Martina Voss-Tecklenburg: "Wir haben eine klare Vision"

Der 31. Oktober 1970 markiert einen Meilenstein in der Geschichte des deutschen Frauenfußballs - er wurde an diesem Tag vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) offiziell in seine Satzung aufgenommen. Seitdem sind mehr als 50 Jahre vergangen. Fünf Jahrzehnte, in denen viele Persönlichkeiten den Weg bereitet haben. Sie haben gestaltet, motiviert und inspiriert - damals wie heute. 50 Jahre, 50 Gesichter: In der großen Serie zum Jubiläum rückt DFB.de prägende Persönlichkeiten aus dem Frauenfußball in den Fokus. Heute: Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg über...

…ihre Liebe zum Fußball: Mein älterer Bruder und mein Zwillingsbruder haben Fußball gespielt und ich war ständig an deren Seite. Ich habe jeden Moment, in dem ich draußen war, Fußball gespielt. Oft haben wir uns mit anderen Kindern auf dem Fußballplatz getroffen und schnell ist auch aufgefallen, dass ich ziemlich gut war. In einen Verein bin ich allerdings erst sehr spät gekommen, weil meine Mutter immer meinte, dass ich zu zart für Fußball wäre.

...ihre Anfänge im Verein: Eine Woche vor meinem 15. Geburtstag habe ich heimlich ein Probetraining beim KBC Duisburg absolviert, das mein Sportlehrer organisiert hatte. Dort waren sie sofort begeistert von mir. Schlussendlich habe ich auch meine Mutter vom Fußball überzeugt und im März 1983 mein erstes Spiel für den KBC Duisburg und ein Jahr später für die Nationalmannschaft gemacht. Meine Mutter war stolz auf mich und das erste Mal beim DFB-Pokalhalbfinale gegen Wildeshausen im Stadion. Für mich war das immer ein besonderer Moment, wenn meine Eltern mir zusahen.

…Vorurteile: Die haben mich meine ganze Fußballzeit über begleitet. Ich habe oft zu hören bekommen, Frauenfußball sei schrecklich und man könne sich das nicht angucken. Mich hat das nicht interessiert, weil ich viel zu gerne Fußball gespielt habe. Aber wenn ich mit Menschen diskutierte, dann waren sie oftmals überrascht, wie viel Freude wir an dem Sport haben, wie gut wir sind und wie viel Energie wir aufgewendet haben, um überhaupt professionell Fußball spielen zu können. Früher haben die Lehrer in der Schule abgestimmt, ob ich zu Länderspielen fahren durfte - damit werden die Mädels heute gar nicht mehr konfrontiert.

…Vorbilder: Ich glaube, ich war ein Vorbild für viele, weil ich gegen Widerstände gekämpft habe und auch Zweifel hatte, ob ich das alles schaffe. Als die ganzen Titel kamen, ist unglaublich viel passiert im Frauenfußball. Da können wir alle stolz drauf sein. Bei einer Veranstaltung des Fußball- und Leichtathletikverbandes Westfalen zum diesjährigen Jubiläum kamen die damals 18-jährige Lena Oberdorf, und die 83-jährige Christa Kleinhans zusammen. Lena war tief beeindruckt von der ehemaligen Fußballspielerin und wie die Frauen damals gekämpft haben, um überhaupt zu spielen, weil sie den Fußball so liebten. Und das ist mir unglaublich wichtig, dass auch die jüngere Generation von uns profitiert und lernt.

…Meilensteine: In der Entwicklung des Frauenfußballs hatte auf jeden Fall die Europameisterschaft 1989 im eigenen Land einen großen Anteil. Es gab das grandiose Elfmeterschießen im Halbfinale gegen Italien, bei dem unsere Torhüterin Marion Isbert drei Strafstöße hält und den letzten verwandelt. Im Endspiel haben wir dann Norwegen mit 4:1 vor ausverkauftem Haus in Osnabrück aus dem Stadion geschossen. Danach wurde das mediale Interesse an der Nationalmannschaft größer: Die zweigleisige Bundesliga wurde 1990 eingeführt, es gab Sponsoren, mehr Fans und auch mehr Anerkennung. 1997 kam die Einführung der eingleisigen Bundesliga, 2010 das eigenständige DFB-Pokalfinale in Köln. Das ist Wahnsinn, auf welche Entwicklung wir zurückblicken können. Heute müssen wir uns klar positionieren und uns immer wieder beweisen. Wir werden immer für Entwicklung und Erfolg arbeiten.

