Nationalteam: Der Mythos der Breslau-Elf

Die Geschichte des deutschen Fußballs hat viele große Nationalmannschaften gesehen. Kein Wunder bei jeweils drei Welt- und Europameistertiteln. Die Helden von Bern, München oder Rom sind allgegenwärtig und werden spätestens vor großen Turnieren wieder ins Rampenlicht gezogen.

Auch tragische Verlierer – Stichwort Wembley-Finale oder Jahrhundertspiel von Mexiko – haben ihren Platz in den ewigen Ruhmeshallen des deutschen Fußballs. Doch um die erste deutsche Nationalelf die zum Mythos wurde, wird weniger Wirbel gemacht. Alles was vor dem Krieg war, scheint zum Vergessen verdammt zu sein.

Keine Titel gewonnen, dafür Herzen

Selbst der Kicker, der regelmäßig runde Daten der Fußball-Historie beleuchtet, hat sie diese Woche vergessen, nicht aber den Abschied von Mehmet Scholl vor fünf Jahren. Die damnatio memoriae, mit der antike Herrscher missliebige Personen per Order an ihre Geschichtsschreiber aus den Annalen tilgten, als habe es sie nie gegeben, droht allmählich auch der Breslau-Elf, die heute vor 75 Jahren ans Tageslicht trat.

Sie hat keine Titel gewonnen, nur Herzen. Reicht das etwa nicht? Wer auf in heute geläufiger Art im Internet nach ihr sucht und zunächst nur den Namen der schlesischen Stadt Breslau bei Google eingibt, erhält zehn Vorschläge, die mit Fußball wenig zu tun haben. "Breslauer Hütte", "Breslau Flughafen", "Breslau Wetter", "Breslau Stadtplan" und "Breslau rallye" werden offenkundig häufiger angefragt.

Herbergers Erinnerungen als Fundgrube

Das hat die beste Nationalmannschaft vor dem Krieg nicht verdient. Zumal die Tage, die sie berühmt machten, bestens dokumentiert sind. Dank der Akribie des 1977 verstorbenen Bundestrainers Sepp Herberger, dessen Nachlass im Frankfurter DFB-Archiv erhalten ist, ist die Zeitreise ins Jahr 1937 äußerst aufschlussreich. Was also geschah an Pfingsten vor 75 Jahren?

Seit vier Jahren sind die Nationalsozialisten an der Macht. Die Gleichschaltung eines ganzen Volkes läuft auf Hochtouren und kommende Untaten kündigen sich an. Am Pfingstsamstag, einen Tag vor dem Länderspiel gegen Dänemark, endet in München der zweite Jahrestag der Forschungsabteilung "Judenfrage". Die Wissenschaftler kommen zu dem gewünschten Ergebnis und haben "die unheilvolle Rolle des Judentums dargelegt", wie die Deutsche Allgemeine Zeitung festhält.

Sehnsucht nach positiven Schlagzeilen

Die Schlagzeilen beherrscht aber noch immer die Hindenburg-Katastrophe – der Absturz des deutschen Zeppelins bei der Landung vor New York, der am 6. Mai 35 Passagieren das Leben gekostet hat. Noch rätselt man nach den Ursachen; für die Nazi-Propaganda ist das Unglück des stolzen Luftschiffes mehr als eine humanitäre Katastrophe. Da kämen positive Schlagzeilen auf anderem Gebiet gerade recht. Im Sport etwa.

Von der deutschen Fußball-Nationalmannschaft erwartet man vor dem Testspiel gegen die Dänen in Breslau einen glatten Sieg, zumal es 1937 bis dahin bereits deren vier bei einem Remis gegeben hat. Die längste Siegesserie der DFB-Historie läuft also bereits, doch das ahnt noch niemand.

Geburtsstunde am 2. Mai 1937

Ein 1:0 gegen Luxemburg und ein 1:0 in Zürich gegen die Schweiz verleitet niemanden zu Größenwahn. An jenem 2. Mai 1937 wird auf dem traditionellen Bankett in Zürich die Breslau-Elf, wenn man so will, gezeugt. Wer ihr Vater ist, darüber streiten die Gelehrten. Die Führung der Nationalelf ist aus heutiger Sicht verwirrend bis chaotisch. Der alte Reichstrainer Dr. Otto Nerz ist nach dem Olympia-Debakel 1936 nicht mehr wohl gelitten und wird vorübergehend beurlaubt, Sepp Herberger hat ihn 1936 bereits zweimal vertreten.

Doch Dr. Nerz kämpft um seinen Posten, er bleibt in der Verantwortung. Über allem schwebt ohnehin der Präsident des DFB, damals umbenannt in "Fachamt Fußball im Reichsbund für Leibesübungen", Felix Linnemann. Er hat formal das letzte Wort bei der Aufstellung, Nerz bestimmt die Trainingsabläufe und Herberger, quasi als Übungsleiter, führt sie aus. Dennoch darf er sich Reichstrainer nennen.

