"Mit guten Leuten gute Sachen für den guten Zweck umsetzen"

Weltmeister*innen, Europameister*innen, Bundesliga-Stars, zahlreiche Titeljäger*innen und Torschützenkönig*innen, die meisten aus den 90er- und Nuller-Jahren, treten am Mittwochabend (ab 20.30 Uhr, live auf Sport1) bei "Hilfe nach der Flut: Das Benefizspiel des Fußballs" an. Im Trierer Moselstadion kommt es zum Vergleich der gemischt auflaufenden DFB-All-Stars und der LOTTO-Elf Rheinland-Pfalz. Mit dabei sind auch Renate Lingor und Jens Nowotny. Die beiden werden auf dem Platz stehen. Als Schirmherrin beziehungsweise Schirmherr der DFB-All-Stars sind sie aber über die Rolle als Spieler*in hinaus rund um das Spiel engagiert. Im DFB.de-Interview sprechen sie über das Benefizspiel und grundsätzlich über das Projekt DFB-All-Stars, mit dem sie viel bewegen und erreichen wollen.

DFB.de: Frau Lingor, Herr Nowotny, die DFB-All-Stars spielen am Mittwoch im Moselstadion in Trier zu Gunsten der Opfer der Flutkatastrophe. Als Schirmherrin und Schirmherr der All-Stars sind Sie stark eingebunden in alle Abläufe des Spiels. Wie turbulent waren die vergangenen Tage?

Renate Lingor: Es war durchaus hektisch, aber das ist gar nicht das Thema. Die Bilder der Menschen in den betroffenen Gebieten und das Ausmaß der Zerstörung waren schockierend. Für mich auch deswegen, weil ich in meiner Karriere häufig in Bad Neuenahr gespielt habe und über diese Kontakte auch ehemalige Spielerinnen kenne, die persönlich betroffen sind. Die Aufnahmen vom zerstörten Vereinsgelände haben mich bewegt, so wie grundsätzlich das Schicksal von so vielen Menschen, denen von jetzt auf gleich alles genommen wurde. Für mich war sofort klar, dass ich hier aktiv werden und helfen will. Und natürlich lag es dann nahe, dass wir uns über die DFB-All-Stars engagieren.

Jens Nowotny: Diese Katastrophe hat leider viele Todesopfer gefordert. Mein tiefes Beileid gilt hier allen Angehörigen und Freunden. Allen Verletzten wünsche ich, dass sie schnell wieder auf die Beine kommen. Hier sind vielfach die Ärzte gefordert, die durch Corona ohnehin extrem belastet waren und sind. Ich finde: Bei allem Materiellen sind wir gefordert, als Gesellschaft, aber jeder entsprechend seiner Möglichkeiten auch individuell. Mit den All-Stars haben wir eine schöne Option, um unsere Solidarität zu zeigen. Wir haben Spaß, wir spielen Fußball, und wir bewirken damit Gutes. Ich empfinde es als großes Glück, auf diese Weise etwas zurückzugeben.

Lingor: Mich freut es, wie groß die Bereitschaft ist, zu helfen. Das gilt für die Menschen in Deutschland insgesamt, aber das gilt eben auch für den Kreis der DFB-All-Stars. Ich finde, dass wir einen tollen Kader zusammenhaben, viele große Spieler*innen-Persönlichkeiten, viele tolle Fußballer*innen, die sofort zugesagt haben. Ein Dank möchte ich der DFB-Stiftung Sepp Herberger sagen und dem DFB insgesamt. Es ist keine leichte Aufgabe, ein solches Spiel so schnell auf die Beine zu stellen. Das war nur möglich, weil viele Menschen fleißig und mit großer Kompetenz gearbeitet haben. Auch hier war die Hilfsbereitschaft groß, alle hatten Lust, dieses Benefizspiel zu unterstützen und zu einem Erfolg werden zu lassen. Das gilt in gleicher Weise für Robin Koch und sein Team, die als Initiatoren tolle Mitspieler sind.

DFB.de: Bei den DFB-All-Stars stehen ehemalige Nationalspielerinnen und Nationalspieler in einer gemischten Mannschaft gemeinsam auf dem Rasen. Frau Lingor – auf welchen Mitspieler freuen Sie sich besonders?

