Nadine Keßler: Mittendrin statt nur dabei

Die frühere Weltfußballerin Nadine Keßler arbeitet bei der UEFA an der Entwicklung des Frauenfußballs. Deutschland, sagt sie, sei schon sehr weit, in anderen Ländern gebe es jedoch viel zu tun. Am nötigen Einsatz hat es ihr zum Glück noch nie gemangelt.

Für Nadine Keßler ist die Sache ziemlich eindeutig: Sie hatte eine tolle Karriere, sie hat große Erfolge gefeiert, sie hätte gerne noch länger Fußball auf höchstem Niveau gespielt. Aber ihr Körper hat das nicht zugelassen. Vor eineinhalb Jahren musste sie ihre Karriere beenden. Mit 28 Jahren - und nach elf Knieoperationen. "Es ging nicht anders", sagt sie heute. "Damals tat es weh. Ich habe etwas Zeit gebraucht, um mich damit abzufinden. Mittlerweile bin ich wieder glücklich." Das liegt auch daran, weil sie eine neue Aufgabe gefunden hat, die sie voll ausfüllt. Bei der UEFA ist sie als Beraterin für die Entwicklung des Frauenfußballs zuständig. Der Blick zurück schmerzt nicht mehr, weil die Zukunft vielversprechend ist.

"Ich möchte in meiner neuen Funktion den Frauenfußball in allen Ecken Europas weiterentwickeln", sagt die 29-Jährige. "Es vollzieht sich in rasantem Tempo eine tolle Entwicklung, und es bieten sich jetzt Möglichkeiten, von denen ich zu Beginn meiner Karriere nie zu träumen gewagt hätte." Keßler weiß, wovon sie spricht. Sie hat während ihrer Zeit bei Turbine Potsdam und dem VfL Wolfsburg fast alles gewonnen, was man gewinnen kann – viermal die Deutsche Meisterschaft, dreimal die Champions League und genauso oft den DFB-Pokal. Dazu wurde sie mit der DFB-Auswahl 2013 Europameister. Im Januar 2015 wurde sie als "Weltfußballerin des Jahres" geehrt.

Abstand gewonnen

Gerade als sie auf den Höhepunkt ihrer Karriere zusteuerte, machte ihr Körper nicht mehr mit. "Ich habe alles versucht, aber es hatte keinen Sinn mehr", erinnert sich Keßler. "Selbst im Alltag konnte ich mich kaum schmerzfrei gehen. An Fußball war überhaupt nicht zu denken." Seitdem hat sie nie wieder ernsthaft gegen den Ball getreten: "Ich will keinen weiteren Rückschlag mehr riskieren und halte mich lieber auf andere Weise fit. Ich habe jetzt etwas Abstand gewonnen. Und das ist auch gut so." Das Trikot hat sie gegen das Business-Outfit getauscht.

Dass es ganz ohne Fußball nicht geht, war ihr von Anfang an klar. Dieser Sport war schließlich nicht nur viele Jahre lang ihr Lebensmittelpunkt, es war auch ihre große Leidenschaft. Und zumindest daran hat sich nichts geändert. "Deshalb war ich auch so froh, als die Anfrage der UEFA kam", sagt Keßler. Seitdem hat sich die Perspektive verändert. Sie steht jetzt nicht mehr auf dem Platz, im Fokus der Öffentlichkeit. Sie beobachtet das Geschehen jetzt von außen, von der Tribüne aus. Danach analysiert sie und wertet aus.

Ihre große Bühne war zuletzt die EM in den Niederlanden. Keßler hat dort viele Begegnungen live sehen können. Was sie aber vor allem beeindruckt hat, war die Unterstützung, die die Niederländerinnen von ihren Landsleuten erfahren haben. Nachdem die Gastgeberinnen den Titel gewonnen hatten, gab es kein Halten mehr. "Ich hatte das Glück, noch einige Tage länger in den Niederlanden bleiben zu können", sagt Keßler. "Es ist wirklich kaum in Worte zu fassen, welche Unterstützung die Mannschaft dort erhalten hat und wie groß die Euphorie war. Entscheidend ist es nun, davon etwas in den Alltag mitzunehmen."

Erfolgreiche EURO

Noch wichtiger ist es für sie persönlich und aus der Sicht der UEFA allerdings, dass das Turnier insgesamt ein großer Erfolg war: "Wir hatten mit Österreich, den Niederlanden und Dänemark drei vermeintlich kleinere Nationen im Halbfinale. Den großen Ländern tut das natürlich weh. Aber für den Frauenfußball insgesamt ist das super, weil es zeigt, dass er sich auf allen Ebenen in die richtige Richtung bewegt."

Keßler macht dennoch keinen Hehl daraus, dass das nur ein weiterer Schritt gewesen sein kann. "Wir stellen uns immer wieder die Frage, wie wir unseren tollen Sport noch attraktiver gestalten können", betont sie. "Wir wollen erreichen, dass der Frauenfußball europaweit die Anerkennung bekommt, die er verdient hat. In Deutschland sind wir diesbezüglich schon sehr weit. In anderen Ländern allerdings ist in dieser Hinsicht noch einiges zu tun. Aber wir haben den richtigen Weg eingeschlagen." Wer Nadine Keßler kennt, der weiß, dass sie erst zufrieden ist, wenn sie ihre Ziele vollständig erreicht hat. Sie ist eine Kämpferin. Das war früher als Spielerin so. Das ist jetzt in ihrer neuen Funktion so. Früher auf dem Rasen, jetzt am Computer. Ein neuer Lebensabschnitt hat begonnen.

