"Medialer Fokus wird sehr, sehr groß sein"

Rekordhalter und Schiedsrichter des Jahres unter sich. Bibiana Steinhaus wird die erste Frau sein, die ein Spiel in der Bundesliga pfeift. Wolfgang Stark leitete 344 Partien in der höchsten Spielklasse - so viele wie kein anderer. Mit DFB.de sprechen die 38 Jahre alte Steinhaus und der 47-jährige Stark über alte Weisheiten und moderne Technik, über große Gefühle und kleine Gesten.

DFB.de: Frau Steinhaus, wissen Sie noch, was Sie am 4. April 1997 gemacht haben?

Bibiana Steinhaus: Meine Schiedsrichterprüfung? (lacht) Nein, Moment, das war früher. Im April 1997 war ich gerade erst 18 Jahre alt und habe an dem Tag wahrscheinlich irgendwo auf Landesebene gepfiffen.

DFB.de: Wolfgang Stark leitete an diesem Tag sein erstes Spiel als Bundesliga-Schiedsrichter. Köln gegen Duisburg, Endstand 2:5.

Steinhaus: Das ist verdammt lange her. Es ist eine großartige Leistung von Wolfgang, zwei Jahrzehnte lang auf diesem Niveau derart konstant gepfiffen zu haben.

DFB.de: Herr Stark, haben Sie eine Idee, was Sie machen, wenn Bibiana Steinhaus ihr erstes Spiel in der Bundesliga pfeift?

Steinhaus: Er könnte doch mein Video-Assistent sein...

Wolfgang Stark: Stimmt, das wäre möglich. Nachdem ich meine aktive Karriere aufgrund der Altersgrenze zum Saisonende beendet habe, freue ich mich, von Anfang an Teil eines solch bedeutenden Projekts sein zu dürfen.

Steinhaus: Wolfgang ist mit seiner Erfahrung gewiss ein guter Assistent am Bildschirm. Und mit seiner bayerischen Ruhe erst recht.

Stark: Der Druck in dieser Partie wird bei Bibiana liegen. In ihrem ersten Spiel wird der mediale Fokus sicherlich sehr, sehr groß sein. Insofern wäre es eine verantwortungsvolle Rolle, sie als Video-Assistent bei dieser Aufgabe zu unterstützen. Aber im Idealfall muss ich dann ja gar nicht eingreifen.

DFB.de: Wie bewerten Sie grundsätzlich die Einführung des Video-Assistenten in der Bundesliga?

Steinhaus: Für uns Schiedsrichter ist es wichtig, dass wir am Ende die richtige Entscheidung treffen. Der Video-Assistent wird uns dabei helfen. Ich finde es zudem vollkommen richtig, dass wir die technischen Möglichkeiten der heutigen Zeit nutzen. In Zeiten von Liveticker, TV-Wiederholungen und Social Media weiß jeder im Stadion und daheim vor dem Fernseher sofort, ob der Schiedsrichter richtig oder falsch lag. Da ist es mehr als sinnvoll, dass auch uns Unparteiischen diese Möglichkeit geschaffen wird.

DFB.de: Glauben Sie, dass sich für Sie als Schiedsrichterin etwas ändert, wenn Sie in Zukunft auf dem Platz stehen und Entscheidungen treffen?

Steinhaus: Wir sind angehalten, weiterhin so zu pfeifen, als gäbe es den Video-Assistenten nicht. Aber natürlich sorgt es für zusätzliche Selbstsicherheit bei der Spielleitung, wenn man weiß, dass bei einer klaren Fehlentscheidung ein Kollege eingreifen und helfen kann. Man muss sich immer wieder vor Augen halten, welche Auswirkungen solche Fehler nicht nur für die betroffene Mannschaft, sondern auch für den Unparteiischen haben. Nehmen Sie beispielsweise das Handspiel von Thierry Henry 2009 im entscheidenden WM-Play-off. Die irische Mannschaft hat dadurch die WM in Südafrika verpasst, und auch der schwedische Schiedsrichter Martin Hansson wurde anschließend nicht für das Turnier nominiert.

Stark: Schon als es den Video-Assistenten noch nicht gab, haben wir uns stets als Schiedsrichter-Team verstanden. Es kann ja auch sein, dass mal der Assistent eine Szene sieht, die dem Schiedsrichter entgangen ist. Dieses Gespann wird jetzt einfach um eine fünfte Person erweitert, den Video-Assistenten. Das wird für mehr Fairness im Fußball sorgen. Eindeutige Fehlentscheidungen, beispielsweise das Handtor von Leon Andreasen oder das vermeintliche Foulspiel an Timo Werner, wird es natürlich auch weiterhin geben, denn wir Schiedsrichter sind auch nur Menschen. Fortan können diese Schwarz-Weiß-Situationen aber vom Video-Assistenten korrigiert werden, so dass am Ende die richtige Entscheidung steht. Und nur darum geht es.



