Nationalmannschaft 1908 erstmals im Einsatz

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) wurde am 28. Januar 1900 in Leipzig gegründet. Es dauerte über acht Jahre, ehe am 5. April 1908 das erste Länderspiel einer deutschen Nationalmannschaft in Basel stattfinden konnte.

Erst auf dem DFB-Bundestag 1905 wurde offiziell die Planung von Länderspielen in Angriff genommen. Zwei weitere Jahre mussten ins Land ziehen, ehe der DFB-Bundestag 1907 die Durchführung von Länderspielen beschloss. Dass alles so lange dauerte, hatte etwas mit der Angst zu tun, man könnte sich blamieren, mit der ständigen Ebbe in der Kasse, aber auch mit schier endlosen Debatten über die personelle Zusammensetzung der Mannschaft. Und Anfang 1908 musste sogar ein außerordentlicher DFB-Bundestag einberufen werden, um festzulegen, welcher Verband Spieler für welchen Posten zu stellen habe.

Es gab weder einen Lehrgang noch ein Vorbereitungsspiel und noch nicht einmal eine gemeinsame Anreise zur ersten Begegnung in Basel. Die Spieler kannten sich nicht und so kam es, dass die Spieler aus Berlin und dem Norden sich zufällig in Berlin auf dem Bahnsteig trafen. Fritz Becker stieg in Frankfurt am Main in einen anderen Wagen ein und so lernte er die Mitspieler erst im Baseler Hotel Metropol kennen.

Es gab keinen Trainer, der Vorsitzende des Bundes-Spielausschusses, Hugo Kubaseck aus Hamburg, hatte sich das Recht erkämpft, über die Mannschaft zu bestimmen, die Taktik sollte der Kapitän, Arthur Hiller, nur »Hiller II« genannt, vom 1. FC Pforzheim festlegen. Nicht Gottfried Hinze, der 1. Vorsitzende des DFB, war Delegationsleiter, sondern der Vorsitzende des Süddeutschen Fußball-Verbandes, Max Dettinger. Mitzubringen hatten die Spieler ihre Fußballschuhe und einen Smoking fürs Bankett. Der DFB stellte nur die Spielkleidung, schwarze Hemden mit weißen Ärmeln, auf der Brust den Reichsadler auf weißem Wappenschild, schwarze Hose, schwarze Stutzen.

Am Sportplatz Landhof säumten an die 3.500 Zuschauer das Spielfeld. Schwarze Wolken hingen am Himmel und bald nach Spielbeginn prasselte schwerer Hagel auf Spieler und Zuschauer. Da führte Deutschland – die Spieler stammten aus elf verschiedenen Vereinen – bereits 1:0 durch »das Beckerle«, wie sie den kleinen Frankfurter Stürmer nannten. Zum Ausgleich führte ein »englisches« Tor: Fritz Baumgarten, der Torhüter von Germania 88 Berlin, hatte den Ball sicher gefangen, wurde aber vom Schweizer Mittelstürmer Kämpfer über die Linie ins Netz gerempelt. Kurios das 1:2: Ein Kopfball Kämpfers prallte vom Kopf eines deutschen Spielers unhaltbar ins Tor. Und gleich auch noch das 1:3 durch Dr. Pfeiffer.

Nach der Pause brachte Fritz Förderer vom Karlsruher FV die deutsche Elf zwar auf 2:3 heran, doch postwendend zogen die Schweizer, wieder durch Dr. Pfeiffer, auf 4:2 davon. Noch einmal traf Fritz Becker zum 3:4. Und als die Deutschen mit Macht auf den Ausgleich drängten, kam die Schweiz in der Schlussminute durch Kämpfer noch zum 5:3. Zwei Wochen später folgte in Berlin das erste Heimspiel. Gegen den Lehrmeister England, der freilich nur durch eine Amateurauswahl vertreten war. Und die machte es gnädig, mit 1:5 kam die deutsche Elf, vor allem dank ihres überragenden Torhüters Paul Eichelmann von Union 92 Berlin, noch ganz passabel davon.

Mit 2:3 ging in Wien gegen Österreich auch das dritte Länderspiel im Jahr 1908 verloren. 24 Spieler wurden eingesetzt, nur drei waren in allen drei Begegnungen dabei. Von einer Mannschaft konnte nicht die Rede sein.

