"Nasri lenkt das Spiel"

Als Werder Bremen 2004 zum bis heute letzten Mal Deutscher Meister wurde, stand hinten drin ein baumlanger Franzose namens Valérien Ismaël. An der Weser begeisterte "Vale" dank seines Könnens und seiner offenen Art die Fans. Nach zwei erfolgreichen Jahren ging er zu Bayern München, schließlich zu Hannover 96, wo er heute das U 23-Team trainiert. Inzwischen bezeichnet er sich als "deutschen Franzosen". Für team.dfb.de stellt er die französische Nationalmannschaft vor. Redakteur Gereon Tönnihsen hat mitgeschrieben.

Die WM 2010 war ein Trauma für "Les Bleus", von dem sie sich nur langsam erholen. Das Verhalten auf und neben dem Platz war nicht in Ordnung, wir haben einen schlechten Eindruck hinterlassen. Und jetzt erwarten alle, dass dieser Eindruck bei der EM revidiert wird. Mit Laurent Blanc hat die Mannschaft einen Trainer bekommen, der schönen Fußball spielen lassen will. Er hat viel experimentiert, was auch notwendig war. Einige wurden dann auch integriert. Aber er sucht noch seine optimale Formation. Einige Fixpunkte in der Mannschaft gibt es jedoch, wie Abidal, Ribéry oder Lloris.

Die EM-Qualifikation ist geglückt, das war sehr wichtig, auch wenn die Auftritte sicher nicht immer überzeugend waren. Aber wer konnte das auch erwarten? Der Druck war immens. Blanc hatte viele Baustellen vor sich, die er erst einmal abarbeiten musste. Und gleichzeitig wurde erwartet, dass er gute Ergebnisse abliefert. Mit der Qualifikation hat er seine Aufgabe erfüllt. Jetzt hat er etwas Zeit, um abschließend zu testen, welche Spieler zu seiner Philosophie passen, das Team weiterbringen, sich mit der Nationalmannschaft identifizieren. Was die individuelle Klasse angeht, kann Frankreich mithalten. Sogar mehr als das. Die Frage ist, wie diese Individualisten zusammenpassen. Bei der WM hat es nicht funktioniert. Das ist sicher Blancs größte Aufgabe: Jeder muss seine individuellen Stärken einbringen, aber immer für das Kollektiv. Wenn das gelingt, traue ich "Les Bleus" einiges zu.

An Lloris und Mandana führt kein Weg vorbei

Im Tor ist Hugo Lloris die klare Nummer eins. Er spielt seit Jahren auf einem hohen Niveau, in der Ligue 1 und der Champions League mit Olympique Lyon und auch in der Nationalmannschaft. Seine Sprungkraft ist hervorragend, er ist sehr reaktionsschnell und kann das Spiel sehr gut lesen. Auch am Ball ist er durchaus beschlagen. Steve Mandanda ist ein etwas anderer Typ, sehr präsent, schon allein durch seine Körpersprache, stark in der Luft, aber auch auf der Linie. Beide sind erst Mitte Zwanzig, an ihnen werden wir also noch viel Freude haben.

Cédric Carrasso von Girondins Bordeaux ist die Nummer drei – und wird das wohl auch bleiben. Er gehört völlig zu Recht zum Kreis der Besten, aber an Lloris und Mandanda führt im Moment einfach kein Weg vorbei.

Ruhig und souverän: Eric Abidal

Einer der erfahrensten Spieler im Kader ist Éric Abidal. Er spielt in der besten Mannschaft der Welt, beim FC Barcelona. Und diese Spielphilosophie bringt er auch in die Nationalmannschaft ein. Seine Ruhe und Souveränität sowie seine spielerische Qualität sind für die Mannschaft Gold wert. Ein richtiger Führungsspieler, den die Erfahrung, seine schwere Krankheit besiegt zu haben, noch stärker gemacht hat. Er kann auf der Außenbahn und auch in der Abwehr zentrale spielen, wie früher Lilian Thuram.