Rekordhalter und Schiedsrichter des Jahres unter sich. Bibiana Steinhaus wird die erste Frau sein, die ein Spiel in der Bundesliga pfeift. Wolfgang Stark leitete 344 Partien in der höchsten Spielklasse - so viele wie kein anderer. Mit DFB.de sprechen die 38 Jahre alte Steinhaus und der 47-jährige Stark über alte Weisheiten und moderne Technik, über große Gefühle und kleine Gesten.

DFB.de: Frau Steinhaus, wissen Sie noch, was Sie am 4. April 1997 gemacht haben?

Bibiana Steinhaus: Meine Schiedsrichterprüfung? (lacht) Nein, Moment, das war früher. Im April 1997 war ich gerade erst 18 Jahre alt und habe an dem Tag wahrscheinlich irgendwo auf Landesebene gepfiffen.

DFB.de: Wolfgang Stark leitete an diesem Tag sein erstes Spiel als Bundesliga-Schiedsrichter. Köln gegen Duisburg, Endstand 2:5.

Steinhaus: Das ist verdammt lange her. Es ist eine großartige Leistung von Wolfgang, zwei Jahrzehnte lang auf diesem Niveau derart konstant gepfiffen zu haben.

DFB.de: Herr Stark, haben Sie eine Idee, was Sie machen, wenn Bibiana Steinhaus ihr erstes Spiel in der Bundesliga pfeift?

Steinhaus: Er könnte doch mein Video-Assistent sein...

Wolfgang Stark: Stimmt, das wäre möglich. Nachdem ich meine aktive Karriere aufgrund der Altersgrenze zum Saisonende beendet habe, freue ich mich, von Anfang an Teil eines solch bedeutenden Projekts sein zu dürfen.

Steinhaus: Wolfgang ist mit seiner Erfahrung gewiss ein guter Assistent am Bildschirm. Und mit seiner bayerischen Ruhe erst recht.

Stark: Der Druck in dieser Partie wird bei Bibiana liegen. In ihrem ersten Spiel wird der mediale Fokus sicherlich sehr, sehr groß sein. Insofern wäre es eine verantwortungsvolle Rolle, sie als Video-Assistent bei dieser Aufgabe zu unterstützen. Aber im Idealfall muss ich dann ja gar nicht eingreifen.

DFB.de: Wie bewerten Sie grundsätzlich die Einführung des Video-Assistenten in der Bundesliga?

Steinhaus: Für uns Schiedsrichter ist es wichtig, dass wir am Ende die richtige Entscheidung treffen. Der Video-Assistent wird uns dabei helfen. Ich finde es zudem vollkommen richtig, dass wir die technischen Möglichkeiten der heutigen Zeit nutzen. In Zeiten von Liveticker, TV-Wiederholungen und Social Media weiß jeder im Stadion und daheim vor dem Fernseher sofort, ob der Schiedsrichter richtig oder falsch lag. Da ist es mehr als sinnvoll, dass auch uns Unparteiischen diese Möglichkeit geschaffen wird.

DFB.de: Glauben Sie, dass sich für Sie als Schiedsrichterin etwas ändert, wenn Sie in Zukunft auf dem Platz stehen und Entscheidungen treffen?

Steinhaus: Wir sind angehalten, weiterhin so zu pfeifen, als gäbe es den Video-Assistenten nicht. Aber natürlich sorgt es für zusätzliche Selbstsicherheit bei der Spielleitung, wenn man weiß, dass bei einer klaren Fehlentscheidung ein Kollege eingreifen und helfen kann. Man muss sich immer wieder vor Augen halten, welche Auswirkungen solche Fehler nicht nur für die betroffene Mannschaft, sondern auch für den Unparteiischen haben. Nehmen Sie beispielsweise das Handspiel von Thierry Henry 2009 im entscheidenden WM-Play-off. Die irische Mannschaft hat dadurch die WM in Südafrika verpasst, und auch der schwedische Schiedsrichter Martin Hansson wurde anschließend nicht für das Turnier nominiert.

Stark: Schon als es den Video-Assistenten noch nicht gab, haben wir uns stets als Schiedsrichter-Team verstanden. Es kann ja auch sein, dass mal der Assistent eine Szene sieht, die dem Schiedsrichter entgangen ist. Dieses Gespann wird jetzt einfach um eine fünfte Person erweitert, den Video-Assistenten. Das wird für mehr Fairness im Fußball sorgen. Eindeutige Fehlentscheidungen, beispielsweise das Handtor von Leon Andreasen oder das vermeintliche Foulspiel an Timo Werner, wird es natürlich auch weiterhin geben, denn wir Schiedsrichter sind auch nur Menschen. Fortan können diese Schwarz-Weiß-Situationen aber vom Video-Assistenten korrigiert werden, so dass am Ende die richtige Entscheidung steht. Und nur darum geht es.