Die Lektion von Oxford: neun Gegentore

1909 wagte man gleich den Sprung über den Kanal nach England. Es gab dort eine gehörige Lektion. Erst mit eintägiger Verspätung erreichte die DFB-Delegation die Universitätsstadt Oxford, die Spieler sichtlich gezeichnet von den Tücken einer stürmischen Überfahrt mit der Fähre. Mit einer abermals total veränderten Formation und sieben Neulingen wehrte sich die deutsche Elf zwar tapfer, griff auch wiederholt forsch an, verlor aber immer wieder den Ball an die sofort vorwärts stürmenden Engländer. Die tauchten dann meist in Überzahl vor Adolf Werners Tor auf. Der Kieler Torhüter konnte einem leidtun, ihm flogen die Bälle bei der 0:9-Niederlage nur so um die Ohren. DFB-Präsident Gottfried Hinze machte noch die beste Figur – als Linienrichter!

Am 4. April 1909 traute sich der DFB sogar gleich zwei Spiele zu: Eine vorwiegend aus Berlinern, Nord- und Ostdeutschen gebildete Elf trotzte Ungarn in Budapest ein 3:3 ab, zur gleichen Zeit gewann eine andere, nur aus Süddeutschen formierte Elf in Karlsruhe die Revanche gegen die Schweiz mit 1:0. Endlich der erste Sieg! Den umjubelten Treffer erzielte Eugen Kipp (Sportfreunde Stuttgart).

Ein Kuriosum gab es beim ersten Spiel gegen Belgien am 16. Mai 1910 in Duisburg. Dank etlicher Planungsfehler – so fand das Endspiel um die Deutsche Meister–schaft am Vortag statt – waren gerade mal elf Spieler in Duisburg versammelt. Als Mittelstürmer Peco Bauwens nach einer halben Stunde wegen eines Muskelrisses ausscheiden musste, wurde laut schreiend ein »Fußballspieler zum Einspringen« gesucht. Andreas Breynck, Ligaspieler von Preußen Duisburg, meldete sich und kam so zu seinem ersten und einzigen Länderspiel!

Einige "Rekorde" aus der Epoche vor dem Ersten Weltkrieg haben noch heute Bestand: Die höchste Länderspiel-Niederlage – das oben beschriebene 0:9 gegen England 1909 – ebenso wie der höchste Sieg, das 16:0 über Russland im Olympia-Turnier 1912 in Stockholm. Niemand erzielte in einem Spiel mehr Tore als Gottfried Fuchs vom Karlsruher FV: zehn bei diesem 16:0-Sieg.

Fuchs, der sechs Mal für Deutschland stürmte und dabei 14 Tore erzielte, war Jude; 1937 gelang ihm die Flucht nach Kanada. Sein Klubkamerad Julius Hirsch (8 Spiele) musste sich als Hilfsarbeiter durchschlagen, wurde verhaftet, 1943 ins KZ Auschwitz deportiert und dort ermordet. Zum Gedächtnis an ihn schuf der Deutsche Fußball-Bund 2005 den "Julius Hirsch Preis".

Von 1908 bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs bestritt die Nationalelf 30 Spiele. Sie musste in dieser Zeit erfahren, dass Lehrjahre nun mal keine Herrenjahre sind. Fast zwei Drittel der Spiele gingen verloren. Den 19 Nieder–lagen stehen nur sechs Siege und fünf Unentschieden gegenüber bei 72:109 Toren. Noch ein paar Namen und Zahlen aus dieser Zeit: Eugen Kipp (Stuttgart) wurde mit 18 Spielen am häufigsten eingesetzt, die meisten Spieler stellte der VfB Leipzig: acht.

Elf verschiedene Torhüter kamen zum Einsatz, am häufigsten (13 Mal) Adolf Werner (Holstein Kiel). Insgesamt 115 Spieler trugen in dieser Zeit das Nationaltrikot. Von ihnen machten einige später Karriere im internationalen Fußball und im DFB, wie der Kölner Dr. Peco Bauwens. Er leitete als FIFA-Schiedsrichter 82 Länderspiele und war von 1949 bis 1962 erster DFB-Präsident nach dem Zweiten Weltkrieg. Oder Dr. Josef Glaser aus Freiburg, der maßgeblich als Spielausschuss-Vorsitzender des DFB an der Berufung des ersten Bundestrainers Otto Nerz beteiligt war.

