Nationalspielerin Leupolz: "Die Schattenseite wird nie publiziert"

Immer wenn sie durchgeknetet wird, berichtete Melanie Leupolz, sei ihr Smartphone ausgeschaltet. Die 70-malige Nationalspielerin war am Dienstagabend Gast beim DFB-Onlineseminar "Suchtprävention im Verein". "Alles andere wäre auch unhöflich, denn der Physiotherapeut will mir helfen", sagte die 27 Jahre alte Mittelfeldspielerin, die vergangene Saison zum FC Chelsea gewechselt war. Auf Insta scrollen während der Massage? Leupolz: "Heilung ist auch ein aktiver Prozess. Da geht mein Fokus verloren."

Zum vierten Mal informierten die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) und der Deutsche Fußball-Bund (DFB) über Suchtgefahren im Jugendalter. Zum ersten Mal in Form einer Hybridveranstaltung. 64 Mädchen und Jungen im Alter von zwölf bis 15 Jahren saßen in der Aula der Sportschule Hennef, 56 weitere Teilnehmende - größtenteils Trainer*innen aus dem Jugendfußball - verfolgten das 70-minütige Seminar im Netz. Die jungen Fußballer*innen von der JSG Westerstede, OFV Ostercappeln, Rot-Weiss Cuxhaven, T.u.S. Frisia Goldenstedt und FSV 1926 Cappel verbringen gerade auf Einladung der Egidius-Braun-Stiftung eine Fußball-Ferien-Freizeit in Hennef. Thema am Dienstagabend: die exzessive Mediennutzung.

"Es geht um einen kompetenten Umgang"

Alfred Vianden, der zwölf Jahre lang den Fußball am Mittelrhein als Präsident gestaltet hatte, begrüßte die insgesamt 120 Teilnehmenden. Als Expertin informierte die Sozialpädagogin Silke Selinger über digitale Fallstricke. Und darüber, wie Fußballtrainer*innen reagieren sollten, wenn der Eindruck entsteht, da rutsche jemand zunehmend in virtuelle Welten ab. "Letztendlich stellt sich die Aufgabe nicht nur Jugendlichen. Jede und jeder muss eine Antwort auf die Frage finden: Was gibt mir nachhaltig gute Gefühle?" Selinger, die im Auftrag der BZgA die Internetseite "Die Net-Piloten" entwickelt hat, rät ab vom totalen Verbot. "Es geht um einen kompetenten Umgang", meinte Selinger.

Diese Kompetenz aber scheint verloren zu gehen. Studien zum medialen Verhalten Jugendlicher liefern alarmierende Zahlen. 50 Prozent der Kinder zwischen fünf und 13 Jahren besitzen ein Smartphone, bei den Zwölf- bis 19-Jährigen sind es 96 Prozent. Diese Altersgruppe verbringt mehr als vier Stunden pro Tag im Netz. Und schaltet dann den Fernseher an. Für nochmal zwei Stunden. "Da wird die Zeit knapp fürs Fußballtraining", sagte Harald Schmid, der wie gewohnt moderierte. Nur noch fünf Prozent der Jungen spielen nie digital. Jung sein heißt Instagram und Facebook, heißt Fortnite und FIFA.

"Es gibt sehr viel Fake"

Die Europameisterin und Olympiasiegerin sprach offen über eine andere Gefahr, die mit einem hohen Konsum sozialer Medien einhergehe. "Es gibt sehr viel Fake, alles glitzert, alles ist super", sagte Melanie Leupolz. "Die Schattenseite wird nie publiziert." Das könne auch traurig machen, im schlimmsten Fall anhaltend traurig. "Wenn man nur noch diese Bilder und Filme anschaut, kann der Eindruck entstehen, das nur man selbst nicht auf der Heldenseite des Lebens steht."

Klar ist auch: Das digitale Zeitalter bietet immense Zugewinne. "Unsere Veranstaltung heute Abend verfolgen Menschen aus ganz Deutschland", sagte Harald Schmid, der zwischen 1978 und 1986 fünfmal Europameister über die 4 x 400 Meter-Hürden wurde. Als er 1976 erstmals eine Olympische Bronzemedaille gewann, habe es einen halben Tag gedauert, bis die Nachricht in Deutschland angekommen war. "Damals", sagte Schmid, "gab es überhaupt kein Internet". Die meisten Jungen und Mädchen in der Aula schauten skeptisch.

Befragt, worin denn die Faszination etwa beim exzessiven Daddeln liege, antwortete Selinger: "Dass ich etwas richtig gut kann. Dass ich mitreden kann in der Schule." Was kontrolliert okay geht, wird im Exzess zur Folter. Silke Selinger berichtete von einem jungen Erwachsenen, der rund um die Uhr Netflix-Serien anschaute und schließlich sein Studium abbrach. Vielleicht, so riet die Expertin, sei ja das ein guter Anfang für den seichten Ausstieg: "Kaufen Sie sich doch erstmal einen analogen Wecker."

