Martin Kallen: "Der Fußball spielt die Hauptrolle"

Seit dem Jahr 2004 ist Martin Kallen einer der leitenden Direktoren der UEFA und unter anderem zuständig für die Europameisterschaften und die Champions League. Vor der EM 2012 in Polen und der Ukraine musste er viele Herausforderungen bewältigen - Kallen verspricht dennoch, dass alle Gäste ein gut vorbereitetes und organisiertes Turnier erleben werden.

Gut drei Monate vor Beginn der EM 2012 redet der Schweizer im DFB.de-Gespräch der Woche mit Redakteur Steffen Lüdeke über die lange Zielgerade auf dem Weg zur EM in Polen und der Ukraine.

DFB.de: Die EM rückt näher. Wird Ihr Stress täglich weniger, weil die Dinge immer besser funktionieren und immer mehr fertig ist. Oder wächst die Belastung, weil in immer kürzerer Zeit immer mehr auf den Weg gebracht werden muss?

Martin Kallen: Vom ersten Tag an können wir uns über zu wenig Arbeit nicht beschweren. (lacht) Der Druck war von Beginn an sehr hoch, und er ist nicht weniger geworden. Die vergangenen zwölf Monate waren sehr hart, das muss ich sagen. Und es ist noch nicht vorbei. Zurzeit nimmt die Geschwindigkeit noch einmal zu. Aktuell absolvieren wir ein Arbeitspensum von 13, 14 Stunden am Tag. Es kann auch einmal mehr sein. Aber ich habe ein sehr gutes Gefühl. Unsere Mannschaft ist eingespielt, wir arbeiten sehr gut mit den Behörden vor Ort zusammen. Ich bin optimistisch, dass wir eine perfekt organisierte EM erleben werden.

DFB.de: Können Sie die EM genießen, wenn der Ball erst einmal rollt?

Kallen: Die Anspannung wird natürlich groß sein, aber ein wenig davon wird abfallen, wenn ich sehe, dass alles wie geplant verläuft. Wenn die ersten Spiele gespielt und reibungslos abgelaufen sind, dann glaube ich, dann hoffe ich, dass auch ich den Fußball genießen kann.

DFB.de: Was sind die wichtigsten Punkte Ihrer Agenda, die bis zur Eröffnung noch abgearbeitet werden müssen?

Kallen: Die Liste ist lang. In dieser Woche beispielsweise findet das erste Länderspiel in Warschau statt, Polen spielt gegen Portugal. Das Stadion wurde vor drei Wochen mit einem Musik-Event eröffnet. Danach erst wurde dort der Rasen verlegt. Es war zu dieser Zeit allerdings wahnsinnig kalt, minus 20 Grad. Die polnische Nationalmannschaft spielt jetzt auf diesem Platz gegen Portugal, auch für den Rasen wird das ein Test. Und natürlich auch für die Betreiber des Stadions. Für sie ist vieles neu, da müssen Arbeiten und Abläufe erst eingespielt werden.



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Seit dem Jahr 2004 ist Martin Kallen einer der leitenden Direktoren der UEFA und unter anderem zuständig für die Europameisterschaften und die Champions League. Vor der EM 2012 in Polen und der Ukraine musste er viele Herausforderungen bewältigen - Kallen verspricht dennoch, dass alle Gäste ein gut vorbereitetes und organisiertes Turnier erleben werden.

Gut drei Monate vor Beginn der EM 2012 redet der Schweizer im DFB.de-Gespräch der Woche mit Redakteur Steffen Lüdeke über die lange Zielgerade auf dem Weg zur EM in Polen und der Ukraine.

DFB.de: Die EM rückt näher. Wird Ihr Stress täglich weniger, weil die Dinge immer besser funktionieren und immer mehr fertig ist. Oder wächst die Belastung, weil in immer kürzerer Zeit immer mehr auf den Weg gebracht werden muss?

