Matthias Sammer: "Trainer ist Schlüssel und Maß der Dinge"

Ein klares Bekenntnis zur Elite gibt der Deutsche Fußball-Bund (DFB) mit der Entwicklung und Umsetzung eines Konzeptes zur Eliteförderung. Verantwortlicher Initiator ist Matthias Sammer, seit 1. April 2006 DFB-Sportdirektor. "Matthias Sammer gibt der Eliteförderung ein Gesicht, und das ist unverwechselbar," bilanziert DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger zum einjährigen Jubiläum des ehemaligen Weltklassespielers als DFB-Sportdirektor.

Im aktuellen "DFB.de-Gespräch der Woche" mit DFB-Redakteur Jens Grittner spricht Matthias Sammer über seine neue Ausbildungskonzeption, die daraus resultierenden Neuerungen für die DFB-Trainerausbildung und die generelle Rolle des Trainers. Zudem äußert sich der DFB-Sportdirektor zu den Titelchancen der U 19-Nationalmannschaft, die bei der Europameisterschaft in Österreich im Halbfinale steht, und die Auswirkungen konsequenter Nachwuchsarbeit auf die Nationalmannschaft.

Frage: Am Montag startete in Nürnberg der 50. Internationale Trainer-Kongress. Sie selbst halten gleich zwei Vorträge. Welche Botschaft möchte der DFB-Sportdirektor den rund 800 teilnehmenden Fußball-Trainern vermitteln?

Matthias Sammer: Es geht weniger um eine Botschaft als vielmehr um die Präsentation einer ganz neuen, in die Zukunft gerichteten Ausbildungskonzeption, die wir im DFB erarbeitet haben. Diese folgt einer klaren Struktur. Die Spieler, die unsere Nationalmannschaft bei der WM 2026 zum Titel schießen sollen, sind bereits geboren. Also darf die systematische Sichtung und Förderung von Talenten nicht erst in höheren Altersklassen starten, sondern wir müssen uns bereits über die spielerisch vermittelte Bewegungsschulung bei unseren Jüngsten – in der Kita und in der Schule – Gedanken machen. Nur eine ganzheitliche Struktur des Ausbildungsprozesses, vom sportbegeisterten Anfänger im Kindergarten bis zum Nationalspieler, sichert letztlich eine fußballerische Qualität, die immer wieder Spitzenkräfte heranreifen lässt. Und in diesem Ausbildungsprozess spielen die Trainer und Übungsleiter die entscheidende Rolle.

Frage: Was bedeutet dies konkret für die Trainerausbildung im DFB?

Matthias Sammer: Wir werden die Traineraus- und -weiterbildung in Zukunft verändern. Zum einen wird der Umfang der Ausbildung erhöht. So wird der Fußball-Lehrer-Lehrgang auf neun Monate verlängert. Aber auch die Inhalte werden überarbeitet. So wollen wir den theoretisch-wissenschaftlichen Hintergrund verbessern, die praktischen Anteile erhöhen und die Persönlichkeitsentwicklung der Trainer stärker beachten. Zum anderen müssen die Zulassungskriterien klarer definiert sein. So erhalten langjährige Bundesliga-Spieler aufgrund ihrer praktischen Erfahrungen direkt die C-Lizenz. Wenn sie den klaren Wunsch haben, Fußballtrainer als Beruf zu erlernen, dann beginnen sie mit der B-Lizenz-Ausbildung. Dann ist eine Saison in der Praxis nachzuweisen, bevor die A-Lizenz-Ausbildung begonnen werden kann. Jede Lizenz erfordert ein Jahr praktische Trainerarbeit. So sollen Theorie und Praxis effektiver verbunden werden.

Frage: Das heißt, die Zügel sollen angezogen werden...

Matthias Sammer: Wir wollen die Trainerausbildung optimieren und künftig auch strengeren Regularien unterwerfen. Die Qualität wird zum entscheidenden Maßstab werden. Ebenso müssen Trainer klare Kriterien erfüllen, um eine Zulassung für die einzelnen Ausbildungsstufen zu erhalten. Sind die Kriterien nicht erfüllt, gibt es künftig auch keine Zulassung mehr. Darüber sind wir uns mit der DFL einig.

Frage: Mit der Hinzunahme von Spezialisten hat sich auch das Tagesgeschäft des Trainers verändert. Welche Rolle spielt er Ihrer Meinung nach?

