Netzer: "Overath war der wesentlich bessere Nationalspieler"

Eigentlich wollte er nicht viele Interviews geben vor seinem 75. Geburtstag, den er heute feiert, aber dann war Günter Netzer doch wieder auf allen Kanälen zu sehen und zu hören. Der einstige Weltstar auf dem Fußballplatz war eben immer auch Medienprofi und außerdem hat der seit vielen Jahren in Zürich lebende Ehemann und Vater einer Tochter nichts zu verbergen, wie er auch im DFB.de-Interview mit Mitarbeiter Udo Muras beweist.

DFB.de: Ihr erster Profiverein Borussia Mönchengladbach hat Ihnen im "Fohlenmuseum" eine Ausstellung gewidmet. Zur Eröffnung wurden Sie eingeladen in ihre Heimatstadt. Wie hat Sie ihnen gefallen, Herr Netzer?

Günter Netzer: Ich muss ehrlich sagen, dass es nicht einfach ist, mich zu begeistern. Aber was die da gemacht haben, das hat mich begeistert - und sehr berührt. Sie haben eine wunderbare Ausstellung zustande gebracht, die mich wieder ein Stück näher an die Borussia gebracht hat. Ich habe mich gewundert, was die da alles aufgetrieben haben. (Unter anderem ein Bild, das 1971 im Eingangsbereich seiner Discothek hing, dem Lovers Lane, auch ein Paar Originalschuhe aus den Siebzigern und viele Fotos, die Netzer zur Pop-Ikone jener Tage machten; Anm. d. Red.)) Ich war auch wahnsinnig erfreut, dass zur Eröffnung sogar damalige Ersatzspieler erschienen, einige hatte ich 45 Jahre nicht gesehen.

DFB.de: Wie viele Freunde sind Ihnen aus der aktiven Zeit geblieben?

Netzer: Ich will da keine Namen nennen, sonst vergesse ich noch einen.

DFB.de: Dann nennen wir welche: Berti Vogts hat sich immer für Sie eingesetzt und zwischen Ihnen und Hennes Weisweiler vermittelt, wenn der mal wieder nicht mit Ihnen sprechen wollte.

Netzer: Berti war für mich ein Bruder. Er hat damals gesagt: "Für den Netzer werde ich immer rennen." Das war bewegend für mich, zumal er mir auch neben dem Platz zur Seite stand.

DFB.de: Franz Beckenbauer hat Sie als einen Freund bezeichnet, auf den man sich immer verlassen könne, und davon habe er nur wenige.

Netzer: Das ist schön, wenn der Franz das sagt. Er war der beste deutsche Spieler aller Zeiten! Natürlich ist das auch von meiner Seite so. Ich bin ein Freund und Kümmerer, und wenn es jemandem schlecht geht, kümmere ich mich. Ich hoffe, ich konnte ihm ein wenig helfen.

DFB.de: In Mönchengladbach waren Sie "der King", wie Berti Vogts immer gern sagt. Sie haben polarisiert, auch durch den Spruch, dass die Zeit der elf Freunde vorbei sei. Da bekamen Sie Ärger mit Sepp Herberger. Wie war das noch mal?

Netzer: Ich war und bin der Meinung, dass sich auf dem Platz eine Gemeinschaft bilden muss, die ein Ziel hat: Erfolg zu haben. Freundschaft ist dazu nicht notwendig. Heute bezweifelt das keiner mehr. Im Mai 1971 kam Ex-Bundestrainer Sepp Herberger (mit damals 74 Jahren; Anm. d. Red.) deswegen sogar extra in meine Disco, um mit mir darüber zu reden - soweit das möglich war bei dem Krach. Als er eintrat, haben die weit jüngeren Leute geklatscht. Ich habe ihn sehr respektiert, aber wir blieben bei unseren total konträren Meinungen.

DFB.de: Kommen wir zu Ihrer Länderspielkarriere, die 1965 unter Herbergers Nachfolger Helmut Schön begann. Stimmen Sie zu, dass Sie viel zu wenig Länderspiele gemacht haben?

Netzer: Da haben Sie hundertprozentig Recht, meine Bilanz von 37 Einsätzen steht in einem absoluten Missverhältnis zu dem, was möglich gewesen wäre.

DFB.de: Und schuld war der Overath...?