[sw]

Die frühere Weltfußballerin Nadine Keßler arbeitet bei der UEFA an der Entwicklung des Frauenfußballs. Deutschland, sagt sie, sei schon sehr weit, in anderen Ländern gebe es jedoch viel zu tun. Am nötigen Einsatz hat es ihr zum Glück noch nie gemangelt.

Für Nadine Keßler ist die Sache ziemlich eindeutig: Sie hatte eine tolle Karriere, sie hat große Erfolge gefeiert, sie hätte gerne noch länger Fußball auf höchstem Niveau gespielt. Aber ihr Körper hat das nicht zugelassen. Vor eineinhalb Jahren musste sie ihre Karriere beenden. Mit 28 Jahren - und nach elf Knieoperationen. "Es ging nicht anders", sagt sie heute. "Damals tat es weh. Ich habe etwas Zeit gebraucht, um mich damit abzufinden. Mittlerweile bin ich wieder glücklich." Das liegt auch daran, weil sie eine neue Aufgabe gefunden hat, die sie voll ausfüllt. Bei der UEFA ist sie als Beraterin für die Entwicklung des Frauenfußballs zuständig. Der Blick zurück schmerzt nicht mehr, weil die Zukunft vielversprechend ist.

"Ich möchte in meiner neuen Funktion den Frauenfußball in allen Ecken Europas weiterentwickeln", sagt die 29-Jährige. "Es vollzieht sich in rasantem Tempo eine tolle Entwicklung, und es bieten sich jetzt Möglichkeiten, von denen ich zu Beginn meiner Karriere nie zu träumen gewagt hätte." Keßler weiß, wovon sie spricht. Sie hat während ihrer Zeit bei Turbine Potsdam und dem VfL Wolfsburg fast alles gewonnen, was man gewinnen kann – viermal die Deutsche Meisterschaft, dreimal die Champions League und genauso oft den DFB-Pokal. Dazu wurde sie mit der DFB-Auswahl 2013 Europameister. Im Januar 2015 wurde sie als "Weltfußballerin des Jahres" geehrt.

Abstand gewonnen

Gerade als sie auf den Höhepunkt ihrer Karriere zusteuerte, machte ihr Körper nicht mehr mit. "Ich habe alles versucht, aber es hatte keinen Sinn mehr", erinnert sich Keßler. "Selbst im Alltag konnte ich mich kaum schmerzfrei gehen. An Fußball war überhaupt nicht zu denken." Seitdem hat sie nie wieder ernsthaft gegen den Ball getreten: "Ich will keinen weiteren Rückschlag mehr riskieren und halte mich lieber auf andere Weise fit. Ich habe jetzt etwas Abstand gewonnen. Und das ist auch gut so." Das Trikot hat sie gegen das Business-Outfit getauscht.

Dass es ganz ohne Fußball nicht geht, war ihr von Anfang an klar. Dieser Sport war schließlich nicht nur viele Jahre lang ihr Lebensmittelpunkt, es war auch ihre große Leidenschaft. Und zumindest daran hat sich nichts geändert. "Deshalb war ich auch so froh, als die Anfrage der UEFA kam", sagt Keßler. Seitdem hat sich die Perspektive verändert. Sie steht jetzt nicht mehr auf dem Platz, im Fokus der Öffentlichkeit. Sie beobachtet das Geschehen jetzt von außen, von der Tribüne aus. Danach analysiert sie und wertet aus.

Ihre große Bühne war zuletzt die EM in den Niederlanden. Keßler hat dort viele Begegnungen live sehen können. Was sie aber vor allem beeindruckt hat, war die Unterstützung, die die Niederländerinnen von ihren Landsleuten erfahren haben. Nachdem die Gastgeberinnen den Titel gewonnen hatten, gab es kein Halten mehr. "Ich hatte das Glück, noch einige Tage länger in den Niederlanden bleiben zu können", sagt Keßler. "Es ist wirklich kaum in Worte zu fassen, welche Unterstützung die Mannschaft dort erhalten hat und wie groß die Euphorie war. Entscheidend ist es nun, davon etwas in den Alltag mitzunehmen."

Erfolgreiche EURO

Noch wichtiger ist es für sie persönlich und aus der Sicht der UEFA allerdings, dass das Turnier insgesamt ein großer Erfolg war: "Wir hatten mit Österreich, den Niederlanden und Dänemark drei vermeintlich kleinere Nationen im Halbfinale. Den großen Ländern tut das natürlich weh. Aber für den Frauenfußball insgesamt ist das super, weil es zeigt, dass er sich auf allen Ebenen in die richtige Richtung bewegt."

Keßler macht dennoch keinen Hehl daraus, dass das nur ein weiterer Schritt gewesen sein kann. "Wir stellen uns immer wieder die Frage, wie wir unseren tollen Sport noch attraktiver gestalten können", betont sie. "Wir wollen erreichen, dass der Frauenfußball europaweit die Anerkennung bekommt, die er verdient hat. In Deutschland sind wir diesbezüglich schon sehr weit. In anderen Ländern allerdings ist in dieser Hinsicht noch einiges zu tun. Aber wir haben den richtigen Weg eingeschlagen." Wer Nadine Keßler kennt, der weiß, dass sie erst zufrieden ist, wenn sie ihre Ziele vollständig erreicht hat. Sie ist eine Kämpferin. Das war früher als Spielerin so. Das ist jetzt in ihrer neuen Funktion so. Früher auf dem Rasen, jetzt am Computer. Ein neuer Lebensabschnitt hat begonnen.