[bild1]

Als Werder Bremen 2004 zum bis heute letzten Mal Deutscher Meister wurde, stand hinten drin ein baumlanger Franzose namens Valérien Ismaël. An der Weser begeisterte "Vale" dank seines Könnens und seiner offenen Art die Fans. Nach zwei erfolgreichen Jahren ging er zu Bayern München, schließlich zu Hannover 96, wo er heute das U 23-Team trainiert. Inzwischen bezeichnet er sich als "deutschen Franzosen". Für team.dfb.de stellt er die französische Nationalmannschaft vor. Redakteur Gereon Tönnihsen hat mitgeschrieben.

Die WM 2010 war ein Trauma für "Les Bleus", von dem sie sich nur langsam erholen. Das Verhalten auf und neben dem Platz war nicht in Ordnung, wir haben einen schlechten Eindruck hinterlassen. Und jetzt erwarten alle, dass dieser Eindruck bei der EM revidiert wird. Mit Laurent Blanc hat die Mannschaft einen Trainer bekommen, der schönen Fußball spielen lassen will. Er hat viel experimentiert, was auch notwendig war. Einige wurden dann auch integriert. Aber er sucht noch seine optimale Formation. Einige Fixpunkte in der Mannschaft gibt es jedoch, wie Abidal, Ribéry oder Lloris.

Die EM-Qualifikation ist geglückt, das war sehr wichtig, auch wenn die Auftritte sicher nicht immer überzeugend waren. Aber wer konnte das auch erwarten? Der Druck war immens. Blanc hatte viele Baustellen vor sich, die er erst einmal abarbeiten musste. Und gleichzeitig wurde erwartet, dass er gute Ergebnisse abliefert. Mit der Qualifikation hat er seine Aufgabe erfüllt. Jetzt hat er etwas Zeit, um abschließend zu testen, welche Spieler zu seiner Philosophie passen, das Team weiterbringen, sich mit der Nationalmannschaft identifizieren. Was die individuelle Klasse angeht, kann Frankreich mithalten. Sogar mehr als das. Die Frage ist, wie diese Individualisten zusammenpassen. Bei der WM hat es nicht funktioniert. Das ist sicher Blancs größte Aufgabe: Jeder muss seine individuellen Stärken einbringen, aber immer für das Kollektiv. Wenn das gelingt, traue ich "Les Bleus" einiges zu.

An Lloris und Mandana führt kein Weg vorbei

Im Tor ist Hugo Lloris die klare Nummer eins. Er spielt seit Jahren auf einem hohen Niveau, in der Ligue 1 und der Champions League mit Olympique Lyon und auch in der Nationalmannschaft. Seine Sprungkraft ist hervorragend, er ist sehr reaktionsschnell und kann das Spiel sehr gut lesen. Auch am Ball ist er durchaus beschlagen. Steve Mandanda ist ein etwas anderer Typ, sehr präsent, schon allein durch seine Körpersprache, stark in der Luft, aber auch auf der Linie. Beide sind erst Mitte Zwanzig, an ihnen werden wir also noch viel Freude haben.

Cédric Carrasso von Girondins Bordeaux ist die Nummer drei – und wird das wohl auch bleiben. Er gehört völlig zu Recht zum Kreis der Besten, aber an Lloris und Mandanda führt im Moment einfach kein Weg vorbei.

Ruhig und souverän: Eric Abidal

Einer der erfahrensten Spieler im Kader ist Éric Abidal. Er spielt in der besten Mannschaft der Welt, beim FC Barcelona. Und diese Spielphilosophie bringt er auch in die Nationalmannschaft ein. Seine Ruhe und Souveränität sowie seine spielerische Qualität sind für die Mannschaft Gold wert. Ein richtiger Führungsspieler, den die Erfahrung, seine schwere Krankheit besiegt zu haben, noch stärker gemacht hat. Er kann auf der Außenbahn und auch in der Abwehr zentrale spielen, wie früher Lilian Thuram.

