"Manager können von Fußballern eine Menge lernen"

Seit Ende 2004 betreut Dr. Hans-Dieter Hermann die Nationalmannschaft bei Länderspielen. Als renommierter Sportpsychologe unterstützt der 47-Jährige die sportliche Leitung der DFB-Auswahl bei der Steigerung der Leistungsfähigkeit sowohl einzelner Spieler als auch der gesamten Mannschaft. Dabei funktioniert die individuelle Zusammenarbeit mit Hermann für die Spieler auf einer freiwilligen Basis.

Im aktuellen "DFB.de-Gespräch der Woche" mit DFB-Internetredakteur Michael Herz erläutert Hermann seine Rolle als "Puzzleteil" im Gesamtbild der Leistung einer Mannschaft und zeigt auf, was es in diesem Zusammenhang bedeutet, "in Gedanken zu trainieren". Zudem blickt der Sportpsychologe zurück auf das Länderspieljahr 2007 und erklärt, warum Wirtschaftsmanager eine Menge von Profifußballern lernen können.

Frage: Herr Dr. Hermann, nach Ihrer Vorstellung im Jahr 2004 gab es die unterschiedlichsten Interpretationen Ihrer Aufgaben: "Psycho-Doc", "Seelsorger" oder "Seelenklempner". Wie würden Sie Ihren Job bei der Nationalmannschaft beschreiben?

Dr. Hans-Dieter Hermann: Der passende Ausdruck ist sicherlich der offizielle, nämlich "Sportpsychologe". Er verdeutlicht, dass ich auf einer wissenschaftlichen Basis spezifische Beiträge zur Steigerung der sportlichen Leistungsfähigkeit einzelner Spieler und der Mannschaft leiste. Ich sehe das sportpsychologische Knowhow als ein Puzzleteil im Gesamtbild der Leistung einer Mannschaft.

Frage: Mit Ihrer Berufung in den DFB-Betreuerstab hat Jürgen Klinsmann teilweise heftige Reaktionen ausgelöst – und nicht nur in Presse, Öffentlichkeit und bei den Vereinen. Gab es auch im Team Ressentiments gegen Sie, und wie haben Sie die zunächst vorhandene Skepsis überwinden können?

Hermann: Es kann schon sein, dass der eine oder andere nicht gleich "hurra" geschrieen hat. Ich habe jedoch keine Widerstände gespürt. Im Gegenteil: Die Jungs waren von Anfang an absolut wertschätzend und locker im Umgang. Das lag meines Erachtens aber auch an zwei Besonderheiten: Zum einen war Ende 2004 immer noch eine Zeit des Umbruchs, und Jürgen Klinsmann brachte mehrere Neuerungen ein, zum anderen lag es am Konzept. Außerhalb von Maßnahmen mit der gesamten Mannschaft war – und ist – für die Spieler die individuelle Zusammenarbeit freiwillig. Jeder hatte also die Chance, mich sozusagen erst einmal aus der Ferne anzuschauen und dann zu entscheiden, ob er für sich selbst auch sportpsychologisch tiefer einsteigen wollte. Besonders hilfreich war jedoch, dass sich mehrere erfahrene Spieler sowohl mannschaftsintern als auch vor der Presse positiv über mich beziehungsweise über meine Tätigkeit geäußert haben.

Frage: Sie haben, bevor Sie Ihre Arbeit bei der Fußball-Nationalmannschaft begonnen haben, bereits sehr erfolgreich in den verschiedensten Sportarten – unter anderem mit der deutschen Hockey-Nationalmannschaft und den österreichischen Skifahrern – gearbeitet. Wo sehen Sie die größten Unterschiede im Vergleich zur Arbeit mit der DFB-Auswahl?

