Moritz Bleibtreu: "Lauf dich wund, dann wird dir verziehen"

Helden-Rollen sind nichts für Moritz Bleibtreu. Zumindest als Schauspieler bevorzugt er die Verlierertypen. In Filmen wie „Knockin‘ On Heaven’s Door“, „Soul Kitchen“ oder „Nicht mein Tag“ hat der 44-Jährige diese Rollen mit Leben gefüllt. Sogar so überzeugend, dass er regelmäßig mit Preisen ausgezeichnet wird. Im Fußball macht Moritz Bleibtreu, dessen neuer Film „Die dunkle Seite des Mondes“ im Januar in die Kinos kommt und der im kommenden Jahr den zweiten Teil von „Lammbock“ dreht, jedoch schon mal eine Ausnahme. Zumindest wenn es um die Nationalmannschaft geht, hat er durchaus Sympathie für Sieger. Im DFB.de-Interview hat der Schauspieler mit Redakteur Niels Barnhofer über das Loser-Gen, den Libero und den Lowkick gesprochen.

DFB.de: Herr Bleibtreu, Sie haben mal gesagt: „Viele Helden-Rollen reizen mich als Schauspieler nicht, diese Sieger-Typen.“ Gilt das auch für die Wahl Ihres Lieblingsvereins?

Moritz Bleibtreu: (lacht) Spielen Sie darauf an, dass ich aus Hamburg komme? Und eine Affinität zum FC St. Pauli habe? Wobei ich schon sagen muss, dass „Born to lose“ ein sehr sympathischer Slogan für ein Team ist.

DFB.de: Ist der Transfer also erlaubt?

Bleibtreu: Ja. In der Schauspielerei bezieht sich das darauf, dass die meisten doch recht klar gestrickten Helden nicht ganz so facettenreich sind. Sie stehen in der dramaturgischen Verantwortung, eine Geschichte voranzubringen. Sie haben keine so wahnsinnige emotionale Entwicklung und sind deswegen – aus meiner Sicht – häufiger uninteressant. Beim Sport ist es bei mir so, dass mein Herz für den Underdog schlägt. Am allermeisten manifestiert sich das im Boxen. Immer wenn einer kleiner ist, will ich, dass der gewinnt. So ein bisschen habe ich das Loser-Gen auch in mir.

DFB.de: Und beim Fußball?

Bleibtreu: Mein bester Freund ist Bayern-Fan. Das liefert natürlich für mich als Hamburger jede Menge Diskussionsstoff. Ich bin einfach jemand, der sich mit dem Außenseiter solidarisiert. Insofern finde ich den FC St. Pauli schon einen sehr sympathischen Verein. Aber ich habe mein Herz nicht wirklich an einen Fußball-Verein vergeben.

DFB.de: Ihr Zitat geht wie folgt weiter: „Aus kleineren Rollen kann man oft viel mehr machen, weil die Figur liebenswert oder skurril oder ein bisschen zerbrochen ist.“ Klingt das immer noch nach dem FC St. Pauli?



Helden-Rollen sind nichts für Moritz Bleibtreu. Zumindest als Schauspieler bevorzugt er die Verlierertypen. In Filmen wie „Knockin‘ On Heaven’s Door“, „Soul Kitchen“ oder „Nicht mein Tag“ hat der 44-Jährige diese Rollen mit Leben gefüllt. Sogar so überzeugend, dass er regelmäßig mit Preisen ausgezeichnet wird. Im Fußball macht Moritz Bleibtreu, dessen neuer Film „Die dunkle Seite des Mondes“ im Januar in die Kinos kommt und der im kommenden Jahr den zweiten Teil von „Lammbock“ dreht, jedoch schon mal eine Ausnahme. Zumindest wenn es um die Nationalmannschaft geht, hat er durchaus Sympathie für Sieger. Im DFB.de-Interview hat der Schauspieler mit Redakteur Niels Barnhofer über das Loser-Gen, den Libero und den Lowkick gesprochen.

DFB.de: Herr Bleibtreu, Sie haben mal gesagt: „Viele Helden-Rollen reizen mich als Schauspieler nicht, diese Sieger-Typen.“ Gilt das auch für die Wahl Ihres Lieblingsvereins?

Moritz Bleibtreu: (lacht) Spielen Sie darauf an, dass ich aus Hamburg komme? Und eine Affinität zum FC St. Pauli habe? Wobei ich schon sagen muss, dass „Born to lose“ ein sehr sympathischer Slogan für ein Team ist.

DFB.de: Ist der Transfer also erlaubt?

