Michel und Hussein: "Freude am Spiel und Pfeifen beibehalten"

Am Freitag startet die FLYERALARM Frauen-Bundesliga in die neue Saison. Für DFB-Schiedsrichterin Dr. Riem Hussein ist es bereits die 15. in dieser Spielklasse, für ihre Kollegin Fabienne Michel die vierte Spielzeit. Im DFB.de-Interview sprechen die beiden über ihre Anfänge, beeindruckende Persönlichkeiten, den Umgang mit Fehlern und die neue Saison.

DFB.de: Frau Hussein, Sie sind seit 2005 DFB-Schiedsrichterin, pfeifen seit 2006 in der Frauen-Bundesliga. Können Sie sich noch an Ihre Anfänge zurückerinnern?

Dr. Riem Hussein: Definitiv! Ich war gerade erst von der Spielerinnen-Laufbahn zur Schiedsrichterei gewechselt. Zu Anfang wurde mir daher oft nachgesagt, dass ich zu viel Verständnis für Fehlverhalten von Spielerinnen aufbringe. Es war eine Zeit mit besonderen Persönlichkeiten auf dem Spielfeld, zum Beispiel Birgit Prinz. Die meisten Spielerinnen waren älter als ich. Mit diesen Persönlichkeiten habe ich bereits als Spielerin mitgefiebert. Es hat mich daher unglaublich stolz gemacht, als ich dann in dieser Liga pfeifen durfte. Natürlich hatte ich großen Respekt vor der Aufgabe, vor den Teams und der Zuschauerkulisse. Das ganze Drumherum hat mich massiv beeindruckt. Eine professionelle Schiedsrichterinnen-Laufbahn einzuschlagen, war für mich ein neuer Weg nach der Spielerinnen-Karriere. Dass ich diesen Weg bereits über die vergangenen 15 Jahre bestreiten darf, macht mich sehr stolz.

DFB.de: Frau Michel, Sie sind bereits mit 23 Jahren in die Frauen-Bundesliga aufgestiegen, nun seit 2017 in dieser Spielklasse als Schiedsrichterin tätig. Wie war es bei Ihnen?

Fabienne Michel: Bei mir ist es nun die vierte Saison. Als ich mein erstes Spiel pfeifen durfte, war ich auch von den vielen Persönlichkeiten auf dem Platz beeindruckt. Ich hatte großen Respekt vor ihnen, aber vor allem vor der gesamten Aufgabe. Den habe ich heute noch. Die erste Spielleitung war jedoch sicherlich etwas ganz Besonderes.

DFB.de: Wie bereitet man sich auf seinen ersten Einsatz in der Frauen-Bundesliga vor?

Michel: Grundsätzlich setzt man sich vor jedem Spiel zuallererst mit der Paarung auseinander: Welche Mannschaften treffen aufeinander? Ich habe mir auch von erfahreneren Schiedsrichterinnen Tipps eingeholt. Es hilft auch, dass man zu Anfang oft eine erfahrene Schiedsrichter-Assistentin im Team dabei hat, die einen etwas beruhigen und die Nervosität nehmen kann. Hier kann man oft von der Erfahrung der Kolleginnen profitieren und etwas mitnehmen.

Hussein: In der Regel ist es auch so, dass wir in der Spielklasse bereits als Assistentin im Einsatz waren, so dass wir das ganze Drumherum bereits kennen. Man hat jedoch auf einmal eine andere Verantwortung auf und neben dem Platz, da man in die Rolle der Teamleaderin schlüpft: Man wirft nun die Marke hoch und fängt sie wieder auf. Man führt die Seitenwahl durch. Als Schiedsrichterin erlebt man ein neues Verantwortungsbewusstsein, in das man sich vorher nicht hineindenken kann. Man trägt die Verantwortung und geht als Anführerin voran.

DFB.de: Frau Hussein, was können Sie jungen Schiedsrichterinnen vor ihren ersten Einsätzen in einer neuen höheren Spielklasse mitgeben?

Hussein: Man kann sie nur bestärken: Du bist hier, und das hat einen guten Grund. Oft ist man sich dessen in dem Moment gar nicht so bewusst. Man hat immer darauf hingefiebert, irgendwann mal in einer höheren Spielklasse pfeifen zu dürfen. Um überhaupt dorthin zu kommen, hat man sich gegen andere Schiedsrichterinnen durchgesetzt und bewiesen, dass man das Potenzial hat.