Netzer: Natürlich nicht nur. Aber Wolfgang Overath, mein Konkurrent auf der Spielmacherposition, war der wesentlich bessere Nationalspieler. Seine Besessenheit habe ich nie gehabt. Hinzu kam, dass ich mein vertrautes Umfeld, das ich in Mönchengladbach hatte, vermisste. Ich brauchte meine Mitspieler von Borussia, sonst fühlte ich mich nicht wohl.

DFB.de: Sie hätten drei Weltmeisterschaften spielen können, es wurde nur eine - und an die denken Sie auch nicht so gerne. Fühlen Sie sich wirklich nicht als Weltmeister, obwohl Sie 1974 dabei waren?

Netzer: Ja, das ist so. Ich habe nur 20 Minuten gegen die DDR gespielt - und das war alles vollkommen richtig so. Ich habe es Helmut Schön nie vorgeworfen. Das war in Ordnung für mich, auch wenn ich bei einer WM im eigenen Land sicherlich gern gespielt hätte.

DFB.de: Wer eingesetzt wurde, ist offiziell Weltmeister. Die Prämie haben Sie auch bekommen...

Netzer: Ich sage ihnen dies: Mein einziger Verdienst am WM-Sieg war, dass ich keinen Krach geschlagen habe. Sowohl deutsche als auch spanische Journalisten - ich spielte ja schon für Real Madrid - kamen in Malente auf mich zu und wollten mich zu Aussagen provozieren, dass ich mir das nicht gefallen lassen dürfe. Aber ich habe ihnen den Gefallen nicht getan und gesagt: "Verschwendet eure Zeit nicht damit, ich sage nichts."

DFB.de: Dann war da noch Ihre Rolle im Abschlusstraining vor dem Finale gegen Holland.

Netzer: Wir spielten damals A gegen B, und die B-Elf musste die Holländer imitieren. Ich war Johan Cruyff, es war ein ganz wunderbares Training für mich, Hennes Weisweiler hat auch zugesehen und fand meine Leistung unglaublich. Ausgerechnet mein Freund Berti Vogts hat gegen mich sehr schlecht ausgesehen. Ich bin danach zu ihm aufs Zimmer und habe ihm gesagt: "Mach dir keine Sorgen, Berti, so wie ich kann der Cruyff morgen niemals aufspielen."

DFB.de: Zum Glück spielten Sie nicht immer nur im Training groß auf. Kommen wir zum Jahr 1972, auf das Ihre Länderspielkarriere oft reduziert wird. Overath fehlte in Wembley und bei der EM in Belgien - und schon drehten Sie auf und mit Ihnen die Mannschaft. War es wirklich die beste deutsche Elf aller Zeiten?

Netzer: Ich wehre mich gegen solche Vergleiche über die Jahrzehnte hinweg stets. Was ich sagen kann: Uns ist damals etwas ganz Hervorragendes gelungen, es war das höchste Tempo in der damaligen Zeit. Und in Wembley waren wir der Perfektion nahe.

DFB.de: Der mythische Sieg von Wembley am 29. April 1972 im Viertelfinale gilt als Ihr bestes Spiel. War es das wirklich, oder gibt es noch eins, das immer zu kurz kam, von dem Sie uns erzählen wollen?

Netzer: Nein, nein. Ich fühle mich da in der Bewertung nicht vernachlässigt. Wembley war für mich ein wunderschönes persönliches Erlebnis, und der Satz des FAZ-Feuilletonisten Karl-Heinz Bohrer vom "aus der Tiefe des Raumes vorstoßenden Netzer" begleitet mich bis heute noch. Das gefällt mir. Er hat das richtig geschildert: Es ging ja eigentlich um einen langen Lauf von mir, wo ich dann zu Gerd Müller abgespielt habe. Er war leider an dem Tag nicht gut drauf und hat die Chance vertändelt, da bin ich immer noch etwas sauer. Das weiß ich noch, obwohl ich das Spiel nie in voller Länge gesehen habe.

DFB.de: Es war ein untypisches Spiel für Sie, als Laufwunder galten Sie ja eher nicht.

Netzer: Da wurde viel erzählt. Ich bin auch nicht wenig gelaufen, und nach Meinung von Jupp Heynckes war ich sogar der zweitschnellste Spieler bei der Borussia. Aber ich hatte eben meinen Hacki Wimmer (Herbert Wimmer; Anm. d. Red.), der noch mehr lief als alle anderen und für mich lebenswichtig war. Es verletzt mich immer, wenn ich lesen muss, er sei mein Wasserträger gewesen. Er war ein richtig guter Techniker, der Haken schlagen konnte wie kein Zweiter, und torgefährlich war er noch dazu.

