Markus Hirte: "Talentsichtung ist ein permanenter Prozess"

Auf Facebook (DFB-Training) berichten wir täglich über Trainingsformen, aktuelle Trends und Neuigkeiten rund um die Trainingsarbeit. Aufgrund eines Beitrags in der ZDF-Sportreportage wurde das Thema Talentförderung in den letzten Wochen auf der Seite intensiv diskutiert. DFB.de hat darauf reagiert und die User gebeten, über Facebook (DFB-Training) Fragen an Markus Hirte zu stellen. Der sportliche Leiter der DFB-Talentförderung freute sich über den regen Austausch mit den Usern und nimmt im Folgenden Stellung zu den Anfragen.

Stefan Heiderich, Jugendkoordinator FC Erfurt Nord und Andreas Peter: Welches Konzept hat der DFB, um die Vereine an der Basis zu unterstützen, die nicht im Bereich der Leistungszentren und der Talentförderung arbeiten?

Markus Hirte: Es gibt keine flächendeckende Lösung, weil die Bedingungen, Herausforderungen und Probleme vor Ort komplett unterschiedlich sind. Der DFB erarbeitet Konzepte und gibt dadurch Impulse an die Landesverbände weiter, die ihrerseits die Situation der Kreise und Vereine kennen und berücksichtigen können. Lösungsansätze bietet hier vor allem der Masterplan Amateurfußball, mit vielen konkreten Maßnahmen wie dem Vereinsdialog, Ehrenamtsinitiativen oder Qualifizierungsmaßnahmen. Dazu entwickelt der DFB bereits seit Jahren praktische Onlinehilfen und -beratungen über DFB.de, FUSSBALL.DE oder dfbnet, die die Vereine in ihrer wichtigen alltäglichen Arbeit unterstützen.

Stefan Heiderich: Warum muss ich beziehungsweise mein Verein für eine Trainerausbildung viel Geld bezahlen, die dann noch Jahresurlaub kostet, und es gibt keine Unterstützung vom DFB? Warum müssen Nationalspieler bezahlt werden, um für ihr Heimatland zu spielen?

Hirte: Insbesondere für Trainereinsteiger gibt es eine Reihe kostenfreier Qualifizierungsmaßnahmen wie das DFB-Mobil, Kurzschulungen oder Infoabende an den Stützpunkten. Auch die Lizenzvorstufen und die C-Lizenz werden von den Verbänden zum größten Teil subventioniert. Durch höhere Lizenzen können die Trainer häufig gutbezahlte Jobs annehmen, so dass ein entsprechender, kostendeckender Beitrag auch gerechtfertigt ist. Die Nationalmannschaften sind das Zugpferd des DFB und für den Großteil der Einnahmen verantwortlich. Insofern ist es nur fair, dass sie an diesem wirtschaftlichen Erfolg auch mitverdienen. Die Attraktivität der Sportart Fußball für Kinder und Jugendliche ist nicht zuletzt von den Erfolgen der Nationalmannschaft abhängig, wie die vermehrten Vereinseintritte nach einer erfolgreichen EM oder WM beweisen. Insofern profitieren auch die vielen Amateurvereine davon, wenn unsere Nationalmannschaften erfolgreich sind.

Monika Venrath: Wann wird das Konzept für den Mädchenfußball überdacht? Anstatt von der B-Juniorinnen-Bundesliga direkt in die Frauen-Mannschaften hochzugehen, sollte es wie bei den Jungs eine A-Juniorinnen-Bundesliga geben. Dann könnten sich viele talentierte Spielerinnen weiterentwickeln und würden auch den Sprung zu den Frauen schaffen.

Hirte: Auf eine A-Juniorinnen-Bundesliga wurde und wird bisher in Absprache mit den Vereinen aus folgenden Gründen verzichtet. Die Anzahl der Talente, um eine Liga auf Top-Niveau zu etablieren, ist nicht hoch genug. Als "A-Juniorin" ist man per Definition Spielerin im Frauenspielbetrieb und keine Juniorin mehr. Und das Durchschnittsalter in der 2. Frauen-Bundesliga betrug in der Saison 2016/2017 21 Jahre. Damit entspricht diese Liga in etwa dem, was ansonsten unter einer A-Juniorinnen-Bundesliga zu verstehen wäre.

Ercüment Sahin: Was möchte man gegen die "Vetternwirtschaft" tun, die in den Leistungszentren herrscht? Talentierte Trainer werden aufgrund von persönlichen Beziehungen zu Freunden, Bekannten oder alten Mitspielern nicht berücksichtigt.