Hermann: Die Unterschiede sind gar nicht so groß. Letztlich geht es immer darum, dass ein Spieler beziehungsweise ein Athlet oder eine Mannschaft die beste Leistung dann bringt, wenn es darauf ankommt – im Spiel, im Wettkampf. Aber um Ihre Frage ganz konkret zu beantworten: Der größte psychologische Unterschied zwischen Hockey und Fußball ist das öffentliche Interesse, das sich vor allem in Zuschauerzahlen und der großen Medienpräsenz ausdrückt. Zwischen der österreichischen Nationalmannschaft der Abfahrer und dem Fußball liegt der Hauptunterschied natürlich darin, dass Fußball eine Mannschafts- und Skifahren eine Einzelsportart ist. Psychologisch trennen die beiden Sportarten jedoch Welten, denn schon ein kleiner Fehler eines Abfahrers kann existenzielle, also tödliche Folgen haben.

Frage: Die meisten Fußballspieler oder Fans kennen im Zusammenhang mit Motivation die Begrifflichkeiten "Standpauke", "Kabinenpredigt", "Einpeitscher" oder "Kreis bilden". All dies verbindet man mit lautem Schreien, Kraftausdrücken oder Einschüchtern – Sie machen hingegen eher einen leisen Eindruck. Wie hat man sich denn Ihr "Mentales Training" mit der Nationalmannschaft konkret vorzustellen?

Hermann: In Ihrer Frage steckt ein Missverständnis, das ich gerne kurz aufklären möchte: Innerhalb der sportpsychologischen Maßnahmen zur Leistungsoptimierung ist das sogenannte "Mentale Training" neben den Entspannungstechniken das bekannteste. Aber es ist eben nur eine Technik unter vielen. Es geht dabei darum, in Gedanken zu trainieren: also Laufwege, Techniken, Taktiken, Abschlüsse und so weiter. Wenn man sie gezielt im Kopf trainiert, sind sie auch in hektischen Spielsituationen abrufbar, da das Unterbewusstsein unterstützend wirkt. Das "Mentale Training" ist in erster Linie eine Maßnahme zur Steigerung der Konzentration. Andere Techniken zielen zum Beispiel darauf ab, das Selbstbewusstsein zu steigern oder die Selbstmotivation nach Fehlern wiederzufinden.

Frage: Gab es während der vergangenen drei Jahren Situationen, in denen Sie gedacht haben: Am positiven Ausgang dieser Situation war ich mit dem mentalen Training mitbeteiligt?

Hermann: Ja, diese Momente gab es. Haben Sie aber bitte dafür Verständnis, dass ich nicht näher darauf eingehen möchte.

Frage: Sie halten auch Seminare für Manager und Spitzenkräfte der Wirtschaft ab. Gibt es Parallelen zu den Fußballern, oder sind dies völlig unterschiedliche Gruppen mit ganz anderen Methoden in der Ansprache?

Hermann: Es gibt eine ganze Menge von Parallelen. Und insbesondere Führungskräfte und Manager können von Leistungssportlern wie den Profifußballern einiges lernen. Beispielsweise psychische Ausdauer, Selbstüberwindung, Selbstmotivation, Zielorientierung, Teamplay, Konzentrations- oder auch Regenerationstechniken.

Frage: Seit der Spielzeit 2006/2007 sind Sie beim aktuellen Zweitligisten 1899 Hoffenheim tätig. Inwiefern gleicht die „punktuelle“ Arbeit mit einer Auswahlmannschaft der "täglichen" mit einer Vereinsmannschaft – und wo liegen Unterschiede?

Hermann: Der Unterschied ist für mich nicht so groß, da ich einige der Nationalspieler auch zwischen den Länderspielterminen sehe.

Frage: In der gerade abgelaufenen EM-Qualifikation durchlebte die Mannschaft von Joachim Löw in der Beziehung zu den eigenen Fans sehr extreme Situationen: Oft wurden die Spieler gefeiert wie Popstars, waren umjubelt und wurden von schreienden Fans begleitet. Bei den nicht gewonnenen Spielen in München und Frankfurt wurde die Mannschaft aber auch von den eigenen Fans mit Pfiffen bedacht. Inwieweit registrieren die Spieler dieses Fanverhalten, und wie verarbeiten sie solche Extreme?