"Ich frage mich, was ich eigentlich zu tun habe"

Herberger hat sich bereits am 12. Dezember 1936 bei Linnemann beschwert: "Ich frage mich, was ich als Reichstrainer eigentlich zu tun habe, wenn Dr. Nerz für die Schulung, Betreuung und Aufstellung der allein verantwortliche Mann ist. Ich werde mit einer solchen Lösung nie einverstanden sein." Wobei wie erwähnt sich auch Linnemann in die Aufstellung einmischen darf, was er bei der WM 1938 tun wird.

Im Mai 1937 muss Herberger sich die Aufstellung nur von Otto Nerz abnicken lassen. In seinem Nachlass schildert der Reichstrainer das so: "Als wir zum Bankett aufbrachen, hatte ich meine Mannschaft für unser nächstes Spiel. Sie wurde auch am gleichen Abend perfekt. Die Tischordnung war so getroffen; x (d.h. Nerz) am Tisch der Prominenz sitzend, doch auf Reichweite von mir platziert war. Von dort reichte er mir einen Zettel zu, auf dem sein Vorschlag für das nächste Treffen zu lesen war. Er hatte diese Aufstellung:

Jakob – Billmann, Münzenberg – Kupfer, Goldbrunner, Kitzinger – Lehner, Siffling (Hohmann/Lenz), Szepan, Urban.“

Dr. Nerz ist in der Mittelstürmer-Frage unentschlossen, schwankt zwischen Karl Hohmann aus Benrath und Dortmunds August Lenz. Herberger will keinen von beiden, "nominiert" den Mannheimer Otto Siffling und tauscht auch den rechten Verteidiger aus: für Nürnbergs Willi Billmann sieht er Düsseldorfs Paul Janes vor. Doch wird Nerz das akzeptieren?

Das Resultat einer Zettelwirtschaft

Herberger: '"Ich reichte meinen Zettel mit meinen Korrekturen wieder über den Tisch zurück, er überflog ihn, nickte mir zu und sagte – kopfnickend – "in Ordnung!" Die Breslau-Elf, über die wahre Hymnen gedichtet werden sollten, ist also das Resultat einer Zettelwirtschaft.

In dem von Eitelkeiten geprägten Verhältnis zwischen Nerz und Herberger, der erst ab 1938 nach dem gänzlichen Rückzug des Konkurrenten in die Wissenschaft (Professur an der Berliner Reichsakademie für Sport) alleinverant-wortlich, aber keineswegs souverän in seinen Handlungen war, ist die Frage nach dem Urheber nicht ohne Brisanz.

Herberger: "Die Breslau-Elf spielte nach meinem Konzept"

Es spielt also die Elf, die Herberger will, aber Nerz hat sie genehmigt. In seinen Notizen nennt Herberger Nerz leicht spöttisch deshalb den "Großvater" der Breslau-Elf. Seine Rolle beschreibt er so: "Die Breslau-Elf spielte nach meinem Konzept! (ich glaube, dass ich schon Einfluß auf das Geschehen auf dem Feld genommen hatte. Allein schon durch die formelle Besetzung d. Formation.)"

Er nennt dann ausdrücklich Kupfer, Gellesch, Siffling und Lehner, die wohl unter Nerz anders oder gar nicht gespielt hätten. Aber Herberger gab auch zu: "Keiner von uns konnte ahnen, dass wir eine der besten Mannschaften aus der Taufe gehoben hatten, die der deutsche Fußball jemals gehabt hat, wie besser kaum eine auf den europäischen Fußballfelder gefeiert wurde: Die Breslaumannschaft"

Wie Siffling zum Kanonier von Breslau wurde

Einer der Nominierten erfährt frühzeitig von seinem Glück. Otto Siffling. Herberger sucht den Reservisten von Zürich am Abend des 2. Mai im Hotelzimmer auf und bringt ihn dazu, sich selbst aufzustellen. Zunächst reizt er ihn mit der Ansicht von Nerz, er sei ja gar kein Kämpfer und schieße auch keine Tore. Doch Herberger selbst ist anderer Meinung: "Ottl, das war gar nichts heute. Ich suche einen Mittelstürmer, der spielen und Tore machen kann. Wissen Sie keinen?" Siffling weiß Rat und wird damit zum Kanonier von Breslau.

Das Fachamt Fußball plant das Länderspiel generalstabsmäßig. Am 10. Mai geht den 14 geladenen Spielern ein Schreiben des Stellvertretenden Geschäftsführers Hörbrand zu, das ihre Anreise detailliert regelt. Auszug: "Sie wollen sich so einrichten, dass Sie am Freitag, den 14.5., abends in Breslau eintreffen. Sammelpunkt: 'Hotel Vier Jahreszeiten'… Von Ihnen sind mitzubringen: Strümpfe, Turnschuhe, Trainingsanzug und 2 Paar in gutem Zustand befindliche Fußballstiefel..."

Von Mannheim nach Breslau in 14 Stunden

Für jeden Spieler sucht das Fachamt eine Zugverbindung heraus, Otto Siffling etwa muss in Mannheim um 7.53 Uhr ein- und dann noch zweimal umsteigen, um Breslau um 21.48 Uhr zu erreichen. Die Spieler aus dem Westen treffen planmäßig erst um 22.06 Uhr ein, einige tief in der Nacht. Das Fachamt weist darauf hin: "Für Anfahrten zum Bahnhof usw. sind die öffentlichen Verkehrsmittel zu benutzen; Unkosten für Autobenutzung werden nicht erstattet. Eventueller Lohnausfall wird nicht vergütet."