Lingor: Ich weiß gar nicht mehr, wann ich zuletzt Fußball gespielt habe, insofern bin ich vor allem gespannt, wie es sich anfühlt, mal wieder gegen den Ball zu treten. Und ich hoffe, dass Trainer Otto Rehhagel und Trainerin Doris Fitschen nachsichtig sind. Mir wurde früher nachgesagt, dass mein Radius überschaubar ist – diesen Ruf werde ich nicht widerlegen. (lacht) Aber vielleicht gibt es ja den einen oder anderen Mann, der für mich ein paar Wege geht.

Nowotny: Warum guckst Du mich jetzt an? (lacht) Bei diesem Spiel geht es nicht um Männer und Frauen, es geht um Fußball und darum, zu helfen. Klar ist: Alle, die bei den All-Stars auf dem Platz stehen, können kicken. Und alle werden dies auch zeigen wollen. Ich bin sehr sicher: Wir werden dafür sorgen, dass kein*e Zuschauer*in sein*ihr Kommen bereut.

DFB.de: Frau Lingor, seit vielen Jahren engagieren Sie sich mit großem Einsatz für den guten Zweck. Wissen Sie noch, wann Sie zum ersten Mal den Gedanken hatten, Ihre Popularität für andere einzusetzen?

Lingor: Maßgeblich war die Frauen-WM 2011, bei der ich als Botschafterin für Süddeutschland im Einsatz war. In dieser Rolle war ich für den DFB viel unterwegs, habe die unterschiedlichsten Termine wahrgenommen, habe Schulen besucht, Minispielfelder eröffnet, war in Krankenhäusern. Diese Zeit und diese Erlebnisse waren für mich aus vielen Gründen sehr wertvoll. Ich habe einerseits erfahren, mit wie wenig Aufwand ich anderen Menschen helfen und ihnen eine Freude machen kann, andererseits wie viel es mir gibt, mich auf diese Weise einzusetzen und so große Dankbarkeit zu erfahren. Die Erfahrungen damals haben mich in gewisser Weise auch gesettelt.

DFB.de: Inwiefern?

Lingor: Ich bin eher impulsiv, habe mich gerne mal aufgeregt, früher auch über Schiedsrichterentscheidungen. (lacht) Wenn ich im Stau stand, habe ich sehr auf mich geschaut, mich darüber geärgert, dass ich zu spät kommen könnte, dass ich Unannehmlichkeiten haben werde. Ich bin immer noch impulsiv, aber ich denke inzwischen mehr über andere nach. Am Beispiel Stau: Ich komme zu spät, das ist bedauerlich, aber da vorne hat jemand möglicherweise sein Leben oder seine Gesundheit verloren. Diese Perspektive sehe ich inzwischen viel klarer, und das liegt auch daran, dass ich durch die verschiedensten Charity-Einsätze eine stärkere Wahrnehmung fremder Schicksale habe. Diese Erfahrungen haben mich geprägt, und sie haben mich reicher gemacht.

DFB.de: Nun haben Sie mit den DFB-All-Stars ein neues Projekt, das Sie als Schirmherrin federführend unterstützen. Wie lange haben Sie überlegt, ob Sie diese Rolle annehmen wollen?

Lingor: Für mich war das sofort klar, ich musste gar nicht nachdenken und habe mich einfach gefreut. Mit dem Benefizspiel geht es nun schneller los, als wir uns das gewünscht hatten. Der Anlass ist leider traurig, aber umso größer ist die Notwendigkeit, schnell etwas zu tun. Grundsätzlich gilt: Die DFB-All-Stars sind ein großartiges Projekt, ich sehe viele Chancen und habe große Lust, mich in diesem Bereich zu engagieren.

DFB.de: Wie wollen Sie Ihre Rolle als Schirmherrin und Schirmherr der DFB-All-Stars interpretieren? Welche Aufgaben sehen Sie für sich?

Nowotny: Ich will begeistern und anstecken und, wo nötig, zur Räson rufen und in den Hintern treten. (lacht)

Lingor: Ich sehe uns auch als Multiplikatoren. Es wird hin und wieder so sein, dass eine Spielerin oder ein Spieler auch mal überzeugt werden muss, sich an einer Aktion der All-Stars zu beteiligen. Dann ist der Zugang einfacher, wenn ich dies mache, als wenn eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter der DFB-Stiftung Sepp Herberger oder des DFB das macht.

DFB.de: Die DFB-All-Stars sind zuletzt im Oktober 2019 mit dem Spiel in Fürth gegen die Azzurri Legends in Erscheinung getreten, die Idee ist aber, dass Fußballspiele künftig nur eine von vielen Aktivitäten sein werden. An was denken Sie dabei?