DFB.de: Der Höhepunkt Ihrer Karriere im DFB-Dress ist ebenso leicht zu bestimmen wie der Tiefpunkt. Wollen wir noch kurz über Tirana (Deutschland scheiterte im Dezember 1967 nach einem 0:0 gegen Albanien zum einzigen Mal in der EM-Qualifikation; Anm. d. Red.) reden?

Netzer: Können wir, ich war bei allen Katastrophen dabei - und das war eine. Es war völlig unvorhersehbar, das Hinspiel hatten wir 6:0 gewonnen. Aber die Umstände in Tirana waren katastrophal. Wir bekamen kaum was zu essen, der Platz war fürchterlich und die Albaner haben um ihr Leben gekämpft.

DFB.de: Wenn Sie alle Ihre Stationen Revue passieren lassen - Borussia, Real Madrid, Grashopper Zürch, die erfolgreiche Managerzeit beim HSV und auf Schalke - wo waren Sie am glücklichsten?

Netzer: Das war sicher die Gladbacher Zeit. Wenn eine Sache aus dem Nichts entsteht, man beginnt Erfolg zu haben und berühmt zu werden - und man darf dabei sein, das war toll. Menschlich habe ich mich jedoch am meisten in Madrid entwickelt. Da kamen ganz andere, große Herausforderungen auf mich zu. Ich, der Junge aus der Provinz plötzlich in der Weltstadt, konnte kein Spanisch und sollte große Erwartungen erfüllen. Das ist mir gelungen. Ich habe mich dort immer als Gast gefühlt und auch so benommen, ich habe mich hinten angestellt. Das hatten die Menschen dort vielleicht nicht erwartet und mir hoch angerechnet.

DFB.de: Das Schicksal ist schon ein Filou, Herr Netzer. Ausgerechnet an Ihrem 75. Geburtstag spielt Borussia gegen Köln. Da kommen sicher nicht nur Ihnen Erinnerung an das berühmte Pokalfinale 1973, als sie sich selbst einwechselten und das Siegtor schossen. Dazu ist schon alles gesagt worden. Daher nur noch die Frage: Können Sie das Spiel überhaupt sehen?

Netzer: Nein, kann ich nicht. Aber ich werde mich erkundigen, wie es ausgegangen ist. Was denken Sie denn?

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Eigentlich wollte er nicht viele Interviews geben vor seinem 75. Geburtstag, den er heute feiert, aber dann war Günter Netzer doch wieder auf allen Kanälen zu sehen und zu hören. Der einstige Weltstar auf dem Fußballplatz war eben immer auch Medienprofi und außerdem hat der seit vielen Jahren in Zürich lebende Ehemann und Vater einer Tochter nichts zu verbergen, wie er auch im DFB.de-Interview mit Mitarbeiter Udo Muras beweist.

DFB.de: Ihr erster Profiverein Borussia Mönchengladbach hat Ihnen im "Fohlenmuseum" eine Ausstellung gewidmet. Zur Eröffnung wurden Sie eingeladen in ihre Heimatstadt. Wie hat Sie ihnen gefallen, Herr Netzer?

Günter Netzer: Ich muss ehrlich sagen, dass es nicht einfach ist, mich zu begeistern. Aber was die da gemacht haben, das hat mich begeistert - und sehr berührt. Sie haben eine wunderbare Ausstellung zustande gebracht, die mich wieder ein Stück näher an die Borussia gebracht hat. Ich habe mich gewundert, was die da alles aufgetrieben haben. (Unter anderem ein Bild, das 1971 im Eingangsbereich seiner Discothek hing, dem Lovers Lane, auch ein Paar Originalschuhe aus den Siebzigern und viele Fotos, die Netzer zur Pop-Ikone jener Tage machten; Anm. d. Red.)) Ich war auch wahnsinnig erfreut, dass zur Eröffnung sogar damalige Ersatzspieler erschienen, einige hatte ich 45 Jahre nicht gesehen.

DFB.de: Wie viele Freunde sind Ihnen aus der aktiven Zeit geblieben?

Netzer: Ich will da keine Namen nennen, sonst vergesse ich noch einen.

DFB.de: Dann nennen wir welche: Berti Vogts hat sich immer für Sie eingesetzt und zwischen Ihnen und Hennes Weisweiler vermittelt, wenn der mal wieder nicht mit Ihnen sprechen wollte.

Netzer: Berti war für mich ein Bruder. Er hat damals gesagt: "Für den Netzer werde ich immer rennen." Das war bewegend für mich, zumal er mir auch neben dem Platz zur Seite stand.

