Neuville lässt die Fußballnation explodieren

Im Sommer nimmt Deutschland zum 19. Mal an einer WM-Endrunde teil. DFB.de dokumentiert in einer 106-teiligen Serie alle Spiele seit 1934. Sie enthält die obligatorischen Daten und Fakten, eine kurze Übersicht zur jeweiligen Ausgangslage und den Spielbericht. Darüber hinaus finden sich in der Rubrik "Stimmen zum Spiel" Zitate, die das unmittelbar danach Gesagte oder Geschriebene festhalten und das Ereignis wieder aufleben lassen.

14. Juni Dortmund - zweites Gruppenspiel: Deutschland - Polen 1:0

Vor dem Spiel:

Kapitän Michael Ballack war genesen und durfte auf den Platz zurück (für Borowski). Mehr wurde trotz der massiven Kritik, insbesondere an der Abwehr, nicht geändert. Allerdings gab es eine Aussprache darüber, wie man sich künftig taktisch besser verhalten solle. An der nahm auch Bundestrainer Jürgen Klinsmann teil, obwohl er "die ganze Diskussion nach dem Spiel gegen Costa Rica übertrieben" fand. Sein Blick ging voraus und so warnte er vor dem nächsten Gegner: "In Polen ist es viertel vor zwölf. Die Nation ist unzufrieden, es gibt dort jede Menge Aggression im Umfeld. Es wird ein ganz enges Ding und es wird richtig zur Sache gehen."

Sein Kollege Pawel Janas stand nach dem 0:2 gegen Ecuador im Kreuzfeuer der Medien und seiner Spieler, die Taktik und Aufstellung monierten. Janas schlug zurück: "Wenn Spieler nicht in der Lage sind, eine Taktik umzusetzen, wird es eben schwierig. Das bedeutet doch nicht gleich, dass die Taktik falsch war." Es war das dritte Duell mit dem Nachbarn bei einer WM, noch warteten die Polen auf ihr erstes Tor. Überhaupt hatte Deutschland in 14 Partien nie gegen den östlichen Nachbarn verloren. Noch zwei gute Omen ermittelte "Die Welt": Weder an einem 14. Juni noch bei einem Spiel im Dortmunder Westfalenstadion hatte Deutschland je verloren. Die Stadt zeigte sich besonders gastfreundlich und rollte vom Zentrum aus einen gigantischen roten Teppich bis zum Stadion aus, damit es auch jeder finde.

Besonders im Blickpunkt der Vorberichterstattung stand das deutsche Sturmduo. Miroslav Klose und Lukas Podolski sind beide in Polen auf die Welt gekommen. Gerne wollte die internationale Presse etwas von ihrer inneren Zerrissenheit hören, doch da hatten sie Pech. Podolski blieb sich treu: "Das ist ein Fußballspiel. Und ich will jedes Fußballspiel gewinnen. Das ist alles."

Für andere ist es das nie, die Polizei verhaftet 55 polnische Hooligans, bevor sie Ärger machen können. Zum Glück, hat der DFB doch ausgerechnet zu diesem Spiel den französischen Polizisten Daniel Nivel und seine Familie eingeladen. Deutsche Schläger hatten ihn 1998 brutal zusammen geschlagen. An den Folgen litt er weiterhin, umso schöner dass er die Einladung annahm.



Im Sommer nimmt Deutschland zum 19. Mal an einer WM-Endrunde teil. DFB.de dokumentiert in einer 106-teiligen Serie alle Spiele seit 1934. Sie enthält die obligatorischen Daten und Fakten, eine kurze Übersicht zur jeweiligen Ausgangslage und den Spielbericht. Darüber hinaus finden sich in der Rubrik "Stimmen zum Spiel" Zitate, die das unmittelbar danach Gesagte oder Geschriebene festhalten und das Ereignis wieder aufleben lassen.

14. Juni Dortmund - zweites Gruppenspiel: Deutschland - Polen 1:0

Vor dem Spiel:

Kapitän Michael Ballack war genesen und durfte auf den Platz zurück (für Borowski). Mehr wurde trotz der massiven Kritik, insbesondere an der Abwehr, nicht geändert. Allerdings gab es eine Aussprache darüber, wie man sich künftig taktisch besser verhalten solle. An der nahm auch Bundestrainer Jürgen Klinsmann teil, obwohl er "die ganze Diskussion nach dem Spiel gegen Costa Rica übertrieben" fand. Sein Blick ging voraus und so warnte er vor dem nächsten Gegner: "In Polen ist es viertel vor zwölf. Die Nation ist unzufrieden, es gibt dort jede Menge Aggression im Umfeld. Es wird ein ganz enges Ding und es wird richtig zur Sache gehen."