Nowotny: Ich denke an nichts Konkretes, das wäre einschränkend. Eigentlich sehe ich keinen Bereich, in dem sich die DFB-All-Stars nicht engagieren können sollten.

Lingor: Diese Botschaft ist wichtig: Es gibt keine Grenzen. Ob es eine Radtour ist, ein Lauf, ein Essen, ein Golfturnier, ein Tennis-Event, ein Meet & Greet, natürlich auch Gefängnisbesuche, Schulbesuche, ich würde nichts von vornherein ausschließen. Die DFB-All-Stars sind ein geschlossener Kreis mit offenen Möglichkeiten.

Nowotny: Das kann auch mal ein Literaturprojekt sein, eine Kooperation mit einem Filmschaffenden. Es wäre unklug, sich auf den Fußball zu beschränken, nur weil wir aus dem Fußball kommen. Ich bin der Überzeugung, dass aus dem Kreis der DFB-All-Stars richtig viel auf die Beine gestellt werden kann. Wenn wir unsere Kontakte miteinander verknüpfen, unsere Netzwerke, dann gibt es wenig Bereiche, die wir nicht besetzen können.

Lingor: Die DFB-All-Stars werden dazu führen, dass Projekte entstehen, an die wir heute noch gar nicht denken. Je größer das Netzwerk insgesamt wird und je enger die Verzahnung untereinander, desto vielfältiger werden die möglichen Einsätze für die All-Stars. Ein Beispiel: Beim Abschied von Tina Theune waren ein paar Spielerinnen dabei, die ich seit 20 Jahren nicht gesehen habe. Antonia Schmale lebt mittlerweile als Künstlerin in London, und ich weiß: Josephine Henning ist auch Künstlerin. Wenn nun eine Anfrage aus diesem Bereich kommt, weiß ich, in welche Richtung ich denken kann. Entstanden ist das aus einem zufälligen Treffen beim Abschied von Tina Theune. Bei den DFB-All-Stars geht es für mich auch darum, solche Zufälle zu institutionalisieren beziehungsweise zu ritualisieren.

DFB.de: Die DFB-All-Stars sind nun eine selbstständige Einheit des Clubs der Nationalspieler, die angesiedelt ist bei der DFB-Stiftung Sepp Herberger. Warum ist dieser Schritt aus Ihrer Sicht sinnvoll?

Lingor: Es ist einfach so, dass der Erstgedanke der DFB-All-Stars der Charity-Gedanke ist. Und daher ist es folgerichtig, dass sie nun an die DFB-Stiftung Sepp Herberger angedockt sind. Beim Benefizspiel zeigt sich doch aktuell, dass dieser Ansatz hilfreich ist. Es ist aber nicht so, dass der DFB damit keinen Zugriff mehr hätte und wir völlig losgelöst wären. In meiner Vorstellung wird es viele Projekte des DFB geben, an denen sich die DFB-All-Stars beteiligen, sei es im Schulfußball, sei es im Bereich von Kampagnen des Amateurfußballs.

Nowotny: Mit Tobias Wrzesinki und seinem Team von der Stiftung haben wir genau die richtige Unterstützung, von dem Know-how und der Erfahrung werden wir stark profitieren. Grundsätzlich finde ich, dass sich vieles ergänzen kann. Im Verhältnis zum DFB, wo wir das jetzt mit den All-Stars und der DFB-Stiftung Sepp Herberer vorleben wollen, aber auch darüber hinaus. Die Toni-Kroos-Stiftung leistet großartige Arbeit, die Manuel Neuer Kids Foundation, Per Mertesacker mit seiner Stiftung, Philipp Lahm. Und es gibt noch viele andere Beispiele. Und warum soll es nicht projektbezogen eine Zusammenarbeit dieser Stiftungen mit den DFB-All-Stars geben. Das sind alles Dinge, die wachsen können und wachsen werden.