Es sind die hohen Zeiten des Amateurfußballs, die Spieler haben Beruf und Sport unter einen Hut zu bekommen. Ein Länderspiel bedeutet gewöhnlich Verdienstausfall, den die Tagesspesen kaum abdecken. Noch geht es nur um die Ehre. Hans Jakob, der Regensburger Torwart, reist trotzdem mit dem Auto an und findet sich erst am Pfingstsamstag ein. Er verpasst das Frühstück, ab halb zehn, und sogar das Abschlusstraining, was ihm gewiss eine Standpauke eingebracht haben wird.

Polit- und Sportprominenz erwartet die Dänen

Von 13 bis 15 Uhr verordnet Herberger laut Aufzeichnungen "Bettruhe", um halb vier fährt ein Omnibus die Breslau-Elf und die drei Reservisten Willy Jürissen, Hanne Berndt und Hans Appel ins Cafe Vaterland. Auf Einladung der Stadt Breslau. Anschließend werden die Nationalspieler Zeuge des Freundschaftsspiels zwischen Breslau 02 und Fortuna Düsseldorf (5:4). So ein Tag vor dem Spiel kann lang sein und will gefüllt werden.

Die Dänen sind dagegen den ganzen Tag unterwegs und treffen erst am Samstagabend gegen sieben in Breslau ein. Allerlei Polit- und Sportprominenz steht am Bahnhof zum Empfang parat. Nach der strapaziösen, am Freitag per Bahn in Kopenhagen begonnenen Anreise werden sie froh sein, dass ihr Hotel direkt gegenüber dem Hauptbahnhof ist.

Sonderzüge aus dem ganzen Reich

Das Nordhotel hat zur Feier des Tages die dänische Flagge gehisst und "nach der Stunde der ersten Erfrischung sind die dänischen Freunde in bester Stimmung anzutreffen. Sie lassen sich sogar zum Teil noch zum Besuch einer Operettenvorstellung im Varieté bewegen, wo die deutsche Elf mit ihnen vor der baldigen Nachtruhe einige vergnügte Stunden verbrachte2, schreibt das Fachblatt Fußball. Spielvorbereitung anno 1937 – man geht mit dem Gegner in die Oper.

Inspirierend scheint das nur für eine Mannschaft gewesen zu sein. Am Spieltag treffen permanent Sonderzüge aus dem ganzen Reich ein, während die Spieler beider Teams, ob sie nun wollen oder nicht, noch eine Stadtrundfahrt machen. Die Dänen schicken fünf Zeitungsreporter und den bekannten Sportkommentator des Dänischen Rundfunks, Gunnar Hansen. Mit einem dänischen Sieg dürften auch sie nicht rechnen und die Experten-Umfrage des Fachblatts Fußball erbringt Resultate zwischen 2:0 und 5:2 für Deutschland.

40.000 Zuschauer in der Schlesier-Kampfbahn

Nach dem Mittagessen um 12.30 Uhr schickt Herberger seine Schützlinge noch mal auf die Zimmer und trägt Sorge, dass dort eine Schale Obst auf sie wartet. Einschlafen empfiehlt sich aber nicht, denn um 16.00 Uhr soll der Anpfiff sein. 40.000 Zuschauer in der renovierten und an diesem Tage eingeweihten Schlesier-Kampfbahn des Hermann-Göring-Sportfeldes, fiebern ihm bei strahlender Sonne entgegen. Über dem Tor, durch das die Massen strömen, steht: "Deutsche Jugend werde einig treu stark und hart."

Nichts ist unpolitisch im Deutschland der NS-Zeit, auch der Sport nicht. Herberger aber hat nur Fußball im Kopf. Er notiert auf seine typische Art nachträglich unter der Überschrift "Meine Ziele", was er von der Partie erwartet:

"Mannschaft Meister in beiden Aufgaben!
Mittelstück als Bindeglied:
Angriffsspiel fliessend, kurz und weit, in allen Variationen…
festgefügter Abwehrblock!
Jeder immer dabei!"

Herberger notiert: "Läuferreihe: viele Fehler"

Er hat nicht explizit notiert, ob seine Ziele an diesem Tag erreicht wurden, aber die Frage erübrigt sich. Zwar findet sich eine handschriftliche Notiz – "Läuferreihe: viele Fehler" – doch ist das seinem Streben nach Perfektion geschuldet. Denn die Nationalmannschaft spielt an diesem Pfingstsonntag wie aus einem Guss. Im 140. Länderspiel feiert sie mit 8:0 ihren dritthöchsten Sieg seit Bestehen 1908, für die Dänen ist es die höchste Schlappe überhaupt.

Mann des Tages ist der Stürmer, der sich selbst aufgestellt hat: Mannheims Otto Siffling schießt nach Ernst Lehners frühem Führungstreffer (7.) fünf Treffer binnen 32 Minuten – eine Sensation, die es nie zuvor und auch nie mehr in einem DFB-Länderspiel gegeben hat. Zur Halbzeit steht es 4:0, nach 65 Minuten enden die Siffling-Festspiele beim Stand von 6:0. Nun wird die Elf, die an diesem Tag im ganzen Reich bekannt werden wird, etwas nachlässig. Prompt eilt Herberger an die Seitenlinie und fordert wieder Engagement ein.