DFB.de: Franz Beckenbauer hat Sie als einen Freund bezeichnet, auf den man sich immer verlassen könne, und davon habe er nur wenige.

Netzer: Das ist schön, wenn der Franz das sagt. Er war der beste deutsche Spieler aller Zeiten! Natürlich ist das auch von meiner Seite so. Ich bin ein Freund und Kümmerer, und wenn es jemandem schlecht geht, kümmere ich mich. Ich hoffe, ich konnte ihm ein wenig helfen.

DFB.de: In Mönchengladbach waren Sie "der King", wie Berti Vogts immer gern sagt. Sie haben polarisiert, auch durch den Spruch, dass die Zeit der elf Freunde vorbei sei. Da bekamen Sie Ärger mit Sepp Herberger. Wie war das noch mal?

Netzer: Ich war und bin der Meinung, dass sich auf dem Platz eine Gemeinschaft bilden muss, die ein Ziel hat: Erfolg zu haben. Freundschaft ist dazu nicht notwendig. Heute bezweifelt das keiner mehr. Im Mai 1971 kam Ex-Bundestrainer Sepp Herberger (mit damals 74 Jahren; Anm. d. Red.) deswegen sogar extra in meine Disco, um mit mir darüber zu reden - soweit das möglich war bei dem Krach. Als er eintrat, haben die weit jüngeren Leute geklatscht. Ich habe ihn sehr respektiert, aber wir blieben bei unseren total konträren Meinungen.

DFB.de: Kommen wir zu Ihrer Länderspielkarriere, die 1965 unter Herbergers Nachfolger Helmut Schön begann. Stimmen Sie zu, dass Sie viel zu wenig Länderspiele gemacht haben?

Netzer: Da haben Sie hundertprozentig Recht, meine Bilanz von 37 Einsätzen steht in einem absoluten Missverhältnis zu dem, was möglich gewesen wäre.

DFB.de: Und schuld war der Overath...?

Netzer: Natürlich nicht nur. Aber Wolfgang Overath, mein Konkurrent auf der Spielmacherposition, war der wesentlich bessere Nationalspieler. Seine Besessenheit habe ich nie gehabt. Hinzu kam, dass ich mein vertrautes Umfeld, das ich in Mönchengladbach hatte, vermisste. Ich brauchte meine Mitspieler von Borussia, sonst fühlte ich mich nicht wohl.

DFB.de: Sie hätten drei Weltmeisterschaften spielen können, es wurde nur eine - und an die denken Sie auch nicht so gerne. Fühlen Sie sich wirklich nicht als Weltmeister, obwohl Sie 1974 dabei waren?

Netzer: Ja, das ist so. Ich habe nur 20 Minuten gegen die DDR gespielt - und das war alles vollkommen richtig so. Ich habe es Helmut Schön nie vorgeworfen. Das war in Ordnung für mich, auch wenn ich bei einer WM im eigenen Land sicherlich gern gespielt hätte.

DFB.de: Wer eingesetzt wurde, ist offiziell Weltmeister. Die Prämie haben Sie auch bekommen...

Netzer: Ich sage ihnen dies: Mein einziger Verdienst am WM-Sieg war, dass ich keinen Krach geschlagen habe. Sowohl deutsche als auch spanische Journalisten - ich spielte ja schon für Real Madrid - kamen in Malente auf mich zu und wollten mich zu Aussagen provozieren, dass ich mir das nicht gefallen lassen dürfe. Aber ich habe ihnen den Gefallen nicht getan und gesagt: "Verschwendet eure Zeit nicht damit, ich sage nichts."

DFB.de: Dann war da noch Ihre Rolle im Abschlusstraining vor dem Finale gegen Holland.

Netzer: Wir spielten damals A gegen B, und die B-Elf musste die Holländer imitieren. Ich war Johan Cruyff, es war ein ganz wunderbares Training für mich, Hennes Weisweiler hat auch zugesehen und fand meine Leistung unglaublich. Ausgerechnet mein Freund Berti Vogts hat gegen mich sehr schlecht ausgesehen. Ich bin danach zu ihm aufs Zimmer und habe ihm gesagt: "Mach dir keine Sorgen, Berti, so wie ich kann der Cruyff morgen niemals aufspielen."