[th]

Immer wenn sie durchgeknetet wird, berichtete Melanie Leupolz, sei ihr Smartphone ausgeschaltet. Die 70-malige Nationalspielerin war am Dienstagabend Gast beim DFB-Onlineseminar "Suchtprävention im Verein". "Alles andere wäre auch unhöflich, denn der Physiotherapeut will mir helfen", sagte die 27 Jahre alte Mittelfeldspielerin, die vergangene Saison zum FC Chelsea gewechselt war. Auf Insta scrollen während der Massage? Leupolz: "Heilung ist auch ein aktiver Prozess. Da geht mein Fokus verloren."

Zum vierten Mal informierten die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) und der Deutsche Fußball-Bund (DFB) über Suchtgefahren im Jugendalter. Zum ersten Mal in Form einer Hybridveranstaltung. 64 Mädchen und Jungen im Alter von zwölf bis 15 Jahren saßen in der Aula der Sportschule Hennef, 56 weitere Teilnehmende - größtenteils Trainer*innen aus dem Jugendfußball - verfolgten das 70-minütige Seminar im Netz. Die jungen Fußballer*innen von der JSG Westerstede, OFV Ostercappeln, Rot-Weiss Cuxhaven, T.u.S. Frisia Goldenstedt und FSV 1926 Cappel verbringen gerade auf Einladung der Egidius-Braun-Stiftung eine Fußball-Ferien-Freizeit in Hennef. Thema am Dienstagabend: die exzessive Mediennutzung.

"Es geht um einen kompetenten Umgang"

Alfred Vianden, der zwölf Jahre lang den Fußball am Mittelrhein als Präsident gestaltet hatte, begrüßte die insgesamt 120 Teilnehmenden. Als Expertin informierte die Sozialpädagogin Silke Selinger über digitale Fallstricke. Und darüber, wie Fußballtrainer*innen reagieren sollten, wenn der Eindruck entsteht, da rutsche jemand zunehmend in virtuelle Welten ab. "Letztendlich stellt sich die Aufgabe nicht nur Jugendlichen. Jede und jeder muss eine Antwort auf die Frage finden: Was gibt mir nachhaltig gute Gefühle?" Selinger, die im Auftrag der BZgA die Internetseite "Die Net-Piloten" entwickelt hat, rät ab vom totalen Verbot. "Es geht um einen kompetenten Umgang", meinte Selinger.

Diese Kompetenz aber scheint verloren zu gehen. Studien zum medialen Verhalten Jugendlicher liefern alarmierende Zahlen. 50 Prozent der Kinder zwischen fünf und 13 Jahren besitzen ein Smartphone, bei den Zwölf- bis 19-Jährigen sind es 96 Prozent. Diese Altersgruppe verbringt mehr als vier Stunden pro Tag im Netz. Und schaltet dann den Fernseher an. Für nochmal zwei Stunden. "Da wird die Zeit knapp fürs Fußballtraining", sagte Harald Schmid, der wie gewohnt moderierte. Nur noch fünf Prozent der Jungen spielen nie digital. Jung sein heißt Instagram und Facebook, heißt Fortnite und FIFA.

"Es gibt sehr viel Fake"

Die Europameisterin und Olympiasiegerin sprach offen über eine andere Gefahr, die mit einem hohen Konsum sozialer Medien einhergehe. "Es gibt sehr viel Fake, alles glitzert, alles ist super", sagte Melanie Leupolz. "Die Schattenseite wird nie publiziert." Das könne auch traurig machen, im schlimmsten Fall anhaltend traurig. "Wenn man nur noch diese Bilder und Filme anschaut, kann der Eindruck entstehen, das nur man selbst nicht auf der Heldenseite des Lebens steht."

Klar ist auch: Das digitale Zeitalter bietet immense Zugewinne. "Unsere Veranstaltung heute Abend verfolgen Menschen aus ganz Deutschland", sagte Harald Schmid, der zwischen 1978 und 1986 fünfmal Europameister über die 4 x 400 Meter-Hürden wurde. Als er 1976 erstmals eine Olympische Bronzemedaille gewann, habe es einen halben Tag gedauert, bis die Nachricht in Deutschland angekommen war. "Damals", sagte Schmid, "gab es überhaupt kein Internet". Die meisten Jungen und Mädchen in der Aula schauten skeptisch.

Befragt, worin denn die Faszination etwa beim exzessiven Daddeln liege, antwortete Selinger: "Dass ich etwas richtig gut kann. Dass ich mitreden kann in der Schule." Was kontrolliert okay geht, wird im Exzess zur Folter. Silke Selinger berichtete von einem jungen Erwachsenen, der rund um die Uhr Netflix-Serien anschaute und schließlich sein Studium abbrach. Vielleicht, so riet die Expertin, sei ja das ein guter Anfang für den seichten Ausstieg: "Kaufen Sie sich doch erstmal einen analogen Wecker."

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