DFB.de: Frau Michel, Sie sind bereits mit 23 Jahren in die Frauen-Bundesliga aufgestiegen. Frau Hussein, Sie haben ebenfalls bereits mit 26 Jahren ihre erste Partie in dieser Spielklasse geleitet. Was bedarf es, um in dem jungen Alter bereits in der Frauen-Bundesliga zu pfeifen?

Michel: Natürlich benötigt man die Basis, also Fitness und Regelkenntnis. Wichtig ist aber vor allem, sich die Freude am Spiel und am Pfeifen immer beizubehalten und sich von Fehlern nicht demotivieren zu lassen, sondern wieder neuen Mut zu fassen. Die nötige Prise Selbstbewusstsein sollte man sicherlich auch mitbringen.

Hussein: Kritikfähig sollte man ebenfalls sein. Man wächst mit seinen Fehlern, aus schlechten Spielen kann man oft sogar mehr mitnehmen als aus einem nahezu perfekten Spiel. Bestimmte Fehler macht man dann nicht wieder und wird dadurch nur umso stärker. Teamfähigkeit ist ebenfalls wichtig. Als leitende Unparteiische muss man mit dem nötigen Selbstbewusstsein und einer gewissen Entscheidungsfreude vorangehen.

DFB.de: Sie haben Eigenschaften wie Kritikfähigkeit und Selbstbewusstsein angesprochen. Wie gehen Sie beide mit Fehlentscheidungen um?

Michel: Aus Fehlern kann man immer auch etwas Positives ziehen. Man muss sich jedoch auch eingestehen können, dass man etwas falsch entschieden hat. An der einen oder anderen Stelle sollte man vielleicht auch mal für einen Fehler dankbar sein, weil man es sonst vielleicht nie gelernt hätte. Beim Spiel haben wir einen Coach an der Seite oder auch andere Schiedsrichter, mit denen wir Spiele und Entscheidungen aufarbeiten können. Auch die Familie kann eine ganz wichtige Stütze bei der Aufarbeitung sein. Für mich ist es wichtig, viel über meine Spiele zu reden und Schlüsse zu ziehen, was ich bei den nächsten Spielen besser machen kann. Nur dann kann man sich für das nächste Spiel entsprechend vorbereiten. Das heißt nicht, dass sich ein Fehler nicht wiederholen kann, jedoch kann man so weiter daran arbeiten.

Hussein: Mir ist wichtig zu betonen, dass wir alle überhaupt nicht daran interessiert sind, einen Fehler zu machen. Am liebsten möchte ich persönlich überhaupt keinen Fehler machen und als Schiedsrichterin "unsichtbar" sein. Wir sind unsere stärksten Kritikerinnen. Was eine Schiedsrichterin sich in meinen Augen jedoch nie vorwerfen lassen darf, ist, nicht professionell vorbereitet zu sein. Für mich ist das nächste Spiel immer das allerwichtigste. Mit dem Thema Kritik von außen hat man als Schiedsrichter oder Scheidsrichterin sowieso von Anfang an Berührung. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich mal Applaus erhielt, als ich den Platz verlassen habe, ausgepfiffen wurde ich jedoch schon. Das ist nicht schön. Das hat niemand verdient. Das wünscht sich eine Spielerin auch nicht. Aber auch an diesen Momenten wächst man. Bei Fehlern sollte man selbstkritisch hinterfragen, woran es lag. Oft ist es das Stellungsspiel oder eine falsche Position. Was man nicht sieht oder nicht sehen kann, das entgeht einem möglicherweise.

DFB.de: Gibt es für Unparteiische denn ebenfalls Erfolgserlebnisse?

Hussein: Das Vertrauen für eine bestimmte Begegnung angesetzt zu werden oder für ein Turnier nominiert zu werden, ist etwas ganz Besonderes und motiviert enorm.

Michel: Es sind manchmal auch Kleinigkeiten. Nach dem Spiel ist es zum Beispiel schön, wenn beide Mannschaften oder auch die Trainer zu einem kommen. Es muss kein Lob sein, aber allein der Respekt, dass die Beteiligten danach zu mir kommen und mich abklatschen, freut mich als Schiedsrichterin.

DFB.de: Bei den Spielerinnen sind Erfolgsmomente wie ein Tor für das eigene Team offensichtlich. Erleben Unparteiische während der 90 Minuten ebenfalls Erfolgserlebnisse?

