Neustädter: "Deutschland-Spiel hat für mich große Bedeutung"

Vor sechs Jahren trug er in zwei Testspielen selber noch das Trikot der deutschen Nationalmannschaft. Seit 2016 ist Roman Neustädter russischer Nationalspieler. Am kommenden Donnerstag (ab 20.45 Uhr, live auf RTL) trifft der 30 Jahre alte Innenverteidiger in Leipzig mit seiner "neuen" Nationalmannschaft auf seine "alte" Nationalmannschaft.

Im aktuellen DFB.de-Interview mit Oliver Jensen verrät Neustädter, mit welchen Gefühlen er diesem Spiel entgegenblickt, was die Stärken von Russland sind und warum er die russische Nationalmannschaft auf einem guten Weg sieht.

DFB.de: Herr Neustädter, welche Bedeutung hat das Länderspiel gegen Deutschland für Sie persönlich?

Roman Neustädter: Für mich hat das Spiel schon aufgrund meiner Herkunft eine große Bedeutung. Ich bin mit vier Jahren nach Deutschland gekommen. Nun treffe ich auf die deutsche Nationalmannschaft, für die ich selber aufgelaufen bin. Ich begegne Bundestrainer Joachim Löw, unter dem ich gespielt habe. Zudem kenne ich viele Spieler in der Mannschaft.

DFB.de: Wie sehen Sie die deutsche Nationalmannschaft?

Neustädter: Meiner Meinung nach wurde nach der Weltmeisterschaft zu viel schlecht geredet. Sicherlich war das Vorrundenaus für Deutschland eine große Enttäuschung. Aber heutzutage ist es gegen jede Nation schwer, Spiele zu gewinnen – vor allem bei einer Weltmeisterschaft. Es gibt keine kleinen Nationen mehr.

DFB.de: Sie haben im November 2012 und im Mai 2013 zwei Testspiele für die deutsche Nationalmannschaft bestritten. Im Juni 2016 gaben Sie dann Ihr Debüt für Russland. Wie kam es zu diesem Wechsel?

Neustädter: Der damalige Nationaltrainer Leonid Slutski hatte mich kontaktiert, als ich mein letztes Jahr für Schalke gespielt habe. Wir haben uns damals getroffen, weil er wissen wollte, ob ich gut in die Mannschaft passen würde und ob ich Russisch spreche. Natürlich habe ich mir erst einmal Gedanken gemacht, ob ich überhaupt für Russland statt für Deutschland spielen möchte. Da ich aus Russland komme, fiel mir die Entscheidung aber nicht schwer.

DFB.de: Sie haben den Sprung in den WM-Kader knapp verpasst. Trotzdem haben Sie das Turnier mit dem Viertelfinaleinzug sicherlich aufmerksam verfolgt. Welchen Einfluss hatte die Weltmeisterschaft rückblickend auf den russischen Fußball?

Neustädter: Auch wenn es für mich sehr enttäuschend war, nicht bei der WM dabei zu sein, überwog die Freude für die Mitspieler. Vor der WM wurde viel Negatives über uns berichtet, weil die Ergebnisse nicht stimmten. Danach hat sich alles um 180 Grad gedreht. Viele Außenstehende hätten nicht erwartet, dass wir so ein gutes Turnier spielen. Dadurch entstand eine neue Begeisterung.

DFB.de: Woran machen Sie das fest?

Neustädter: Die Stadien sind bei unseren Heimspielen voll, Hunderte von Kindern kommen zu unseren Trainingseinheiten, auch vor den Hotels warten immer viele Fans. Die Euphorie hat auch dazu geführt, dass sich mehr russische Kinder in den Fußballvereinen anmelden. Nun blicken sie zu nationalen Idolen wie zum Beispiel Artem Dzyuba oder Denis Cheryshev auf – früher haben sie sich nur für Lionel Messi und Cristiano Ronaldo interessiert.

DFB.de: Hat Russland das Potenzial, um zu einer absoluten Topnation des Fußballs aufzusteigen?

Neustädter: Das lässt sich schwer abschätzen. Wichtig ist, dass wir unseren Weg einfach weitergehen. Es gibt immer mehr Spieler, die den Schritt in eine europäische Topliga wagen, zum Beispiel Aleksandr Golovin beim AS Monaco. Das ist sehr positiv, weil das Niveau in Spanien, Frankreich, Deutschland oder England noch einmal höher ist als in der russischen Liga. So entwickeln sich die Spieler weiter.

