Neuendorf: "Wir müssen den Dialog suchen"

Bernd Neuendorf ist auf dem 44. Ordentlichen DFB-Bundestag zum neuen DFB-Präsidenten gewählt worden. Vor seiner Wahl richtete der 60-Jährige seine Worte ans Plenum. DFB.de hat die Kandidatenrede Neuendorfs im Wortlaut.

Liebe Delegierte, liebe Gäste, sehr geehrte Damen und Herren,

ich möchte gleich zu Beginn meiner Rede eine kleine Zeitreise mit Ihnen unternehmen: Wagen wir einen Blick in das Jahr 2032. Unsere Nationalmannschaften spielen in der Weltspitze um Titel. Auf den Fußballplätzen sehen wir viele Mädchen und Jungen unterschiedlicher Herkunft, sie werden von qualifizierten Trainerinnen und Trainern begleitet. Das Vereinsleben wird getragen von zahlreichen engagierten Ehrenamtlichen und auf dem Spielfeld nebenan spielt eine Ü 60 Mannschaft Walking Football. Einen Platz weiter schwitzt ein Team von Spielerinnen und Spielern mit und ohne Handicap im Training. Wir reden nicht mehr über Diversität, wir leben Diversität.

So könnte, so müsste es meines Erachtens in einigen Jahren um den Fußball in Deutschland stehen. Liebe Delegierte, wie sieht Ihr Zukunftsbild aus? Wo steht der Fußball in Deutschland nach Ihrer Auffassung im Jahre 2032? Sind Sie zuversichtlich oder eher skeptisch, wenn es um unseren Sport geht? Sehr geehrte Damen und Herren, wenn man mir beim letzten DFB-Bundestag 2019 gesagt hätte, dass ich heute als Kandidat für das Amt des DFB-Präsidenten vor ihnen stehen würde, dann hätte das bei mir sicher ungläubiges Staunen ausgelöst. Ich habe mich aber zu dieser Kandidatur entschieden und möchte diese verantwortungsvolle Aufgabe im Falle meiner Wahl mit Selbstbewusstsein und auch mit Energie angehen. Und ich möchte als DFB-Präsident alles dafür tun, dass dieser Verband wieder zur Ruhe kommt. Dass wir in ein paar Jahren sagen können, die Arbeit hat sich gelohnt, der Fußball in Deutschland hat eine gute Entwicklung genommen. Deshalb lautet meine erste und wichtigste Botschaft: Der Fußball muss wieder im Mittelpunkt stehen - nicht die Querelen an der Spitze des Verbandes.

Die Menschen sind es einfach leid, im Zusammenhang mit dem DFB permanent von Streitereien und Hausdurchsuchungen und Razzien und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu lesen. Sie wenden sich ab, sie sind genervt, sie fühlen sich nicht mehr vertreten. Sie wollen einen glaubwürdigen und vertrauenswürdigen DFB, sie wollen einen modernen DFB. Sie wollen einen Verband, der die Interessen des Fußballs kraftvoll vertritt. Dafür stehe ich. Und ich würde hinzufügen: Niemand sollte sich täuschen. Wer diesen Weg der Erneuerung und des kulturellen Wandels nicht mitgeht, der wird mich zum entschiedenen Gegner haben.

In der DFB-Satzung heißt es zum Satzungszweck, dass der Verband den Fußballsport und seine Entwicklung fördern will, vor allem in seinem Jugendbereich. Diesem zentralen Satzungszweck, verehrte Delegierte, sind wir in den vergangenen Jahren leider nicht vollends gerecht geworden. Wir müssen uns wieder den eigentlichen Aufgaben des Fußballs widmen und den Blick nach vorne richten. Wir brauchen mehr Spielerinnen und Spieler, Trainerinnen und Trainer, Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter. Wir brauchen ein breites Fundament, damit unsere Vereine eine gute Zukunft haben und auch, damit wir in der Spitze gut aufgestellt sind. Und ja, wir brauchen auch Menschen, die sich in den Gremien von Vereinen und Verbänden engagieren. Wir müssen mehr und gezieltere Bildungs- und Qualifizierungsangebote schaffen. Für all das müssen wir arbeiten, werben und Ideen entwickeln. Dafür werden wir gewählt und für nichts anderes. Das ist mein Weg.