Hussein: Ja, zum Beispiel einen Vorteil zu erkennen, aus dem ein Tor entsteht. Das ist Weltklasse. Das zeichnet eine moderne Spielleitung aus. Das will jeder sehen. Das fällt dann auch der Öffentlichkeit positiv auf, denn die Schiedsrichterin hat das Foul gesehen, zeigt Vorteil an und behält die Übersicht - das sind ganz besondere Momente.

DFB.de: Frau Michel, Riem Hussein ist dreifache Schiedsrichterin des Jahres, FIFA-Referee und war unter anderem bei großen internationalen Turnieren wie der Frauen-EM und Frauen-WM mit dabei. Ist das auch Ihr Ziel?

Michel: Was Riem bereits sportlich erreicht hat, dort würde ich eines Tages gerne auch mal hin. Ich denke, das wünscht sich jede Schiedsrichterin, einmal bei einer Europa- und Weltmeisterschaft auf dem Platz zu stehen und international Spiele zu leiten. Auch abgesehen von ihren internationalen sportlichen Erfolgen, sehe ich ihr gerne zu, wie sie in der Frauen-Bundesliga Spiele leitet. Wenn ich bei ihr mal als Assistentin mit dabei bin, höre ich durch das Headset, wie sie mit den Spielerinnen kommuniziert. Es ist immer hilfreich mitzubekommen, wie andere Kolleginnen Szenen bewerten, Entscheidungen treffen und mit Spielerinnen umgehen. Auch von ihrer intensiven Vorbereitung auf Spiele kann man einiges lernen.

DFB.de: Frau Hussein, Fabienne Michel hat nun bereits mit 25 Jahren ihre ersten 24 Spiele in der Frauen-Bundesliga auf dem Konto. Kann auch der Austausch mit etwas weniger erfahreneren Kolleginnen hilfreich sein?

Hussein: Auf jeden Fall! Es ist immer schön zu sehen, wie unbeschwert die jungen Schiedsrichterinnen sind. Mir hat es damals zum Beispiel gutgetan, international ein eher unerfahrenes Team dabei zu haben. Wir haben Szene für Szene im Spiel abgearbeitet. Frischer Wind ist wichtig. Die Jugend, die jetzt nachrückt, ist nah an den jungen Spielerinnen dran. Mir macht es Freude, wenn ich Fabienne zugucke. Ich weiß, dass sie noch alles vor sich hat. Ich kenne den Erfolgshunger, alles mitnehmen zu wollen und so viel Erfahrung zu sammeln wie nur irgendwie möglich. Junge Kolleginnen im Team zu haben, hilft auch erfahreneren Schiedsrichterinnen weiter. Deswegen freue ich mich immer, wenn ich mit so jungen, ehrgeizigen Kolleginnen angesetzt bin, weil man so auch andere Blickwinkel kennenlernt, aber seine eigene Erfahrung weitergeben kann.

DFB.de: Die neue Spielzeit der Frauen-Bundesliga steht vor der Tür. Wie haben Sie sich darauf vorbereitet?

Michel: Wir hatten einen Lehrgang, der in diesem Jahr wegen des Corona-Virus in verkürzter Form stattgefunden hat. Hier haben wir uns sowohl in puncto Fitness als auch in Sachen Regelkunde und Regeländerungen intensiv vorbereitet. Wir hatten auch einige Testspiele. Ansonsten haben wir jedoch auch den Vorteil, nicht so wirklich raus zu sein, da die Sommerpause wegen der Corona-Pandemie und der angepassten Spielpläne nach dem Restart verkürzt war.

Hussein: Die vergangene Saison hat uns bereits auf eine Zeit ohne Zuschauer vorbereitet. Glücklicherweise haben wir die Spielzeit beenden könnten. Wir konnten uns mit frischen Kräften auf die neue Saison vorbereiten und sind sehr dankbar, dass wir bald schon wieder auf dem Platz stehen dürfen, wenn auch leider ohne Zuschauer.

DFB.de: Mit welchen Zielen gehen Sie in die neue Saison?

Michel: Mein Ziel ist es, möglichst viele Einsätze in der Frauen-Bundesliga zu absolvieren. Bei den Männern bin ich außerdem in die Regionalliga aufgestiegen. Ich hoffe, dass ich dort mit Leistung überzeugen und mich gut etablieren kann.

Hussein: Ich möchte gerne in der 3. Liga eine ordentliche Saison pfeifen und viele Spiele in der Frauen-Bundesliga leiten. Ich hoffe, mich für ein großes internationales Turnier im nächsten Jahr empfehlen zu können.