DFB.de: Auf welche russischen Topspieler dürfen sich die deutschen Fans besonders freuen?

Neustädter: Auf unseren Stürmer Artem Dzyuba, der seit der Weltmeisterschaft vielen Fußballfans bekannt sein dürfte, darf man sich freuen. Aber auch auf unseren linken Mittelfeldspieler Denis Cheryshev und unseren Rechtsverteidiger Mário Fernandes. Fernandes fällt immer auf, weil er in der Defensive gut steht und in der Offensive viel für die Mannschaft investiert.

DFB.de: Und wer sind die jungen Hoffnungsträger, die danach kommen?

Neustädter: Da fällt mir unser Mittelfeldspieler Aleksandr Golovin vom AS Monaco ein. Aber auch Roman Zobnin von Spartak Moskau nimmt als zentraler Mittelfeldspieler eine wichtige Rolle ein. Sein Mannschaftskamerad, der Innenverteidiger Georgiy Dzhikiya, hat ebenfalls eine starke Entwicklung genommen. Es gibt also viele junge Spieler, auf die man ein Auge werfen sollte.

DFB.de: Die russische Nationalmannschaft ist mit zwei Siegen und einem Unentschieden sehr gut in die Nations League gestartet. Resultiert das vielleicht aus dem Rückenwind von der starken Weltmeisterschaft?

Neustädter: Natürlich. Wir haben viel Selbstvertrauen und kennen unsere Stärken. Wir funktionieren als Mannschaft, jeder kämpft für den anderen. Wir versuchen aber auch, guten Fußball zu spielen. Wir arbeiten zudem gut gegen den Ball und machen die Räume eng, sodass die Gegner nur wenig Chancen bekommen. Das kann sehr effektiv sein. Frankreich ist mit dieser Taktik Weltmeister geworden.

DFB.de: Abschließend noch eine Frage zum Länderspiel gegen Deutschland: Wie geht das Spiel aus?

Neustädter: Ich möchte immer gewinnen, wenn ich auf dem Platz stehe – diesmal natürlich auch. Für uns ist das ein guter Test, um herauszufinden, wo wir nach der Weltmeisterschaft stehen. Wir alle freuen uns auf dieses Spiel, ich natürlich am meisten.

[oj]

Vor sechs Jahren trug er in zwei Testspielen selber noch das Trikot der deutschen Nationalmannschaft. Seit 2016 ist Roman Neustädter russischer Nationalspieler. Am kommenden Donnerstag (ab 20.45 Uhr, live auf RTL) trifft der 30 Jahre alte Innenverteidiger in Leipzig mit seiner "neuen" Nationalmannschaft auf seine "alte" Nationalmannschaft.

Im aktuellen DFB.de-Interview mit Oliver Jensen verrät Neustädter, mit welchen Gefühlen er diesem Spiel entgegenblickt, was die Stärken von Russland sind und warum er die russische Nationalmannschaft auf einem guten Weg sieht.

DFB.de: Herr Neustädter, welche Bedeutung hat das Länderspiel gegen Deutschland für Sie persönlich?

Roman Neustädter: Für mich hat das Spiel schon aufgrund meiner Herkunft eine große Bedeutung. Ich bin mit vier Jahren nach Deutschland gekommen. Nun treffe ich auf die deutsche Nationalmannschaft, für die ich selber aufgelaufen bin. Ich begegne Bundestrainer Joachim Löw, unter dem ich gespielt habe. Zudem kenne ich viele Spieler in der Mannschaft.

DFB.de: Wie sehen Sie die deutsche Nationalmannschaft?

Neustädter: Meiner Meinung nach wurde nach der Weltmeisterschaft zu viel schlecht geredet. Sicherlich war das Vorrundenaus für Deutschland eine große Enttäuschung. Aber heutzutage ist es gegen jede Nation schwer, Spiele zu gewinnen – vor allem bei einer Weltmeisterschaft. Es gibt keine kleinen Nationen mehr.

DFB.de: Sie haben im November 2012 und im Mai 2013 zwei Testspiele für die deutsche Nationalmannschaft bestritten. Im Juni 2016 gaben Sie dann Ihr Debüt für Russland. Wie kam es zu diesem Wechsel?