Hermann:Das Fanverhalten besonders in München, aber auch in Frankfurt haben die Spieler sehr wohl registriert - schließlich haben wir keinen mit einem Hörfehler in der Mannschaft (lacht). Psychologisch gesehen, ist es für einen Spieler immer eine große Belastung, von den eigenen Fans ausgepfiffen zu werden. Bei allem Verständnis für jene Zuschauer, die ein erfolgreiches Spiel sehen wollen und für ihre Tickets viel Geld ausgegeben haben: Es ist der falsche Weg zu glauben, dass ein Team positiv reagiert, wenn bei schwachen Leistungen gepfiffen wird. Die Jungs sind maximal motiviert, wenn sie in ein Länderspiel gehen, sie wollen unbedingt gewinnen. Da gibt es niemanden, der absichtlich Fehler macht oder stehen bleibt, weil er keine Lust hat oder sich schonen möchte. Wenn aber unsere Mannschaft nach so vielen erfolgreichen und auch taktisch guten Spielen so wenig Kredit beim Publikum hat, dass es schon zur Halbzeit ausgepfiffen wird, reagieren die Spieler ganz unterschiedlich. Bei mehreren macht sich eine Mischung breit aus Unzufriedenheit über die eigene Leistung und - trotz des Verständnisses über die Enttäuschung der Fans - auch Ärger über die Pfiffe. Bei jüngeren, international unerfahrenen Spielern kann dies auch zur Verunsicherung beitragen. Bitte denken Sie gerade daran, wie viele Spieler mit wenig Länderspiel-Erfahrung in diesem Jahr bei uns im Team standen. Dann kommt man aus der Kabine, hat die intensiven Worte des Trainers noch im Ohr, hat sich noch mal richtig etwas vorgenommen - und es passiert ein weiterer Fehler. Das Publikum, das gehofft hat, dass sich jetzt alles positiv ändert, reagiert wiederum mit Unmut. Somit stellt sich sofort die gleiche Situation ein wie vor der Pause. Das ist eine Wechselwirkung, eine psychologische Abwärtsspirale, die das Publikum entscheidend mitgestaltet.. Jeder, der schon einmal in einer Liga Fußball gespielt hat, weiß doch, dass es trotz bester Vorsätze und Einsatzbereitschaft eben immer wieder Spiele gibt, in denen eine Mannschaft ihre Leistung nicht oder nur phasenweise abrufen kann. Das Wichtigste, was man dann braucht, um wieder besser zu spielen, ist die bedingungslose Unterstützung der Fans, möglichst von der ersten bis zur letzten Minute. Da geht es den Nationalspielern nicht anders.

Frage: Die Nationalmannschaft ist eine heterogene Gruppe: Sie betreuen gestandene Spieler, die seit mehr als zehn Jahren international spielen, aber auch noch sehr junge Spieler um die zwanzig Jahre. Steht bei Ihrer Arbeit also mehr die individuelle Betreuung oder doch mehr die Gruppendynamik im Mittelpunkt?

Hermann: Das kommt auf den Zeitpunkt an. In unmittelbarer Vorbereitung auf ein großes Turnier stehen Gruppendynamik und Teambuilding oben an, ansonsten steht das individuelle Coaching stärker im Vordergrund meiner Tätigkeiten.

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Seit Ende 2004 betreut Dr. Hans-Dieter Hermann die Nationalmannschaft bei Länderspielen. Als renommierter Sportpsychologe unterstützt der 47-Jährige die sportliche Leitung der DFB-Auswahl bei der Steigerung der Leistungsfähigkeit sowohl einzelner Spieler als auch der gesamten Mannschaft. Dabei funktioniert die individuelle Zusammenarbeit mit Hermann für die Spieler auf einer freiwilligen Basis.