Martin Kallen: Vom ersten Tag an können wir uns über zu wenig Arbeit nicht beschweren. (lacht) Der Druck war von Beginn an sehr hoch, und er ist nicht weniger geworden. Die vergangenen zwölf Monate waren sehr hart, das muss ich sagen. Und es ist noch nicht vorbei. Zurzeit nimmt die Geschwindigkeit noch einmal zu. Aktuell absolvieren wir ein Arbeitspensum von 13, 14 Stunden am Tag. Es kann auch einmal mehr sein. Aber ich habe ein sehr gutes Gefühl. Unsere Mannschaft ist eingespielt, wir arbeiten sehr gut mit den Behörden vor Ort zusammen. Ich bin optimistisch, dass wir eine perfekt organisierte EM erleben werden.

DFB.de: Können Sie die EM genießen, wenn der Ball erst einmal rollt?

Kallen: Die Anspannung wird natürlich groß sein, aber ein wenig davon wird abfallen, wenn ich sehe, dass alles wie geplant verläuft. Wenn die ersten Spiele gespielt und reibungslos abgelaufen sind, dann glaube ich, dann hoffe ich, dass auch ich den Fußball genießen kann.

DFB.de: Was sind die wichtigsten Punkte Ihrer Agenda, die bis zur Eröffnung noch abgearbeitet werden müssen?

Kallen: Die Liste ist lang. In dieser Woche beispielsweise findet das erste Länderspiel in Warschau statt, Polen spielt gegen Portugal. Das Stadion wurde vor drei Wochen mit einem Musik-Event eröffnet. Danach erst wurde dort der Rasen verlegt. Es war zu dieser Zeit allerdings wahnsinnig kalt, minus 20 Grad. Die polnische Nationalmannschaft spielt jetzt auf diesem Platz gegen Portugal, auch für den Rasen wird das ein Test. Und natürlich auch für die Betreiber des Stadions. Für sie ist vieles neu, da müssen Arbeiten und Abläufe erst eingespielt werden.

DFB.de: Betrifft dies nicht im Grunde alle Stadien, insbesondere in der Ukraine?

Kallen: Nein, in Donezk und Charkiw stehen die Betreiber auf der operativen Ebene schon heute sehr gut da. Bei den anderen Stadien müssen wir noch einiges an Arbeit leisten, dort verfügen die Betreiber über sehr wenig Erfahrung, was das Handling einer so großen Arena angeht. Aber es gibt keinen Grund zur Sorge, wir werden in den nächsten Monaten alles dafür tun, damit alle EM-Stadien in allen Belangen auf einem sehr hohen Standard sein werden.

DFB.de: Viele Gerüchte gibt es um die Situation an den Flughäfen. Wie sieht es dort tatsächlich aus?

Kallen: Gerade in der Ukraine, aber auch in Polen, wurden teilweise neue Landebahnen und neue Abfertigungshallen gebaut. Anfang April, also rechtzeitig vor dem Turnier, werden diese in Betrieb kommen. Es dauert dann aber immer ein bisschen, bis die ganze Organisation ohne Reibungen funktioniert. Wir hoffen sehr, dass dies alles gemäß Planung vonstatten geht.

DFB.de: Auch die Hotelsituation war Anlass für Spekulationen, insbesondere in der Ukraine. Ist das Land vorbereitet auf den Ansturm der Fußball-Touristen?

Kallen: Es wurden sehr viele Hotels neu gebaut, ein Teil davon wird bis zum Turnier nicht fertig werden. Das heißt aber nicht, dass die Fans keine Unterkünfte haben werden. Bislang ist erst ein Fünftel der Kapazitäten gebucht. Am meisten Sorge bereitet mir derzeit die Preispolitik der Hoteliers, die zum Teil unrealistische Summen verlangen. Im Rahmen unserer Möglichkeiten versuchen wir darauf Einfluss zu nehmen, aber letztendlich sind die Hotels in privater Hand und können tun, was sie für richtig halten. Bei den von der UEFA unter Vertrag genommenen Hotels konnten wir die Preise auf einem normalen Niveau halten. Bei den anderen Hotels müssen wir durch Reden überzeugen, das versuchen wir.

