Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt: Der "beste Arzt der Welt" wird 75

Er hält sie alle am Laufen. Der 16-jährige Usain Bolt kam begleitet vom Trainer in seine Praxis und wurde anschließend achtmaliger Olympiasieger. Dreimal in Folge gewann der beste Sprinter aller Zeiten bei Olympia Gold über die 100 und 200 Meter. Paula Radcliffe gewann addiert sechsmal den Marathon in London und New York und hält mit 2:15:25 Minuten bis heute den Weltrekord. 17 Jahre war sie seine Patientin. Radcliffe sagt: "Viele Athleten kennen ihn. Er ist jemand, dem man vertraut." Boris Becker, Katarina Witt oder Cristiano Ronaldo, aber auch Bono, Luciano Pavarotti, Thomas Gottschalk oder Bruce Springsteen – sie alle waren oder sind bis heute seine Patienten. Es ist die A-Liste der Prominenz, sie alle glauben an ihn. Als Bolt das olympische 100-Meter-Finale 2012 in London in 9,63 Sekunden gewonnen hatte, sagte der Superstar aus Jamaika: "Er ist der beste Arzt der Welt." Die Rede ist natürlich von Dr. Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt. Seit 1995 betreut er die deutsche Nationalmannschaft. Heute feiert er seinen 75. Geburtstag.

Wer sich davon überzeugen will, dass das unmöglich stimmen kann, dass hier irgend eine fehlerhafte Eintragung bei der Geburtsurkunde passiert sein muss, der sollte auf jeden Fall am 1. September den Fernseher einschalten. Dann spielt die Mannschaft in Prag gegen Tschechien, es geht um die Qualifikation für die WM 2018, und ganz bestimmt wird beim Schwenk über die Bank auch mal Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt zu sehen sein. Oder spätestens, wenn er schnellen Schrittes und wehenden Haares zur Erstversorgung eines Spielers aufs Feld stürmt.

Sohn einer Pastorenfamilie

Müller-Wohlfahrt, geboren als Hans-Wilhelm Müller in Leerhafe in Ostfriesland, seit der Heirat mit Ehefrau Karin auch mit doppeltem Nachnamen, hätte Pfarrer werden und die Gemeinde seines Vaters Diederich übernehmen sollen. Stattdessen studierte er in Kiel und in Innsbruck, absolvierte dann eine Facharzt-Ausbildung in Berlin, war Mannschaftsarzt von Hertha BSC (1975 bis 1977), ehe ihn der FC Bayern abwarb. Seit 1995 gehört er dem Ärztestab der Nationalmannschaft an.

Der Sohn einer Pastorenfamilie, der in den 60er Jahren Medizin in Berlin studierte und zum bekanntesten Sportmediziner der Welt avancierte, kennt im Kreis seiner "Familie", der deutschen Nationalmannschaft und deren Betreuerstab, absolut keinerlei Allüren und benutzt überzeugt die zweite Person Singular. "Unter Sportlern duzt man sich", sagt er. Meldet sich einer seiner berühmten Patienten mit einer akuten Malaise, sitzt "Mull" sehr schnell in der Maschine. Diese persönliche Bindung erklärt durchaus zum Teil die hohe Wirksamkeit seiner Behandlungen.

Er lehnt Interviews fast immer ab, auch weil ihm aufgrund der ungeheuren Belastung schlicht die Zeit fehlt – man sieht ihn manchmal um Mitternacht im Lehel joggen – aber in einem langen Gespräch mit dem Magazin der Süddeutschen Zeitung beschrieb er vor ein paar Jahren ausführlich seinen Behandlungsstil. Diesen magischen Moment, wenn er beim verletzten Spieler auf dem Feld angekommen ist. "Ich lege einen oder zwei Finger an und spüre die Muskelspannung. Dann gleite ich auf dem Muskel von oben nach unten und wieder zurück, dann quer. Jetzt kommt die Phase der höchsten Konzentration: Ich tauche quasi in den Muskel ein, finde mich in der Anatomie zurecht und kann ertasten, ob es Unregelmäßigkeiten gibt." Er sagt, dass er sehr intensiv das Spiel erfolgt, denn aus der Aktion lernt er schon etwas über die mögliche Art der Verletzung.

"Ich bin so: Volldampf"

Dieses "Sehen mit den Fingern" beherrscht er besser als jeder andere Sportmediziner auf der Welt. Auch über seine erste Begegnung mit dem Sportler sprach er im SZ-Magazin: "Ich bin sogar sicher, da kann ich helfen! So komme ich zum Patienten. Der Gesichtsausdruck, das Auftreten. Der Patient nimmt alles in Sekundenschnelle wahr: Da kommt jemand, der fühlt sich sicher, der hat keine Angst vor dem schwierigen Fall – der packt an! Und ich komme mit einem ziemlichen Schwung in das Untersuchungszimmer – wohlgemut! Das trifft es: wohlgemut."

Über sich selbst, sein unglaubliches Pensum, sagt er: "Ich bin so: Volldampf". Am 12. August 1942 erblickte er in Leerhafe, heute ein Ortsteil vom Ostfriesischen Wittmund, das Licht der Welt. Seitdem hat er unglaublich vielen Menschen geholfen, Schmerzen gelindert und vielen ermöglicht, noch ein paar Jahre länger im Zenit ihrer Leistungskraft tätig zu sein, auf der Konzertbühne, auf der Laufbahn und vor allem auf dem Fußballplatz. Am Samstag nun feiert er mit seiner Frau Karin seinen 75. Geburtstag. Gut möglich, dass er zwischendrin mal einige Befunde bearbeitet, ein paar Telefonate führt. Lieber Mull, der DFB sagt: Herzlichen Glückwunsch!

