Neidhart: "Unsere Fans dürfen träumen"

28 Pflichtspiele hat Rot-Weiss Essen aus der Regionalliga West bislang unter der Regie von Trainer Christian Neidhart bestritten. Die eindrucksvolle Bilanz des Traditionsvereins: 22 Siege und sechs Remis, Einzug ins Viertelfinale des DFB-Pokals inklusive. Im DFB.de-Interview spricht der 52 Jahre alte Neidhart mit Mitarbeiter Ralf Debat über die Erfolgsserie und den nächsten Pokalgegner Holstein Kiel.

DFB.de: Unmittelbar nach der Auslosung des Viertelfinales im DFB-Pokal waren Sie "nicht unglücklich" über den Gegner Holstein Kiel. Warum nicht, Herr Neidhart?

Christian Neidhart: Weil wir uns intern durchaus einen Zweitligisten als Gegner gewünscht hatten. Wir bleiben zwar demütig und wissen, dass wir auch gegen Kiel krasser Außenseiter sind. Dennoch waren einige mögliche Gegner im Topf, die noch über eine deutlich höhere Qualität verfügen. Von daher ist das Los sicherlich geeignet, erneut ein gewisses Pokalfieber aufzubauen. Für mich persönlich kommt noch hinzu, dass mit Marco Komenda und Benjamin Girth zwei Spieler in Kiel unter Vertrag stehen, die ich aus gemeinsamen Zeiten beim SV Meppen kenne. Ich freue mich auf das Wiedersehen.

DFB.de: In den ersten drei Runden hatte RWE mit Arminia Bielefeld, Fortuna Düsseldorf und zuletzt Bayer 04 Leverkusen drei Profiklubs aus NRW ausgeschaltet. Wäre in dieser Reihe nicht ein Duell mit dem BVB oder Borussia Mönchengladbach besonders reizvoll gewesen?

Neidhart: Reizvoll sicherlich, aber auch sehr, sehr schwer. Bei allem Respekt: Gegen Holstein Kiel sind unsere Chancen sicherlich ein wenig größer.

DFB.de: Im Achtelfinale gegen Leverkusen war besonders bemerkenswert, dass Ihre Mannschaft gegen einen vermeintlich übermächtigen Gegner in der Verlängerung selbst nach einem 0:1-Rückstand noch einmal zurückgekommen ist und das Spiel gedreht hat. Haben Sie im Nachhinein eine Erklärung dafür?

Neidhart: Uns war schon vor dem Spiel klar, dass wir nur dann als Sieger vom Platz gehen können, wenn Bayer 04 das zulässt. Zugegeben: Wenn es normal läuft, hätten wir das Spiel auch 0:4 oder 0:5 verlieren können. Die Leverkusener haben aber so viele Chancen nicht genutzt, dass sich so etwas im Fußball immer rächen kann. In einer Verlängerung werden dann auch bei Bundesligaprofis die Beine schwer. Vielleicht waren sie sich nach dem 1:0 auch zu sicher. Danach haben wir plötzlich unsere Möglichkeiten bekommen - und genutzt.

DFB.de: Leverkusen ist ein Champions-League-Aspirant, Kiel "nur" ein Zweitligist. Der RWE-Vorsitzende Marcus Uhlig warnte deshalb bereits vor einer zu großen Erwartungshaltung. Haben Sie die Befürchtung, RWE könnte jetzt trotz des Unterschieds von zwei Spielklassen als gefühlter Favorit wahrgenommen werden?

Neidhart: Bei uns im Verein, im Trainerteam und auch innerhalb der Mannschaft denkt so niemand. Alle wissen, welches Kaliber da auf uns wartet. Holstein gehört nicht von ungefähr zu den Aufstiegskandidaten in die Bundesliga. Dass unsere Fans das vielleicht ein wenig euphorischer sehen, ist kein Problem. Sie dürfen träumen.

DFB.de: Holstein Kiel schaltete mit einer leidenschaftlichen Leistung den Titelverteidiger und haushohen Favoriten FC Bayern München im Elfmeterschießen aus. Wie haben Sie die Sensation erlebt?