DFB.de: Was macht Sie so sicher, dass sich über die DFB-All-Stars Gelder für die gute Sache einnehmen lassen? Beim Spiel gegen die Azzurri Legends war dies nur möglich, weil die Spieler auf Teile ihrer Gage verzichtet haben…

Nowotny: Oft ist es einfacher, wenn der Aufwand kleiner ist. Es muss auch nicht immer um riesige Summen gehen. Auch bei kleineren Events, wie einem Golfturnier, braucht man für wirtschaftlichen Erfolg einen Sponsor oder Menschen, die bereit sind, sich in einen Flight einzukaufen. Aber das sehe ich nicht als Problem, das ist einfacher, als mit einem Legendenspiel ein Stadion vollzubekommen. Solche Spiele sehe ich als Königsdisziplin, als Highlight. Damals war es außerdem so, dass der Vorlauf relativ kurz war, und dafür war es gigantisch gut. Was der DFB und die Orga des DFB rund um dieses Spiel geleistet haben, war sensationell. Allen hat es riesigen Spaß gemacht – und das ist auch ein großer Mehrwert. Aktuell zeigt sich dies in ähnlicher Weise. Über das Benefizspiel erzeugen wir Aufmerksamkeit, ich bin der Überzeugung, dass sich dies auch bei der Spendenbereitschaft der Zuschauer*innen niederschlagen wird.

Lingor: Für mich geht es darum, neben solchen Highlight-Veranstaltungen wie dem Benefizspiel mit kleinen Dingen Großes zu bewirken. Ich unterstütze zum Beispiel in Frankfurt das FeM-Mädchenhaus, und ich weiß, dass dort Beträge in jeglicher Höhe eine Hilfe sind. Es geht auch nicht immer um Materielles, sie freuen sich auch, wenn man für eines ihrer Projekte einen neuen Schutzengel findet. Auch bei den Besuchen in Schulen oder in Gefängnissen geht es nicht darum, Geld mitzubringen. Warum sollen sich die DFB-All-Stars künftig nicht auch in diesen Bereichen engagieren?!

Nowotny: Ein Beispiel dafür, mit wie wenig Aufwand DFB-All-Stars gutes Geld sammeln können, sind Grußbotschaften für Fans. Ich bin seit Kurzem auf einer solchen Plattform aktiv. Im Regelfall läuft das so, dass Fans Grußbotschaften ihrer Stars von Freunden geschenkt bekommen. Das können Grüße zur Hochzeit sein, zum Geburtstag, zum Abitur. Für mich ist der Aufwand minimal, ich spreche die Grüße in mein Handy, 30 Sekunden, fertig. Und dafür erhalte ich eine Summe x, die ich für einen guten Zweck einsetzen kann. Die Nachfrage zeigt, dass dieses Modell funktioniert, und wenn es bei mir funktioniert, funktioniert es bei vielen anderen All-Stars auch. Wichtig ist auch, dass jeder All-Star eigene Zwecke definieren kann - die Sepp-Herberger-Stiftung muss nicht immer 100 Prozent der generierten Gelder erhalten.  

DFB.de: Frau Lingor, Herr Nowotny – das Projekt legt jetzt los. In Ihrer Idealvorstellung…skizzieren Sie mal, welche Aktivitäten und Ereignisse der DFB-All-Stars 2023 im Jahresbericht der DFB-Stiftung Sepp Herberger aufgeführt sind?

Nowotny: Mir wäre vor allem wichtig, wenn eine zentrale Veranstaltung genannt wird: Ein großes Grillfest mit 250 DFB-All-Stars und deren Familien. Für mich zielen die All-Stars in verschiedene Richtungen, und eben auch nach innen. Der Mehrwert besteht einerseits in den Aktionen für die gute Sache, die wir durchführen, und in den Geldern, die wir einnehmen. Aber andererseits auch darin, Kontakte aufzubauen und zu pflegen. So ein Grillfest verbinde ich mit einem Zusammengehörigkeitsgefühl, mit einer guten Zeit mit guten Freunden. Wenn wir aus den All-Stars heraus eine solche Veranstaltung für die All-Stars durchführen, dann wäre dies für mich ein Zeichen dafür, dass wir viel richtig gemacht hätten. Nebenbei würden sich aus einem solchen Treffen wieder neue Kontakte ergeben, neue Ideen und neue Projekte.

Lingor: Am Ende des Tages müssen wir dahin kommen, dass es allen Spaß macht, dass alle Lust haben, sich zu engagieren und dass ein "Gemeinschaftsgefühl DFB-All-Stars entsteht", weil alle gut finden, was dieser Kreis macht und leistet. Wir wollen einen Geist schaffen, in dem die DFB-All-Stars dafür stehen, mit guten Leuten gute Sachen für den guten Zweck umzusetzen. Ich freue mich riesig darauf, dass wir nun loslegen können. Ich freue mich über jeden, der mitmacht, freue mich auf die Zusammenarbeit mit Jens und bin sicher, dass das eine richtig coole Geschichte wird.