[sal]

Am Freitag startet die FLYERALARM Frauen-Bundesliga in die neue Saison. Für DFB-Schiedsrichterin Dr. Riem Hussein ist es bereits die 15. in dieser Spielklasse, für ihre Kollegin Fabienne Michel die vierte Spielzeit. Im DFB.de-Interview sprechen die beiden über ihre Anfänge, beeindruckende Persönlichkeiten, den Umgang mit Fehlern und die neue Saison.

DFB.de: Frau Hussein, Sie sind seit 2005 DFB-Schiedsrichterin, pfeifen seit 2006 in der Frauen-Bundesliga. Können Sie sich noch an Ihre Anfänge zurückerinnern?

Dr. Riem Hussein: Definitiv! Ich war gerade erst von der Spielerinnen-Laufbahn zur Schiedsrichterei gewechselt. Zu Anfang wurde mir daher oft nachgesagt, dass ich zu viel Verständnis für Fehlverhalten von Spielerinnen aufbringe. Es war eine Zeit mit besonderen Persönlichkeiten auf dem Spielfeld, zum Beispiel Birgit Prinz. Die meisten Spielerinnen waren älter als ich. Mit diesen Persönlichkeiten habe ich bereits als Spielerin mitgefiebert. Es hat mich daher unglaublich stolz gemacht, als ich dann in dieser Liga pfeifen durfte. Natürlich hatte ich großen Respekt vor der Aufgabe, vor den Teams und der Zuschauerkulisse. Das ganze Drumherum hat mich massiv beeindruckt. Eine professionelle Schiedsrichterinnen-Laufbahn einzuschlagen, war für mich ein neuer Weg nach der Spielerinnen-Karriere. Dass ich diesen Weg bereits über die vergangenen 15 Jahre bestreiten darf, macht mich sehr stolz.

DFB.de: Frau Michel, Sie sind bereits mit 23 Jahren in die Frauen-Bundesliga aufgestiegen, nun seit 2017 in dieser Spielklasse als Schiedsrichterin tätig. Wie war es bei Ihnen?

Fabienne Michel: Bei mir ist es nun die vierte Saison. Als ich mein erstes Spiel pfeifen durfte, war ich auch von den vielen Persönlichkeiten auf dem Platz beeindruckt. Ich hatte großen Respekt vor ihnen, aber vor allem vor der gesamten Aufgabe. Den habe ich heute noch. Die erste Spielleitung war jedoch sicherlich etwas ganz Besonderes.

DFB.de: Wie bereitet man sich auf seinen ersten Einsatz in der Frauen-Bundesliga vor?

Michel: Grundsätzlich setzt man sich vor jedem Spiel zuallererst mit der Paarung auseinander: Welche Mannschaften treffen aufeinander? Ich habe mir auch von erfahreneren Schiedsrichterinnen Tipps eingeholt. Es hilft auch, dass man zu Anfang oft eine erfahrene Schiedsrichter-Assistentin im Team dabei hat, die einen etwas beruhigen und die Nervosität nehmen kann. Hier kann man oft von der Erfahrung der Kolleginnen profitieren und etwas mitnehmen.

Hussein: In der Regel ist es auch so, dass wir in der Spielklasse bereits als Assistentin im Einsatz waren, so dass wir das ganze Drumherum bereits kennen. Man hat jedoch auf einmal eine andere Verantwortung auf und neben dem Platz, da man in die Rolle der Teamleaderin schlüpft: Man wirft nun die Marke hoch und fängt sie wieder auf. Man führt die Seitenwahl durch. Als Schiedsrichterin erlebt man ein neues Verantwortungsbewusstsein, in das man sich vorher nicht hineindenken kann. Man trägt die Verantwortung und geht als Anführerin voran.

DFB.de: Frau Hussein, was können Sie jungen Schiedsrichterinnen vor ihren ersten Einsätzen in einer neuen höheren Spielklasse mitgeben?

Hussein: Man kann sie nur bestärken: Du bist hier, und das hat einen guten Grund. Oft ist man sich dessen in dem Moment gar nicht so bewusst. Man hat immer darauf hingefiebert, irgendwann mal in einer höheren Spielklasse pfeifen zu dürfen. Um überhaupt dorthin zu kommen, hat man sich gegen andere Schiedsrichterinnen durchgesetzt und bewiesen, dass man das Potenzial hat.