Neidhart: Ich habe das Spiel im TV gesehen und fand, dass Kiel absolut verdient gewonnen hat. Das war schon eindrucksvoll. Den Rekordmeister und -pokalsieger ausgeschaltet zu haben, sorgt aber sicher auch dafür, dass die Erwartungshaltung in Kiel ebenfalls deutlich gestiegen ist. Wer Bayern besiegt, will nicht gegen Rot-Weiss Essen ausscheiden.

DFB.de: Nach der Auslosung steht auf jeden Fall fest, dass erneut mindestens ein Nicht-Erstligist das Halbfinale im DFB-Pokal erreichen wird. Was sagt das über die Faszination des Wettbewerbs aus?

Neidhart: Das zeigt, wie reizvoll der Pokal ist und bleibt. Diese Duelle Klein gegen Groß zeigen immer wieder, dass auch vermeintliche Außenseiter in einem einzigen Spiel in der Lage sind, qualitativ stärkere Teams in Verlegenheit zu bringen oder sogar zu besiegen. Das macht den Pokalwettbewerb aus.

DFB.de: Vor einem Jahr erreichte der 1. FC Saarbrücken als erster Viertligist überhaupt das Halbfinale. Ist das auch ein Indiz dafür, wie nah zumindest die Spitzenmannschaften der Regionalliga am Profifußball dran sind?

Neidhart: Genau wie Saarbrücken im vergangenen Jahr sind auch wir schon jetzt Profis, auch wenn wir offiziell diesen Status nicht haben. Der Verein sorgt mit seinen Möglichkeiten dafür, dass wir uns voll auf den Fußball konzentrieren können. Von daher ist der Unterschied zu den höherklassigen Mannschaften gar nicht so groß, abgesehen von der Qualität der einzelnen Spieler. Aber wie gesagt: In einem einzigen Spiel ist immer sehr viel möglich.

DFB.de: Dann mal anders gefragt: Könnte Ihr Team bereits in der 3. Liga mithalten?

Neidhart: Ich denke schon, dass wir mit unserem aktuellen Kader in der 3. Liga eine ordentliche Rolle spielen und definitiv nicht zu den Abstiegskandidaten gehören würden. Gerade in dieser Drittligasaison zeigen ja die Aufsteiger wieder, über welche Qualität sie verfügen. Das gilt für den 1. FC Saarbrücken, aber auch den SC Verl oder Türkgücü München. Die größte Schwierigkeit ist es, die Regionalliga nach oben zu verlassen.

DFB.de: Wie groß ist Ihre Lust, den Halbfinalrekord des 1. FC Saarbrücken mit einem Sieg gegen Holstein Kiel einzustellen?

Neidhart: Wir haben alle große Lust darauf, denn der FCS ist für uns ein kleines Vorbild. Schließlich gelang neben den sensationellen Pokalerfolgen auch der Aufstieg in die 3. Liga. Und ich glaube fest an unsere Chance, dass wir auch beides erreichen können.

DFB.de: Als Rot-Weiss Essen zuletzt das Viertelfinale erreicht hatte, ging es in der Saison 1993/1994 - damals als Zweitligist - sogar bis ins Endspiel nach Berlin. Die Spieler genießen nach wie vor Heldenstatus bei den Fans. Ist Ihnen bewusst, dass RWE erneut etwas Einmaliges schaffen könnte, diesmal sogar als Team aus der 4. Liga?

Neidhart: Absolut! Die Jungs wissen, dass sie Geschichte schreiben und sich mit zwei weiteren Siegen unsterblich machen könnten.

DFB.de: RWE ist im DFB-Pokal noch immer im Wettbewerb, in der Liga nach wie vor ungeschlagen. Hätten Sie sich das bei Ihrem Amtsantritt im vergangenen Sommer vorstellen können?

Neidhart: Nein, überhaupt nicht. Ich wusste allerdings schon, dass ich ein eingespieltes Team mit einer sehr guten Qualität übernehme. Den Kader hatte unser Sportdirektor Jörn Nowak ja schon vor meiner Verpflichtung fast komplett zusammengestellt und im letzten Sommer mit Spielern wie Angreifer Simon Engelmann und Torhüter Daniel Davari noch einmal verstärkt. Nach meinem Amtsantritt gab es nur noch einige kleinere Korrekturen. Von daher waren wir schon gut aufgestellt und hatten auch das klare Ziel formuliert, den Aufstieg in die 3. Liga anzustreben. Dass es aber so gut laufen würde, dafür gibt es nie eine Garantie.

