Martens: "Verehrt - verfolgt - entmannt"

Die Fußballfamilie erinnert jedes Jahr anlässlich des "Erinnerungstages im deutschen Fußball" daran, dass Menschen aus ihren Reihen von den Nationalsozialist*innen verfolgt und ermordet wurden. Neben den unterschiedlichsten Gruppen, die nicht in das Weltbild der Nationalsozialist*innen passten oder ihren politischen Plänen im Wege standen, waren es vor allem Menschen jüdischer Herkunft, die in den Vernichtungslagern gequält und ermordet wurden. In diesem Jahr gedenkt die Fußballfamilie besonders der Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen und geschlechtlichen Identität als "Abartige und Homosexuelle" stigmatisiert und brutal verfolgt wurden. Aus diesem Anlass blickt DFB.de auf das Leben von Emil Friedrich Martens, einer der prägendsten Führungspersönlichkeiten des Hamburger SV, zurück.

Die Führung des Hamburger SV in der Vorkriegszeit und später muss man sich so vorstellen: seriöse hanseatische Kaufleute, gut betucht und deshalb auch in der Lage, den Verein und insbesondere "die Liga" (also die erste Mannschaft) finanziell zu fördern. Emil Martens war als Teil dieser Führungsriege einer der prägenden und wichtigen Funktionäre des Vereins. 1907 trat er dem Hamburger Sport-Verein (damals noch unter dem Namen Hamburger Fußball-Club geführt) bei. Der selbstständige Versicherungsmakler und spätere Mitinhaber eines Importunternehmens wurde in den 20er-Jahren zunächst Schatzmeister, Vorstandsmitglied und ab 1928 Präsident des Vereins. 

Sein Engagement beim HSV beschreiben Weggefährten wie folgt: "Seine Freizeit hat er restlos im Interesse des Vereins verwandt. Es ist zum größten Teil sein Verdienst, daß der H.S.V. ein Verein von Bedeutung im Fußballsport wurde. Auf sein Betreiben wurde das Klubhaus gekauft. Die große Anlage in Ochsenzoll wurde auf seine Anregung gekauft und ausgebaut. (…) In seiner Arbeit für den H.S.V. leistete er Erstaunliches. Im Verein war er beliebt, hatte jedoch wegen seines energischen Vorgehens und seiner Erfolge auch viele Neider. Bei Geselligkeiten nahm er lebhaften Anteil und riß durch sein Temperament alles mit."

NSDAP-Beitritt 1933

Emil Martens entsprach vollkommen dem Bild des erfolgreichen Geschäftsmannes des Typus "Macher" und brachte neben Zeit und Engagement auch einen erheblichen Teil seines privaten Kapitals in den Verein ein. Am 1. Mai 1933 trat Emil Martens der NSDAP bei, ein Schritt, den er später rechtfertigte, indem er darauf verwiest, alle Präsidenten von Sportvereinen hätten Parteimitglied sein müssen. Dieser Behauptung widerspricht schon innerhalb des HSV, dass mit Karl Mechlen von 1935 bis 1937 und 1941 bis 1945 ein Präsident die längste Dienstzeit aufweist, der kein Mitglied der NSDAP war.

Als Präsident des HSV begrüßte Martens die Machtübergabe an die Nationalsozialisten mit folgenden Worten: "Ein neues Deutschland ist erstanden, das mit seinen Ideen und Führern restlos von uns anerkannt und unterstützt wird. (...) Schon 1928 haben wir als einziger Verein das Führerprinzip bei uns durchgeführt und uns abgewandt vom System der Vielredner und Besserwisser. Wir haben deshalb jetzt ein leichtes Einordnen in den neuen Staat."

1934 wurde Emil Martens im Zuge eines Prozesses um schwarze Kassen im Verein durch den DFB zum Rücktritt gezwungen. Die Mitgliederversammlung des HSV drückte ihre Solidarität mit Martens darin aus, dass sie ihn noch im selben Jahr zum Ehrenvorsitzenden ernannte.

Haft, Kastration, Rückkehr zum HSV

Am 29. September 1936 wurde Emil Martens erstmals inhaftiert. Den Grund gibt er in seiner Entnazifizierungsakte an: der berüchtigte § 175. Er wurde homosexueller Handlungen beschuldigt, verlor seine Arbeit und wurde erstmals verurteilt und inhaftiert. Es folgten sein Ausschluss aus der NSDAP und weitere Anklagen und Verurteilungen. Nach der Haftentlassung im August 1941 versuchte Emil Martens, sich das Leben zu nehmen, überlebte jedoch. Nach einer weiteren Anklage wurde er zu einer Zuchthausstrafe mit anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt. In der Folge stimmte Emil Martens der "freiwilligen Entmannung zu", die Kastration wurde am 15. Dezember 1942 vollzogen.

Martens blieb trotz Verbüßung seiner Haftstrafe bis zum Januar 1944 in Haft. Nach Ende der Diktatur kehrte er 1949 zum HSV und in den Kreis der "Alten Herren" zurück. Am 15. Januar 1969 verstarb er an den Folgen eines Schlaganfalls. "Sein Wirken wird in der Geschichte des HSV weiterleben", heißt es im Nachruf auf der Titelseite der Vereinsnachrichten.