Matthias Sammer: Der Cheftrainer ist mehr denn je der Schlüssel und das Maß der Dinge. Er übernimmt persönlich die Verantwortung für die Steuerung der individuellen und mannschaftlichen Eliteförderung. Seine Persönlichkeit und Autorität sind entscheidend. Er stellt sein Trainerteam zusammen, führt es an, steuert und kontrolliert. Er muss delegieren und seinen Spezialisten vertrauen, die ihm quasi wie Abteilungsleiter zuarbeiten. Und vor allem muss er das Ziel, die Strategie, im Auge behalten und die Marschroute vorgeben. Aber trotz aller Spezialisten muss ein Trainer die komplexen Zusammenhänge auch immer selber verstehen. Er ist am Ende verantwortlich, dass die einzelnen Bausteine wie die Leistungsvoraussetzungen optimal zusammengefügt werden.

Frage: Wie hat der DFB vor diesem Hintergrund das sportliche Umfeld der Auswahlmannschaften neu strukturiert?

Matthias Sammer: Generell gibt es keine Unterschiede mehr – angefangen von der U 15 bis hin zur A-Nationalmannschaft haben wir die gleichen Rahmenbedingungen geschaffen. Für die besten Spieler brauchen wir die besten Bedingungen. Schließlich geht es um die Elite im deutschen Fußball. Alle Teams folgen einer einheitlichen Spielphilosophie. Von der U 15 bis zur U 17 gibt es zudem eine klare Orientierung an einem Spielsystem, ebenso wie für die Teams von der U 18 bis zur A-Nationalmannschaft. Jedem Trainer stehen Fitnesstrainer und Sportpsychologen zur Seite. Torwarttrainer, Physiotherapeuten und Mediziner sind ohnehin Standard. Die Ergebnisse einer umfangreichen Leistungsdiagnostik versetzen uns in die Lage, die einzelnen Spieler weiter individuell zu fördern. Wir haben die Videoanalyse eingeführt und greifen auf ein umfangreiches Datenbanksystem zu.

Frage: Sie haben auch Ihre Konzeption realisiert, wonach die Trainer der DFB-Auswahlmannschaften erstmals keine weiteren Verpflichtungen in der Trainerausbildung wahrzunehmen haben.

Matthias Sammer: Das war notwendig, damit sich die DFB-Trainer voll auf ihre Aufgabe konzentrieren können. Im Gegenzug wird sich Bernd Stöber jetzt ausschließlich der Traineraus- und -weiterbildung widmen können. Gerade im U-Bereich möchten wir unbedingt wieder Erfolge erzielen. Denn Entwicklung und Erfolg können parallel verlaufen.

Frage: Erfolgreich spielt derzeit die U 19 bei der EM in Österreich: Nach dem Einzug ins Halbfinale gegen Griechenland ist ein Titelgewinn durchaus möglich.

Matthias Sammer: Es freut mich natürlich, dass U 19-Trainer Frank Engel optimistisch den Titelgewinn als Ziel ausgegeben hatte. Hohes Anspruchsdenken an uns selbst und das Setzen hoher Ziele – diese Parameter müssen uns langfristig antreiben. Wenn eine deutsche Mannschaft bei einem großen Turnier unter die letzten vier Teams kommt, muss auch der absolute Wille zum Turniersieg erkennbar sein. Insofern haben wir natürlich gewisse Hoffnungen, zumal die Mannschaft in der Gruppenphase eine tolle Leistung gezeigt hat und als Erster ins Halbfinale eingezogen ist. Wir sind davon überzeugt, dass wir alles tun zu Gunsten der Leistungssteigerung des Einzelnen und damit der gesamten Mannschaft. Und wir vertreten die klare Position: Individuelle Entwicklung und mannschaftlicher Erfolg verlaufen parallel.

Frage: Mit Marco Pezzaiuoli, der die U 16 übernommen hat, und U 18-Trainer Heiko Herrlich, der diesen Jahrgang derzeit als U 17 auf die WM ab 18. August in Korea vorbereitet, gibt es zudem zwei neue Gesichter im Trainerstab des DFB.  Herrlich beginnt gleich mit einer Weltmeisterschaft...

Matthias Sammer: Von Heiko Herrlich sind wir fachlich wie menschlich absolut überzeugt, so dass er die Mannschaft gut vorbereiten, einstellen und führen wird. Natürlich haben wir auch gewisse Hoffnungen. Ich bin sicher, dass wir uns in Korea einer deutschen Mannschaft würdig präsentieren werden.

Frage: Ihnen ist also überhaupt nicht bange um den deutschen Fußball-Nachwuchs?

Matthias Sammer: Ganz im Gegenteil. Ich bin von unserem Weg überzeugt. Wenn wir beharrlich bleiben und unsere Konzepte konsequent verfolgen, werden wir nicht nur im Junioren-Bereich wieder Erfolge feiern. Von dem starken Unterbau wird letztlich die Nationalmannschaft weiter profitieren. Und mit dieser wollen wir in der Weltspitze bleiben. Langfristig!