Bleibtreu: Ja. In der Schauspielerei bezieht sich das darauf, dass die meisten doch recht klar gestrickten Helden nicht ganz so facettenreich sind. Sie stehen in der dramaturgischen Verantwortung, eine Geschichte voranzubringen. Sie haben keine so wahnsinnige emotionale Entwicklung und sind deswegen – aus meiner Sicht – häufiger uninteressant. Beim Sport ist es bei mir so, dass mein Herz für den Underdog schlägt. Am allermeisten manifestiert sich das im Boxen. Immer wenn einer kleiner ist, will ich, dass der gewinnt. So ein bisschen habe ich das Loser-Gen auch in mir.

DFB.de: Und beim Fußball?

Bleibtreu: Mein bester Freund ist Bayern-Fan. Das liefert natürlich für mich als Hamburger jede Menge Diskussionsstoff. Ich bin einfach jemand, der sich mit dem Außenseiter solidarisiert. Insofern finde ich den FC St. Pauli schon einen sehr sympathischen Verein. Aber ich habe mein Herz nicht wirklich an einen Fußball-Verein vergeben.

DFB.de: Ihr Zitat geht wie folgt weiter: „Aus kleineren Rollen kann man oft viel mehr machen, weil die Figur liebenswert oder skurril oder ein bisschen zerbrochen ist.“ Klingt das immer noch nach dem FC St. Pauli?

Bleibtreu: Ja, weil der FC St. Pauli den Leuten weit über das Spiels hinaus etwas bedeutet. Es geht darum, für etwas zu stehen, für einen Inhalt, für eine Idee, für Werte.

DFB.de: Gibt es Parallelen zwischen Schauspielerei und Fußball?

Bleibtreu: Ja, sogar wahnsinnig viele. Jürgen Flimm (Anm. d. Red.: Intendant der Berliner Staatsoper), unter dem ich früher am Thalia Theater in Hamburg gearbeitet habe, ist ein großer Fußball-Fan, er ist ein guter Freund von Otto Rehhagel. Er hat immer wieder spannende Vergleiche zwischen dem Fußball und der Filmemacherei gezogen.

DFB.de: Welche?

Bleibtreu: Beides beruht auf Team-Leistungen. Wir sind darauf angewiesen, dass jeder auf seiner Position so gut spielt, wie er nur irgend kann. Nur wenn alles ineinander greift, dreht man einen guten Film oder liefert ein gutes Spiel. Es braucht auf den verschiedenen Positionen unterschiedliche Charaktere. Es braucht einen Star, einen der sich den Ball schnapp, nach vorne läuft, nicht drüber nachdenkt, und das Ding wie Robben reinknallt. Es braucht aber auch diejenigen, die hinten drinstehen, die die Taktik prägen, die den Ball verteilen, die darüber nachdenken, wie man das Spiel aufbaut, die im Stande sind, die Kräfte einzuteilen, die den Nebenleuten verständlich machen müssen, wann sie sich zurücknehmen sollen und wann sie vorne drauf gehen müssen. Es braucht einen Regisseur oder Trainer, der das Ganze von oben sieht. Es braucht einen, der den organisatorischen Part übernimmt, als Produzent oder Manager. Und nicht zuletzt braucht es das Publikum, das sich für das Dargebotene begeistert. Also, da gibt es sehr, sehr viele Parallelen.

DFB.de: Welche Position haben Sie inne?

Bleibtreu: Ganz klassisch: Libero. Es ist eine Position, die keiner mehr so richtig spielt. Aber wenn der Libero gut ausgebildet ist, kann er fast alles im Mittelfeld oder der Abwehr spielen. Er ist nicht derjenige, der sofort mit dem Kopf durch die Wand geht, aber er ist die Bank, die hinten drinsteht und sich ums Team kümmert. So würde ich mich da am ehesten sehen.

DFB.de: Ihre Qualitäten als Schauspieler sind bekannt, wo liegen Ihre Talente als Fußballer?

Bleibtreu: Schlichtweg nicht vorhanden. Ich habe mein Leben lang Kampfsport gemacht. Schon mit jungen Jahren habe ich damit angefangen. Und dann ist es ja auch so, dass manche Züge einfach bestimmend werden. Also, wenn ich einen Ball trete, sieht das aus, als würde ich einen Lowkick machen. Das ist eine Bewegung, die ist mir in Fleisch und Blut übergegangen ist. Ein Tritt, der beim Fußball völlig artfremd ist. In meiner Jugend habe ich mich nie für Team-Sport interessiert. Ich war immer ein Einzelsportler. Mir hat Kampfsport Spaß gemacht, ich habe Tennis gespielt. Ich mochte Sachen, bei denen ich alleine dastehen konnte. Fußball hat sich mir nie so richtig erschlossen. Das kam erst später.

DFB.de: Gab es in Ihrer Jugend denn niemand, der Sie in Sachen Fußball mitgerissen hat?