Weitere Informationen zur Geschichte der Deutschen Nationalmannschaft finden Sie in unserem Sonderbereich.

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Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) wurde am 28. Januar 1900 in Leipzig gegründet. Es dauerte über acht Jahre, ehe am 5. April 1908 das erste Länderspiel einer deutschen Nationalmannschaft in Basel stattfinden konnte.

Erst auf dem DFB-Bundestag 1905 wurde offiziell die Planung von Länderspielen in Angriff genommen. Zwei weitere Jahre mussten ins Land ziehen, ehe der DFB-Bundestag 1907 die Durchführung von Länderspielen beschloss. Dass alles so lange dauerte, hatte etwas mit der Angst zu tun, man könnte sich blamieren, mit der ständigen Ebbe in der Kasse, aber auch mit schier endlosen Debatten über die personelle Zusammensetzung der Mannschaft. Und Anfang 1908 musste sogar ein außerordentlicher DFB-Bundestag einberufen werden, um festzulegen, welcher Verband Spieler für welchen Posten zu stellen habe.

Es gab weder einen Lehrgang noch ein Vorbereitungsspiel und noch nicht einmal eine gemeinsame Anreise zur ersten Begegnung in Basel. Die Spieler kannten sich nicht und so kam es, dass die Spieler aus Berlin und dem Norden sich zufällig in Berlin auf dem Bahnsteig trafen. Fritz Becker stieg in Frankfurt am Main in einen anderen Wagen ein und so lernte er die Mitspieler erst im Baseler Hotel Metropol kennen.

Es gab keinen Trainer, der Vorsitzende des Bundes-Spielausschusses, Hugo Kubaseck aus Hamburg, hatte sich das Recht erkämpft, über die Mannschaft zu bestimmen, die Taktik sollte der Kapitän, Arthur Hiller, nur »Hiller II« genannt, vom 1. FC Pforzheim festlegen. Nicht Gottfried Hinze, der 1. Vorsitzende des DFB, war Delegationsleiter, sondern der Vorsitzende des Süddeutschen Fußball-Verbandes, Max Dettinger. Mitzubringen hatten die Spieler ihre Fußballschuhe und einen Smoking fürs Bankett. Der DFB stellte nur die Spielkleidung, schwarze Hemden mit weißen Ärmeln, auf der Brust den Reichsadler auf weißem Wappenschild, schwarze Hose, schwarze Stutzen.

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Am Sportplatz Landhof säumten an die 3.500 Zuschauer das Spielfeld. Schwarze Wolken hingen am Himmel und bald nach Spielbeginn prasselte schwerer Hagel auf Spieler und Zuschauer. Da führte Deutschland – die Spieler stammten aus elf verschiedenen Vereinen – bereits 1:0 durch »das Beckerle«, wie sie den kleinen Frankfurter Stürmer nannten. Zum Ausgleich führte ein »englisches« Tor: Fritz Baumgarten, der Torhüter von Germania 88 Berlin, hatte den Ball sicher gefangen, wurde aber vom Schweizer Mittelstürmer Kämpfer über die Linie ins Netz gerempelt. Kurios das 1:2: Ein Kopfball Kämpfers prallte vom Kopf eines deutschen Spielers unhaltbar ins Tor. Und gleich auch noch das 1:3 durch Dr. Pfeiffer.

Nach der Pause brachte Fritz Förderer vom Karlsruher FV die deutsche Elf zwar auf 2:3 heran, doch postwendend zogen die Schweizer, wieder durch Dr. Pfeiffer, auf 4:2 davon. Noch einmal traf Fritz Becker zum 3:4. Und als die Deutschen mit Macht auf den Ausgleich drängten, kam die Schweiz in der Schlussminute durch Kämpfer noch zum 5:3. Zwei Wochen später folgte in Berlin das erste Heimspiel. Gegen den Lehrmeister England, der freilich nur durch eine Amateurauswahl vertreten war. Und die machte es gnädig, mit 1:5 kam die deutsche Elf, vor allem dank ihres überragenden Torhüters Paul Eichelmann von Union 92 Berlin, noch ganz passabel davon.

Mit 2:3 ging in Wien gegen Österreich auch das dritte Länderspiel im Jahr 1908 verloren. 24 Spieler wurden eingesetzt, nur drei waren in allen drei Begegnungen dabei. Von einer Mannschaft konnte nicht die Rede sein.