"Der Ball lief, dass es eine wahre Freude war"

Die Schalker Alfred Urban (70.), der Linksaußen, und Kapitän Fritz Szepan (78.) schrauben das Resultat prompt in unerwartete Höhen. Die Schalker genießen in jenen Tagen eine hohe Popularität, ihr Kreisel ist nicht nur unter Fachleuten ein Begriff. Als nun Szepan sein Tor schießt, "da bricht große Freude im Stadion aus. Ein Tor des Regisseurs hat sich die Menge schon lange gewünscht", schreibt die "Fußball-Woche." Das Besondere an diesem Festival: Fast alle Tore entspringen Kombinationen, fallen aus dem Spiel heraus. "Unsere Mannschaft spielte wie aus einem Guss, der Ball lief, dass es eine wahre Freude war", jubelt der Kicker.

Zwölf Minuten sind noch Zeit und "es wäre der deutschen Mannschaft…ein leichtes gewesen, das Ergebnis zweistellig ohne Gegentreffer zu gestalten", findet das Fachblatt "Fußball", aber das will sie den Gästen dann doch nicht antun. Denen konzediert der "Fußball" "als einen Grund für ihres in diesem Maße von niemandem erwarteten Versagens ihre weite Anreise und die damit verbundenen Strapazen." Das "Extrabladet" setzt seinen Bericht unter eine sechsspaltige Zeile, die da lautet: "Wie Deutschland niedersäbelte". Deutschland schwelgt derweil.

Zehn Siegen aus elf Spielen

"Die Besucher werden das Spiel in der Schlesierkampfbahn als einer der glanzvollsten Tage des deutschen Fußballsports in Erinnerung behalten", prophezeit der "Fußball". So wie die Namen der Breslau-Elf allen Schulkindern jener Tage so mühelos über die Lippen kommen wie das Alphabet: Jakob – Janes, Münzenberg – Kupfer, Goldbrunner, Kitzinger – Lehner, Gellesch, Siffling, Urban, Szepan. Keiner von ihnen lebt mehr, allmählich wird es Zeit, sich um ihre Unsterblichkeit zu kümmern.

Wären sie Weltmeister geworden, wäre das wohl überflüssig. Diese Elf hatte gewiss das Zeug dazu. Sie gewann auch trotz gelegentlicher Änderungen – beispielsweise stieß Helmut Schön hinzu – die folgenden fünf Spiele des Jahres 1937, das rein statistisch mit zehn Siegen und einem Remis aus elf Spielen das Beste der DFB-Historie war. Doch als es 1938 bei der WM in Frankreich ernst wurde, schaffte die hohe Politik, was keine Gegner vermochte. Sie zu stoppen.

Anschluss Österreichs läutet das Ende der Breslau-Elf ein

Durch den Anschluss Österreichs im März an das Deutsche Reich wurde Herberger gezwungen, die Nationalelf im Verhältnis 6:5 (sechs Deutsche, fünf Österreicher) aufzustellen. Zwei Spielsysteme, zwei Mentalitäten, zwei Fraktionen – ein Chaos. Herberger kommentierte die Anweisung des Reichssportführers so: "Aus zwei guten mache eine bessere. Oh heilige Einfalt!"

Das war das Ende der Breslau-Elf, die allerdings im Mai 1938 ein letztes Mal ins Gefecht ziehen durfte. Im Olympia-Stadion unterlag sie Mutterland England mit zehn "Breslauern" 3:6. Dennoch wäre diese Elf bei der WM wohl kaum in der ersten Runde an der Schweiz gescheitert. Dass sie nicht einmal die Chance bekam, zu beenden was am Pfingstsamstag 1937 so verheißungsvoll begann, ist ihre besondere Tragik.

Die Breslau-Elf:
Tor: Hans Jakob (Jahn Regensburg)
Abwehr: Paul Janes (Fortuna Düsseldorf), Reinhold Münzenberg (Alemannia Aachen)
Läuferreihe: Andreas Kupfer (Schweinfurt 05), Ludwig Goldbrunner (Bayern München), Albin Kitzinger (Schweinfurt 05
Halbstürmer: Rudi Gellesch, Fritz Szepan (beide Schalke 04)
Sturm: Ernst Lehner (Schwaben Augsburg), Otto Siffling (Waldhof Mannheim), Alfred Urban (Schalke)

Das Dänemark-Spiel:
Torfolge: 1:0 Lehner (7.), 2:0, 3:0, 4:0, 5:0, 6:0 Siffling (33., 40., 44., 48., 65.), 7:0 Urban (70.), 8:0 Szepan (78.).

Das meinen DFB.de-User:

"Wer ein echter Fussball-Fan ist, kennt natürlich die 'Breslau-Elf'. Das Ergebnis war eines der höchsten, wenn man Helmut Schön gelesen hat, weiß man, dass es sehr gute Nationalspieler auch schon vor dem Krieg gab, und dass es für ihn selbst schwer war, in diese Mannschaft zu kommen." (Franz Moll, Eschwege)

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Die Geschichte des deutschen Fußballs hat viele große Nationalmannschaften gesehen. Kein Wunder bei jeweils drei Welt- und Europameistertiteln. Die Helden von Bern, München oder Rom sind allgegenwärtig und werden spätestens vor großen Turnieren wieder ins Rampenlicht gezogen.