Liebe Delegierte, ja, wir wollen den Fußball wieder in den Mittelpunkt rücken. Das bedeutet auch, dass wir uns dort, wo politische Entscheidungen getroffen werden, wieder deutlich mehr Gehör verschaffen müssen, im Sinne des Fußballs. Ich zitiere nochmals unsere Satzung. Dort heißt es: "Der DFB vertritt die Interessen seiner Mitgliedsverbände im In- und Ausland". Diesen Eindruck, liebe Delegierte, hatte man zuletzt jedenfalls nicht durchgängig. Deshalb lautet meine zweite Botschaft: Der Fußball muss seine politische und gesellschaftliche Verantwortung wieder stärker wahrnehmen.

Es ist offensichtlich, dass uns zuletzt Zugänge zur Politik gefehlt haben, wir hatten erkennbar keine Durchschlagskraft. Die gesellschaftliche Bedeutung des Sports und insbesondere des Fußballs wird seitens der Politik gerne betont, aber gerade im Zuge der Pandemie haben Profis wie Amateure feststellen müssen, dass die Stimme des Fußballs kaum gehört wurde. Ich bin überzeugt: Das hatte auch mit dem wenig erfreulichen Erscheinungsbild des DFB zu tun. Wir wollen und müssen aber wieder als Partner auf Augenhöhe wahrgenommen werden, um für unseren Sport gute Rahmenbedingungen zu schaffen. Das gelingt nach meiner festen Überzeugung aber nur, wenn wir geschlossen und engagiert auftreten und nicht, wenn wir uns gegenseitig mit Beschuldigungen, Verdächtigungen und Anwürfen überziehen und Sachverhalte unnötig skandalisieren. Es ist gerade jetzt nötig, aktiv auf die Politik zuzugehen und konkret darüber zu sprechen, was die im Koalitionsvertrag der Bundesregierung beschriebene Stärkung des Ehrenamtes oder der Ausbau der sportlichen Infrastruktur denn konkret bedeuten. Ich würde gerne wissen, mit welchen Maßnahmen wir hier denn konkret vorankommen wollen. Ich will, dass der DFB gemeinsam mit dem DOSB eine starke Lobby für den Sport in Deutschland darstellt. Wir brauchen eine neue Geschlossenheit, um unsere Interessen erfolgreich zu vertreten. Lasst uns das auf allen Ebenen so umsetzen.

Liebe Delegierte, wenn in den vergangenen Monaten über den DFB berichtet wurde, dann ging es auch häufig um das vermeintlich schwierige Verhältnis zur DFL. Mein Eindruck war in der Tat, es wurde lange Zeit nicht unbedingt freundlich mit- und übereinander gesprochen, um es zurückhaltend zu formulieren. Wir müssen aufhören, Amateurvertreter und Liga als zwei völlig unversöhnliche Lager zu beschreiben. Wer glaubt, dass er sich auf Kosten des jeweils anderen profilieren kann, der irrt. Wir schaden mit permanenten Auseinandersetzungen uns allen - und damit dem Fußball. Das muss aufhören liebe Delegierte, wir brauchen eine neue Kultur des Miteinanders und ich bin optimistisch, dass uns das gelingen kann, trotz aller Herausforderungen, die vor uns liegen. Deshalb lautet meine dritte Botschaft: Der DFB wird seiner Gesamtverantwortung für die Einheit des deutschen Fußballs gerecht.

Das bedeutet, dass ich mit der DFL zu einer Arbeitsweise zurückfinden will, die von gegenseitigem Respekt und Vertrauen gekennzeichnet ist. Auf der Landesebene funktioniert das übrigens an vielen Stellen heute schon ganz hervorragend. Wir pflegen in meinem Heimatverband am Mittelrhein ein wirklich ausgezeichnetes Verhältnis zu unseren beiden Bundesligisten. Mit dem 1. FC Köln und mit Bayer Leverkusen arbeiten wir in unterschiedlichen Projekten sehr erfolgreich zusammen und ich weiß, dass in anderen Landesverbänden ebenfalls sehr eng und vertrauensvoll mit den Profiklubs kooperiert wird. Noch wichtiger ist für mich aber: In den vielen Gesprächen, die ich in den vergangenen Wochen mit Vereinen der 1. und 2. Bundesliga geführt habe, herrschte durchweg eine überaus aufgeschlossene und zugewandte Atmosphäre. Wollte man sämtliche Gespräche auf einen Nenner bringen, dann könnte man sagen, es gibt die Sehnsucht oder ein spürbares Verlangen danach, den DFB endlich wieder in ruhigeres Fahrwasser zu bringen und die jahrelangen Querelen und Dissonanzen endlich zu beenden.

