"Nie wieder": Holocaust-Gedenktag im deutschen Fußball

Am 27. Januar 1945, heute vor 66 Jahren, befreite die Rote Armee die Überlebenden des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau. Auf dieses Datum fällt jedes Jahr der Internationale Gedenktag für die Opfer des Holocaust und des Nationalsozialismus.

Am Spieltag um den 27. Januar - dieses Jahr vom 28. bis 31. Januar - erinnert eine Initiativgruppe zusammen mit der Deutschen Fußball Liga (DFL), dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) und den Klubs bis in die Regionalligen an die Verfolgten und Ermordeten der Nazidiktatur.

Schon zum siebten Mal engagieren sich am "Erinnerungstag im deutschen Fußball" Vereine, Faninitiativen, Fanprojekte, Spieler, Trainer und Einzelpersönlichkeiten mit Aktionen gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus im Fußball und in der Gesellschaft. Im DFB.de-Interview schlägt der jüdische Fußballer und Zeitzeuge Ernst Grube eine Brücke zwischen damals und heute.

Frage: Herr Grube, nach Ihrer Befreiung aus dem KZ Theresienstadt sind Sie zu den "Löwen" gegangen. Warum?

Ernst Grube: Der TSV 1860 war damals ein richtiger Arbeitersportverein. Ich fand das gut, da wollte ich hin. Fußballspielen war für meine Altersgenossen und mich die Freizeitbeschäftigung schlechthin. Für mich persönlich bedeutete das Fußballspielen im Verein, dass ich gleichberechtigt war und akzeptiert wurde. Das war für mich ein ganz neues Gefühl. In der Nazizeit erlebte ich fast nur Ausgrenzung. Ich durfte weder in die Schule gehen noch in einem Verein Fußball spielen.

Frage: Statt Ausgrenzung und Diskriminierung Zusammengehörigkeitsgefühl durch den Fußball?

Grube: Ja, das war unglaublich schön. Ich habe mich zum ersten Mal in meinem Leben frei und von Gleichaltrigen angenommen gefühlt. "Elf Freunde sollt ihr sein" - das hört sich heute altmodisch an. Für mich war der Satz klasse. Ich habe ihn aufgesogen und gelebt. Für mich war der Teamgeist in meiner Mannschaft gut für meine Seele, und aus diesem Grund habe ich auch besser gespielt.

Frage: Rechtsradikale und Neonazis melden sich leider immer noch in Stadien und um die Fußballplätze herum zu Wort. Sie treten als Biedermänner in Vereine ein oder gründen neue und verbreiten dort ihre Botschaften.

Grube: Ja, ich bekomme das eins-zu-eins mit. Da wird gesungen "Auschwitz ist eure Heimat. Eure Häuser sind die Öfen." Oder: "Wir bauen euch eine U-Bahn bis nach Auschwitz." Diese Sprüche machen mich erst mal fassungslos. Das ist schockierend. Ich will nicht wahrhaben, dass 66 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz Fußballfans diese menschenverachtenden Parolen ihrem sportlichen Gegner entgegenbrüllen. Es macht mich vor allem aber auch traurig. Es erinnert mich an meine Kindheit: Als jüdisches Kind wurde ich von Gleichaltrigen und Älteren ausgegrenzt und als "Judensau" beschimpft. Wenn ich so etwas höre, kommt in mir eine starke Wut hoch. Diesen menschenverachtenden Parolen muss etwas entgegengesetzt werden, von den Vereinen, von den Verbänden, von der Politik, von den Fans. So, wie das am "Erinnerungstag im deutschen Fußball" an diesem Wochenende geschieht. Fans und Vereine sollen ermutigt werden, sich zur Wehr zu setzen.

Frage: Wie genau kann das geschehen?