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Ein klares Bekenntnis zur Elite gibt der Deutsche Fußball-Bund (DFB) mit der Entwicklung und Umsetzung eines Konzeptes zur Eliteförderung. Verantwortlicher Initiator ist Matthias Sammer, seit 1. April 2006 DFB-Sportdirektor. "Matthias Sammer gibt der Eliteförderung ein Gesicht, und das ist unverwechselbar," bilanziert DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger zum einjährigen Jubiläum des ehemaligen Weltklassespielers als DFB-Sportdirektor.

Im aktuellen "DFB.de-Gespräch der Woche" mit DFB-Redakteur Jens Grittner spricht Matthias Sammer über seine neue Ausbildungskonzeption, die daraus resultierenden Neuerungen für die DFB-Trainerausbildung und die generelle Rolle des Trainers. Zudem äußert sich der DFB-Sportdirektor zu den Titelchancen der U 19-Nationalmannschaft, die bei der Europameisterschaft in Österreich im Halbfinale steht, und die Auswirkungen konsequenter Nachwuchsarbeit auf die Nationalmannschaft.

Frage: Am Montag startete in Nürnberg der 50. Internationale Trainer-Kongress. Sie selbst halten gleich zwei Vorträge. Welche Botschaft möchte der DFB-Sportdirektor den rund 800 teilnehmenden Fußball-Trainern vermitteln?

Matthias Sammer: Es geht weniger um eine Botschaft als vielmehr um die Präsentation einer ganz neuen, in die Zukunft gerichteten Ausbildungskonzeption, die wir im DFB erarbeitet haben. Diese folgt einer klaren Struktur. Die Spieler, die unsere Nationalmannschaft bei der WM 2026 zum Titel schießen sollen, sind bereits geboren. Also darf die systematische Sichtung und Förderung von Talenten nicht erst in höheren Altersklassen starten, sondern wir müssen uns bereits über die spielerisch vermittelte Bewegungsschulung bei unseren Jüngsten – in der Kita und in der Schule – Gedanken machen. Nur eine ganzheitliche Struktur des Ausbildungsprozesses, vom sportbegeisterten Anfänger im Kindergarten bis zum Nationalspieler, sichert letztlich eine fußballerische Qualität, die immer wieder Spitzenkräfte heranreifen lässt. Und in diesem Ausbildungsprozess spielen die Trainer und Übungsleiter die entscheidende Rolle.

Frage: Was bedeutet dies konkret für die Trainerausbildung im DFB?

Matthias Sammer: Wir werden die Traineraus- und -weiterbildung in Zukunft verändern. Zum einen wird der Umfang der Ausbildung erhöht. So wird der Fußball-Lehrer-Lehrgang auf neun Monate verlängert. Aber auch die Inhalte werden überarbeitet. So wollen wir den theoretisch-wissenschaftlichen Hintergrund verbessern, die praktischen Anteile erhöhen und die Persönlichkeitsentwicklung der Trainer stärker beachten. Zum anderen müssen die Zulassungskriterien klarer definiert sein. So erhalten langjährige Bundesliga-Spieler aufgrund ihrer praktischen Erfahrungen direkt die C-Lizenz. Wenn sie den klaren Wunsch haben, Fußballtrainer als Beruf zu erlernen, dann beginnen sie mit der B-Lizenz-Ausbildung. Dann ist eine Saison in der Praxis nachzuweisen, bevor die A-Lizenz-Ausbildung begonnen werden kann. Jede Lizenz erfordert ein Jahr praktische Trainerarbeit. So sollen Theorie und Praxis effektiver verbunden werden.

Frage: Das heißt, die Zügel sollen angezogen werden...

Matthias Sammer: Wir wollen die Trainerausbildung optimieren und künftig auch strengeren Regularien unterwerfen. Die Qualität wird zum entscheidenden Maßstab werden. Ebenso müssen Trainer klare Kriterien erfüllen, um eine Zulassung für die einzelnen Ausbildungsstufen zu erhalten. Sind die Kriterien nicht erfüllt, gibt es künftig auch keine Zulassung mehr. Darüber sind wir uns mit der DFL einig.

Frage: Mit der Hinzunahme von Spezialisten hat sich auch das Tagesgeschäft des Trainers verändert. Welche Rolle spielt er Ihrer Meinung nach?