Auch hier hilft ein Blick in die Satzung. Zitat: "Der Umgang miteinander innerhalb des Verbandes ist jederzeit sachorientiert und fair. Das Ansehen des DFB wird wesentlich geprägt durch das Auftreten, Handeln und Verhalten jedes Einzelnen", Zitat Ende. Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen, so wollen wir es halten. Für gute Entscheidungen brauchen wir eine unaufgeregte Zusammenarbeit zwischen DFB und DFL über die Themen des Fußballs. Meine ersten Gespräche mit der neuen Führung der DFL, mit Donata Hopfen und mit Hans-Joachim Watzke verliefen ruhig, aufgeräumt. Der Austausch war erkennbar vom Willen zu einer sach- und lösungsorientierten Arbeit geprägt. Und im Falle meiner Wahl, möchte ich hier unbedingt anknüpfen. Um es klar und deutlich zu sagen: Wir müssen den Laden zusammenhalten, dazu gibt es keine Alternative.

Liebe Delegierte, wir haben in den kommenden Jahren großartige Chancen, den Fußball in unserem Land deutlich voranzubringen. Ich setze hier insbesondere auf die EURO 2024 im eigenen Land. Hierüber ist heute schon viel gesprochen worden, aber insgesamt im Land viel zu wenig. Wir haben ein Team um Philipp Lahm und Celia Sasic, das die EURO zum Erfolg führen wird. Lassen wir uns von ihrer Begeisterung anstecken, freuen wir uns auf die Gäste aus ganz Europa, freuen uns auf tolle Wochen und ein Fußballfest im Sommer 2024. Chancen, wie sie ein solches Turnier bietet, kommen eher selten. Die letzte Europameisterschaft in Deutschland fand im Jahr 1988 statt, das war vor dem Fall der Mauer. Zuletzt hat die WM 2006 aber gezeigt, dass vor, während und nach solchen Turnieren, viele Kinder und Jugendliche in unsere Vereine strömen. Sind wir darauf vorbereitet? Müssen wir nicht dafür sorgen, dass wir für diesen Fall eine ausreichende Zahl von Übungsleiterinnen und Übungsleitern haben? Haben wir die entsprechende Infrastruktur? Hier müssen wir sehr rasch die nötige Sensibilität schaffen und auch unterstützen, denn wir haben nur noch 2 Jahre. Und in der kommenden Wahlperiode fällt auch die Vergabe für die Frauen WM 2027. Hier hat sich Deutschland gemeinsam mit den Niederlanden und Belgien beworben und ich werde im Falle meiner Wahl gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen im Präsidium alles dafür tun, um diese Bewerbung zum Erfolg zu führen, im Interesse des Frauen- und Mädchenfußballs in Deutschland, im Interesse des Fußballs insgesamt. Deshalb die vierte Botschaft: Wir nutzen sportliche Großveranstaltungen für den Fußball in Deutschland.

Liebe Delegierte, in seiner Satzung bekennt sich der DFB zur Achtung aller international anerkannten Menschenrechte. Das erfordert aktives Handeln, das bedeutet, dass man zum völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands klar Stellung bezieht. Die jüngsten Ereignisse in der Ukraine zwingen uns innezuhalten, nachzudenken - und sie zwingen uns auch zum Handeln. Wir dürfen keinen Zweifel daran lassen, dass wir den Einmarsch Russlands in der Ukraine aufs Schärfste verurteilen und ich möchte, dass von diesem DFB-Bundestag ein kraftvolles und klares Signal an die Verantwortlichen in Moskau ausgeht: Ziehen sie ihre Truppen aus der Ukraine ab und beenden sie das Leid der Menschen.