Adil Rami ist erst mit 20 Profi geworden, vorher hat er als Gärtner gearbeitet. Eigentlich unglaublich, dass so ein toller Spieler vorher keinem aufgefallen ist. Er bringt alles mit, was ein guter Innenverteidiger haben muss: Er ist schnell, kopfballstark, ähnelt in seiner Spielweise ein wenig Lúcio, wenngleich er nicht ganz so viel mit nach vorne geht. Durch seinen Wechsel nach Valencia ist er weiter gereift.

"Maschine" Sakho - schnell, knallhart und abgeklärt

Der Mann der Zukunft, vielleicht aber auch schon der Gegenwart, ist Mamadou Sakho, der "Gladiator" genannt wird. Er hat eine unglaubliche Physis, und er ist erst 21. Eine richtige Maschine, schnell, knallhart im Zweikampf, aber auch schon abgeklärt am Ball. Es gibt noch weitere Kandidaten, mit denen zu rechnen ist: Philippe Mexès vom AC Mailand und, auch wenn er diesmal nicht dabei ist, Laurent Koscielny, der beim FC Arsenal mit Per Mertesacker in der Abwehr spielt. Er hat es geschafft, in dieser starken Mannschaft Stammspieler zu werden. Seine Stärke liegt besonders im Spielaufbau.

Die unerfreulichen Ereignisse bei der WM in Südafrika haben Spuren hinterlassen, auch bei Patrice Evra, der damals Kapitän war. Laurent Blanc hat ihn zurückgeholt, das zeigt seine Größe. Er hat gesagt: "Jeder hat das Recht auf eine zweite Chance." Evra zählt für mich immer noch zu den besten Außenverteidigern der Welt. Er ist ein intelligenter Junge, dynamisch und laufstark, schlägt klasse Flanken. Ein weiterer Spieler, der links hinten eingesetzt wird, ist Jérémy Mathieu vom FC Valencia, 1,90 Meter groß, einsatzfreudig und kraftvoll, mit einem starken linken Fuß, einer wie Marcell Jansen. Rechts wird es wohl ein Duell zwischen Anthony Réveillère und Mathieu Debuchy geben. Für Réveillère spricht sicher seine Erfahrung, für Debuchy seine Flanken.

"Nasri ist ein kompletter Fußballer"

Alou Diarra, der in seiner Jugend mal bei Bayern München gespielt hat, gehört zu denen, auf die Laurent Blanc setzt. Er war schon sein Kapitän in Bordeaux. Diarra ist eine Führungspersönlichkeit, stark im Zweikampf und im Kopfball. Ich persönlich schätze aber Yann M’Vila und Yohan Cabaye als defensive Mittelfeldspieler etwas stärker ein. Cabaye hat sich bei Newcastle United auf Anhieb durchgesetzt, er ist spielintelligent und passsicher, erkennt Situationen sehr schnell. M’Vila ist mit seinen 21 Jahren schon richtig weit, lauf- und zweikampfstark, er macht so gut wie keine Fehler und ist immer anspielbar. Von ihm werden wir noch einiges hören. Maxime Gonalons aus Lyon ist ein Newcomer im Nationalteam, ein Typ wie Diarra.

Aktueller "Fußballer des Jahres" in Frankreich ist Samir Nasri, der sowohl bei Arsenal als auch bei Manchester City überzeugt hat. Ein kompletter Fußballer, der den Unterschied machen und mit einer Standardsituation oder einer überraschenden Idee ein Spiel allein entscheiden kann. Er lenkt das Spiel und wird immer wieder mit Zidane verglichen, nicht nur, weil er wie Zidane aus Marseille kommt. Das war am Anfang nicht leicht für ihn, aber er hat sich freigeschwommen. Der Wechsel nach England hat ihm gutgetan. Yoann Gourcuff war lange am Sprunggelenk verletzt, auch er kann an einem guten Tag den Unterschied machen. Aber er muss Konstanz in seine Leistungen bringen. Den Sprung vom Talent zum Etablierten hat er noch nicht ganz geschafft.