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Weltmeister*innen, Europameister*innen, Bundesliga-Stars, zahlreiche Titeljäger*innen und Torschützenkönig*innen, die meisten aus den 90er- und Nuller-Jahren, treten am Mittwochabend (ab 20.30 Uhr, live auf Sport1) bei "Hilfe nach der Flut: Das Benefizspiel des Fußballs" an. Im Trierer Moselstadion kommt es zum Vergleich der gemischt auflaufenden DFB-All-Stars und der LOTTO-Elf Rheinland-Pfalz. Mit dabei sind auch Renate Lingor und Jens Nowotny. Die beiden werden auf dem Platz stehen. Als Schirmherrin beziehungsweise Schirmherr der DFB-All-Stars sind sie aber über die Rolle als Spieler*in hinaus rund um das Spiel engagiert. Im DFB.de-Interview sprechen sie über das Benefizspiel und grundsätzlich über das Projekt DFB-All-Stars, mit dem sie viel bewegen und erreichen wollen.

DFB.de: Frau Lingor, Herr Nowotny, die DFB-All-Stars spielen am Mittwoch im Moselstadion in Trier zu Gunsten der Opfer der Flutkatastrophe. Als Schirmherrin und Schirmherr der All-Stars sind Sie stark eingebunden in alle Abläufe des Spiels. Wie turbulent waren die vergangenen Tage?

Renate Lingor: Es war durchaus hektisch, aber das ist gar nicht das Thema. Die Bilder der Menschen in den betroffenen Gebieten und das Ausmaß der Zerstörung waren schockierend. Für mich auch deswegen, weil ich in meiner Karriere häufig in Bad Neuenahr gespielt habe und über diese Kontakte auch ehemalige Spielerinnen kenne, die persönlich betroffen sind. Die Aufnahmen vom zerstörten Vereinsgelände haben mich bewegt, so wie grundsätzlich das Schicksal von so vielen Menschen, denen von jetzt auf gleich alles genommen wurde. Für mich war sofort klar, dass ich hier aktiv werden und helfen will. Und natürlich lag es dann nahe, dass wir uns über die DFB-All-Stars engagieren.

Jens Nowotny: Diese Katastrophe hat leider viele Todesopfer gefordert. Mein tiefes Beileid gilt hier allen Angehörigen und Freunden. Allen Verletzten wünsche ich, dass sie schnell wieder auf die Beine kommen. Hier sind vielfach die Ärzte gefordert, die durch Corona ohnehin extrem belastet waren und sind. Ich finde: Bei allem Materiellen sind wir gefordert, als Gesellschaft, aber jeder entsprechend seiner Möglichkeiten auch individuell. Mit den All-Stars haben wir eine schöne Option, um unsere Solidarität zu zeigen. Wir haben Spaß, wir spielen Fußball, und wir bewirken damit Gutes. Ich empfinde es als großes Glück, auf diese Weise etwas zurückzugeben.

Lingor: Mich freut es, wie groß die Bereitschaft ist, zu helfen. Das gilt für die Menschen in Deutschland insgesamt, aber das gilt eben auch für den Kreis der DFB-All-Stars. Ich finde, dass wir einen tollen Kader zusammenhaben, viele große Spieler*innen-Persönlichkeiten, viele tolle Fußballer*innen, die sofort zugesagt haben. Ein Dank möchte ich der DFB-Stiftung Sepp Herberger sagen und dem DFB insgesamt. Es ist keine leichte Aufgabe, ein solches Spiel so schnell auf die Beine zu stellen. Das war nur möglich, weil viele Menschen fleißig und mit großer Kompetenz gearbeitet haben. Auch hier war die Hilfsbereitschaft groß, alle hatten Lust, dieses Benefizspiel zu unterstützen und zu einem Erfolg werden zu lassen. Das gilt in gleicher Weise für Robin Koch und sein Team, die als Initiatoren tolle Mitspieler sind.

DFB.de: Bei den DFB-All-Stars stehen ehemalige Nationalspielerinnen und Nationalspieler in einer gemischten Mannschaft gemeinsam auf dem Rasen. Frau Lingor – auf welchen Mitspieler freuen Sie sich besonders?