Ja, liebe Delegierte, die Welt hat sich verändert - wir müssen uns verändern. Wir müssen sagen, was ist. Das betrifft auch die anstehende WM in Katar. Ich habe immer gesagt, dass ich die Vergabe der Weltmeisterschaft an dieses Land kritisch sehe, aufgrund der dortigen Menschenrechtslage und auch aufgrund des Nachhaltigkeitsaspekts. Die aktuellen Debatten zum Austragungsort der WM wären aber vermeidbar gewesen, wenn man vorher klare Kriterien für die Vergabe eines solchen Turniers definiert und sie auch angewandt hätte. Das muss uns eine Lehre sein. Wir müssen jetzt wenigstens die Chance nutzen, im Zusammenhang mit der WM in enger Abstimmung mit der Politik das Gespräch mit den Verantwortlichen vor Ort und natürlich auch mit Menschenrechtsorganisationen zu suchen. Wir müssen Missstände offen ansprechen und auf Veränderungen hinwirken, seien sie auch noch so klein. Und deshalb die fünfte Botschaft: Wir nehmen unsere politische und gesellschaftliche Verantwortung wahr.

Sehr geehrte Damen und Herren, zur politischen und gesellschaftlichen Verantwortung gehört auch, dass wir die gesellschaftliche Realität im Verband besser abbilden. Wir brauchen mehr Frauen, mehr Menschen mit Einwanderungsgeschichte und mehr junge Menschen im gesamten Fußball und ich bin froh, mit Celia Sasic eine starke Persönlichkeit für die neu zu schaffende Position für Gleichstellung und Diversität gewonnen zu haben, die diese Aufgabe im Falle meiner Wahl sehr konsequent angehen wird. Unsere gemeinsame Aufgabe wird es sein, Ideen zu entwickeln, wie wir dies im DFB umsetzen. Zusammen mit ihr, mit Heike Ullrich und mit Sabine Mammitzsch sind drei Frauen für mein DFB-Präsidium nominiert, die aus dem Fußball kommen, die eine hohe Kompetenz haben und große Anerkennung genießen. Mit Stephan Grunwald soll ein junger ausgewiesener Finanzexperte auf die Position des Schatzmeisters rücken. Das sind klare Signale für eine neue Mannschaftsaufstellung, für einen fortschrittlichen DFB.

Meine Damen und Herren, ich bin der festen Überzeugung, dass der DFB ungeachtet aller Negativschlagzeilen in den vergangenen Jahren inhaltlich sehr viel Gutes bewirkt hat, aber all das ist leider viel zu wenig sichtbar geworden. Es gibt gute Programme und Initiativen, die von unseren ehren- und hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entwickelt und betreut werden. Es ist äußerst schade, dass dieses Engagement in der öffentlichen Wahrnehmung vollkommen untergeht und auch nicht gewürdigt wird. Es gibt auch an der Basis sehr viele Menschen mit guten Ideen und es wäre ein großer Fehler, dieses Potenzial nicht abzurufen. Wir müssen zuhören und Empathie zeigen, wir müssen diese Menschen viel stärker einbinden. Wir können von ihnen zum Beispiel lernen, wie wir für alle, die Fußball spielen wollen, ein entsprechendes Angebot schaffen - unabhängig von ihrem Alter oder ihrem Geschlecht, ihrer Herkunft und ihrer Religion, ob mit oder ohne Handicap. Auch das ist Aufgabe des DFB.

Ich möchte zum Abschluss auch ein Wort an Peter Peters richten: Ich finde, dass wir in den letzten Monaten und im Vorfeld dieses Bundestages wirklich fair miteinander umgegangen sind. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle sehr ausdrücklich bei dir bedanken. Alles andere hätte dem DFB auch zusätzlich geschadet.

Liebe Delegierte, ich habe zu Beginn gefragt: Wie sieht Ihr Zukunftsbild aus? Wo steht der Fußball in Deutschland nach Ihrer Auffassung im Jahre 2032? Von diesem Bundestag muss ein Signal ausgehen, dass der DFB sich aufmacht. Er muss die Herausforderungen angehen, die sich unserem Verein stellen - im Profi und im Amateurbereich. Ich habe skizziert, wie das gelingen kann und ich bin zuversichtlich, dass es gelingen wird. Der DFB muss Kümmerer sein für die Vereine, für die Mannschaften, für die Menschen, die er vertritt. Er darf sich nicht permanent um sich selbst drehen. Wir müssen Interesse zeigen, wir müssen zugewandt und ehrlich sein, wir müssen besser kommunizieren. Wir müssen den Dialog suchen mit unseren Vereinen, mit der Gesellschaft, mit der Öffentlichkeit.

Liebe Delegierte, diesen Weg möchte ich gemeinsam mit Ihnen als DFB-Präsident gehen, das ist mein Angebot. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.