Hirte: Der DFB und auch die DFL, der die meisten Leistungszentren unterstehen, haben nur die Möglichkeit, Mindestqualifikationen festzuschreiben. Dies ist bereits umfänglich geschehen. Auf die einzelnen Personalentscheidungen der Vereine haben DFB und DFL aber keinen weiteren Einfluss.



Auf Facebook (DFB-Training) berichten wir täglich über Trainingsformen, aktuelle Trends und Neuigkeiten rund um die Trainingsarbeit. Aufgrund eines Beitrags in der ZDF-Sportreportage wurde das Thema Talentförderung in den letzten Wochen auf der Seite intensiv diskutiert. DFB.de hat darauf reagiert und die User gebeten, über Facebook (DFB-Training) Fragen an Markus Hirte zu stellen. Der sportliche Leiter der DFB-Talentförderung freute sich über den regen Austausch mit den Usern und nimmt im Folgenden Stellung zu den Anfragen.

Stefan Heiderich, Jugendkoordinator FC Erfurt Nord und Andreas Peter: Welches Konzept hat der DFB, um die Vereine an der Basis zu unterstützen, die nicht im Bereich der Leistungszentren und der Talentförderung arbeiten?

Markus Hirte: Es gibt keine flächendeckende Lösung, weil die Bedingungen, Herausforderungen und Probleme vor Ort komplett unterschiedlich sind. Der DFB erarbeitet Konzepte und gibt dadurch Impulse an die Landesverbände weiter, die ihrerseits die Situation der Kreise und Vereine kennen und berücksichtigen können. Lösungsansätze bietet hier vor allem der Masterplan Amateurfußball, mit vielen konkreten Maßnahmen wie dem Vereinsdialog, Ehrenamtsinitiativen oder Qualifizierungsmaßnahmen. Dazu entwickelt der DFB bereits seit Jahren praktische Onlinehilfen und -beratungen über DFB.de, FUSSBALL.DE oder dfbnet, die die Vereine in ihrer wichtigen alltäglichen Arbeit unterstützen.

Stefan Heiderich: Warum muss ich beziehungsweise mein Verein für eine Trainerausbildung viel Geld bezahlen, die dann noch Jahresurlaub kostet, und es gibt keine Unterstützung vom DFB? Warum müssen Nationalspieler bezahlt werden, um für ihr Heimatland zu spielen?

Hirte: Insbesondere für Trainereinsteiger gibt es eine Reihe kostenfreier Qualifizierungsmaßnahmen wie das DFB-Mobil, Kurzschulungen oder Infoabende an den Stützpunkten. Auch die Lizenzvorstufen und die C-Lizenz werden von den Verbänden zum größten Teil subventioniert. Durch höhere Lizenzen können die Trainer häufig gutbezahlte Jobs annehmen, so dass ein entsprechender, kostendeckender Beitrag auch gerechtfertigt ist. Die Nationalmannschaften sind das Zugpferd des DFB und für den Großteil der Einnahmen verantwortlich. Insofern ist es nur fair, dass sie an diesem wirtschaftlichen Erfolg auch mitverdienen. Die Attraktivität der Sportart Fußball für Kinder und Jugendliche ist nicht zuletzt von den Erfolgen der Nationalmannschaft abhängig, wie die vermehrten Vereinseintritte nach einer erfolgreichen EM oder WM beweisen. Insofern profitieren auch die vielen Amateurvereine davon, wenn unsere Nationalmannschaften erfolgreich sind.

Monika Venrath: Wann wird das Konzept für den Mädchenfußball überdacht? Anstatt von der B-Juniorinnen-Bundesliga direkt in die Frauen-Mannschaften hochzugehen, sollte es wie bei den Jungs eine A-Juniorinnen-Bundesliga geben. Dann könnten sich viele talentierte Spielerinnen weiterentwickeln und würden auch den Sprung zu den Frauen schaffen.

Hirte: Auf eine A-Juniorinnen-Bundesliga wurde und wird bisher in Absprache mit den Vereinen aus folgenden Gründen verzichtet. Die Anzahl der Talente, um eine Liga auf Top-Niveau zu etablieren, ist nicht hoch genug. Als "A-Juniorin" ist man per Definition Spielerin im Frauenspielbetrieb und keine Juniorin mehr. Und das Durchschnittsalter in der 2. Frauen-Bundesliga betrug in der Saison 2016/2017 21 Jahre. Damit entspricht diese Liga in etwa dem, was ansonsten unter einer A-Juniorinnen-Bundesliga zu verstehen wäre.

Ercüment Sahin: Was möchte man gegen die "Vetternwirtschaft" tun, die in den Leistungszentren herrscht? Talentierte Trainer werden aufgrund von persönlichen Beziehungen zu Freunden, Bekannten oder alten Mitspielern nicht berücksichtigt.