Lingor: Ich weiß gar nicht mehr, wann ich zuletzt Fußball gespielt habe, insofern bin ich vor allem gespannt, wie es sich anfühlt, mal wieder gegen den Ball zu treten. Und ich hoffe, dass Trainer Otto Rehhagel und Trainerin Doris Fitschen nachsichtig sind. Mir wurde früher nachgesagt, dass mein Radius überschaubar ist – diesen Ruf werde ich nicht widerlegen. (lacht) Aber vielleicht gibt es ja den einen oder anderen Mann, der für mich ein paar Wege geht.

Nowotny: Warum guckst Du mich jetzt an? (lacht) Bei diesem Spiel geht es nicht um Männer und Frauen, es geht um Fußball und darum, zu helfen. Klar ist: Alle, die bei den All-Stars auf dem Platz stehen, können kicken. Und alle werden dies auch zeigen wollen. Ich bin sehr sicher: Wir werden dafür sorgen, dass kein*e Zuschauer*in sein*ihr Kommen bereut.

DFB.de: Frau Lingor, seit vielen Jahren engagieren Sie sich mit großem Einsatz für den guten Zweck. Wissen Sie noch, wann Sie zum ersten Mal den Gedanken hatten, Ihre Popularität für andere einzusetzen?

Lingor: Maßgeblich war die Frauen-WM 2011, bei der ich als Botschafterin für Süddeutschland im Einsatz war. In dieser Rolle war ich für den DFB viel unterwegs, habe die unterschiedlichsten Termine wahrgenommen, habe Schulen besucht, Minispielfelder eröffnet, war in Krankenhäusern. Diese Zeit und diese Erlebnisse waren für mich aus vielen Gründen sehr wertvoll. Ich habe einerseits erfahren, mit wie wenig Aufwand ich anderen Menschen helfen und ihnen eine Freude machen kann, andererseits wie viel es mir gibt, mich auf diese Weise einzusetzen und so große Dankbarkeit zu erfahren. Die Erfahrungen damals haben mich in gewisser Weise auch gesettelt.

DFB.de: Inwiefern?

Lingor: Ich bin eher impulsiv, habe mich gerne mal aufgeregt, früher auch über Schiedsrichterentscheidungen. (lacht) Wenn ich im Stau stand, habe ich sehr auf mich geschaut, mich darüber geärgert, dass ich zu spät kommen könnte, dass ich Unannehmlichkeiten haben werde. Ich bin immer noch impulsiv, aber ich denke inzwischen mehr über andere nach. Am Beispiel Stau: Ich komme zu spät, das ist bedauerlich, aber da vorne hat jemand möglicherweise sein Leben oder seine Gesundheit verloren. Diese Perspektive sehe ich inzwischen viel klarer, und das liegt auch daran, dass ich durch die verschiedensten Charity-Einsätze eine stärkere Wahrnehmung fremder Schicksale habe. Diese Erfahrungen haben mich geprägt, und sie haben mich reicher gemacht.

DFB.de: Nun haben Sie mit den DFB-All-Stars ein neues Projekt, das Sie als Schirmherrin federführend unterstützen. Wie lange haben Sie überlegt, ob Sie diese Rolle annehmen wollen?

Lingor: Für mich war das sofort klar, ich musste gar nicht nachdenken und habe mich einfach gefreut. Mit dem Benefizspiel geht es nun schneller los, als wir uns das gewünscht hatten. Der Anlass ist leider traurig, aber umso größer ist die Notwendigkeit, schnell etwas zu tun. Grundsätzlich gilt: Die DFB-All-Stars sind ein großartiges Projekt, ich sehe viele Chancen und habe große Lust, mich in diesem Bereich zu engagieren.

DFB.de: Wie wollen Sie Ihre Rolle als Schirmherrin und Schirmherr der DFB-All-Stars interpretieren? Welche Aufgaben sehen Sie für sich?

Nowotny: Ich will begeistern und anstecken und, wo nötig, zur Räson rufen und in den Hintern treten. (lacht)

Lingor: Ich sehe uns auch als Multiplikatoren. Es wird hin und wieder so sein, dass eine Spielerin oder ein Spieler auch mal überzeugt werden muss, sich an einer Aktion der All-Stars zu beteiligen. Dann ist der Zugang einfacher, wenn ich dies mache, als wenn eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter der DFB-Stiftung Sepp Herberger oder des DFB das macht.

DFB.de: Die DFB-All-Stars sind zuletzt im Oktober 2019 mit dem Spiel in Fürth gegen die Azzurri Legends in Erscheinung getreten, die Idee ist aber, dass Fußballspiele künftig nur eine von vielen Aktivitäten sein werden. An was denken Sie dabei?