[dfb/sid]

Er hält sie alle am Laufen. Der 16-jährige Usain Bolt kam begleitet vom Trainer in seine Praxis und wurde anschließend achtmaliger Olympiasieger. Dreimal in Folge gewann der beste Sprinter aller Zeiten bei Olympia Gold über die 100 und 200 Meter. Paula Radcliffe gewann addiert sechsmal den Marathon in London und New York und hält mit 2:15:25 Minuten bis heute den Weltrekord. 17 Jahre war sie seine Patientin. Radcliffe sagt: "Viele Athleten kennen ihn. Er ist jemand, dem man vertraut." Boris Becker, Katarina Witt oder Cristiano Ronaldo, aber auch Bono, Luciano Pavarotti, Thomas Gottschalk oder Bruce Springsteen – sie alle waren oder sind bis heute seine Patienten. Es ist die A-Liste der Prominenz, sie alle glauben an ihn. Als Bolt das olympische 100-Meter-Finale 2012 in London in 9,63 Sekunden gewonnen hatte, sagte der Superstar aus Jamaika: "Er ist der beste Arzt der Welt." Die Rede ist natürlich von Dr. Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt. Seit 1995 betreut er die deutsche Nationalmannschaft. Heute feiert er seinen 75. Geburtstag.

Wer sich davon überzeugen will, dass das unmöglich stimmen kann, dass hier irgend eine fehlerhafte Eintragung bei der Geburtsurkunde passiert sein muss, der sollte auf jeden Fall am 1. September den Fernseher einschalten. Dann spielt die Mannschaft in Prag gegen Tschechien, es geht um die Qualifikation für die WM 2018, und ganz bestimmt wird beim Schwenk über die Bank auch mal Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt zu sehen sein. Oder spätestens, wenn er schnellen Schrittes und wehenden Haares zur Erstversorgung eines Spielers aufs Feld stürmt.

Sohn einer Pastorenfamilie

Müller-Wohlfahrt, geboren als Hans-Wilhelm Müller in Leerhafe in Ostfriesland, seit der Heirat mit Ehefrau Karin auch mit doppeltem Nachnamen, hätte Pfarrer werden und die Gemeinde seines Vaters Diederich übernehmen sollen. Stattdessen studierte er in Kiel und in Innsbruck, absolvierte dann eine Facharzt-Ausbildung in Berlin, war Mannschaftsarzt von Hertha BSC (1975 bis 1977), ehe ihn der FC Bayern abwarb. Seit 1995 gehört er dem Ärztestab der Nationalmannschaft an.

Der Sohn einer Pastorenfamilie, der in den 60er Jahren Medizin in Berlin studierte und zum bekanntesten Sportmediziner der Welt avancierte, kennt im Kreis seiner "Familie", der deutschen Nationalmannschaft und deren Betreuerstab, absolut keinerlei Allüren und benutzt überzeugt die zweite Person Singular. "Unter Sportlern duzt man sich", sagt er. Meldet sich einer seiner berühmten Patienten mit einer akuten Malaise, sitzt "Mull" sehr schnell in der Maschine. Diese persönliche Bindung erklärt durchaus zum Teil die hohe Wirksamkeit seiner Behandlungen.

Er lehnt Interviews fast immer ab, auch weil ihm aufgrund der ungeheuren Belastung schlicht die Zeit fehlt – man sieht ihn manchmal um Mitternacht im Lehel joggen – aber in einem langen Gespräch mit dem Magazin der Süddeutschen Zeitung beschrieb er vor ein paar Jahren ausführlich seinen Behandlungsstil. Diesen magischen Moment, wenn er beim verletzten Spieler auf dem Feld angekommen ist. "Ich lege einen oder zwei Finger an und spüre die Muskelspannung. Dann gleite ich auf dem Muskel von oben nach unten und wieder zurück, dann quer. Jetzt kommt die Phase der höchsten Konzentration: Ich tauche quasi in den Muskel ein, finde mich in der Anatomie zurecht und kann ertasten, ob es Unregelmäßigkeiten gibt." Er sagt, dass er sehr intensiv das Spiel erfolgt, denn aus der Aktion lernt er schon etwas über die mögliche Art der Verletzung.

"Ich bin so: Volldampf"

Dieses "Sehen mit den Fingern" beherrscht er besser als jeder andere Sportmediziner auf der Welt. Auch über seine erste Begegnung mit dem Sportler sprach er im SZ-Magazin: "Ich bin sogar sicher, da kann ich helfen! So komme ich zum Patienten. Der Gesichtsausdruck, das Auftreten. Der Patient nimmt alles in Sekundenschnelle wahr: Da kommt jemand, der fühlt sich sicher, der hat keine Angst vor dem schwierigen Fall – der packt an! Und ich komme mit einem ziemlichen Schwung in das Untersuchungszimmer – wohlgemut! Das trifft es: wohlgemut."

Über sich selbst, sein unglaubliches Pensum, sagt er: "Ich bin so: Volldampf". Am 12. August 1942 erblickte er in Leerhafe, heute ein Ortsteil vom Ostfriesischen Wittmund, das Licht der Welt. Seitdem hat er unglaublich vielen Menschen geholfen, Schmerzen gelindert und vielen ermöglicht, noch ein paar Jahre länger im Zenit ihrer Leistungskraft tätig zu sein, auf der Konzertbühne, auf der Laufbahn und vor allem auf dem Fußballplatz. Am Samstag nun feiert er mit seiner Frau Karin seinen 75. Geburtstag. Gut möglich, dass er zwischendrin mal einige Befunde bearbeitet, ein paar Telefonate führt. Lieber Mull, der DFB sagt: Herzlichen Glückwunsch!

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