…Autogrammkarten und Fanpost von früher: Wir hatten damals noch keine Autogrammkarten und haben sie uns selbst drucken lassen. Mein Schwager war Hobbyfotograf, hat Fotos gemacht, sie entwickelt und wir haben die Bilder verschickt. Wir haben tatsächlich auch Briefe bekommen, in denen die Fans ihre Gefühle beschrieben haben. Es gab sogar Heiratsanträge, Liebeserklärungen und Bilder, die gemalt wurden - es war wirklich alles dabei. Wir haben uns die Briefe gegenseitig vorgelesen und uns natürlich die Mühe gemacht, darauf zu antworten.

…die Zukunft im Frauenfußball: Zusammen mit dem DFB arbeiten wir intensiv an vielen Themen. Wir haben eine klare Vision und viele Ideen, die in der Umsetzung aber Zeit benötigen. Wir müssen schauen, wo wir uns von unserer Konkurrenz abheben können und positive Effekte erzielen. Das große Thema für mich ist Sichtbarkeit. Wir wollen die Menschen animieren, mitnehmen und begeistern. Wir haben tolle Talente, mit denen wir intensiv arbeiten. Von daher habe ich keine Angst vor der Zukunft.

…den Beruf der Bundestrainerin: Mein absoluter Traumjob. Mit jungen Menschen zu arbeiten, sich auszutauschen, Entwicklungen voranzubringen, zu gestalten und zu begeistern. Ich liebe es, auf den Platz zu stehen. Das macht mir einen Riesenspaß, ich kann mir nichts Schöneres vorstellen.

[jp]

Der 31. Oktober 1970 markiert einen Meilenstein in der Geschichte des deutschen Frauenfußballs - er wurde an diesem Tag vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) offiziell in seine Satzung aufgenommen. Seitdem sind mehr als 50 Jahre vergangen. Fünf Jahrzehnte, in denen viele Persönlichkeiten den Weg bereitet haben. Sie haben gestaltet, motiviert und inspiriert - damals wie heute. 50 Jahre, 50 Gesichter: In der großen Serie zum Jubiläum rückt DFB.de prägende Persönlichkeiten aus dem Frauenfußball in den Fokus. Heute: Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg über...

…ihre Liebe zum Fußball: Mein älterer Bruder und mein Zwillingsbruder haben Fußball gespielt und ich war ständig an deren Seite. Ich habe jeden Moment, in dem ich draußen war, Fußball gespielt. Oft haben wir uns mit anderen Kindern auf dem Fußballplatz getroffen und schnell ist auch aufgefallen, dass ich ziemlich gut war. In einen Verein bin ich allerdings erst sehr spät gekommen, weil meine Mutter immer meinte, dass ich zu zart für Fußball wäre.

...ihre Anfänge im Verein: Eine Woche vor meinem 15. Geburtstag habe ich heimlich ein Probetraining beim KBC Duisburg absolviert, das mein Sportlehrer organisiert hatte. Dort waren sie sofort begeistert von mir. Schlussendlich habe ich auch meine Mutter vom Fußball überzeugt und im März 1983 mein erstes Spiel für den KBC Duisburg und ein Jahr später für die Nationalmannschaft gemacht. Meine Mutter war stolz auf mich und das erste Mal beim DFB-Pokalhalbfinale gegen Wildeshausen im Stadion. Für mich war das immer ein besonderer Moment, wenn meine Eltern mir zusahen.

