Max Hartung bei Egidius-Braun-Akademie: "Der Sport ist politisch"

Regel 50 der Olympischen Charta verbietet Athleten, sich während eines Wettkampfes politisch zu äußern. Max Hartung sieht diese Regelung kritisch. Der 31-jährige Säbelfechter und zweimalige Olympiateilnehmer hat sich mit dem 2017 gegründeten Interessenbündnis Athleten Deutschland e.V. zuletzt deutlich dafür ausgesprochen, die jahrzehntealte Regelung zumindest zu überdenken.

Am Mittwochabend diskutierte Hartung mit 26 jungen Männern und Frauen, die sich ehrenamtlich im und für den Sport engagieren, über Regel 50. Und darüber, welche Bedeutung Politik generell im Sport haben sollte.

Hartung : "Der Sport ist durch und durch politisch"

"Der Sport ist durch und durch politisch. Wir singen mit bei der Hymne, wir tragen den Adler auf der Brust. Es ist wichtig, die politische Dimension des Sportes zu erkennen“, sagte Hartung zu den Nachwuchs-Funktionären, die seit September an der gemeinsamen Online-Akademie der DFB-Stiftung Egidius Braun und der Deutschen Sportjugend (dsj) teilnehmen, um durch Expertenvorträge wie Hartungs noch besser für ihr ehrenamtliches Engagement gewappnet zu sein.

Der vierfache Europameister, der 2014 mit der Mannschaft Weltmeister wurde, berichtete, dass er zu Beginn seiner Karriere eher unbedarft mit der eigenen politischen Wirksamkeit umgegangen sei. "Nichts Gravierendes, aber mir wurde gesagt, wir machen gerade ein Foto mit diesem oder jenen Politiker, Daumen hoch, und schon ging es weiter. Heute informiere ich mich vorher." Und sage auch mal Nein.

Verantwortung übernehmen

Konsens bestand unter den jungen Ehrenamtlern darüber, dass Sportler sich bewusst sein sollten, dass sie an der politischen Meinungsbildung gerade junger Menschen teilhaben. "Es gab doch Zeiten", sagte eine Teilnehmerin, "da war es schon ein politisches Statement, wenn eine Frau Fußball spielte. Oder als Cathy Freeman 2000 in Sydney als Aborigine Gold gewann."

Angelika Ribler von der Sportjugend Hessen holte die Runde in die Wirklichkeit zurück. Bei allem Enthusiasmus für den mündigen Athleten und eine positive Wertevermittlung durch den Sport, dächten doch die Mehrheit in den Vereinen ganz anders. "Viele wollen eine strikte Trennung zwischen Sport und Politik. Es heißt dann oft, man müsse den Sport sauber halten", sagte die Julius-Hirsch-Preisträgerin Ribler, die bei der Sportjugend Hessen das Referat "Sport- und Jugendpolitik" leitet.

Sport und Politik sind eng verzahnt

Doch diese Trennlinie existiert nur als Wunschvorstellung. Schon ein unvollständiger Schnelldurchlauf der vergangenen Monate zeigt, wie eng verzahnt Sport und Politik tatsächlich sind: Die Proteste in den US-Profisportligen und auch in der Bundesliga nach dem Tod von George Floyd, Megan Rapinoes Interview ("I’m not going to the fucking White House") und die Klage des US-Frauen-Fußballteams für "equal pay", der militärische Salut türkischer Fußballer, die Fanbanner gegen Dietmar Hopp.

Auch historisch gibt es etliche Beispiele für die nicht zu leugnende Verbindung zwischen Sport und Politik. Weil große Sportereignisse eine Plattform für Propaganda und Agitation bieten, wie sie etwa Hitler 1936 mit den Olympischen Spielen zu besetzen versuchte. Weil Sportler eben auch politisch denkende Menschen sind – wie Muhammad Ali ("No VietCong ever called me a Nigger"), der in den sechziger Jahren den Wehrdienst verweigerte.

Keuser: "Sachlichkeit geht öfters unter"

Dabei sieht auch Hartung Gefahren darin, falls der IOC vor den Spielen in Tokio Regel 50 aufweicht. "Es gibt schon die Sorge, dass Sportler durch die Regierungen ihres Heimatlandes instrumentalisiert werden", so Hartung, der in bewegenden Worten auch auf das Schicksal des iranischen Ringers Navid Afkari einging. Lukas Keuser vom Fanprojekt Trier sprach dann auch noch an, wie gerade Ultras das Stadion für politische Botschaften nutzen. "Leider ist es so", sagte Keuser, "dass Sachlichkeit öfters untergeht. Je plumper und provokanter Botschaften sind, desto mehr mediale Reichweite erzielt man."

Wie politisch ist der Sport? Ein großes Thema. Für das die Zeit nicht annähernd ausreichte. Die Egidius-Braun-Akademie, die eigentlich als Präsenzveranstaltung umgesetzt werden sollte, wegen Corona aber im virtuellen Raum realisiert wird, endet in knapp einem Monat mit einer Projektarbeit. Dann werden die Teilnehmenden das erworbene Wissen aus den vergangenen Wochen anwenden und im Rahmen eines Design-Thinking Coachings ein Konzept für ihren "Verein der Zukunft" entwickeln. Gut möglich, dass das Thema "Sport und Politik" dabei auch eine Rolle spielt.