Neustädter: Der damalige Nationaltrainer Leonid Slutski hatte mich kontaktiert, als ich mein letztes Jahr für Schalke gespielt habe. Wir haben uns damals getroffen, weil er wissen wollte, ob ich gut in die Mannschaft passen würde und ob ich Russisch spreche. Natürlich habe ich mir erst einmal Gedanken gemacht, ob ich überhaupt für Russland statt für Deutschland spielen möchte. Da ich aus Russland komme, fiel mir die Entscheidung aber nicht schwer.

DFB.de: Sie haben den Sprung in den WM-Kader knapp verpasst. Trotzdem haben Sie das Turnier mit dem Viertelfinaleinzug sicherlich aufmerksam verfolgt. Welchen Einfluss hatte die Weltmeisterschaft rückblickend auf den russischen Fußball?

Neustädter: Auch wenn es für mich sehr enttäuschend war, nicht bei der WM dabei zu sein, überwog die Freude für die Mitspieler. Vor der WM wurde viel Negatives über uns berichtet, weil die Ergebnisse nicht stimmten. Danach hat sich alles um 180 Grad gedreht. Viele Außenstehende hätten nicht erwartet, dass wir so ein gutes Turnier spielen. Dadurch entstand eine neue Begeisterung.

DFB.de: Woran machen Sie das fest?

Neustädter: Die Stadien sind bei unseren Heimspielen voll, Hunderte von Kindern kommen zu unseren Trainingseinheiten, auch vor den Hotels warten immer viele Fans. Die Euphorie hat auch dazu geführt, dass sich mehr russische Kinder in den Fußballvereinen anmelden. Nun blicken sie zu nationalen Idolen wie zum Beispiel Artem Dzyuba oder Denis Cheryshev auf – früher haben sie sich nur für Lionel Messi und Cristiano Ronaldo interessiert.

DFB.de: Hat Russland das Potenzial, um zu einer absoluten Topnation des Fußballs aufzusteigen?

Neustädter: Das lässt sich schwer abschätzen. Wichtig ist, dass wir unseren Weg einfach weitergehen. Es gibt immer mehr Spieler, die den Schritt in eine europäische Topliga wagen, zum Beispiel Aleksandr Golovin beim AS Monaco. Das ist sehr positiv, weil das Niveau in Spanien, Frankreich, Deutschland oder England noch einmal höher ist als in der russischen Liga. So entwickeln sich die Spieler weiter.

DFB.de: Auf welche russischen Topspieler dürfen sich die deutschen Fans besonders freuen?

Neustädter: Auf unseren Stürmer Artem Dzyuba, der seit der Weltmeisterschaft vielen Fußballfans bekannt sein dürfte, darf man sich freuen. Aber auch auf unseren linken Mittelfeldspieler Denis Cheryshev und unseren Rechtsverteidiger Mário Fernandes. Fernandes fällt immer auf, weil er in der Defensive gut steht und in der Offensive viel für die Mannschaft investiert.

DFB.de: Und wer sind die jungen Hoffnungsträger, die danach kommen?

Neustädter: Da fällt mir unser Mittelfeldspieler Aleksandr Golovin vom AS Monaco ein. Aber auch Roman Zobnin von Spartak Moskau nimmt als zentraler Mittelfeldspieler eine wichtige Rolle ein. Sein Mannschaftskamerad, der Innenverteidiger Georgiy Dzhikiya, hat ebenfalls eine starke Entwicklung genommen. Es gibt also viele junge Spieler, auf die man ein Auge werfen sollte.

DFB.de: Die russische Nationalmannschaft ist mit zwei Siegen und einem Unentschieden sehr gut in die Nations League gestartet. Resultiert das vielleicht aus dem Rückenwind von der starken Weltmeisterschaft?

Neustädter: Natürlich. Wir haben viel Selbstvertrauen und kennen unsere Stärken. Wir funktionieren als Mannschaft, jeder kämpft für den anderen. Wir versuchen aber auch, guten Fußball zu spielen. Wir arbeiten zudem gut gegen den Ball und machen die Räume eng, sodass die Gegner nur wenig Chancen bekommen. Das kann sehr effektiv sein. Frankreich ist mit dieser Taktik Weltmeister geworden.

DFB.de: Abschließend noch eine Frage zum Länderspiel gegen Deutschland: Wie geht das Spiel aus?

Neustädter: Ich möchte immer gewinnen, wenn ich auf dem Platz stehe – diesmal natürlich auch. Für uns ist das ein guter Test, um herauszufinden, wo wir nach der Weltmeisterschaft stehen. Wir alle freuen uns auf dieses Spiel, ich natürlich am meisten.

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