Bleibtreu: Doch. Irgendwann ging es halt los. Ich habe einen fußballbegeisterten und auch hochbegabten Freund, der knapp an der Profi-Karriere vorbei geschrammt ist, wirklich ein hervorragender Fußballer. Der hat mich dann auch dazu gebracht, zumindest den Ball ein bisschen hochzuhalten. Aber ich bin da eigentlich gänzlich unbegabt. Fußball und ich – ich glaube, das wird auch nichts mehr. Dennoch gucke ich mir gerne Spiele im Fernsehen an.

DFB.de: Wie halten Sie es mit der Nationalmannschaft?

Bleibtreu: Wenn gespielt wird, gucke ich. Ich bin aber keiner, der sich an den ganzen Diskussionen um ein Spiel beteiligt. Von wegen schwache Leistung gegen schwachen Gegner und so. Ich meine, wenn es drum geht, ist auf die deutsche Nationalmannschaft Verlass. Die WM 2014 in Brasilien habe ich total verfolgt. Das hat Spaß gemacht. Das war schon eine schöne Zeit. Ich freue mich immer wieder auf große Turniere. Dann hoffe ich auch, dass ich genug Zeit habe und nicht gerade drehen muss. Und wenn wir drehen, muss halt ein Monitor aufgestellt werden, damit wir die Spiele trotzdem gucken können. Also, das verfolge ich dann schon, ganz klar.

DFB.de: Wie intensiv sind Sie dann dabei?

Bleibtreu: Ich bin schon emotional, allerdings mit einer Distanz. Ich kann jederzeit rationell werden und sagen, das tangiert mich eigentlich gar nicht. Klar möchte ich, dass die eine Partei gewinnt, aber es geht die Welt für mich auch nicht unter, wenn sie es nicht tut. Für mich bleibt es ein Spiel.

DFB.de: Haben Sie dennoch eine schönste Erinnerung an die Nationalmannschaft?

Bleibtreu: Die WM in Deutschland ist eine prägende Erinnerung für mich. Weil ich da das erste Mal wirklich viele Spiele gesehen habe. Ich war unter anderem beim Viertelfinale gegen Argentinien, beim Halbfinale gegen Italien und beim Finale. Ich habe die großen, starken Spiele gesehen. Das Spiel gegen Argentinien war der absolute Oberknaller. Dieses Fußballspiel werde ich nie vergessen.

DFB.de: Wie sehr fiebern Sie der EURO 2016 entgegen?

Bleibtreu: Große Turniere sind mein Ding. Ich freue mich, dass nächstes Jahr wieder eines stattfindet.

DFB.de: Hoffen Sie dann wieder auf eine Helden-Rolle der DFB-Auswahl?

Bleibtreu: Selbstverständlich. Aber ich bin da bei weitem nicht so verbissen. Ich finde, das ist auch noch eine Parallele zum Filmemachen. Es gibt Tage, da läuft es besser, und es gibt Tage, da läuft es nicht so gut. Manchmal greift alles ineinander, da funktioniert alles. Und an anderen Tagen ist der Wurm drin und man kriegt es einfach nicht in den Griff.

DFB.de: Können Sie schlechte Leistungen entschuldigen?

Bleibtreu: Natürlich ist man als Fan traurig, wenn seine Mannschaft verliert. Aber es lässt sich leichter ertragen, wenn man erkannt hat, dass die Spieler alles gegeben haben, wenn sie sich aufgerieben und wirklich alles versucht haben. Dann hat man auch in der Niederlage Respekt vor dem, was sie geleistet haben.

DFB.de: Beruht diese Aussage auf Beobachtungen?

Bleibtreu: Ich erinnere mich an das Achtelfinale bei der WM 2006: England gegen Ecuador. Das war das berühmte Spiel, in dem sich Beckham übergeben musste. Das ist genau vor uns passiert. Das war ein Moment, in dem sich die gesamten Vorurteile gegenüber Beckham innerhalb dieser Sekunde erledigt hatten. Der ist so gerannt. Man kriegt diese Anstrengung zu Hause vor dem Fernseher gar nicht mit. Erst wenn man im Stadion sitzt, sieht man, was der leistet. Es wird einem bewusst, dass der die letzten 100 Meter im Sprint zurückgelegt hat – und das Ganze geht dann sofort wieder in die andere Richtung zurück. Das ist beeindruckend. Das ist Wahnsinn. Man muss halt gelaufen, gerannt sein, auch wenn man nicht so gut war, man muss sich wundgelaufen haben, dann wird einem viel verziehen. Wenn man etwas spürbar mit Liebe und Leidenschaft macht, dann ist auch keiner sauer, wenn man am Ende doch nicht als Sieger dasteht.

DFB.de: Da spricht dann auch wieder die Sympathie für den tragischen Helden raus.

Bleibtreu: Ja, immer!