DFB.de: Reguliert sich der Markt nicht von selbst?

Kallen: Doch, davon gehen wir aus. Wenn die Hotels zu teuer sind, werden sie nicht gebucht werden. Die Leute sind nicht bereit, astronomische Summen zu bezahlen, auch nicht für eine EM. Das ist ein Trugschluss, von dem viele Hoteliers ausgehen. Und wenn die Zimmer nicht gebucht werden, werden die Hoteliers mit den Preisen hinuntergehen müssen.

DFB.de: Im Laufe einer langen EM-Organisation ist fast normal, dass es hier und dort Schwierigkeiten gibt. Erst recht, wenn die EM in zwei Länder vergeben wird, die noch keine Erfahrungen mit Fußball-Großveranstaltungen haben. Fragen wir mal positiv: was hat sie in Polen und in der Ukraine am meisten positiv überrascht?

DFB.de: Die Stadien. Sie entsprechen den internationalen Standards, teilweise übertreffen sie sogar die bisherigen Maßstäbe. Außerdem sind sie wirklich sehr, sehr schön, ihre Architektur gefällt mir ausnahmslos außergewöhnlich gut. Positiv war und ist auch die Zusammenarbeit mit den Menschen in Polen und der Ukraine, sie zeichnet eine große Herzlichkeit aus. Man spürt ganz deutlich, dass sie dieses Event unbedingt ausrichten wollen. Sie wollen zeigen, dass sie sich weiter entwickelt haben und dass sie in Europa eine gute Rolle spielen können. In beiden Ländern habe ich viele Freunde gewonnen.

DFB.de: In Deutschland sind die Karten für die EM bereits überbucht, aber nicht in allen Teilnehmerländern ist die Nachfrage nach Tickets so groß wie in Deutschland. Wie sicher sind Sie, dass die Stadien bei allen EM-Spielen voll sein werden?

Kallen: Die Stadien müssen voll sein, alles andere wäre nicht akzeptabel. Wir registrieren durchaus, dass das Interesse bei einigen Ländern in der Vergangenheit größer war. Das hat verschiedene Gründe. Natürlich spielt die wirtschaftliche Situation mit hinein, dann die geografische Lage. Von Portugal bis in die Ukraine läuft man ja nicht mal eben so zu Fuß. Es ist aber nicht so, dass Deutschland das einzige Land ist, das bereits das volle Kontingent abgefragt hat. Und ich bin sicher, dass überall die Nachfrage steigt, je näher das Turnier rückt.

DFB.de: Die EM 2012 ist sportlich extrem gut besetzt, alle großen Fußball-Nationen sind vertreten. Was erwarten Sie sich sportlich vom Turnier?

Kallen: Der Fußball spielt die Hauptrolle. Deswegen bin ich sehr glücklich über das Teilnehmerfeld. Die ersten drei der Weltrangliste sind am Start, mehr Niveau geht nicht. Eine EM kann nicht erfolgreich sein, wenn der Fußball enttäuscht. Je höher die spielerische Qualität, desto besser ist die Stimmung in den Stadien. Und darauf kommt es an, der Fußball ist entscheidend, alles andere ist nur Beiwerk.

DFB.de: Wie wichtig ist es für das Turnier, das die Gastgeber lange dabei sind?

Kallen: Ich wünsche mir das sehr. Ich hoffe, dass sich die Teams von Polen und der Ukraine gut präsentieren werden. Die Menschen in den Gastgeberländern sollen stolz auf die Leistungen ihrer Mannschaften sein, für die Atmosphäre des Turniers ist das von großer Bedeutung.

DFB.de: Sie sind zum dritten Mal Organisationschef einer EM. Wie sehr hat sich das Turnier seit 2004 verändert?