DFB.de: Für RWE haben Sie mit dem SV Meppen immerhin einen Verein verlassen, den Sie in die 3. Liga geführt und dort etabliert hatten. Haben sich alle Erwartungen erfüllt?

Neidhart: Auf jeden Fall. Mir war schließlich klar, worauf ich mich einlasse und wie unruhig es werden kann, wenn es mal nicht läuft. Einen kleinen Vorgeschmack davon gab es dann ja auch, als wir nach den ersten zwei Ligaspielen nur zwei Punkte auf dem Konto hatten. Der Verein hat aber alles von uns ferngehalten und die Mannschaft hat sich das Vertrauen der Fans nach und nach erarbeitet. Inzwischen haben wir die komplette Rückendeckung und sind auf einem sehr guten Weg. Auf uns warten allerdings noch sehr schwierige Aufgaben.

DFB.de: Sie haben es schon angedeutet: Das erklärte Ziel des Vereins ist der Aufstieg in die 3. Liga. Wäre die Meisterschaft für RWE sogar wichtiger als ein möglicher Pokalsieg?

Neidhart: Ja, definitiv. Im DFB-Pokal können wir viel Geld verdienen und Sympathien gewinnen. Für die Zukunft des Vereins besitzt der Aufstieg aber eine noch größere Bedeutung. Es ist so schwer und so wichtig, die Regionalliga nach oben zu verlassen, dass ich diesen Erfolg über alles setze.

DFB.de: Trotz einer bislang herausragenden Bilanz ist RWE in der Regionalliga West aktuell "nur" Tabellenzweiter hinter der U 23 von Borussia Dortmund, die allerdings eine Partie mehr bestritten hat. Stellen Sie sich auf ein Titelrennen bis zum letzten Spieltag ein?

Neidhart: Dafür muss man kein Prophet sein. Beide Mannschaften sind so stabil, dass ich mir aktuell nicht vorstellen kann, dass es eine längere Negativserie geben könnte. Ich habe zwar auch für die Liga keine Glaskugel (lacht), aber zum jetzigen Zeitpunkt müssen wir davon ausgesehen, dass unsere ursprünglich mal angepeilten 82 bis 84 Punkte in dieser Saison nicht zum Titel reichen könnten. Sehr wahrscheinlich müssen es sogar mehr als 90 Zähler sein. Aber auch das traue ich uns zu.

DFB.de: Die öffentliche Wahrnehmung ist im DFB-Pokal größer, wie gerade wieder die Reaktionen auf das Leverkusen-Spiel gezeigt haben. Wie schaffen Sie es, die Konzentration wieder auf die Liga zu lenken?

Neidhart: Das ist gar nicht so schwer, auch wenn natürlich jeder bei uns mitbekommen hat, welche Euphorie unsere Pokalerfolge auslösen. Für jeden meiner Spieler lege ich die Hand ins Feuer: Jeder gibt alles dafür, dass wir am Ende der Saison auf Platz eins stehen. Das gesamte Team ist so extrem fokussiert, dass ich die Jungs manchmal sogar bremsen muss.

DFB.de: Zum Abschluss aber noch einmal zurück zum Viertelfinale im DFB-Pokal: Bisher kam RWE zweimal nach 90 Minuten weiter, gegen Leverkusen dann in der Verlängerung. Holstein Kiel setzte sich zuletzt zweimal erst im Elfmeterschießen durch. Werden Sie vor dem Viertelfinale Elfmeter trainieren lassen?

Neidhart: Das habe ich vor den ersten drei Pokalspielen nicht gemacht und darauf werde ich auch diesmal verzichten. Auch wenn bei der derzeitigen Situation der zusätzliche Druck durch die Zuschauer fehlt: Das Elfmeterschießen lässt sich im Training nicht simulieren. Ich bin der Meinung, dass es im Fall der Fälle entscheidend ist, genug Spieler zu haben, die unbedingt schießen und Verantwortung übernehmen wollen. Sollte es gegen Kiel wirklich dazu kommen, dann bin ich sicher, dass sich bei uns genügend Kandidaten melden.