[th]

Regel 50 der Olympischen Charta verbietet Athleten, sich während eines Wettkampfes politisch zu äußern. Max Hartung sieht diese Regelung kritisch. Der 31-jährige Säbelfechter und zweimalige Olympiateilnehmer hat sich mit dem 2017 gegründeten Interessenbündnis Athleten Deutschland e.V. zuletzt deutlich dafür ausgesprochen, die jahrzehntealte Regelung zumindest zu überdenken.

Am Mittwochabend diskutierte Hartung mit 26 jungen Männern und Frauen, die sich ehrenamtlich im und für den Sport engagieren, über Regel 50. Und darüber, welche Bedeutung Politik generell im Sport haben sollte.

Hartung : "Der Sport ist durch und durch politisch"

"Der Sport ist durch und durch politisch. Wir singen mit bei der Hymne, wir tragen den Adler auf der Brust. Es ist wichtig, die politische Dimension des Sportes zu erkennen“, sagte Hartung zu den Nachwuchs-Funktionären, die seit September an der gemeinsamen Online-Akademie der DFB-Stiftung Egidius Braun und der Deutschen Sportjugend (dsj) teilnehmen, um durch Expertenvorträge wie Hartungs noch besser für ihr ehrenamtliches Engagement gewappnet zu sein.

Der vierfache Europameister, der 2014 mit der Mannschaft Weltmeister wurde, berichtete, dass er zu Beginn seiner Karriere eher unbedarft mit der eigenen politischen Wirksamkeit umgegangen sei. "Nichts Gravierendes, aber mir wurde gesagt, wir machen gerade ein Foto mit diesem oder jenen Politiker, Daumen hoch, und schon ging es weiter. Heute informiere ich mich vorher." Und sage auch mal Nein.

Verantwortung übernehmen

Konsens bestand unter den jungen Ehrenamtlern darüber, dass Sportler sich bewusst sein sollten, dass sie an der politischen Meinungsbildung gerade junger Menschen teilhaben. "Es gab doch Zeiten", sagte eine Teilnehmerin, "da war es schon ein politisches Statement, wenn eine Frau Fußball spielte. Oder als Cathy Freeman 2000 in Sydney als Aborigine Gold gewann."

Angelika Ribler von der Sportjugend Hessen holte die Runde in die Wirklichkeit zurück. Bei allem Enthusiasmus für den mündigen Athleten und eine positive Wertevermittlung durch den Sport, dächten doch die Mehrheit in den Vereinen ganz anders. "Viele wollen eine strikte Trennung zwischen Sport und Politik. Es heißt dann oft, man müsse den Sport sauber halten", sagte die Julius-Hirsch-Preisträgerin Ribler, die bei der Sportjugend Hessen das Referat "Sport- und Jugendpolitik" leitet.

Sport und Politik sind eng verzahnt

Doch diese Trennlinie existiert nur als Wunschvorstellung. Schon ein unvollständiger Schnelldurchlauf der vergangenen Monate zeigt, wie eng verzahnt Sport und Politik tatsächlich sind: Die Proteste in den US-Profisportligen und auch in der Bundesliga nach dem Tod von George Floyd, Megan Rapinoes Interview ("I’m not going to the fucking White House") und die Klage des US-Frauen-Fußballteams für "equal pay", der militärische Salut türkischer Fußballer, die Fanbanner gegen Dietmar Hopp.

Auch historisch gibt es etliche Beispiele für die nicht zu leugnende Verbindung zwischen Sport und Politik. Weil große Sportereignisse eine Plattform für Propaganda und Agitation bieten, wie sie etwa Hitler 1936 mit den Olympischen Spielen zu besetzen versuchte. Weil Sportler eben auch politisch denkende Menschen sind – wie Muhammad Ali ("No VietCong ever called me a Nigger"), der in den sechziger Jahren den Wehrdienst verweigerte.

Keuser: "Sachlichkeit geht öfters unter"

Dabei sieht auch Hartung Gefahren darin, falls der IOC vor den Spielen in Tokio Regel 50 aufweicht. "Es gibt schon die Sorge, dass Sportler durch die Regierungen ihres Heimatlandes instrumentalisiert werden", so Hartung, der in bewegenden Worten auch auf das Schicksal des iranischen Ringers Navid Afkari einging. Lukas Keuser vom Fanprojekt Trier sprach dann auch noch an, wie gerade Ultras das Stadion für politische Botschaften nutzen. "Leider ist es so", sagte Keuser, "dass Sachlichkeit öfters untergeht. Je plumper und provokanter Botschaften sind, desto mehr mediale Reichweite erzielt man."

Wie politisch ist der Sport? Ein großes Thema. Für das die Zeit nicht annähernd ausreichte. Die Egidius-Braun-Akademie, die eigentlich als Präsenzveranstaltung umgesetzt werden sollte, wegen Corona aber im virtuellen Raum realisiert wird, endet in knapp einem Monat mit einer Projektarbeit. Dann werden die Teilnehmenden das erworbene Wissen aus den vergangenen Wochen anwenden und im Rahmen eines Design-Thinking Coachings ein Konzept für ihren "Verein der Zukunft" entwickeln. Gut möglich, dass das Thema "Sport und Politik" dabei auch eine Rolle spielt.