Hirte: Der DFB und auch die DFL, der die meisten Leistungszentren unterstehen, haben nur die Möglichkeit, Mindestqualifikationen festzuschreiben. Dies ist bereits umfänglich geschehen. Auf die einzelnen Personalentscheidungen der Vereine haben DFB und DFL aber keinen weiteren Einfluss.

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Michael Dörr: Wie kann man wieder ein Gentlemen's Agreement zwischen den Bundesligavereinen, in Bezug auf das Abwerben junger Talente, etablieren?

Hirte: Es gibt die Vereinbarung zum Schutz der Leistungszentren, in der Ausbildungsentschädigungen bei Vereinswechseln innerhalb der Zentren festgelegt sind. Diese muss von allen Beteiligten akzeptiert werden, was bei sehr unterschiedlichen Interessenlagen schon schwierig genug ist.

Matthias Sprick: Bei mir im Kreis spielen immer weniger Mädchen Fußball. Was versucht der DFB dagegen zu unternehmen?

Hirte: Auch hier sind erfolgreiche Vorbilder sicher der beste Werbeeffekt. Es gibt aber zusätzlich eine Reihe von Initiativen, unter anderem im Schulfußball. Hier hat der DFB spezielle Fortbildungen für Grundschullehrerinnen entwickelt, um verstärkt Mädchen für unseren Sport zu begeistern. Auch die Öffnung des Talentförderprogramms für Mädchen, deren Zahl dort stetig gewachsen ist, dient diesem Zweck. Darüber hinaus empfehlen wir, talentierten und leistungsorientierten Mädchen weiterhin so lange wie möglich in Jungenmannschaften mitspielen zu lassen.

Jens Dönecke: Müssen sich Stützpunkttrainer an die Vorgaben des DFB halten? Oder dürfen sie auch selbstständig Entscheidungen treffen, wenn zum Beispiel ein talentierter Spieler gesichtet wird, er aber nicht die geforderte Schnelligkeit hat?

Hirte: Es gibt eine einheitliche inhaltliche Ausrichtung des Trainings in den Stützpunkten. Der Schwerpunkt liegt dabei eindeutig auf der Vermittlung technischer Fertigkeiten und individualtaktischer Fähigkeiten. Schnelligkeit ist wichtig, aber kein Ausschlusskriterium. Eine solche Vorgabe gibt es von Seiten des DFB nicht.

Andreas Peter: Wann wird die Förderung von Mädchenfußball genauso stark unterstützt und finanziell gefördert, wie der Jungenfußball?

Hirte: In der Förderung und Unterstützung von Jungen und Mädchen gibt es mehr Parallelen als Unterschiede. Dadurch, dass es im Frauenfußball keine Leistungszentren gibt, wird intensiv im Verbundsystem von DFB, Landesverbänden, Spitzenvereinen und Partnern des Leistungssports gearbeitet. Dazu gehören auch der DOSB und seine Olympiastützpunkte. Im Leistungsbereich haben viele Landesverbände neben den DFB-Stützpunkten, in denen auch Mädchen gefördert werden, zusätzlich eigene Mädchenstützpunkte installiert. Sichtungen für die Nationalmannschaften erfolgen wie bei den Junioren über Sichtungsturniere und Länderpokalturniere. Juniorinnen profitieren ebenso von den Eliteschulen des Fußballs und Eliteschulen des Sports. Im Breitenfußball gibt es bereits seit Jahren den Tag des Mädchenfußballs und über den Masterplan Amateurfußball werden weitere Projekte im Frauen- und Mädchenfußball in den Landesverbänden unterstützt. Dazu gehört unter anderem der DFB-Ü 35-Frauen-Cup oder das Leadership-Programm.

Oliver Faude: Es gibt überzeugende wissenschaftliche Daten, dass eine verlässliche Talentidentifikation erst nach der Pubertät möglich ist. Wie wird dieses Wissen in Talentprogramme beim DFB integriert?

Hirte: Je früher eine Talentdiagnose stattfindet, umso unsicherer ist sie. Deswegen ist die Talentsichtung auch keine einmalige Erhebung zum Zeitpunkt X sondern ein permanenter Prozess. Dies berücksichtigen wir. Es geht darum, Talente möglichst früh altersgemäß zu fördern und gleichzeitig den Zugang zu einer Förderung jederzeit offen zu halten. Spätgeborene (sogenannter Relative Age Effect, Anm. d. Red.) und Spätentwickler sind dabei besonders zu berücksichtigen. Deswegen müssen wir so viele Wege wie möglich in der Talentförderung offen halten.

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