[mspw]

28 Pflichtspiele hat Rot-Weiss Essen aus der Regionalliga West bislang unter der Regie von Trainer Christian Neidhart bestritten. Die eindrucksvolle Bilanz des Traditionsvereins: 22 Siege und sechs Remis, Einzug ins Viertelfinale des DFB-Pokals inklusive. Im DFB.de-Interview spricht der 52 Jahre alte Neidhart mit Mitarbeiter Ralf Debat über die Erfolgsserie und den nächsten Pokalgegner Holstein Kiel.

DFB.de: Unmittelbar nach der Auslosung des Viertelfinales im DFB-Pokal waren Sie "nicht unglücklich" über den Gegner Holstein Kiel. Warum nicht, Herr Neidhart?

Christian Neidhart: Weil wir uns intern durchaus einen Zweitligisten als Gegner gewünscht hatten. Wir bleiben zwar demütig und wissen, dass wir auch gegen Kiel krasser Außenseiter sind. Dennoch waren einige mögliche Gegner im Topf, die noch über eine deutlich höhere Qualität verfügen. Von daher ist das Los sicherlich geeignet, erneut ein gewisses Pokalfieber aufzubauen. Für mich persönlich kommt noch hinzu, dass mit Marco Komenda und Benjamin Girth zwei Spieler in Kiel unter Vertrag stehen, die ich aus gemeinsamen Zeiten beim SV Meppen kenne. Ich freue mich auf das Wiedersehen.

DFB.de: In den ersten drei Runden hatte RWE mit Arminia Bielefeld, Fortuna Düsseldorf und zuletzt Bayer 04 Leverkusen drei Profiklubs aus NRW ausgeschaltet. Wäre in dieser Reihe nicht ein Duell mit dem BVB oder Borussia Mönchengladbach besonders reizvoll gewesen?

Neidhart: Reizvoll sicherlich, aber auch sehr, sehr schwer. Bei allem Respekt: Gegen Holstein Kiel sind unsere Chancen sicherlich ein wenig größer.

DFB.de: Im Achtelfinale gegen Leverkusen war besonders bemerkenswert, dass Ihre Mannschaft gegen einen vermeintlich übermächtigen Gegner in der Verlängerung selbst nach einem 0:1-Rückstand noch einmal zurückgekommen ist und das Spiel gedreht hat. Haben Sie im Nachhinein eine Erklärung dafür?

Neidhart: Uns war schon vor dem Spiel klar, dass wir nur dann als Sieger vom Platz gehen können, wenn Bayer 04 das zulässt. Zugegeben: Wenn es normal läuft, hätten wir das Spiel auch 0:4 oder 0:5 verlieren können. Die Leverkusener haben aber so viele Chancen nicht genutzt, dass sich so etwas im Fußball immer rächen kann. In einer Verlängerung werden dann auch bei Bundesligaprofis die Beine schwer. Vielleicht waren sie sich nach dem 1:0 auch zu sicher. Danach haben wir plötzlich unsere Möglichkeiten bekommen - und genutzt.

DFB.de: Leverkusen ist ein Champions-League-Aspirant, Kiel "nur" ein Zweitligist. Der RWE-Vorsitzende Marcus Uhlig warnte deshalb bereits vor einer zu großen Erwartungshaltung. Haben Sie die Befürchtung, RWE könnte jetzt trotz des Unterschieds von zwei Spielklassen als gefühlter Favorit wahrgenommen werden?

Neidhart: Bei uns im Verein, im Trainerteam und auch innerhalb der Mannschaft denkt so niemand. Alle wissen, welches Kaliber da auf uns wartet. Holstein gehört nicht von ungefähr zu den Aufstiegskandidaten in die Bundesliga. Dass unsere Fans das vielleicht ein wenig euphorischer sehen, ist kein Problem. Sie dürfen träumen.

DFB.de: Holstein Kiel schaltete mit einer leidenschaftlichen Leistung den Titelverteidiger und haushohen Favoriten FC Bayern München im Elfmeterschießen aus. Wie haben Sie die Sensation erlebt?