Grube: Wenn Fangruppen rassistische Parolen brüllen, zum Beispiel gegen dunkelhäutige Spieler der gegnerischen Mannschaft, dann muss der Schiedsrichter oder der Stadionsprecher sich einmischen. Er muss sich diese Provokationen im Namen seines Vereins verbitten und die Zuschauer auffordern, dem ein Pfeifkonzert entgegenzusetzen. Es gibt auch die Möglichkeit, dass der Schiedsrichter das Spiel unterbricht, die beiden Spielführer zu sich bittet und ihnen mitteilt, er werde das Spiel abbrechen, wenn die diskriminierenden Parolen nicht gestoppt werden. Das hat der DFB in seinem Regelwerk auch so festgelegt.

Frage: Am "Erinnerungstag im deutschen Fußball" gibt es Stadiondurchsagen mit dem Ziel, der Opfer der Nazidiktatur zu gedenken und sich gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus zur Wehr zu setzen.

Grube: Das ist auch sehr sinnvoll. Wir erleben heute einen zunehmenden Rassismus, der sich aus Gewalt speist, die es teilweise leider auch in und um Fußballstadien gibt. Sie richtet sich meist gegen den sportlichen Gegner, aber auch gegen Menschen, die aus anderen Kulturkreisen kommen. Gegen solche Intoleranz hat das Erinnern an die Verbrechen der Nazis und an das billigende Verhalten der meisten Bürger eine große Bedeutung. Wir müssen jeder Form von Gewalt, Intoleranz und Rassismus, in welcher Form auch immer, entgegentreten.

Zur Person: Ernst Grube

Ernst Grube ist heute 78 Jahre alt. Der Münchner spielte von 1947 bis 1951 in der Jugend für den TSV München 1860 und Helios München als linker Verteidiger. Der Malermeister ist Stellvertretender Präsident der Lagergemeinschaft Dachau. Grube war als 12-Jähriger von Februar bis Mai 1945 zusammen mit seinen beiden Geschwistern und seiner Mutter Häftling im ehemaligen Konzentrationslager Theresienstadt in der heutigen Tschechischen Republik.

Viele Juden wurden dort ermordet, viele andere trieben die SS-Schergen im KZ Auschwitz ins Gas. Die Befreiung der überlebenden Häftlinge des Vernichtungslagers Auschwitz am 27. Januar 1945 durch die Rote Armee rettete Grube und seiner Familie das Leben. Heute lebt er wieder in München.

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Am 27. Januar 1945, heute vor 66 Jahren, befreite die Rote Armee die Überlebenden des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau. Auf dieses Datum fällt jedes Jahr der Internationale Gedenktag für die Opfer des Holocaust und des Nationalsozialismus.

Am Spieltag um den 27. Januar - dieses Jahr vom 28. bis 31. Januar - erinnert eine Initiativgruppe zusammen mit der Deutschen Fußball Liga (DFL), dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) und den Klubs bis in die Regionalligen an die Verfolgten und Ermordeten der Nazidiktatur.

Schon zum siebten Mal engagieren sich am "Erinnerungstag im deutschen Fußball" Vereine, Faninitiativen, Fanprojekte, Spieler, Trainer und Einzelpersönlichkeiten mit Aktionen gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus im Fußball und in der Gesellschaft. Im DFB.de-Interview schlägt der jüdische Fußballer und Zeitzeuge Ernst Grube eine Brücke zwischen damals und heute.

Frage: Herr Grube, nach Ihrer Befreiung aus dem KZ Theresienstadt sind Sie zu den "Löwen" gegangen. Warum?

Ernst Grube: Der TSV 1860 war damals ein richtiger Arbeitersportverein. Ich fand das gut, da wollte ich hin. Fußballspielen war für meine Altersgenossen und mich die Freizeitbeschäftigung schlechthin. Für mich persönlich bedeutete das Fußballspielen im Verein, dass ich gleichberechtigt war und akzeptiert wurde. Das war für mich ein ganz neues Gefühl. In der Nazizeit erlebte ich fast nur Ausgrenzung. Ich durfte weder in die Schule gehen noch in einem Verein Fußball spielen.

Frage: Statt Ausgrenzung und Diskriminierung Zusammengehörigkeitsgefühl durch den Fußball?