DFB.de: Frau Michel, Sie sind bereits mit 23 Jahren in die Frauen-Bundesliga aufgestiegen. Frau Hussein, Sie haben ebenfalls bereits mit 26 Jahren ihre erste Partie in dieser Spielklasse geleitet. Was bedarf es, um in dem jungen Alter bereits in der Frauen-Bundesliga zu pfeifen?

Michel: Natürlich benötigt man die Basis, also Fitness und Regelkenntnis. Wichtig ist aber vor allem, sich die Freude am Spiel und am Pfeifen immer beizubehalten und sich von Fehlern nicht demotivieren zu lassen, sondern wieder neuen Mut zu fassen. Die nötige Prise Selbstbewusstsein sollte man sicherlich auch mitbringen.

Hussein: Kritikfähig sollte man ebenfalls sein. Man wächst mit seinen Fehlern, aus schlechten Spielen kann man oft sogar mehr mitnehmen als aus einem nahezu perfekten Spiel. Bestimmte Fehler macht man dann nicht wieder und wird dadurch nur umso stärker. Teamfähigkeit ist ebenfalls wichtig. Als leitende Unparteiische muss man mit dem nötigen Selbstbewusstsein und einer gewissen Entscheidungsfreude vorangehen.

DFB.de: Sie haben Eigenschaften wie Kritikfähigkeit und Selbstbewusstsein angesprochen. Wie gehen Sie beide mit Fehlentscheidungen um?

Michel: Aus Fehlern kann man immer auch etwas Positives ziehen. Man muss sich jedoch auch eingestehen können, dass man etwas falsch entschieden hat. An der einen oder anderen Stelle sollte man vielleicht auch mal für einen Fehler dankbar sein, weil man es sonst vielleicht nie gelernt hätte. Beim Spiel haben wir einen Coach an der Seite oder auch andere Schiedsrichter, mit denen wir Spiele und Entscheidungen aufarbeiten können. Auch die Familie kann eine ganz wichtige Stütze bei der Aufarbeitung sein. Für mich ist es wichtig, viel über meine Spiele zu reden und Schlüsse zu ziehen, was ich bei den nächsten Spielen besser machen kann. Nur dann kann man sich für das nächste Spiel entsprechend vorbereiten. Das heißt nicht, dass sich ein Fehler nicht wiederholen kann, jedoch kann man so weiter daran arbeiten.

Hussein: Mir ist wichtig zu betonen, dass wir alle überhaupt nicht daran interessiert sind, einen Fehler zu machen. Am liebsten möchte ich persönlich überhaupt keinen Fehler machen und als Schiedsrichterin "unsichtbar" sein. Wir sind unsere stärksten Kritikerinnen. Was eine Schiedsrichterin sich in meinen Augen jedoch nie vorwerfen lassen darf, ist, nicht professionell vorbereitet zu sein. Für mich ist das nächste Spiel immer das allerwichtigste. Mit dem Thema Kritik von außen hat man als Schiedsrichter oder Scheidsrichterin sowieso von Anfang an Berührung. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich mal Applaus erhielt, als ich den Platz verlassen habe, ausgepfiffen wurde ich jedoch schon. Das ist nicht schön. Das hat niemand verdient. Das wünscht sich eine Spielerin auch nicht. Aber auch an diesen Momenten wächst man. Bei Fehlern sollte man selbstkritisch hinterfragen, woran es lag. Oft ist es das Stellungsspiel oder eine falsche Position. Was man nicht sieht oder nicht sehen kann, das entgeht einem möglicherweise.

DFB.de: Gibt es für Unparteiische denn ebenfalls Erfolgserlebnisse?

Hussein: Das Vertrauen für eine bestimmte Begegnung angesetzt zu werden oder für ein Turnier nominiert zu werden, ist etwas ganz Besonderes und motiviert enorm.

Michel: Es sind manchmal auch Kleinigkeiten. Nach dem Spiel ist es zum Beispiel schön, wenn beide Mannschaften oder auch die Trainer zu einem kommen. Es muss kein Lob sein, aber allein der Respekt, dass die Beteiligten danach zu mir kommen und mich abklatschen, freut mich als Schiedsrichterin.

DFB.de: Bei den Spielerinnen sind Erfolgsmomente wie ein Tor für das eigene Team offensichtlich. Erleben Unparteiische während der 90 Minuten ebenfalls Erfolgserlebnisse?