Auch tragische Verlierer – Stichwort Wembley-Finale oder Jahrhundertspiel von Mexiko – haben ihren Platz in den ewigen Ruhmeshallen des deutschen Fußballs. Doch um die erste deutsche Nationalelf die zum Mythos wurde, wird weniger Wirbel gemacht. Alles was vor dem Krieg war, scheint zum Vergessen verdammt zu sein.

Keine Titel gewonnen, dafür Herzen

Selbst der Kicker, der regelmäßig runde Daten der Fußball-Historie beleuchtet, hat sie diese Woche vergessen, nicht aber den Abschied von Mehmet Scholl vor fünf Jahren. Die damnatio memoriae, mit der antike Herrscher missliebige Personen per Order an ihre Geschichtsschreiber aus den Annalen tilgten, als habe es sie nie gegeben, droht allmählich auch der Breslau-Elf, die heute vor 75 Jahren ans Tageslicht trat.

Sie hat keine Titel gewonnen, nur Herzen. Reicht das etwa nicht? Wer auf in heute geläufiger Art im Internet nach ihr sucht und zunächst nur den Namen der schlesischen Stadt Breslau bei Google eingibt, erhält zehn Vorschläge, die mit Fußball wenig zu tun haben. "Breslauer Hütte", "Breslau Flughafen", "Breslau Wetter", "Breslau Stadtplan" und "Breslau rallye" werden offenkundig häufiger angefragt.

Herbergers Erinnerungen als Fundgrube

Das hat die beste Nationalmannschaft vor dem Krieg nicht verdient. Zumal die Tage, die sie berühmt machten, bestens dokumentiert sind. Dank der Akribie des 1977 verstorbenen Bundestrainers Sepp Herberger, dessen Nachlass im Frankfurter DFB-Archiv erhalten ist, ist die Zeitreise ins Jahr 1937 äußerst aufschlussreich. Was also geschah an Pfingsten vor 75 Jahren?

Seit vier Jahren sind die Nationalsozialisten an der Macht. Die Gleichschaltung eines ganzen Volkes läuft auf Hochtouren und kommende Untaten kündigen sich an. Am Pfingstsamstag, einen Tag vor dem Länderspiel gegen Dänemark, endet in München der zweite Jahrestag der Forschungsabteilung "Judenfrage". Die Wissenschaftler kommen zu dem gewünschten Ergebnis und haben "die unheilvolle Rolle des Judentums dargelegt", wie die Deutsche Allgemeine Zeitung festhält.

Sehnsucht nach positiven Schlagzeilen

Die Schlagzeilen beherrscht aber noch immer die Hindenburg-Katastrophe – der Absturz des deutschen Zeppelins bei der Landung vor New York, der am 6. Mai 35 Passagieren das Leben gekostet hat. Noch rätselt man nach den Ursachen; für die Nazi-Propaganda ist das Unglück des stolzen Luftschiffes mehr als eine humanitäre Katastrophe. Da kämen positive Schlagzeilen auf anderem Gebiet gerade recht. Im Sport etwa.

Von der deutschen Fußball-Nationalmannschaft erwartet man vor dem Testspiel gegen die Dänen in Breslau einen glatten Sieg, zumal es 1937 bis dahin bereits deren vier bei einem Remis gegeben hat. Die längste Siegesserie der DFB-Historie läuft also bereits, doch das ahnt noch niemand.

Geburtsstunde am 2. Mai 1937

Ein 1:0 gegen Luxemburg und ein 1:0 in Zürich gegen die Schweiz verleitet niemanden zu Größenwahn. An jenem 2. Mai 1937 wird auf dem traditionellen Bankett in Zürich die Breslau-Elf, wenn man so will, gezeugt. Wer ihr Vater ist, darüber streiten die Gelehrten. Die Führung der Nationalelf ist aus heutiger Sicht verwirrend bis chaotisch. Der alte Reichstrainer Dr. Otto Nerz ist nach dem Olympia-Debakel 1936 nicht mehr wohl gelitten und wird vorübergehend beurlaubt, Sepp Herberger hat ihn 1936 bereits zweimal vertreten.

Doch Dr. Nerz kämpft um seinen Posten, er bleibt in der Verantwortung. Über allem schwebt ohnehin der Präsident des DFB, damals umbenannt in "Fachamt Fußball im Reichsbund für Leibesübungen", Felix Linnemann. Er hat formal das letzte Wort bei der Aufstellung, Nerz bestimmt die Trainingsabläufe und Herberger, quasi als Übungsleiter, führt sie aus. Dennoch darf er sich Reichstrainer nennen.

"Ich frage mich, was ich eigentlich zu tun habe"

Herberger hat sich bereits am 12. Dezember 1936 bei Linnemann beschwert: "Ich frage mich, was ich als Reichstrainer eigentlich zu tun habe, wenn Dr. Nerz für die Schulung, Betreuung und Aufstellung der allein verantwortliche Mann ist. Ich werde mit einer solchen Lösung nie einverstanden sein." Wobei wie erwähnt sich auch Linnemann in die Aufstellung einmischen darf, was er bei der WM 1938 tun wird.