Kallen: Die EM ist größer geworden, wichtiger, bedeutender. Heute ist eine EM nicht 31 Fußballspiele, heute ist eine EM ein gigantischer Event mit gesellschaftlicher Bedeutung. Für die Organisation bedeutet dies, dass wir mit zahlreichen zusätzlichen Herausforderungen konfrontiert sind. In Portugal gab es 31 Fußballspiele, die Veranstaltung war für Portugal extrem wichtig, für Europa ein bisschen und für die Welt kaum. Vor allem durch die WM in Deutschland hat sich die Bedeutung eines Fußballturniers enorm gesteigert, das ist auf allen Ebenen zu spüren.

DFB.de: Inwieweit wirken sich die gestiegenen Anforderungen auf die Größe Ihres Teams aus. Wie viele Mitarbeiter hatten Sie 2004, wie viele sind es aktuell?

Kallen: In Portugal hatten wir am Schluss 257 Mitarbeiter, heute sind wir mehr als 700. Wir haben heute ganz andere und viel mehr Aufgaben als vor acht Jahren.

DFB.de: Vor dem Turnier 2004 haben Sie sich in kurzer Zeit die Landesprache angeeignet. Wie gut sprechen Sie polnisch, wie weit reicht ihr ukrainisch?

Kallen: Nicht gut, leider. In beiden Sprachen beschränkt es sich auf wenige Sätze. In der Ukraine kommt man mit russisch sehr weit. Ich habe deswegen versucht, diese Sprache zu lernen. Aber auch das ist nicht sonderlich gut gelungen, ein paar Brocken, mehr nicht.

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DFB.de: Wie schwer wird es für deutsche Fans, sich in Polen und in der Ukraine zurechtzufinden. Kommt man dort mit Englisch weiter?

Kallen: In Polen mehr als in der Ukraine. Dort ist Verständigung zudem durch das Kyrillische erschwert. Die jungen Menschen sprechen meistens auch englisch, die älteren allerdings nicht. Die beste Mittel der Kommunikation in der Ukraine ist die Herzlichkeit, die Hilfsbereitschaft und die Freundlichkeit der Menschen. Ich kann den Fans dennoch nur empfehlen, sich einige Grundbegriffe anzueignen, damit sie nach der Richtung fragen oder im Restaurant bestellen können.

DFB.de: Wie viel haben Sie von den Gastgeberländern im Rahmen Ihrer Tätigkeit mitbekommen. Wo ist es in Polen und der Ukraine besonders schön?

Kallen: Ich habe vor drei Jahren privat auf längeren Reisen versucht, die Ukraine und Polen kennen zu lernen. Das Reisen war nicht einfach, aber man kommt durch und trifft überall auf nette Menschen. Wo hat es mir am besten gefallen? Polen ist ein sehr schönes Land, die Städte gefallen mir richtig gut. Aber auch die Ukraine ist toll. Odessa ist eine wunderschöne Stadt, Kiew auch. Lwiw ist eine barocke, alte, schmucke Stadt mit einem Zentrum volle Sehenswürdigkeiten. Charkiw und Donezk sind Industriestädte. Auch sie haben ihren Charme, zwei, drei Tage kann man dort gut verbringen.

DFB.de: Vor der EM 2008 in der Schweiz und Österreich hatten Sie Ihrer Frau versprochen, dass Sie nach dem Turnier drei Monate lang mit ihr Urlaub machen. Tatsächlich wurden es vier Tage. Haben Sie den Familienfrieden mittlerweile wieder hergestellt?

Kallen: (lacht) Der war nie gestört. Wir sind fast 30 Jahr lange zusammen, wir kennen einander sehr gut. Es hat sich damals einfach nicht ergeben. Aber es stimmt schon, es wäre gut, wenn ich mal etwas länger Ferien machen würde. Die Zeit dafür kommt bestimmt, aber jetzt freue ich mich erst einmal auf die Europameisterschaft.