Hussein: Ja, zum Beispiel einen Vorteil zu erkennen, aus dem ein Tor entsteht. Das ist Weltklasse. Das zeichnet eine moderne Spielleitung aus. Das will jeder sehen. Das fällt dann auch der Öffentlichkeit positiv auf, denn die Schiedsrichterin hat das Foul gesehen, zeigt Vorteil an und behält die Übersicht - das sind ganz besondere Momente.

DFB.de: Frau Michel, Riem Hussein ist dreifache Schiedsrichterin des Jahres, FIFA-Referee und war unter anderem bei großen internationalen Turnieren wie der Frauen-EM und Frauen-WM mit dabei. Ist das auch Ihr Ziel?

Michel: Was Riem bereits sportlich erreicht hat, dort würde ich eines Tages gerne auch mal hin. Ich denke, das wünscht sich jede Schiedsrichterin, einmal bei einer Europa- und Weltmeisterschaft auf dem Platz zu stehen und international Spiele zu leiten. Auch abgesehen von ihren internationalen sportlichen Erfolgen, sehe ich ihr gerne zu, wie sie in der Frauen-Bundesliga Spiele leitet. Wenn ich bei ihr mal als Assistentin mit dabei bin, höre ich durch das Headset, wie sie mit den Spielerinnen kommuniziert. Es ist immer hilfreich mitzubekommen, wie andere Kolleginnen Szenen bewerten, Entscheidungen treffen und mit Spielerinnen umgehen. Auch von ihrer intensiven Vorbereitung auf Spiele kann man einiges lernen.

DFB.de: Frau Hussein, Fabienne Michel hat nun bereits mit 25 Jahren ihre ersten 24 Spiele in der Frauen-Bundesliga auf dem Konto. Kann auch der Austausch mit etwas weniger erfahreneren Kolleginnen hilfreich sein?

Hussein: Auf jeden Fall! Es ist immer schön zu sehen, wie unbeschwert die jungen Schiedsrichterinnen sind. Mir hat es damals zum Beispiel gutgetan, international ein eher unerfahrenes Team dabei zu haben. Wir haben Szene für Szene im Spiel abgearbeitet. Frischer Wind ist wichtig. Die Jugend, die jetzt nachrückt, ist nah an den jungen Spielerinnen dran. Mir macht es Freude, wenn ich Fabienne zugucke. Ich weiß, dass sie noch alles vor sich hat. Ich kenne den Erfolgshunger, alles mitnehmen zu wollen und so viel Erfahrung zu sammeln wie nur irgendwie möglich. Junge Kolleginnen im Team zu haben, hilft auch erfahreneren Schiedsrichterinnen weiter. Deswegen freue ich mich immer, wenn ich mit so jungen, ehrgeizigen Kolleginnen angesetzt bin, weil man so auch andere Blickwinkel kennenlernt, aber seine eigene Erfahrung weitergeben kann.

DFB.de: Die neue Spielzeit der Frauen-Bundesliga steht vor der Tür. Wie haben Sie sich darauf vorbereitet?

Michel: Wir hatten einen Lehrgang, der in diesem Jahr wegen des Corona-Virus in verkürzter Form stattgefunden hat. Hier haben wir uns sowohl in puncto Fitness als auch in Sachen Regelkunde und Regeländerungen intensiv vorbereitet. Wir hatten auch einige Testspiele. Ansonsten haben wir jedoch auch den Vorteil, nicht so wirklich raus zu sein, da die Sommerpause wegen der Corona-Pandemie und der angepassten Spielpläne nach dem Restart verkürzt war.

Hussein: Die vergangene Saison hat uns bereits auf eine Zeit ohne Zuschauer vorbereitet. Glücklicherweise haben wir die Spielzeit beenden könnten. Wir konnten uns mit frischen Kräften auf die neue Saison vorbereiten und sind sehr dankbar, dass wir bald schon wieder auf dem Platz stehen dürfen, wenn auch leider ohne Zuschauer.

DFB.de: Mit welchen Zielen gehen Sie in die neue Saison?

Michel: Mein Ziel ist es, möglichst viele Einsätze in der Frauen-Bundesliga zu absolvieren. Bei den Männern bin ich außerdem in die Regionalliga aufgestiegen. Ich hoffe, dass ich dort mit Leistung überzeugen und mich gut etablieren kann.

Hussein: Ich möchte gerne in der 3. Liga eine ordentliche Saison pfeifen und viele Spiele in der Frauen-Bundesliga leiten. Ich hoffe, mich für ein großes internationales Turnier im nächsten Jahr empfehlen zu können.

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