Neidhart: Ich habe das Spiel im TV gesehen und fand, dass Kiel absolut verdient gewonnen hat. Das war schon eindrucksvoll. Den Rekordmeister und -pokalsieger ausgeschaltet zu haben, sorgt aber sicher auch dafür, dass die Erwartungshaltung in Kiel ebenfalls deutlich gestiegen ist. Wer Bayern besiegt, will nicht gegen Rot-Weiss Essen ausscheiden.

DFB.de: Nach der Auslosung steht auf jeden Fall fest, dass erneut mindestens ein Nicht-Erstligist das Halbfinale im DFB-Pokal erreichen wird. Was sagt das über die Faszination des Wettbewerbs aus?

Neidhart: Das zeigt, wie reizvoll der Pokal ist und bleibt. Diese Duelle Klein gegen Groß zeigen immer wieder, dass auch vermeintliche Außenseiter in einem einzigen Spiel in der Lage sind, qualitativ stärkere Teams in Verlegenheit zu bringen oder sogar zu besiegen. Das macht den Pokalwettbewerb aus.

DFB.de: Vor einem Jahr erreichte der 1. FC Saarbrücken als erster Viertligist überhaupt das Halbfinale. Ist das auch ein Indiz dafür, wie nah zumindest die Spitzenmannschaften der Regionalliga am Profifußball dran sind?

Neidhart: Genau wie Saarbrücken im vergangenen Jahr sind auch wir schon jetzt Profis, auch wenn wir offiziell diesen Status nicht haben. Der Verein sorgt mit seinen Möglichkeiten dafür, dass wir uns voll auf den Fußball konzentrieren können. Von daher ist der Unterschied zu den höherklassigen Mannschaften gar nicht so groß, abgesehen von der Qualität der einzelnen Spieler. Aber wie gesagt: In einem einzigen Spiel ist immer sehr viel möglich.

DFB.de: Dann mal anders gefragt: Könnte Ihr Team bereits in der 3. Liga mithalten?

Neidhart: Ich denke schon, dass wir mit unserem aktuellen Kader in der 3. Liga eine ordentliche Rolle spielen und definitiv nicht zu den Abstiegskandidaten gehören würden. Gerade in dieser Drittligasaison zeigen ja die Aufsteiger wieder, über welche Qualität sie verfügen. Das gilt für den 1. FC Saarbrücken, aber auch den SC Verl oder Türkgücü München. Die größte Schwierigkeit ist es, die Regionalliga nach oben zu verlassen.

DFB.de: Wie groß ist Ihre Lust, den Halbfinalrekord des 1. FC Saarbrücken mit einem Sieg gegen Holstein Kiel einzustellen?

Neidhart: Wir haben alle große Lust darauf, denn der FCS ist für uns ein kleines Vorbild. Schließlich gelang neben den sensationellen Pokalerfolgen auch der Aufstieg in die 3. Liga. Und ich glaube fest an unsere Chance, dass wir auch beides erreichen können.

DFB.de: Als Rot-Weiss Essen zuletzt das Viertelfinale erreicht hatte, ging es in der Saison 1993/1994 - damals als Zweitligist - sogar bis ins Endspiel nach Berlin. Die Spieler genießen nach wie vor Heldenstatus bei den Fans. Ist Ihnen bewusst, dass RWE erneut etwas Einmaliges schaffen könnte, diesmal sogar als Team aus der 4. Liga?

Neidhart: Absolut! Die Jungs wissen, dass sie Geschichte schreiben und sich mit zwei weiteren Siegen unsterblich machen könnten.

DFB.de: RWE ist im DFB-Pokal noch immer im Wettbewerb, in der Liga nach wie vor ungeschlagen. Hätten Sie sich das bei Ihrem Amtsantritt im vergangenen Sommer vorstellen können?

Neidhart: Nein, überhaupt nicht. Ich wusste allerdings schon, dass ich ein eingespieltes Team mit einer sehr guten Qualität übernehme. Den Kader hatte unser Sportdirektor Jörn Nowak ja schon vor meiner Verpflichtung fast komplett zusammengestellt und im letzten Sommer mit Spielern wie Angreifer Simon Engelmann und Torhüter Daniel Davari noch einmal verstärkt. Nach meinem Amtsantritt gab es nur noch einige kleinere Korrekturen. Von daher waren wir schon gut aufgestellt und hatten auch das klare Ziel formuliert, den Aufstieg in die 3. Liga anzustreben. Dass es aber so gut laufen würde, dafür gibt es nie eine Garantie.