Nowotny: Ich denke an nichts Konkretes, das wäre einschränkend. Eigentlich sehe ich keinen Bereich, in dem sich die DFB-All-Stars nicht engagieren können sollten.

Lingor: Diese Botschaft ist wichtig: Es gibt keine Grenzen. Ob es eine Radtour ist, ein Lauf, ein Essen, ein Golfturnier, ein Tennis-Event, ein Meet & Greet, natürlich auch Gefängnisbesuche, Schulbesuche, ich würde nichts von vornherein ausschließen. Die DFB-All-Stars sind ein geschlossener Kreis mit offenen Möglichkeiten.

Nowotny: Das kann auch mal ein Literaturprojekt sein, eine Kooperation mit einem Filmschaffenden. Es wäre unklug, sich auf den Fußball zu beschränken, nur weil wir aus dem Fußball kommen. Ich bin der Überzeugung, dass aus dem Kreis der DFB-All-Stars richtig viel auf die Beine gestellt werden kann. Wenn wir unsere Kontakte miteinander verknüpfen, unsere Netzwerke, dann gibt es wenig Bereiche, die wir nicht besetzen können.

Lingor: Die DFB-All-Stars werden dazu führen, dass Projekte entstehen, an die wir heute noch gar nicht denken. Je größer das Netzwerk insgesamt wird und je enger die Verzahnung untereinander, desto vielfältiger werden die möglichen Einsätze für die All-Stars. Ein Beispiel: Beim Abschied von Tina Theune waren ein paar Spielerinnen dabei, die ich seit 20 Jahren nicht gesehen habe. Antonia Schmale lebt mittlerweile als Künstlerin in London, und ich weiß: Josephine Henning ist auch Künstlerin. Wenn nun eine Anfrage aus diesem Bereich kommt, weiß ich, in welche Richtung ich denken kann. Entstanden ist das aus einem zufälligen Treffen beim Abschied von Tina Theune. Bei den DFB-All-Stars geht es für mich auch darum, solche Zufälle zu institutionalisieren beziehungsweise zu ritualisieren.

DFB.de: Die DFB-All-Stars sind nun eine selbstständige Einheit des Clubs der Nationalspieler, die angesiedelt ist bei der DFB-Stiftung Sepp Herberger. Warum ist dieser Schritt aus Ihrer Sicht sinnvoll?

Lingor: Es ist einfach so, dass der Erstgedanke der DFB-All-Stars der Charity-Gedanke ist. Und daher ist es folgerichtig, dass sie nun an die DFB-Stiftung Sepp Herberger angedockt sind. Beim Benefizspiel zeigt sich doch aktuell, dass dieser Ansatz hilfreich ist. Es ist aber nicht so, dass der DFB damit keinen Zugriff mehr hätte und wir völlig losgelöst wären. In meiner Vorstellung wird es viele Projekte des DFB geben, an denen sich die DFB-All-Stars beteiligen, sei es im Schulfußball, sei es im Bereich von Kampagnen des Amateurfußballs.

Nowotny: Mit Tobias Wrzesinki und seinem Team von der Stiftung haben wir genau die richtige Unterstützung, von dem Know-how und der Erfahrung werden wir stark profitieren. Grundsätzlich finde ich, dass sich vieles ergänzen kann. Im Verhältnis zum DFB, wo wir das jetzt mit den All-Stars und der DFB-Stiftung Sepp Herberer vorleben wollen, aber auch darüber hinaus. Die Toni-Kroos-Stiftung leistet großartige Arbeit, die Manuel Neuer Kids Foundation, Per Mertesacker mit seiner Stiftung, Philipp Lahm. Und es gibt noch viele andere Beispiele. Und warum soll es nicht projektbezogen eine Zusammenarbeit dieser Stiftungen mit den DFB-All-Stars geben. Das sind alles Dinge, die wachsen können und wachsen werden.