DFB.de: Zum Glück spielten Sie nicht immer nur im Training groß auf. Kommen wir zum Jahr 1972, auf das Ihre Länderspielkarriere oft reduziert wird. Overath fehlte in Wembley und bei der EM in Belgien - und schon drehten Sie auf und mit Ihnen die Mannschaft. War es wirklich die beste deutsche Elf aller Zeiten?

Netzer: Ich wehre mich gegen solche Vergleiche über die Jahrzehnte hinweg stets. Was ich sagen kann: Uns ist damals etwas ganz Hervorragendes gelungen, es war das höchste Tempo in der damaligen Zeit. Und in Wembley waren wir der Perfektion nahe.

DFB.de: Der mythische Sieg von Wembley am 29. April 1972 im Viertelfinale gilt als Ihr bestes Spiel. War es das wirklich, oder gibt es noch eins, das immer zu kurz kam, von dem Sie uns erzählen wollen?

Netzer: Nein, nein. Ich fühle mich da in der Bewertung nicht vernachlässigt. Wembley war für mich ein wunderschönes persönliches Erlebnis, und der Satz des FAZ-Feuilletonisten Karl-Heinz Bohrer vom "aus der Tiefe des Raumes vorstoßenden Netzer" begleitet mich bis heute noch. Das gefällt mir. Er hat das richtig geschildert: Es ging ja eigentlich um einen langen Lauf von mir, wo ich dann zu Gerd Müller abgespielt habe. Er war leider an dem Tag nicht gut drauf und hat die Chance vertändelt, da bin ich immer noch etwas sauer. Das weiß ich noch, obwohl ich das Spiel nie in voller Länge gesehen habe.

DFB.de: Es war ein untypisches Spiel für Sie, als Laufwunder galten Sie ja eher nicht.

Netzer: Da wurde viel erzählt. Ich bin auch nicht wenig gelaufen, und nach Meinung von Jupp Heynckes war ich sogar der zweitschnellste Spieler bei der Borussia. Aber ich hatte eben meinen Hacki Wimmer (Herbert Wimmer; Anm. d. Red.), der noch mehr lief als alle anderen und für mich lebenswichtig war. Es verletzt mich immer, wenn ich lesen muss, er sei mein Wasserträger gewesen. Er war ein richtig guter Techniker, der Haken schlagen konnte wie kein Zweiter, und torgefährlich war er noch dazu.

DFB.de: Der Höhepunkt Ihrer Karriere im DFB-Dress ist ebenso leicht zu bestimmen wie der Tiefpunkt. Wollen wir noch kurz über Tirana (Deutschland scheiterte im Dezember 1967 nach einem 0:0 gegen Albanien zum einzigen Mal in der EM-Qualifikation; Anm. d. Red.) reden?

Netzer: Können wir, ich war bei allen Katastrophen dabei - und das war eine. Es war völlig unvorhersehbar, das Hinspiel hatten wir 6:0 gewonnen. Aber die Umstände in Tirana waren katastrophal. Wir bekamen kaum was zu essen, der Platz war fürchterlich und die Albaner haben um ihr Leben gekämpft.

DFB.de: Wenn Sie alle Ihre Stationen Revue passieren lassen - Borussia, Real Madrid, Grashopper Zürch, die erfolgreiche Managerzeit beim HSV und auf Schalke - wo waren Sie am glücklichsten?

Netzer: Das war sicher die Gladbacher Zeit. Wenn eine Sache aus dem Nichts entsteht, man beginnt Erfolg zu haben und berühmt zu werden - und man darf dabei sein, das war toll. Menschlich habe ich mich jedoch am meisten in Madrid entwickelt. Da kamen ganz andere, große Herausforderungen auf mich zu. Ich, der Junge aus der Provinz plötzlich in der Weltstadt, konnte kein Spanisch und sollte große Erwartungen erfüllen. Das ist mir gelungen. Ich habe mich dort immer als Gast gefühlt und auch so benommen, ich habe mich hinten angestellt. Das hatten die Menschen dort vielleicht nicht erwartet und mir hoch angerechnet.

DFB.de: Das Schicksal ist schon ein Filou, Herr Netzer. Ausgerechnet an Ihrem 75. Geburtstag spielt Borussia gegen Köln. Da kommen sicher nicht nur Ihnen Erinnerung an das berühmte Pokalfinale 1973, als sie sich selbst einwechselten und das Siegtor schossen. Dazu ist schon alles gesagt worden. Daher nur noch die Frage: Können Sie das Spiel überhaupt sehen?

Netzer: Nein, kann ich nicht. Aber ich werde mich erkundigen, wie es ausgegangen ist. Was denken Sie denn?

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