Sein Kollege Pawel Janas stand nach dem 0:2 gegen Ecuador im Kreuzfeuer der Medien und seiner Spieler, die Taktik und Aufstellung monierten. Janas schlug zurück: "Wenn Spieler nicht in der Lage sind, eine Taktik umzusetzen, wird es eben schwierig. Das bedeutet doch nicht gleich, dass die Taktik falsch war." Es war das dritte Duell mit dem Nachbarn bei einer WM, noch warteten die Polen auf ihr erstes Tor. Überhaupt hatte Deutschland in 14 Partien nie gegen den östlichen Nachbarn verloren. Noch zwei gute Omen ermittelte "Die Welt": Weder an einem 14. Juni noch bei einem Spiel im Dortmunder Westfalenstadion hatte Deutschland je verloren. Die Stadt zeigte sich besonders gastfreundlich und rollte vom Zentrum aus einen gigantischen roten Teppich bis zum Stadion aus, damit es auch jeder finde.

Besonders im Blickpunkt der Vorberichterstattung stand das deutsche Sturmduo. Miroslav Klose und Lukas Podolski sind beide in Polen auf die Welt gekommen. Gerne wollte die internationale Presse etwas von ihrer inneren Zerrissenheit hören, doch da hatten sie Pech. Podolski blieb sich treu: "Das ist ein Fußballspiel. Und ich will jedes Fußballspiel gewinnen. Das ist alles."

Für andere ist es das nie, die Polizei verhaftet 55 polnische Hooligans, bevor sie Ärger machen können. Zum Glück, hat der DFB doch ausgerechnet zu diesem Spiel den französischen Polizisten Daniel Nivel und seine Familie eingeladen. Deutsche Schläger hatten ihn 1998 brutal zusammen geschlagen. An den Folgen litt er weiterhin, umso schöner dass er die Einladung annahm.

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"Urknall": Odonkor und Neuville lassen Westfalenstadion erbeben

Spielbericht:

Das Spiel beginnt um 21 Uhr. Weil das deutsche Team vom Filmemacher Sönke Wortmann auf Schritt und Tritt begleitet wird, weiß die Öffentlichkeit wie Jürgen Klinsmann es in den Minuten davor heiß gemacht hat. Im Kinofilm "Deutschland, ein Sommermärchen" sind Sequenzen aus seiner Ansprache zu sehen. "Wir knallen die durch die Wand. Das Achtelfinale lassen wir uns von niemandem nehmen und schon gar nicht von den Polen." Nein, an diesem Tag scheinen sie sich den Erfolg nur selbst nehmen zu können. Statistiker halten fest: 12:1 gewinnt Deutschland, aber nur nach Chancen. Nicht nach Toren, weshalb es das von Klinsmann prophezeite enge Spiel wird. Wobei die Polen, von 25.000 (!) Landsleuten angefeuert, ihre einzige Chance gleich an den Anfang stellen, nach neun Minuten prüft Maciej Zurawski Jens Lehmann.

Dann beginnt sie, die deutsche Orgie der verpassten Möglichkeiten. Artur Boruc meistert einen Drehschuss von Klose, der etwas später freistehend eine Linksflanke von Lahm neben den Pfosten köpft. Seine einstige Spezialität ist ihm irgendwie abhanden gekommen. "Jetzt wissen wir, warum Klose seit drei Jahren auf ein Kopfball-Tor in der Nationalmannschaft wartet.", schreibt die Bild in ihrem Spielprotokoll. Podolski eifert ihm nach, vergibt bis zur Pause ebenfalls zwei große Möglichkeiten, bei der größten aus drei Metern spitzelt er mit dem schwächeren rechten Fuß im Fallen am langen Eck vorbei. Klinsmann führt am Seitenrand Sprünge auf, Freudentänze sind es nicht. Halbzeit. Die beiden polnisch stämmigen DFB-Stürmer scheinen allen Beteuerungen zum Trotz doch ein Problem damit zu haben, gegen ihr Geburtsland zu treffen.

Und so geht es nach der Pause weiter: Klose zieht mit rechts von der Strafraumgrenze ab, Boruc pariert. Als der Bremer nach 75 Minuten von Radoslaw Soboleski nur noch mit den Händen zu halten ist, fliegt der Pole mit Gelb-Rot vom Platz. 15 Minuten Überzahl und 60.000 im Rücken, drückende Überlegenheit – alles andere als ein Sieg wäre eine große Enttäuschung. Das zeigen auch die Wechsel. Klinsmann bringt neue Stürmer, schon nach 63 Minuten ist Oliver Neuville für Verteidiger Arne Friedrich gekommen. Nach 70 Minuten darf auch Lokalmatador David Odonkor ran. "Er hat mir gesagt, ich soll mich einfach freuen", berichtet der Joker später von der Dienstanweisung vor seinem zweiten WM-Einsatz.