Im Mai 1937 muss Herberger sich die Aufstellung nur von Otto Nerz abnicken lassen. In seinem Nachlass schildert der Reichstrainer das so: "Als wir zum Bankett aufbrachen, hatte ich meine Mannschaft für unser nächstes Spiel. Sie wurde auch am gleichen Abend perfekt. Die Tischordnung war so getroffen; x (d.h. Nerz) am Tisch der Prominenz sitzend, doch auf Reichweite von mir platziert war. Von dort reichte er mir einen Zettel zu, auf dem sein Vorschlag für das nächste Treffen zu lesen war. Er hatte diese Aufstellung:

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Jakob – Billmann, Münzenberg – Kupfer, Goldbrunner, Kitzinger – Lehner, Siffling (Hohmann/Lenz), Szepan, Urban.“

Dr. Nerz ist in der Mittelstürmer-Frage unentschlossen, schwankt zwischen Karl Hohmann aus Benrath und Dortmunds August Lenz. Herberger will keinen von beiden, "nominiert" den Mannheimer Otto Siffling und tauscht auch den rechten Verteidiger aus: für Nürnbergs Willi Billmann sieht er Düsseldorfs Paul Janes vor. Doch wird Nerz das akzeptieren?

Das Resultat einer Zettelwirtschaft

Herberger: '"Ich reichte meinen Zettel mit meinen Korrekturen wieder über den Tisch zurück, er überflog ihn, nickte mir zu und sagte – kopfnickend – "in Ordnung!" Die Breslau-Elf, über die wahre Hymnen gedichtet werden sollten, ist also das Resultat einer Zettelwirtschaft.

In dem von Eitelkeiten geprägten Verhältnis zwischen Nerz und Herberger, der erst ab 1938 nach dem gänzlichen Rückzug des Konkurrenten in die Wissenschaft (Professur an der Berliner Reichsakademie für Sport) alleinverant-wortlich, aber keineswegs souverän in seinen Handlungen war, ist die Frage nach dem Urheber nicht ohne Brisanz.

Herberger: "Die Breslau-Elf spielte nach meinem Konzept"

Es spielt also die Elf, die Herberger will, aber Nerz hat sie genehmigt. In seinen Notizen nennt Herberger Nerz leicht spöttisch deshalb den "Großvater" der Breslau-Elf. Seine Rolle beschreibt er so: "Die Breslau-Elf spielte nach meinem Konzept! (ich glaube, dass ich schon Einfluß auf das Geschehen auf dem Feld genommen hatte. Allein schon durch die formelle Besetzung d. Formation.)"

Er nennt dann ausdrücklich Kupfer, Gellesch, Siffling und Lehner, die wohl unter Nerz anders oder gar nicht gespielt hätten. Aber Herberger gab auch zu: "Keiner von uns konnte ahnen, dass wir eine der besten Mannschaften aus der Taufe gehoben hatten, die der deutsche Fußball jemals gehabt hat, wie besser kaum eine auf den europäischen Fußballfelder gefeiert wurde: Die Breslaumannschaft"

Wie Siffling zum Kanonier von Breslau wurde

Einer der Nominierten erfährt frühzeitig von seinem Glück. Otto Siffling. Herberger sucht den Reservisten von Zürich am Abend des 2. Mai im Hotelzimmer auf und bringt ihn dazu, sich selbst aufzustellen. Zunächst reizt er ihn mit der Ansicht von Nerz, er sei ja gar kein Kämpfer und schieße auch keine Tore. Doch Herberger selbst ist anderer Meinung: "Ottl, das war gar nichts heute. Ich suche einen Mittelstürmer, der spielen und Tore machen kann. Wissen Sie keinen?" Siffling weiß Rat und wird damit zum Kanonier von Breslau.

Das Fachamt Fußball plant das Länderspiel generalstabsmäßig. Am 10. Mai geht den 14 geladenen Spielern ein Schreiben des Stellvertretenden Geschäftsführers Hörbrand zu, das ihre Anreise detailliert regelt. Auszug: "Sie wollen sich so einrichten, dass Sie am Freitag, den 14.5., abends in Breslau eintreffen. Sammelpunkt: 'Hotel Vier Jahreszeiten'… Von Ihnen sind mitzubringen: Strümpfe, Turnschuhe, Trainingsanzug und 2 Paar in gutem Zustand befindliche Fußballstiefel..."

Von Mannheim nach Breslau in 14 Stunden

Für jeden Spieler sucht das Fachamt eine Zugverbindung heraus, Otto Siffling etwa muss in Mannheim um 7.53 Uhr ein- und dann noch zweimal umsteigen, um Breslau um 21.48 Uhr zu erreichen. Die Spieler aus dem Westen treffen planmäßig erst um 22.06 Uhr ein, einige tief in der Nacht. Das Fachamt weist darauf hin: "Für Anfahrten zum Bahnhof usw. sind die öffentlichen Verkehrsmittel zu benutzen; Unkosten für Autobenutzung werden nicht erstattet. Eventueller Lohnausfall wird nicht vergütet."