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DFB.de: Es gibt auch kritische Stimmen. Speziell nachdem beim Confederations Cup einige Szenen, in denen der Video-Assistent eingegriffen hatte, für Verwirrung sorgten.

Stark: Wir können zuversichtlich sein, dass es in Deutschland besser laufen wird. Für mich sind zwei Faktoren entscheidend: Erstens schulen DFB und DFL uns Schiedsrichter seit mehr als einem Jahr. Es wird unglaublich professionell mit dem Thema umgegangen. Wir haben mittlerweile die Abläufe schon sehr gut verinnerlicht. Darüber hinaus kennen wir Bundesliga-Schiedsrichter und -Assistenten uns alle untereinander sehr gut. Die Basis der Kommunikation und das Vertrauen sind deutlich besser, als wenn bei einem Turnier kurz vorher die Akteure aus verschiedenen Ländern zusammenkommen.

DFB.de: Als Nationalspieler Timo Werner im Finale von seinem Gegenspieler aus Chile einen Ellenbogencheck abbekam, griff der Video-Assistent zwar ein, letztlich gab es aber nur Gelb. Was hätte Video-Assistent Stark der Schiedsrichterin Steinhaus in der Bundesliga geraten?

Stark: Ich hätte die Szene am Bildschirm überprüft und Bibiana via Funk aufs Ohr gesagt, dass sie eine Tätlichkeit übersehen hat, den Ellenbogencheck genannt und Rot empfohlen. Das erfolgt innerhalb weniger Sekunden. Im Stadion ist es laut - also muss ich als Video-Assistent klar und deutlich kommunizieren. Und überzeugend.

Steinhaus: Wir arbeiten weltweit nach dem gleichen Protokoll. Dieses sieht ausschließlich vier Auslösungsmomente vor, wann überhaupt eingegriffen werden kann: Torerzielung, Elfmetersituation, Platzverweis durch Rote Karte oder Spielerverwechslung. Außerdem wissen wir, dass wir unseren Video-Assistenten vertrauen können. Deswegen wird das alles auf einem hohen Level und zuverlässig funktionieren, wenngleich alle Beteiligten - also auch Spieler, Trainer und Zuschauer - bereit sein müssen, einem neuen System zu Beginn auch Fehler zu verzeihen.

DFB.de: Neu ist nicht nur der Videobeweis, sondern auch, dass mit Ihnen erstmals eine Frau in der Bundesliga pfeifen wird. Wie haben Sie, Frau Steinhaus, Ihren Aufstieg erlebt?

Steinhaus: Ehrlich gesagt: wie in Watte gepackt. Als ich per Anruf darüber informiert wurde, habe ich ganz still zugehört und alles wahrgenommen - nur glauben konnte ich es im ersten Moment noch nicht. Später kamen organisatorische Themen hinzu, die DFB-Medienabteilung meldete sich wegen der Pressemitteilung bei mir, ich sprach mit meinen drei "Mitaufsteigern" (Sven Jablonski, Martin Petersen und Sören Storks; Anm. d. Red.) und machte mir erste Gedanken über meine Saisonvorbereitung. Ganz allmählich habe ich dann realisiert, dass es offensichtlich der Wahrheit entsprach.

Stark: Du hast es dir absolut verdient und warst mit deinen Leistungen immer vorne dabei in den vergangenen Jahren. Insofern ist der Aufstieg eine logische Folge. Es ist gut, dass es so gekommen ist. Für Bibiana, für das DFB-Schiedsrichterwesen, für die Bundesliga, für den deutschen Fußball insgesamt.

Steinhaus: Danke, Wolfgang. Das erste Mal auf den Aufstieg angestoßen habe ich allerdings erst vor einigen Tagen, nachdem ich auch die Leistungsprüfung für die Bundesliga bestanden hatte. Der Anruf und das Vertrauen sind die eine Seite, dass ich persönlich alle Rahmenbedingungen - wie den Regeltest, den Videotest, den medizinischen Check oder die regelmäßige Leistungsprüfung - tatsächlich erfülle, die andere. Schließlich gelten für alle dieselben Kriterien. Nachdem der Bundesliga-Aufstieg perfekt war, habe ich in diesem Sommer noch härter trainiert als in den Jahren zuvor. Ich möchte einfach optimal vorbereitet sein.

DFB.de: Wie fielen denn die Reaktionen im Freundes- und Bekanntenkreis sowie unter Kollegen aus?