Bernd Neuendorf ist auf dem 44. Ordentlichen DFB-Bundestag zum neuen DFB-Präsidenten gewählt worden. Vor seiner Wahl richtete der 60-Jährige seine Worte ans Plenum. DFB.de hat die Kandidatenrede Neuendorfs im Wortlaut.

Liebe Delegierte, liebe Gäste, sehr geehrte Damen und Herren,

ich möchte gleich zu Beginn meiner Rede eine kleine Zeitreise mit Ihnen unternehmen: Wagen wir einen Blick in das Jahr 2032. Unsere Nationalmannschaften spielen in der Weltspitze um Titel. Auf den Fußballplätzen sehen wir viele Mädchen und Jungen unterschiedlicher Herkunft, sie werden von qualifizierten Trainerinnen und Trainern begleitet. Das Vereinsleben wird getragen von zahlreichen engagierten Ehrenamtlichen und auf dem Spielfeld nebenan spielt eine Ü 60 Mannschaft Walking Football. Einen Platz weiter schwitzt ein Team von Spielerinnen und Spielern mit und ohne Handicap im Training. Wir reden nicht mehr über Diversität, wir leben Diversität.

So könnte, so müsste es meines Erachtens in einigen Jahren um den Fußball in Deutschland stehen. Liebe Delegierte, wie sieht Ihr Zukunftsbild aus? Wo steht der Fußball in Deutschland nach Ihrer Auffassung im Jahre 2032? Sind Sie zuversichtlich oder eher skeptisch, wenn es um unseren Sport geht? Sehr geehrte Damen und Herren, wenn man mir beim letzten DFB-Bundestag 2019 gesagt hätte, dass ich heute als Kandidat für das Amt des DFB-Präsidenten vor ihnen stehen würde, dann hätte das bei mir sicher ungläubiges Staunen ausgelöst. Ich habe mich aber zu dieser Kandidatur entschieden und möchte diese verantwortungsvolle Aufgabe im Falle meiner Wahl mit Selbstbewusstsein und auch mit Energie angehen. Und ich möchte als DFB-Präsident alles dafür tun, dass dieser Verband wieder zur Ruhe kommt. Dass wir in ein paar Jahren sagen können, die Arbeit hat sich gelohnt, der Fußball in Deutschland hat eine gute Entwicklung genommen. Deshalb lautet meine erste und wichtigste Botschaft: Der Fußball muss wieder im Mittelpunkt stehen - nicht die Querelen an der Spitze des Verbandes.

Die Menschen sind es einfach leid, im Zusammenhang mit dem DFB permanent von Streitereien und Hausdurchsuchungen und Razzien und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu lesen. Sie wenden sich ab, sie sind genervt, sie fühlen sich nicht mehr vertreten. Sie wollen einen glaubwürdigen und vertrauenswürdigen DFB, sie wollen einen modernen DFB. Sie wollen einen Verband, der die Interessen des Fußballs kraftvoll vertritt. Dafür stehe ich. Und ich würde hinzufügen: Niemand sollte sich täuschen. Wer diesen Weg der Erneuerung und des kulturellen Wandels nicht mitgeht, der wird mich zum entschiedenen Gegner haben.

In der DFB-Satzung heißt es zum Satzungszweck, dass der Verband den Fußballsport und seine Entwicklung fördern will, vor allem in seinem Jugendbereich. Diesem zentralen Satzungszweck, verehrte Delegierte, sind wir in den vergangenen Jahren leider nicht vollends gerecht geworden. Wir müssen uns wieder den eigentlichen Aufgaben des Fußballs widmen und den Blick nach vorne richten. Wir brauchen mehr Spielerinnen und Spieler, Trainerinnen und Trainer, Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter. Wir brauchen ein breites Fundament, damit unsere Vereine eine gute Zukunft haben und auch, damit wir in der Spitze gut aufgestellt sind. Und ja, wir brauchen auch Menschen, die sich in den Gremien von Vereinen und Verbänden engagieren. Wir müssen mehr und gezieltere Bildungs- und Qualifizierungsangebote schaffen. Für all das müssen wir arbeiten, werben und Ideen entwickeln. Dafür werden wir gewählt und für nichts anderes. Das ist mein Weg.