"Wenn Ribéry in Top-Form ist, hält ihn keiner auf"

Franck Ribéry ist derzeit der bekannteste Franzose in Deutschland, und das völlig zu Recht. Wenn er in Top-Form ist, hält ihn keiner auf. Solch eine fußballerische Klasse besitzen nur wenige. Was er in der Bundesliga zeigt, ruft er für meinen Geschmack aber noch etwas zu selten in der Nationalmannschaft ab. Wie er spielt auch Florent Malouda am liebsten auf der linken Offensivseite, er ist der erfahrenste Nationalspieler, sehr dynamisch mit super Flanken, sehr intelligent, und er bringt sich auch in der Defensive ein. Solch einen Spieler hat jeder Trainer gerne im Team.

Auf rechts spielt unter anderem Jérémy Ménez, kein ganz einfacher Typ, aber richtig talentiert. Er ist sehr schnell, hat einen starken Zug zum Tor. Schon mit 21 ist er zum AS Rom gewechselt, hat sich dort prima entwickelt und spielt jetzt bei Paris St. Germain, wo er gelernt hat, Verantwortung zu übernehmen. Er ist in seiner Entwicklung noch nicht am Ende. Marvin Martin ist ein unheimlich guter Vorbereiter, kann aber auch Tore schießen. Und: Er kann den tödlichen Pass spielen, ist wendig, er erinnert mich an Mario Götze. Gegen solche Spielertypen habe ich früher nicht gerne gespielt.

"Die Deutschen wären der Favorit"

In der Spitze führt eigentlich kein Weg an Karim Benzema von Real Madrid vorbei. Ihm wurde oft vorgeworfen, dass er zu leichtfertig mit seinem Talent umgeht. Aber José Mourinho hat es geschafft, ihn wieder in die Spur zu bringen. Wenn du bei Real bestehen willst, musst du an deine Grenzen gehen. Das scheint er begriffen zu haben. Seine Schnelligkeit ist seine größte Stärke, seine Technik ist hervorragend. Er kann eine komplette Abwehrreihe beschäftigen. Loïc Rémy von Olympique Marseille erinnert mich an Thierry Henry, ein schneller, filigraner Spieler, der eine Statur wie ein Leichtathlet hat. Er spürt den Fußball, trifft fast immer die richtigen Entscheidungen. Wie gut er ist, hat auch Borussia Dortmund in der Champions League zu spüren bekommen. Es ist sehr schade, dass Benzema und Rémy verletzungsbedingt heute nicht dabei sein können. So bekommen andere ihre Chance.

Ich muss gestehen: Vor drei Jahren sagte mir der Name Olivier Giroud noch nichts. Da war ich nicht der einzige. Er ist aus dem Nichts gekommen, hat in der Hinrunde 14 Tore für Montpellier geschossen und ist jetzt in der Spitze angekommen. Er ist bullig, Linksfuß, kopfballstark, er hat einfach einen Riecher. Wahrscheinlich ist er ein Spätstarter, so ähnlich wie Luca Toni.

"Landsmann" Gameiro

Über die Entwicklung von Kévin Gameiro freue ich mich besonders. Er ist in Straßburg ausgebildet worden, genau wie ich. Er ist recht klein und auf den ersten Metern brutal schnell, wie Jean-Pierre Papin früher. Wenn er steil geschickt wird, ist er weg. Nach längerer Pause wieder dabei ist England-Legionär Louis Saha.

Deutschland gegen Frankreich – vielleicht sehen wir dieses Spiel auch bei der EM. Die Deutschen wären in dem Fall der Favorit. Der deutsche Fußball hat sich in den vergangenen Jahren enorm entwickelt. Die Spieler können Geschichte schreiben und Europa ihren Stempel aufdrücken. Das Potenzial dazu haben sie. Aber: Diese Generation wird erst zu einer goldenen, wenn sie einen Titel holt. Es würde mich freuen, wenn das schon am 1. Juli in Kiew so weit ist.