Steinhaus: Es waren so viele Glückwünsche und Zusprüche dabei - das empfand ich als sehr bemerkenswerte Gesten. Wenn ich einzelne Gratulationen hervorheben würde, wäre das ungerecht. Allerdings hat es mich sehr gefreut, dass nicht nur viele Schiedsrichter-Kollegen, sondern auch Bundesliga-Trainer, -Spieler und -Manager unter den Gratulanten waren.

DFB.de: Inwiefern?

Steinhaus: Das Feedback zeigt mir, dass mein Aufstieg akzeptiert wird - und zwar auf Basis der Leistung. Ich habe den Eindruck, dass es sehr ehrliche, unvoreingenommene Botschaften sind. Das zu erleben, ist einfach schön und gibt mir viel Mut für die bevorstehenden Aufgaben. Die Vorfreude ist groß.

Stark: Wichtig wird sein, dass Bibiana einfach so weitermacht wie bisher und sich darauf einstellt, dass das Spiel noch einen Tick schneller ist in der Bundesliga. Es sind zwar alte Weisheiten, aber: Sich nicht verrückt machen lassen, sich gewissenhaft vorbereiten, zwischendurch auch mal den Kopf freikriegen - das ist entscheidend.

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DFB.de: Herr Stark, was sind denn die großen Stärken von Bibiana Steinhaus?

Stark: Bibiana hat alle Attribute, die von jedem Bundesliga-Schiedsrichter eingefordert werden: Durchsetzungsvermögen, Spielleitungsfähigkeit, Souveränität. Auch ist sie relativ groß - das ist definitiv von Vorteil. Sie weiß, wie sie 22 verschiedene Charaktere auf dem Platz zu führen hat.

DFB.de: Während die eine Bundesliga-Karriere beginnt, ging die andere zum Saisonabschluss 2016/2017 zu Ende. Wie schwer fiel Ihnen der letzte Abpfiff am 20. Mai 2017 bei der Begegnung zwischen Mönchengladbach und Darmstadt, einem 2:2?

Stark: Es mag überraschend klingen, aber es war nicht die ganz große Besonderheit für mich. Ich wusste ja, dass der Moment kommen wird und ich am Tag X mein letztes Bundesligaspiel abpfeifen werde. Ich habe mich - eigentlich wie in all den Jahren zuvor - auf die Sommerpause gefreut, auf das Abschalten für zwei, drei Wochen und die Ruhe. Womöglich war es aber auch deswegen nicht ganz so emotional, weil ich schon wusste, dass ich dem Schiedsrichterwesen in offizieller Funktion erhalten bleibe.

DFB.de: Also keine wirkliche Wehmut bei Ihnen?

Stark: Vielleicht kommt sie erst noch. Wenn es auf den ersten Spieltag der neuen Saison zugeht und ich feststelle: "Moment, es ist Freitag, aber du musst an keinen Spielort reisen, du wirst morgen auch keine Bundesligapartie leiten." Dann funkt bestimmt ein bisschen Wehmut auf. Aber ich freue mich auf die neue Aufgabe im Video-Assistent-Projekt, zumal auch die anderen beiden ausgeschiedenen Schiedsrichter (Dr. Jochen Drees und Günter Perl; Anm. d. Red.) mit dabei sind.

Steinhaus: Grundsätzlich finde ich es sehr positiv, dass uns solche erfahrenen Akteure wie Wolfgang erhalten bleiben, wir gleichzeitig aber auch viele jüngere Schiedsrichtertalente haben, die nachrücken. Diese Entwicklung unterstreicht auch, dass das Gemeinschaftsgefühl im Schiedsrichterwesen passt.

DFB.de: Und wie steht es um die Entwicklung des Spiels an sich: Was hat sich in den vergangenen 20 Jahren gewandelt, Herr Stark?

Stark: Das Spiel ist viel schneller und athletischer geworden. Das erfordert von den Schiedsrichtern eine immer professionellere Vorbereitung, auch in Bezug auf Fitness und Kondition. Auf dem Rasen nimmt die Kommunikation einen zentralen Baustein ein. Es hilft, wenn man über die Zeit hinweg viele Spieler und Trainer kennt und weiß, wie sie in bestimmten Situationen reagieren.

DFB.de: Sie beide sind die Schiedsrichter des Jahres 2017. Was bedeutet Ihnen dieser Preis?

Stark: Für mich stellt diese Ehrung einen wunderschönen Abschluss einer ganz besonderen Zeit dar. Mit meinen Leistungen in der vergangenen Saison war ich sehr zufrieden, daher freut mich diese Auszeichnung umso mehr.

Steinhaus: Ich verstehe diesen Preis als Ansporn, auch in Zukunft hart zu arbeiten und konstant gute Leistungen zu bringen. Ab sofort eben auch in der Bundesliga.

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