Matthias Sammer: Der Cheftrainer ist mehr denn je der Schlüssel und das Maß der Dinge. Er übernimmt persönlich die Verantwortung für die Steuerung der individuellen und mannschaftlichen Eliteförderung. Seine Persönlichkeit und Autorität sind entscheidend. Er stellt sein Trainerteam zusammen, führt es an, steuert und kontrolliert. Er muss delegieren und seinen Spezialisten vertrauen, die ihm quasi wie Abteilungsleiter zuarbeiten. Und vor allem muss er das Ziel, die Strategie, im Auge behalten und die Marschroute vorgeben. Aber trotz aller Spezialisten muss ein Trainer die komplexen Zusammenhänge auch immer selber verstehen. Er ist am Ende verantwortlich, dass die einzelnen Bausteine wie die Leistungsvoraussetzungen optimal zusammengefügt werden.

Frage: Wie hat der DFB vor diesem Hintergrund das sportliche Umfeld der Auswahlmannschaften neu strukturiert?

Matthias Sammer: Generell gibt es keine Unterschiede mehr – angefangen von der U 15 bis hin zur A-Nationalmannschaft haben wir die gleichen Rahmenbedingungen geschaffen. Für die besten Spieler brauchen wir die besten Bedingungen. Schließlich geht es um die Elite im deutschen Fußball. Alle Teams folgen einer einheitlichen Spielphilosophie. Von der U 15 bis zur U 17 gibt es zudem eine klare Orientierung an einem Spielsystem, ebenso wie für die Teams von der U 18 bis zur A-Nationalmannschaft. Jedem Trainer stehen Fitnesstrainer und Sportpsychologen zur Seite. Torwarttrainer, Physiotherapeuten und Mediziner sind ohnehin Standard. Die Ergebnisse einer umfangreichen Leistungsdiagnostik versetzen uns in die Lage, die einzelnen Spieler weiter individuell zu fördern. Wir haben die Videoanalyse eingeführt und greifen auf ein umfangreiches Datenbanksystem zu.

Frage: Sie haben auch Ihre Konzeption realisiert, wonach die Trainer der DFB-Auswahlmannschaften erstmals keine weiteren Verpflichtungen in der Trainerausbildung wahrzunehmen haben.

Matthias Sammer: Das war notwendig, damit sich die DFB-Trainer voll auf ihre Aufgabe konzentrieren können. Im Gegenzug wird sich Bernd Stöber jetzt ausschließlich der Traineraus- und -weiterbildung widmen können. Gerade im U-Bereich möchten wir unbedingt wieder Erfolge erzielen. Denn Entwicklung und Erfolg können parallel verlaufen.

Frage: Erfolgreich spielt derzeit die U 19 bei der EM in Österreich: Nach dem Einzug ins Halbfinale gegen Griechenland ist ein Titelgewinn durchaus möglich.

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Matthias Sammer: Es freut mich natürlich, dass U 19-Trainer Frank Engel optimistisch den Titelgewinn als Ziel ausgegeben hatte. Hohes Anspruchsdenken an uns selbst und das Setzen hoher Ziele – diese Parameter müssen uns langfristig antreiben. Wenn eine deutsche Mannschaft bei einem großen Turnier unter die letzten vier Teams kommt, muss auch der absolute Wille zum Turniersieg erkennbar sein. Insofern haben wir natürlich gewisse Hoffnungen, zumal die Mannschaft in der Gruppenphase eine tolle Leistung gezeigt hat und als Erster ins Halbfinale eingezogen ist. Wir sind davon überzeugt, dass wir alles tun zu Gunsten der Leistungssteigerung des Einzelnen und damit der gesamten Mannschaft. Und wir vertreten die klare Position: Individuelle Entwicklung und mannschaftlicher Erfolg verlaufen parallel.

Frage: Mit Marco Pezzaiuoli, der die U 16 übernommen hat, und U 18-Trainer Heiko Herrlich, der diesen Jahrgang derzeit als U 17 auf die WM ab 18. August in Korea vorbereitet, gibt es zudem zwei neue Gesichter im Trainerstab des DFB.  Herrlich beginnt gleich mit einer Weltmeisterschaft...

Matthias Sammer: Von Heiko Herrlich sind wir fachlich wie menschlich absolut überzeugt, so dass er die Mannschaft gut vorbereiten, einstellen und führen wird. Natürlich haben wir auch gewisse Hoffnungen. Ich bin sicher, dass wir uns in Korea einer deutschen Mannschaft würdig präsentieren werden.

Frage: Ihnen ist also überhaupt nicht bange um den deutschen Fußball-Nachwuchs?

Matthias Sammer: Ganz im Gegenteil. Ich bin von unserem Weg überzeugt. Wenn wir beharrlich bleiben und unsere Konzepte konsequent verfolgen, werden wir nicht nur im Junioren-Bereich wieder Erfolge feiern. Von dem starken Unterbau wird letztlich die Nationalmannschaft weiter profitieren. Und mit dieser wollen wir in der Weltspitze bleiben. Langfristig!