Liebe Delegierte, ja, wir wollen den Fußball wieder in den Mittelpunkt rücken. Das bedeutet auch, dass wir uns dort, wo politische Entscheidungen getroffen werden, wieder deutlich mehr Gehör verschaffen müssen, im Sinne des Fußballs. Ich zitiere nochmals unsere Satzung. Dort heißt es: "Der DFB vertritt die Interessen seiner Mitgliedsverbände im In- und Ausland". Diesen Eindruck, liebe Delegierte, hatte man zuletzt jedenfalls nicht durchgängig. Deshalb lautet meine zweite Botschaft: Der Fußball muss seine politische und gesellschaftliche Verantwortung wieder stärker wahrnehmen.

Es ist offensichtlich, dass uns zuletzt Zugänge zur Politik gefehlt haben, wir hatten erkennbar keine Durchschlagskraft. Die gesellschaftliche Bedeutung des Sports und insbesondere des Fußballs wird seitens der Politik gerne betont, aber gerade im Zuge der Pandemie haben Profis wie Amateure feststellen müssen, dass die Stimme des Fußballs kaum gehört wurde. Ich bin überzeugt: Das hatte auch mit dem wenig erfreulichen Erscheinungsbild des DFB zu tun. Wir wollen und müssen aber wieder als Partner auf Augenhöhe wahrgenommen werden, um für unseren Sport gute Rahmenbedingungen zu schaffen. Das gelingt nach meiner festen Überzeugung aber nur, wenn wir geschlossen und engagiert auftreten und nicht, wenn wir uns gegenseitig mit Beschuldigungen, Verdächtigungen und Anwürfen überziehen und Sachverhalte unnötig skandalisieren. Es ist gerade jetzt nötig, aktiv auf die Politik zuzugehen und konkret darüber zu sprechen, was die im Koalitionsvertrag der Bundesregierung beschriebene Stärkung des Ehrenamtes oder der Ausbau der sportlichen Infrastruktur denn konkret bedeuten. Ich würde gerne wissen, mit welchen Maßnahmen wir hier denn konkret vorankommen wollen. Ich will, dass der DFB gemeinsam mit dem DOSB eine starke Lobby für den Sport in Deutschland darstellt. Wir brauchen eine neue Geschlossenheit, um unsere Interessen erfolgreich zu vertreten. Lasst uns das auf allen Ebenen so umsetzen.

Liebe Delegierte, wenn in den vergangenen Monaten über den DFB berichtet wurde, dann ging es auch häufig um das vermeintlich schwierige Verhältnis zur DFL. Mein Eindruck war in der Tat, es wurde lange Zeit nicht unbedingt freundlich mit- und übereinander gesprochen, um es zurückhaltend zu formulieren. Wir müssen aufhören, Amateurvertreter und Liga als zwei völlig unversöhnliche Lager zu beschreiben. Wer glaubt, dass er sich auf Kosten des jeweils anderen profilieren kann, der irrt. Wir schaden mit permanenten Auseinandersetzungen uns allen - und damit dem Fußball. Das muss aufhören liebe Delegierte, wir brauchen eine neue Kultur des Miteinanders und ich bin optimistisch, dass uns das gelingen kann, trotz aller Herausforderungen, die vor uns liegen. Deshalb lautet meine dritte Botschaft: Der DFB wird seiner Gesamtverantwortung für die Einheit des deutschen Fußballs gerecht.

Das bedeutet, dass ich mit der DFL zu einer Arbeitsweise zurückfinden will, die von gegenseitigem Respekt und Vertrauen gekennzeichnet ist. Auf der Landesebene funktioniert das übrigens an vielen Stellen heute schon ganz hervorragend. Wir pflegen in meinem Heimatverband am Mittelrhein ein wirklich ausgezeichnetes Verhältnis zu unseren beiden Bundesligisten. Mit dem 1. FC Köln und mit Bayer Leverkusen arbeiten wir in unterschiedlichen Projekten sehr erfolgreich zusammen und ich weiß, dass in anderen Landesverbänden ebenfalls sehr eng und vertrauensvoll mit den Profiklubs kooperiert wird. Noch wichtiger ist für mich aber: In den vielen Gesprächen, die ich in den vergangenen Wochen mit Vereinen der 1. und 2. Bundesliga geführt habe, herrschte durchweg eine überaus aufgeschlossene und zugewandte Atmosphäre. Wollte man sämtliche Gespräche auf einen Nenner bringen, dann könnte man sagen, es gibt die Sehnsucht oder ein spürbares Verlangen danach, den DFB endlich wieder in ruhigeres Fahrwasser zu bringen und die jahrelangen Querelen und Dissonanzen endlich zu beenden.