[dfb]

Die Fußballfamilie erinnert jedes Jahr anlässlich des "Erinnerungstages im deutschen Fußball" daran, dass Menschen aus ihren Reihen von den Nationalsozialist*innen verfolgt und ermordet wurden. Neben den unterschiedlichsten Gruppen, die nicht in das Weltbild der Nationalsozialist*innen passten oder ihren politischen Plänen im Wege standen, waren es vor allem Menschen jüdischer Herkunft, die in den Vernichtungslagern gequält und ermordet wurden. In diesem Jahr gedenkt die Fußballfamilie besonders der Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen und geschlechtlichen Identität als "Abartige und Homosexuelle" stigmatisiert und brutal verfolgt wurden. Aus diesem Anlass blickt DFB.de auf das Leben von Emil Friedrich Martens, einer der prägendsten Führungspersönlichkeiten des Hamburger SV, zurück.

Die Führung des Hamburger SV in der Vorkriegszeit und später muss man sich so vorstellen: seriöse hanseatische Kaufleute, gut betucht und deshalb auch in der Lage, den Verein und insbesondere "die Liga" (also die erste Mannschaft) finanziell zu fördern. Emil Martens war als Teil dieser Führungsriege einer der prägenden und wichtigen Funktionäre des Vereins. 1907 trat er dem Hamburger Sport-Verein (damals noch unter dem Namen Hamburger Fußball-Club geführt) bei. Der selbstständige Versicherungsmakler und spätere Mitinhaber eines Importunternehmens wurde in den 20er-Jahren zunächst Schatzmeister, Vorstandsmitglied und ab 1928 Präsident des Vereins. 

Sein Engagement beim HSV beschreiben Weggefährten wie folgt: "Seine Freizeit hat er restlos im Interesse des Vereins verwandt. Es ist zum größten Teil sein Verdienst, daß der H.S.V. ein Verein von Bedeutung im Fußballsport wurde. Auf sein Betreiben wurde das Klubhaus gekauft. Die große Anlage in Ochsenzoll wurde auf seine Anregung gekauft und ausgebaut. (…) In seiner Arbeit für den H.S.V. leistete er Erstaunliches. Im Verein war er beliebt, hatte jedoch wegen seines energischen Vorgehens und seiner Erfolge auch viele Neider. Bei Geselligkeiten nahm er lebhaften Anteil und riß durch sein Temperament alles mit."

NSDAP-Beitritt 1933

Emil Martens entsprach vollkommen dem Bild des erfolgreichen Geschäftsmannes des Typus "Macher" und brachte neben Zeit und Engagement auch einen erheblichen Teil seines privaten Kapitals in den Verein ein. Am 1. Mai 1933 trat Emil Martens der NSDAP bei, ein Schritt, den er später rechtfertigte, indem er darauf verwiest, alle Präsidenten von Sportvereinen hätten Parteimitglied sein müssen. Dieser Behauptung widerspricht schon innerhalb des HSV, dass mit Karl Mechlen von 1935 bis 1937 und 1941 bis 1945 ein Präsident die längste Dienstzeit aufweist, der kein Mitglied der NSDAP war.

Als Präsident des HSV begrüßte Martens die Machtübergabe an die Nationalsozialisten mit folgenden Worten: "Ein neues Deutschland ist erstanden, das mit seinen Ideen und Führern restlos von uns anerkannt und unterstützt wird. (...) Schon 1928 haben wir als einziger Verein das Führerprinzip bei uns durchgeführt und uns abgewandt vom System der Vielredner und Besserwisser. Wir haben deshalb jetzt ein leichtes Einordnen in den neuen Staat."

1934 wurde Emil Martens im Zuge eines Prozesses um schwarze Kassen im Verein durch den DFB zum Rücktritt gezwungen. Die Mitgliederversammlung des HSV drückte ihre Solidarität mit Martens darin aus, dass sie ihn noch im selben Jahr zum Ehrenvorsitzenden ernannte.

Haft, Kastration, Rückkehr zum HSV

Am 29. September 1936 wurde Emil Martens erstmals inhaftiert. Den Grund gibt er in seiner Entnazifizierungsakte an: der berüchtigte § 175. Er wurde homosexueller Handlungen beschuldigt, verlor seine Arbeit und wurde erstmals verurteilt und inhaftiert. Es folgten sein Ausschluss aus der NSDAP und weitere Anklagen und Verurteilungen. Nach der Haftentlassung im August 1941 versuchte Emil Martens, sich das Leben zu nehmen, überlebte jedoch. Nach einer weiteren Anklage wurde er zu einer Zuchthausstrafe mit anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt. In der Folge stimmte Emil Martens der "freiwilligen Entmannung zu", die Kastration wurde am 15. Dezember 1942 vollzogen.

Martens blieb trotz Verbüßung seiner Haftstrafe bis zum Januar 1944 in Haft. Nach Ende der Diktatur kehrte er 1949 zum HSV und in den Kreis der "Alten Herren" zurück. Am 15. Januar 1969 verstarb er an den Folgen eines Schlaganfalls. "Sein Wirken wird in der Geschichte des HSV weiterleben", heißt es im Nachruf auf der Titelseite der Vereinsnachrichten.

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