch nach Ausbildung weiter als Ratgeber gefragt sind.

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