Auch hier hilft ein Blick in die Satzung. Zitat: "Der Umgang miteinander innerhalb des Verbandes ist jederzeit sachorientiert und fair. Das Ansehen des DFB wird wesentlich geprägt durch das Auftreten, Handeln und Verhalten jedes Einzelnen", Zitat Ende. Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen, so wollen wir es halten. Für gute Entscheidungen brauchen wir eine unaufgeregte Zusammenarbeit zwischen DFB und DFL über die Themen des Fußballs. Meine ersten Gespräche mit der neuen Führung der DFL, mit Donata Hopfen und mit Hans-Joachim Watzke verliefen ruhig, aufgeräumt. Der Austausch war erkennbar vom Willen zu einer sach- und lösungsorientierten Arbeit geprägt. Und im Falle meiner Wahl, möchte ich hier unbedingt anknüpfen. Um es klar und deutlich zu sagen: Wir müssen den Laden zusammenhalten, dazu gibt es keine Alternative.

Liebe Delegierte, wir haben in den kommenden Jahren großartige Chancen, den Fußball in unserem Land deutlich voranzubringen. Ich setze hier insbesondere auf die EURO 2024 im eigenen Land. Hierüber ist heute schon viel gesprochen worden, aber insgesamt im Land viel zu wenig. Wir haben ein Team um Philipp Lahm und Celia Sasic, das die EURO zum Erfolg führen wird. Lassen wir uns von ihrer Begeisterung anstecken, freuen wir uns auf die Gäste aus ganz Europa, freuen uns auf tolle Wochen und ein Fußballfest im Sommer 2024. Chancen, wie sie ein solches Turnier bietet, kommen eher selten. Die letzte Europameisterschaft in Deutschland fand im Jahr 1988 statt, das war vor dem Fall der Mauer. Zuletzt hat die WM 2006 aber gezeigt, dass vor, während und nach solchen Turnieren, viele Kinder und Jugendliche in unsere Vereine strömen. Sind wir darauf vorbereitet? Müssen wir nicht dafür sorgen, dass wir für diesen Fall eine ausreichende Zahl von Übungsleiterinnen und Übungsleitern haben? Haben wir die entsprechende Infrastruktur? Hier müssen wir sehr rasch die nötige Sensibilität schaffen und auch unterstützen, denn wir haben nur noch 2 Jahre. Und in der kommenden Wahlperiode fällt auch die Vergabe für die Frauen WM 2027. Hier hat sich Deutschland gemeinsam mit den Niederlanden und Belgien beworben und ich werde im Falle meiner Wahl gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen im Präsidium alles dafür tun, um diese Bewerbung zum Erfolg zu führen, im Interesse des Frauen- und Mädchenfußballs in Deutschland, im Interesse des Fußballs insgesamt. Deshalb die vierte Botschaft: Wir nutzen sportliche Großveranstaltungen für den Fußball in Deutschland.

Liebe Delegierte, in seiner Satzung bekennt sich der DFB zur Achtung aller international anerkannten Menschenrechte. Das erfordert aktives Handeln, das bedeutet, dass man zum völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands klar Stellung bezieht. Die jüngsten Ereignisse in der Ukraine zwingen uns innezuhalten, nachzudenken - und sie zwingen uns auch zum Handeln. Wir dürfen keinen Zweifel daran lassen, dass wir den Einmarsch Russlands in der Ukraine aufs Schärfste verurteilen und ich möchte, dass von diesem DFB-Bundestag ein kraftvolles und klares Signal an die Verantwortlichen in Moskau ausgeht: Ziehen sie ihre Truppen aus der Ukraine ab und beenden sie das Leid der Menschen.