DFB.de: Was macht Sie so sicher, dass sich über die DFB-All-Stars Gelder für die gute Sache einnehmen lassen? Beim Spiel gegen die Azzurri Legends war dies nur möglich, weil die Spieler auf Teile ihrer Gage verzichtet haben…

Nowotny: Oft ist es einfacher, wenn der Aufwand kleiner ist. Es muss auch nicht immer um riesige Summen gehen. Auch bei kleineren Events, wie einem Golfturnier, braucht man für wirtschaftlichen Erfolg einen Sponsor oder Menschen, die bereit sind, sich in einen Flight einzukaufen. Aber das sehe ich nicht als Problem, das ist einfacher, als mit einem Legendenspiel ein Stadion vollzubekommen. Solche Spiele sehe ich als Königsdisziplin, als Highlight. Damals war es außerdem so, dass der Vorlauf relativ kurz war, und dafür war es gigantisch gut. Was der DFB und die Orga des DFB rund um dieses Spiel geleistet haben, war sensationell. Allen hat es riesigen Spaß gemacht – und das ist auch ein großer Mehrwert. Aktuell zeigt sich dies in ähnlicher Weise. Über das Benefizspiel erzeugen wir Aufmerksamkeit, ich bin der Überzeugung, dass sich dies auch bei der Spendenbereitschaft der Zuschauer*innen niederschlagen wird.

Lingor: Für mich geht es darum, neben solchen Highlight-Veranstaltungen wie dem Benefizspiel mit kleinen Dingen Großes zu bewirken. Ich unterstütze zum Beispiel in Frankfurt das FeM-Mädchenhaus, und ich weiß, dass dort Beträge in jeglicher Höhe eine Hilfe sind. Es geht auch nicht immer um Materielles, sie freuen sich auch, wenn man für eines ihrer Projekte einen neuen Schutzengel findet. Auch bei den Besuchen in Schulen oder in Gefängnissen geht es nicht darum, Geld mitzubringen. Warum sollen sich die DFB-All-Stars künftig nicht auch in diesen Bereichen engagieren?!

Nowotny: Ein Beispiel dafür, mit wie wenig Aufwand DFB-All-Stars gutes Geld sammeln können, sind Grußbotschaften für Fans. Ich bin seit Kurzem auf einer solchen Plattform aktiv. Im Regelfall läuft das so, dass Fans Grußbotschaften ihrer Stars von Freunden geschenkt bekommen. Das können Grüße zur Hochzeit sein, zum Geburtstag, zum Abitur. Für mich ist der Aufwand minimal, ich spreche die Grüße in mein Handy, 30 Sekunden, fertig. Und dafür erhalte ich eine Summe x, die ich für einen guten Zweck einsetzen kann. Die Nachfrage zeigt, dass dieses Modell funktioniert, und wenn es bei mir funktioniert, funktioniert es bei vielen anderen All-Stars auch. Wichtig ist auch, dass jeder All-Star eigene Zwecke definieren kann - die Sepp-Herberger-Stiftung muss nicht immer 100 Prozent der generierten Gelder erhalten.  

DFB.de: Frau Lingor, Herr Nowotny – das Projekt legt jetzt los. In Ihrer Idealvorstellung…skizzieren Sie mal, welche Aktivitäten und Ereignisse der DFB-All-Stars 2023 im Jahresbericht der DFB-Stiftung Sepp Herberger aufgeführt sind?

Nowotny: Mir wäre vor allem wichtig, wenn eine zentrale Veranstaltung genannt wird: Ein großes Grillfest mit 250 DFB-All-Stars und deren Familien. Für mich zielen die All-Stars in verschiedene Richtungen, und eben auch nach innen. Der Mehrwert besteht einerseits in den Aktionen für die gute Sache, die wir durchführen, und in den Geldern, die wir einnehmen. Aber andererseits auch darin, Kontakte aufzubauen und zu pflegen. So ein Grillfest verbinde ich mit einem Zusammengehörigkeitsgefühl, mit einer guten Zeit mit guten Freunden. Wenn wir aus den All-Stars heraus eine solche Veranstaltung für die All-Stars durchführen, dann wäre dies für mich ein Zeichen dafür, dass wir viel richtig gemacht hätten. Nebenbei würden sich aus einem solchen Treffen wieder neue Kontakte ergeben, neue Ideen und neue Projekte.

Lingor: Am Ende des Tages müssen wir dahin kommen, dass es allen Spaß macht, dass alle Lust haben, sich zu engagieren und dass ein "Gemeinschaftsgefühl DFB-All-Stars entsteht", weil alle gut finden, was dieser Kreis macht und leistet. Wir wollen einen Geist schaffen, in dem die DFB-All-Stars dafür stehen, mit guten Leuten gute Sachen für den guten Zweck umzusetzen. Ich freue mich riesig darauf, dass wir nun loslegen können. Ich freue mich über jeden, der mitmacht, freue mich auf die Zusammenarbeit mit Jens und bin sicher, dass das eine richtig coole Geschichte wird.

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