Und wie sie sich alle freuen werden. Nach der unglaublichen Doppelchance von Klose und Ballack, die in der 90. Minute binnen einer Sekunde beide die Latte treffen, unkt ARD-Reporter Steffen Simon zwar noch: "Es soll offensichtlich nicht sein." Aber es gibt noch eine Nachspielzeit und diesen herrlichen geschnippten Pass von Bernd Schneider nach 90 Minuten und 48 Sekunden auf den jungen Freudenspender Odonkor, der die 100 Meter auf 10,7 laufen kann. Vielleicht sind deshalb gleich drei Polen bei ihm, die in der Mitte dringender gebraucht werden. Denn Odonkor bringt den aufsetzenden Ball vors Tor, wo der andere Joker lauert. Wie vor vier Jahren gegen Paraguay ist Oliver Neuville zur Stelle, nun aus nur vier Metern. Er fährt sein rechtes Bein aus und schießt Deutschland zum Sieg, wenn auch noch nicht ins Achtelfinale.

Das Stadion explodiert förmlich, auch die Bundeskanzlerin und den Bundespräsidenten hält es nicht mehr auf ihren Sitzen. Man wird hinterher vom "Urknall" sprechen, der die Deutschen durch diese WM getragen hat. Bei Philipp Lahm, von der Fifa zum "Man of the match" gewählt, liest sich das in seiner Biographie Der feine Unterschied so: "Das Westfalenstadion mit seinen steilen Tribünen ist auch bei jedem Bundesligaspiel ein Ereignis an Lautstärke, aber jetzt, in der 90. Minute gegen Polen, erreicht der Krach eine andere Dimension. Kampfflieger im Tiefflug stelle ich mir ungefähr so vor, und nicht einen, sondern acht in Formation…Für mich ist das dieser außerordentliche, denkwürdige, erlösende Moment, als sich die WM 2006 in das ‚Sommermärchen‘ verwandelt, in diese zauberhaften Wochen von Fußball, Sonne und Euphorie."

Aufstellung: Lehmann – Friedrich (64. Odonkor), Mertesacker, Metzelder, Lahm – Schneider, Ballack, Frings, Schweinsteiger (77. Borowski) – Klose, Podolski (71. Neuville).

Tore: 1:0 Neuville (91.).

Zuschauer: 65.000

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Ballack: "Da wird jeder größer"

Stimmen zum Spiel:

Jürgen Klinsmann: "Wir haben von der ersten Minute an immer wieder versucht, Druck zu machen. Die Mannschaft hat gearbeitet und gearbeitet und am Ende die Früchte geerntet. Ich bin unheimlich stolz auf die Mannschaft."

Michael Ballack: "Wir haben viele junge Leute in der Mannschaft, die nicht viel Erfahrung haben. Dieser Spielverlauf bringt sie in ihrer Entwicklung weiter. Da wird jeder größer."

Philipp Lahm: "Wir haben ein gutes Spiel gemacht und vor dieser überwältigenden Kulisse in Dortmund einen wichtigen Sieg erzielt."

Miroslav Klose: "Heute hat man gesehen, welche Moral in der Mannschaft steckt. Wir haben immer daran geglaubt - und letztendlich ging der Ball doch noch rein."

Pawel Janas (Trainer Polens): "Alle meine Spieler haben eine gute Leistung gezeigt. Aber wir waren am Ende nur noch zu zehnt und sehr müde. Daher haben wir kaum noch Widerstand gegen den enormen Druck der Deutschen leisten können."

"Auch wenn wir bis zur Nachspielzeit zittern mußten, ehe uns Joker Oliver Neuville erlöste – dieses Spiel war ein Schritt nach vorne. Mit hohem Tempo und riesigem Willen hielt die Klinsi-Truppe gegen erbittert und hart kämpfende Polen dagegen. Und: die Abwehr hielt endlich dicht." (Bild)

"Die Nationalelf hat einen großen Schritt nach vorn gemacht. 1:0 gegen Polen, der zweite Sieg. Hoch verdient, die deutsche Elf begeisterte mit einem Sturmlauf, der aber erst am Ende belohnt wurde." (Kicker)

"Deutschlands umstrittenste WM-Teilnehmer neben Mike Hanke haben ihre Nominierung somit schon gerechtfertigt und dem Team des Gastgebers ein Merkmal eines jeden großen Siegers gegeben – echte Alternativen zu haben, stechende Joker. Retter in der Not." (Die Welt)

"Es ist nicht erst seit heute bekannt, dass die Deutschen eine Mannschaft sind, die bis zum Abpfiff kämpft." (Onet/Polen)

"Das Feiern war so ungezügelt, als hätte Deutschland die WM schon gewonnen. Vielleicht werden sie das auch tun." (Independent/England)

"Und am Ende gewinnen immer die Deutschen." (El Pais/Spanien)

"Wenn ein deutscher Fan mit Herzbeschwerden die 91. Minute überstanden hat, kann er sich als kuriert ansehen." (Al Dia/Costa Rica)

"Karneval in Dortmund. Deutschland schlägt Polen und feiert sein größtes Fest seit der Wiedervereinigung." (O Globo /Brasilien)

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