DFB.de: Für RWE haben Sie mit dem SV Meppen immerhin einen Verein verlassen, den Sie in die 3. Liga geführt und dort etabliert hatten. Haben sich alle Erwartungen erfüllt?

Neidhart: Auf jeden Fall. Mir war schließlich klar, worauf ich mich einlasse und wie unruhig es werden kann, wenn es mal nicht läuft. Einen kleinen Vorgeschmack davon gab es dann ja auch, als wir nach den ersten zwei Ligaspielen nur zwei Punkte auf dem Konto hatten. Der Verein hat aber alles von uns ferngehalten und die Mannschaft hat sich das Vertrauen der Fans nach und nach erarbeitet. Inzwischen haben wir die komplette Rückendeckung und sind auf einem sehr guten Weg. Auf uns warten allerdings noch sehr schwierige Aufgaben.

DFB.de: Sie haben es schon angedeutet: Das erklärte Ziel des Vereins ist der Aufstieg in die 3. Liga. Wäre die Meisterschaft für RWE sogar wichtiger als ein möglicher Pokalsieg?

Neidhart: Ja, definitiv. Im DFB-Pokal können wir viel Geld verdienen und Sympathien gewinnen. Für die Zukunft des Vereins besitzt der Aufstieg aber eine noch größere Bedeutung. Es ist so schwer und so wichtig, die Regionalliga nach oben zu verlassen, dass ich diesen Erfolg über alles setze.

DFB.de: Trotz einer bislang herausragenden Bilanz ist RWE in der Regionalliga West aktuell "nur" Tabellenzweiter hinter der U 23 von Borussia Dortmund, die allerdings eine Partie mehr bestritten hat. Stellen Sie sich auf ein Titelrennen bis zum letzten Spieltag ein?

Neidhart: Dafür muss man kein Prophet sein. Beide Mannschaften sind so stabil, dass ich mir aktuell nicht vorstellen kann, dass es eine längere Negativserie geben könnte. Ich habe zwar auch für die Liga keine Glaskugel (lacht), aber zum jetzigen Zeitpunkt müssen wir davon ausgesehen, dass unsere ursprünglich mal angepeilten 82 bis 84 Punkte in dieser Saison nicht zum Titel reichen könnten. Sehr wahrscheinlich müssen es sogar mehr als 90 Zähler sein. Aber auch das traue ich uns zu.

DFB.de: Die öffentliche Wahrnehmung ist im DFB-Pokal größer, wie gerade wieder die Reaktionen auf das Leverkusen-Spiel gezeigt haben. Wie schaffen Sie es, die Konzentration wieder auf die Liga zu lenken?

Neidhart: Das ist gar nicht so schwer, auch wenn natürlich jeder bei uns mitbekommen hat, welche Euphorie unsere Pokalerfolge auslösen. Für jeden meiner Spieler lege ich die Hand ins Feuer: Jeder gibt alles dafür, dass wir am Ende der Saison auf Platz eins stehen. Das gesamte Team ist so extrem fokussiert, dass ich die Jungs manchmal sogar bremsen muss.

DFB.de: Zum Abschluss aber noch einmal zurück zum Viertelfinale im DFB-Pokal: Bisher kam RWE zweimal nach 90 Minuten weiter, gegen Leverkusen dann in der Verlängerung. Holstein Kiel setzte sich zuletzt zweimal erst im Elfmeterschießen durch. Werden Sie vor dem Viertelfinale Elfmeter trainieren lassen?

Neidhart: Das habe ich vor den ersten drei Pokalspielen nicht gemacht und darauf werde ich auch diesmal verzichten. Auch wenn bei der derzeitigen Situation der zusätzliche Druck durch die Zuschauer fehlt: Das Elfmeterschießen lässt sich im Training nicht simulieren. Ich bin der Meinung, dass es im Fall der Fälle entscheidend ist, genug Spieler zu haben, die unbedingt schießen und Verantwortung übernehmen wollen. Sollte es gegen Kiel wirklich dazu kommen, dann bin ich sicher, dass sich bei uns genügend Kandidaten melden.

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