…Vorurteile: Die haben mich meine ganze Fußballzeit über begleitet. Ich habe oft zu hören bekommen, Frauenfußball sei schrecklich und man könne sich das nicht angucken. Mich hat das nicht interessiert, weil ich viel zu gerne Fußball gespielt habe. Aber wenn ich mit Menschen diskutierte, dann waren sie oftmals überrascht, wie viel Freude wir an dem Sport haben, wie gut wir sind und wie viel Energie wir aufgewendet haben, um überhaupt professionell Fußball spielen zu können. Früher haben die Lehrer in der Schule abgestimmt, ob ich zu Länderspielen fahren durfte - damit werden die Mädels heute gar nicht mehr konfrontiert.

…Vorbilder: Ich glaube, ich war ein Vorbild für viele, weil ich gegen Widerstände gekämpft habe und auch Zweifel hatte, ob ich das alles schaffe. Als die ganzen Titel kamen, ist unglaublich viel passiert im Frauenfußball. Da können wir alle stolz drauf sein. Bei einer Veranstaltung des Fußball- und Leichtathletikverbandes Westfalen zum diesjährigen Jubiläum kamen die damals 18-jährige Lena Oberdorf, und die 83-jährige Christa Kleinhans zusammen. Lena war tief beeindruckt von der ehemaligen Fußballspielerin und wie die Frauen damals gekämpft haben, um überhaupt zu spielen, weil sie den Fußball so liebten. Und das ist mir unglaublich wichtig, dass auch die jüngere Generation von uns profitiert und lernt.

…Meilensteine: In der Entwicklung des Frauenfußballs hatte auf jeden Fall die Europameisterschaft 1989 im eigenen Land einen großen Anteil. Es gab das grandiose Elfmeterschießen im Halbfinale gegen Italien, bei dem unsere Torhüterin Marion Isbert drei Strafstöße hält und den letzten verwandelt. Im Endspiel haben wir dann Norwegen mit 4:1 vor ausverkauftem Haus in Osnabrück aus dem Stadion geschossen. Danach wurde das mediale Interesse an der Nationalmannschaft größer: Die zweigleisige Bundesliga wurde 1990 eingeführt, es gab Sponsoren, mehr Fans und auch mehr Anerkennung. 1997 kam die Einführung der eingleisigen Bundesliga, 2010 das eigenständige DFB-Pokalfinale in Köln. Das ist Wahnsinn, auf welche Entwicklung wir zurückblicken können. Heute müssen wir uns klar positionieren und uns immer wieder beweisen. Wir werden immer für Entwicklung und Erfolg arbeiten.

…Autogrammkarten und Fanpost von früher: Wir hatten damals noch keine Autogrammkarten und haben sie uns selbst drucken lassen. Mein Schwager war Hobbyfotograf, hat Fotos gemacht, sie entwickelt und wir haben die Bilder verschickt. Wir haben tatsächlich auch Briefe bekommen, in denen die Fans ihre Gefühle beschrieben haben. Es gab sogar Heiratsanträge, Liebeserklärungen und Bilder, die gemalt wurden - es war wirklich alles dabei. Wir haben uns die Briefe gegenseitig vorgelesen und uns natürlich die Mühe gemacht, darauf zu antworten.

…die Zukunft im Frauenfußball: Zusammen mit dem DFB arbeiten wir intensiv an vielen Themen. Wir haben eine klare Vision und viele Ideen, die in der Umsetzung aber Zeit benötigen. Wir müssen schauen, wo wir uns von unserer Konkurrenz abheben können und positive Effekte erzielen. Das große Thema für mich ist Sichtbarkeit. Wir wollen die Menschen animieren, mitnehmen und begeistern. Wir haben tolle Talente, mit denen wir intensiv arbeiten. Von daher habe ich keine Angst vor der Zukunft.

…den Beruf der Bundestrainerin: Mein absoluter Traumjob. Mit jungen Menschen zu arbeiten, sich auszutauschen, Entwicklungen voranzubringen, zu gestalten und zu begeistern. Ich liebe es, auf den Platz zu stehen. Das macht mir einen Riesenspaß, ich kann mir nichts Schöneres vorstellen.

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