Grube: Ja, das war unglaublich schön. Ich habe mich zum ersten Mal in meinem Leben frei und von Gleichaltrigen angenommen gefühlt. "Elf Freunde sollt ihr sein" - das hört sich heute altmodisch an. Für mich war der Satz klasse. Ich habe ihn aufgesogen und gelebt. Für mich war der Teamgeist in meiner Mannschaft gut für meine Seele, und aus diesem Grund habe ich auch besser gespielt.

Frage: Rechtsradikale und Neonazis melden sich leider immer noch in Stadien und um die Fußballplätze herum zu Wort. Sie treten als Biedermänner in Vereine ein oder gründen neue und verbreiten dort ihre Botschaften.

Grube: Ja, ich bekomme das eins-zu-eins mit. Da wird gesungen "Auschwitz ist eure Heimat. Eure Häuser sind die Öfen." Oder: "Wir bauen euch eine U-Bahn bis nach Auschwitz." Diese Sprüche machen mich erst mal fassungslos. Das ist schockierend. Ich will nicht wahrhaben, dass 66 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz Fußballfans diese menschenverachtenden Parolen ihrem sportlichen Gegner entgegenbrüllen. Es macht mich vor allem aber auch traurig. Es erinnert mich an meine Kindheit: Als jüdisches Kind wurde ich von Gleichaltrigen und Älteren ausgegrenzt und als "Judensau" beschimpft. Wenn ich so etwas höre, kommt in mir eine starke Wut hoch. Diesen menschenverachtenden Parolen muss etwas entgegengesetzt werden, von den Vereinen, von den Verbänden, von der Politik, von den Fans. So, wie das am "Erinnerungstag im deutschen Fußball" an diesem Wochenende geschieht. Fans und Vereine sollen ermutigt werden, sich zur Wehr zu setzen.

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Frage: Wie genau kann das geschehen?

Grube: Wenn Fangruppen rassistische Parolen brüllen, zum Beispiel gegen dunkelhäutige Spieler der gegnerischen Mannschaft, dann muss der Schiedsrichter oder der Stadionsprecher sich einmischen. Er muss sich diese Provokationen im Namen seines Vereins verbitten und die Zuschauer auffordern, dem ein Pfeifkonzert entgegenzusetzen. Es gibt auch die Möglichkeit, dass der Schiedsrichter das Spiel unterbricht, die beiden Spielführer zu sich bittet und ihnen mitteilt, er werde das Spiel abbrechen, wenn die diskriminierenden Parolen nicht gestoppt werden. Das hat der DFB in seinem Regelwerk auch so festgelegt.

Frage: Am "Erinnerungstag im deutschen Fußball" gibt es Stadiondurchsagen mit dem Ziel, der Opfer der Nazidiktatur zu gedenken und sich gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus zur Wehr zu setzen.

Grube: Das ist auch sehr sinnvoll. Wir erleben heute einen zunehmenden Rassismus, der sich aus Gewalt speist, die es teilweise leider auch in und um Fußballstadien gibt. Sie richtet sich meist gegen den sportlichen Gegner, aber auch gegen Menschen, die aus anderen Kulturkreisen kommen. Gegen solche Intoleranz hat das Erinnern an die Verbrechen der Nazis und an das billigende Verhalten der meisten Bürger eine große Bedeutung. Wir müssen jeder Form von Gewalt, Intoleranz und Rassismus, in welcher Form auch immer, entgegentreten.

Zur Person: Ernst Grube

Ernst Grube ist heute 78 Jahre alt. Der Münchner spielte von 1947 bis 1951 in der Jugend für den TSV München 1860 und Helios München als linker Verteidiger. Der Malermeister ist Stellvertretender Präsident der Lagergemeinschaft Dachau. Grube war als 12-Jähriger von Februar bis Mai 1945 zusammen mit seinen beiden Geschwistern und seiner Mutter Häftling im ehemaligen Konzentrationslager Theresienstadt in der heutigen Tschechischen Republik.

Viele Juden wurden dort ermordet, viele andere trieben die SS-Schergen im KZ Auschwitz ins Gas. Die Befreiung der überlebenden Häftlinge des Vernichtungslagers Auschwitz am 27. Januar 1945 durch die Rote Armee rettete Grube und seiner Familie das Leben. Heute lebt er wieder in München.