Es sind die hohen Zeiten des Amateurfußballs, die Spieler haben Beruf und Sport unter einen Hut zu bekommen. Ein Länderspiel bedeutet gewöhnlich Verdienstausfall, den die Tagesspesen kaum abdecken. Noch geht es nur um die Ehre. Hans Jakob, der Regensburger Torwart, reist trotzdem mit dem Auto an und findet sich erst am Pfingstsamstag ein. Er verpasst das Frühstück, ab halb zehn, und sogar das Abschlusstraining, was ihm gewiss eine Standpauke eingebracht haben wird.

Polit- und Sportprominenz erwartet die Dänen

Von 13 bis 15 Uhr verordnet Herberger laut Aufzeichnungen "Bettruhe", um halb vier fährt ein Omnibus die Breslau-Elf und die drei Reservisten Willy Jürissen, Hanne Berndt und Hans Appel ins Cafe Vaterland. Auf Einladung der Stadt Breslau. Anschließend werden die Nationalspieler Zeuge des Freundschaftsspiels zwischen Breslau 02 und Fortuna Düsseldorf (5:4). So ein Tag vor dem Spiel kann lang sein und will gefüllt werden.

Die Dänen sind dagegen den ganzen Tag unterwegs und treffen erst am Samstagabend gegen sieben in Breslau ein. Allerlei Polit- und Sportprominenz steht am Bahnhof zum Empfang parat. Nach der strapaziösen, am Freitag per Bahn in Kopenhagen begonnenen Anreise werden sie froh sein, dass ihr Hotel direkt gegenüber dem Hauptbahnhof ist.

Sonderzüge aus dem ganzen Reich

Das Nordhotel hat zur Feier des Tages die dänische Flagge gehisst und "nach der Stunde der ersten Erfrischung sind die dänischen Freunde in bester Stimmung anzutreffen. Sie lassen sich sogar zum Teil noch zum Besuch einer Operettenvorstellung im Varieté bewegen, wo die deutsche Elf mit ihnen vor der baldigen Nachtruhe einige vergnügte Stunden verbrachte2, schreibt das Fachblatt Fußball. Spielvorbereitung anno 1937 – man geht mit dem Gegner in die Oper.

Inspirierend scheint das nur für eine Mannschaft gewesen zu sein. Am Spieltag treffen permanent Sonderzüge aus dem ganzen Reich ein, während die Spieler beider Teams, ob sie nun wollen oder nicht, noch eine Stadtrundfahrt machen. Die Dänen schicken fünf Zeitungsreporter und den bekannten Sportkommentator des Dänischen Rundfunks, Gunnar Hansen. Mit einem dänischen Sieg dürften auch sie nicht rechnen und die Experten-Umfrage des Fachblatts Fußball erbringt Resultate zwischen 2:0 und 5:2 für Deutschland.

40.000 Zuschauer in der Schlesier-Kampfbahn

Nach dem Mittagessen um 12.30 Uhr schickt Herberger seine Schützlinge noch mal auf die Zimmer und trägt Sorge, dass dort eine Schale Obst auf sie wartet. Einschlafen empfiehlt sich aber nicht, denn um 16.00 Uhr soll der Anpfiff sein. 40.000 Zuschauer in der renovierten und an diesem Tage eingeweihten Schlesier-Kampfbahn des Hermann-Göring-Sportfeldes, fiebern ihm bei strahlender Sonne entgegen. Über dem Tor, durch das die Massen strömen, steht: "Deutsche Jugend werde einig treu stark und hart."

Nichts ist unpolitisch im Deutschland der NS-Zeit, auch der Sport nicht. Herberger aber hat nur Fußball im Kopf. Er notiert auf seine typische Art nachträglich unter der Überschrift "Meine Ziele", was er von der Partie erwartet:

"Mannschaft Meister in beiden Aufgaben!
Mittelstück als Bindeglied:
Angriffsspiel fliessend, kurz und weit, in allen Variationen…
festgefügter Abwehrblock!
Jeder immer dabei!"

Herberger notiert: "Läuferreihe: viele Fehler"

Er hat nicht explizit notiert, ob seine Ziele an diesem Tag erreicht wurden, aber die Frage erübrigt sich. Zwar findet sich eine handschriftliche Notiz – "Läuferreihe: viele Fehler" – doch ist das seinem Streben nach Perfektion geschuldet. Denn die Nationalmannschaft spielt an diesem Pfingstsonntag wie aus einem Guss. Im 140. Länderspiel feiert sie mit 8:0 ihren dritthöchsten Sieg seit Bestehen 1908, für die Dänen ist es die höchste Schlappe überhaupt.

Mann des Tages ist der Stürmer, der sich selbst aufgestellt hat: Mannheims Otto Siffling schießt nach Ernst Lehners frühem Führungstreffer (7.) fünf Treffer binnen 32 Minuten – eine Sensation, die es nie zuvor und auch nie mehr in einem DFB-Länderspiel gegeben hat. Zur Halbzeit steht es 4:0, nach 65 Minuten enden die Siffling-Festspiele beim Stand von 6:0. Nun wird die Elf, die an diesem Tag im ganzen Reich bekannt werden wird, etwas nachlässig. Prompt eilt Herberger an die Seitenlinie und fordert wieder Engagement ein.