Die Lektion von Oxford: neun Gegentore

1909 wagte man gleich den Sprung über den Kanal nach England. Es gab dort eine gehörige Lektion. Erst mit eintägiger Verspätung erreichte die DFB-Delegation die Universitätsstadt Oxford, die Spieler sichtlich gezeichnet von den Tücken einer stürmischen Überfahrt mit der Fähre. Mit einer abermals total veränderten Formation und sieben Neulingen wehrte sich die deutsche Elf zwar tapfer, griff auch wiederholt forsch an, verlor aber immer wieder den Ball an die sofort vorwärts stürmenden Engländer. Die tauchten dann meist in Überzahl vor Adolf Werners Tor auf. Der Kieler Torhüter konnte einem leidtun, ihm flogen die Bälle bei der 0:9-Niederlage nur so um die Ohren. DFB-Präsident Gottfried Hinze machte noch die beste Figur – als Linienrichter!

Am 4. April 1909 traute sich der DFB sogar gleich zwei Spiele zu: Eine vorwiegend aus Berlinern, Nord- und Ostdeutschen gebildete Elf trotzte Ungarn in Budapest ein 3:3 ab, zur gleichen Zeit gewann eine andere, nur aus Süddeutschen formierte Elf in Karlsruhe die Revanche gegen die Schweiz mit 1:0. Endlich der erste Sieg! Den umjubelten Treffer erzielte Eugen Kipp (Sportfreunde Stuttgart).

Ein Kuriosum gab es beim ersten Spiel gegen Belgien am 16. Mai 1910 in Duisburg. Dank etlicher Planungsfehler – so fand das Endspiel um die Deutsche Meister–schaft am Vortag statt – waren gerade mal elf Spieler in Duisburg versammelt. Als Mittelstürmer Peco Bauwens nach einer halben Stunde wegen eines Muskelrisses ausscheiden musste, wurde laut schreiend ein »Fußballspieler zum Einspringen« gesucht. Andreas Breynck, Ligaspieler von Preußen Duisburg, meldete sich und kam so zu seinem ersten und einzigen Länderspiel!

Einige "Rekorde" aus der Epoche vor dem Ersten Weltkrieg haben noch heute Bestand: Die höchste Länderspiel-Niederlage – das oben beschriebene 0:9 gegen England 1909 – ebenso wie der höchste Sieg, das 16:0 über Russland im Olympia-Turnier 1912 in Stockholm. Niemand erzielte in einem Spiel mehr Tore als Gottfried Fuchs vom Karlsruher FV: zehn bei diesem 16:0-Sieg.

Fuchs, der sechs Mal für Deutschland stürmte und dabei 14 Tore erzielte, war Jude; 1937 gelang ihm die Flucht nach Kanada. Sein Klubkamerad Julius Hirsch (8 Spiele) musste sich als Hilfsarbeiter durchschlagen, wurde verhaftet, 1943 ins KZ Auschwitz deportiert und dort ermordet. Zum Gedächtnis an ihn schuf der Deutsche Fußball-Bund 2005 den "Julius Hirsch Preis".

Von 1908 bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs bestritt die Nationalelf 30 Spiele. Sie musste in dieser Zeit erfahren, dass Lehrjahre nun mal keine Herrenjahre sind. Fast zwei Drittel der Spiele gingen verloren. Den 19 Nieder–lagen stehen nur sechs Siege und fünf Unentschieden gegenüber bei 72:109 Toren. Noch ein paar Namen und Zahlen aus dieser Zeit: Eugen Kipp (Stuttgart) wurde mit 18 Spielen am häufigsten eingesetzt, die meisten Spieler stellte der VfB Leipzig: acht.

Elf verschiedene Torhüter kamen zum Einsatz, am häufigsten (13 Mal) Adolf Werner (Holstein Kiel). Insgesamt 115 Spieler trugen in dieser Zeit das Nationaltrikot. Von ihnen machten einige später Karriere im internationalen Fußball und im DFB, wie der Kölner Dr. Peco Bauwens. Er leitete als FIFA-Schiedsrichter 82 Länderspiele und war von 1949 bis 1962 erster DFB-Präsident nach dem Zweiten Weltkrieg. Oder Dr. Josef Glaser aus Freiburg, der maßgeblich als Spielausschuss-Vorsitzender des DFB an der Berufung des ersten Bundestrainers Otto Nerz beteiligt war.

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