Ja, liebe Delegierte, die Welt hat sich verändert - wir müssen uns verändern. Wir müssen sagen, was ist. Das betrifft auch die anstehende WM in Katar. Ich habe immer gesagt, dass ich die Vergabe der Weltmeisterschaft an dieses Land kritisch sehe, aufgrund der dortigen Menschenrechtslage und auch aufgrund des Nachhaltigkeitsaspekts. Die aktuellen Debatten zum Austragungsort der WM wären aber vermeidbar gewesen, wenn man vorher klare Kriterien für die Vergabe eines solchen Turniers definiert und sie auch angewandt hätte. Das muss uns eine Lehre sein. Wir müssen jetzt wenigstens die Chance nutzen, im Zusammenhang mit der WM in enger Abstimmung mit der Politik das Gespräch mit den Verantwortlichen vor Ort und natürlich auch mit Menschenrechtsorganisationen zu suchen. Wir müssen Missstände offen ansprechen und auf Veränderungen hinwirken, seien sie auch noch so klein. Und deshalb die fünfte Botschaft: Wir nehmen unsere politische und gesellschaftliche Verantwortung wahr.

Sehr geehrte Damen und Herren, zur politischen und gesellschaftlichen Verantwortung gehört auch, dass wir die gesellschaftliche Realität im Verband besser abbilden. Wir brauchen mehr Frauen, mehr Menschen mit Einwanderungsgeschichte und mehr junge Menschen im gesamten Fußball und ich bin froh, mit Celia Sasic eine starke Persönlichkeit für die neu zu schaffende Position für Gleichstellung und Diversität gewonnen zu haben, die diese Aufgabe im Falle meiner Wahl sehr konsequent angehen wird. Unsere gemeinsame Aufgabe wird es sein, Ideen zu entwickeln, wie wir dies im DFB umsetzen. Zusammen mit ihr, mit Heike Ullrich und mit Sabine Mammitzsch sind drei Frauen für mein DFB-Präsidium nominiert, die aus dem Fußball kommen, die eine hohe Kompetenz haben und große Anerkennung genießen. Mit Stephan Grunwald soll ein junger ausgewiesener Finanzexperte auf die Position des Schatzmeisters rücken. Das sind klare Signale für eine neue Mannschaftsaufstellung, für einen fortschrittlichen DFB.

Meine Damen und Herren, ich bin der festen Überzeugung, dass der DFB ungeachtet aller Negativschlagzeilen in den vergangenen Jahren inhaltlich sehr viel Gutes bewirkt hat, aber all das ist leider viel zu wenig sichtbar geworden. Es gibt gute Programme und Initiativen, die von unseren ehren- und hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entwickelt und betreut werden. Es ist äußerst schade, dass dieses Engagement in der öffentlichen Wahrnehmung vollkommen untergeht und auch nicht gewürdigt wird. Es gibt auch an der Basis sehr viele Menschen mit guten Ideen und es wäre ein großer Fehler, dieses Potenzial nicht abzurufen. Wir müssen zuhören und Empathie zeigen, wir müssen diese Menschen viel stärker einbinden. Wir können von ihnen zum Beispiel lernen, wie wir für alle, die Fußball spielen wollen, ein entsprechendes Angebot schaffen - unabhängig von ihrem Alter oder ihrem Geschlecht, ihrer Herkunft und ihrer Religion, ob mit oder ohne Handicap. Auch das ist Aufgabe des DFB.

Ich möchte zum Abschluss auch ein Wort an Peter Peters richten: Ich finde, dass wir in den letzten Monaten und im Vorfeld dieses Bundestages wirklich fair miteinander umgegangen sind. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle sehr ausdrücklich bei dir bedanken. Alles andere hätte dem DFB auch zusätzlich geschadet.

Liebe Delegierte, ich habe zu Beginn gefragt: Wie sieht Ihr Zukunftsbild aus? Wo steht der Fußball in Deutschland nach Ihrer Auffassung im Jahre 2032? Von diesem Bundestag muss ein Signal ausgehen, dass der DFB sich aufmacht. Er muss die Herausforderungen angehen, die sich unserem Verein stellen - im Profi und im Amateurbereich. Ich habe skizziert, wie das gelingen kann und ich bin zuversichtlich, dass es gelingen wird. Der DFB muss Kümmerer sein für die Vereine, für die Mannschaften, für die Menschen, die er vertritt. Er darf sich nicht permanent um sich selbst drehen. Wir müssen Interesse zeigen, wir müssen zugewandt und ehrlich sein, wir müssen besser kommunizieren. Wir müssen den Dialog suchen mit unseren Vereinen, mit der Gesellschaft, mit der Öffentlichkeit.

Liebe Delegierte, diesen Weg möchte ich gemeinsam mit Ihnen als DFB-Präsident gehen, das ist mein Angebot. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

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