"Der Ball lief, dass es eine wahre Freude war"

Die Schalker Alfred Urban (70.), der Linksaußen, und Kapitän Fritz Szepan (78.) schrauben das Resultat prompt in unerwartete Höhen. Die Schalker genießen in jenen Tagen eine hohe Popularität, ihr Kreisel ist nicht nur unter Fachleuten ein Begriff. Als nun Szepan sein Tor schießt, "da bricht große Freude im Stadion aus. Ein Tor des Regisseurs hat sich die Menge schon lange gewünscht", schreibt die "Fußball-Woche." Das Besondere an diesem Festival: Fast alle Tore entspringen Kombinationen, fallen aus dem Spiel heraus. "Unsere Mannschaft spielte wie aus einem Guss, der Ball lief, dass es eine wahre Freude war", jubelt der Kicker.

Zwölf Minuten sind noch Zeit und "es wäre der deutschen Mannschaft…ein leichtes gewesen, das Ergebnis zweistellig ohne Gegentreffer zu gestalten", findet das Fachblatt "Fußball", aber das will sie den Gästen dann doch nicht antun. Denen konzediert der "Fußball" "als einen Grund für ihres in diesem Maße von niemandem erwarteten Versagens ihre weite Anreise und die damit verbundenen Strapazen." Das "Extrabladet" setzt seinen Bericht unter eine sechsspaltige Zeile, die da lautet: "Wie Deutschland niedersäbelte". Deutschland schwelgt derweil.

Zehn Siegen aus elf Spielen

"Die Besucher werden das Spiel in der Schlesierkampfbahn als einer der glanzvollsten Tage des deutschen Fußballsports in Erinnerung behalten", prophezeit der "Fußball". So wie die Namen der Breslau-Elf allen Schulkindern jener Tage so mühelos über die Lippen kommen wie das Alphabet: Jakob – Janes, Münzenberg – Kupfer, Goldbrunner, Kitzinger – Lehner, Gellesch, Siffling, Urban, Szepan. Keiner von ihnen lebt mehr, allmählich wird es Zeit, sich um ihre Unsterblichkeit zu kümmern.

Wären sie Weltmeister geworden, wäre das wohl überflüssig. Diese Elf hatte gewiss das Zeug dazu. Sie gewann auch trotz gelegentlicher Änderungen – beispielsweise stieß Helmut Schön hinzu – die folgenden fünf Spiele des Jahres 1937, das rein statistisch mit zehn Siegen und einem Remis aus elf Spielen das Beste der DFB-Historie war. Doch als es 1938 bei der WM in Frankreich ernst wurde, schaffte die hohe Politik, was keine Gegner vermochte. Sie zu stoppen.

Anschluss Österreichs läutet das Ende der Breslau-Elf ein

Durch den Anschluss Österreichs im März an das Deutsche Reich wurde Herberger gezwungen, die Nationalelf im Verhältnis 6:5 (sechs Deutsche, fünf Österreicher) aufzustellen. Zwei Spielsysteme, zwei Mentalitäten, zwei Fraktionen – ein Chaos. Herberger kommentierte die Anweisung des Reichssportführers so: "Aus zwei guten mache eine bessere. Oh heilige Einfalt!"

Das war das Ende der Breslau-Elf, die allerdings im Mai 1938 ein letztes Mal ins Gefecht ziehen durfte. Im Olympia-Stadion unterlag sie Mutterland England mit zehn "Breslauern" 3:6. Dennoch wäre diese Elf bei der WM wohl kaum in der ersten Runde an der Schweiz gescheitert. Dass sie nicht einmal die Chance bekam, zu beenden was am Pfingstsamstag 1937 so verheißungsvoll begann, ist ihre besondere Tragik.

Die Breslau-Elf:
Tor: Hans Jakob (Jahn Regensburg)
Abwehr: Paul Janes (Fortuna Düsseldorf), Reinhold Münzenberg (Alemannia Aachen)
Läuferreihe: Andreas Kupfer (Schweinfurt 05), Ludwig Goldbrunner (Bayern München), Albin Kitzinger (Schweinfurt 05
Halbstürmer: Rudi Gellesch, Fritz Szepan (beide Schalke 04)
Sturm: Ernst Lehner (Schwaben Augsburg), Otto Siffling (Waldhof Mannheim), Alfred Urban (Schalke)

Das Dänemark-Spiel:
Torfolge: 1:0 Lehner (7.), 2:0, 3:0, 4:0, 5:0, 6:0 Siffling (33., 40., 44., 48., 65.), 7:0 Urban (70.), 8:0 Szepan (78.).

Das meinen DFB.de-User:

"Wer ein echter Fussball-Fan ist, kennt natürlich die 'Breslau-Elf'. Das Ergebnis war eines der höchsten, wenn man Helmut Schön gelesen hat, weiß man, dass es sehr gute Nationalspieler auch schon vor dem Krieg gab, und dass es für ihn selbst schwer war, in diese Mannschaft zu kommen." (Franz Moll, Eschwege)