Im aktuellen "DFB.de-Gespräch der Woche" mit DFB-Internetredakteur Michael Herz erläutert Hermann seine Rolle als "Puzzleteil" im Gesamtbild der Leistung einer Mannschaft und zeigt auf, was es in diesem Zusammenhang bedeutet, "in Gedanken zu trainieren". Zudem blickt der Sportpsychologe zurück auf das Länderspieljahr 2007 und erklärt, warum Wirtschaftsmanager eine Menge von Profifußballern lernen können.

Frage: Herr Dr. Hermann, nach Ihrer Vorstellung im Jahr 2004 gab es die unterschiedlichsten Interpretationen Ihrer Aufgaben: "Psycho-Doc", "Seelsorger" oder "Seelenklempner". Wie würden Sie Ihren Job bei der Nationalmannschaft beschreiben?

Dr. Hans-Dieter Hermann: Der passende Ausdruck ist sicherlich der offizielle, nämlich "Sportpsychologe". Er verdeutlicht, dass ich auf einer wissenschaftlichen Basis spezifische Beiträge zur Steigerung der sportlichen Leistungsfähigkeit einzelner Spieler und der Mannschaft leiste. Ich sehe das sportpsychologische Knowhow als ein Puzzleteil im Gesamtbild der Leistung einer Mannschaft.

Frage: Mit Ihrer Berufung in den DFB-Betreuerstab hat Jürgen Klinsmann teilweise heftige Reaktionen ausgelöst – und nicht nur in Presse, Öffentlichkeit und bei den Vereinen. Gab es auch im Team Ressentiments gegen Sie, und wie haben Sie die zunächst vorhandene Skepsis überwinden können?

Hermann: Es kann schon sein, dass der eine oder andere nicht gleich "hurra" geschrieen hat. Ich habe jedoch keine Widerstände gespürt. Im Gegenteil: Die Jungs waren von Anfang an absolut wertschätzend und locker im Umgang. Das lag meines Erachtens aber auch an zwei Besonderheiten: Zum einen war Ende 2004 immer noch eine Zeit des Umbruchs, und Jürgen Klinsmann brachte mehrere Neuerungen ein, zum anderen lag es am Konzept. Außerhalb von Maßnahmen mit der gesamten Mannschaft war – und ist – für die Spieler die individuelle Zusammenarbeit freiwillig. Jeder hatte also die Chance, mich sozusagen erst einmal aus der Ferne anzuschauen und dann zu entscheiden, ob er für sich selbst auch sportpsychologisch tiefer einsteigen wollte. Besonders hilfreich war jedoch, dass sich mehrere erfahrene Spieler sowohl mannschaftsintern als auch vor der Presse positiv über mich beziehungsweise über meine Tätigkeit geäußert haben.

Frage: Sie haben, bevor Sie Ihre Arbeit bei der Fußball-Nationalmannschaft begonnen haben, bereits sehr erfolgreich in den verschiedensten Sportarten – unter anderem mit der deutschen Hockey-Nationalmannschaft und den österreichischen Skifahrern – gearbeitet. Wo sehen Sie die größten Unterschiede im Vergleich zur Arbeit mit der DFB-Auswahl?

Hermann: Die Unterschiede sind gar nicht so groß. Letztlich geht es immer darum, dass ein Spieler beziehungsweise ein Athlet oder eine Mannschaft die beste Leistung dann bringt, wenn es darauf ankommt – im Spiel, im Wettkampf. Aber um Ihre Frage ganz konkret zu beantworten: Der größte psychologische Unterschied zwischen Hockey und Fußball ist das öffentliche Interesse, das sich vor allem in Zuschauerzahlen und der großen Medienpräsenz ausdrückt. Zwischen der österreichischen Nationalmannschaft der Abfahrer und dem Fußball liegt der Hauptunterschied natürlich darin, dass Fußball eine Mannschafts- und Skifahren eine Einzelsportart ist. Psychologisch trennen die beiden Sportarten jedoch Welten, denn schon ein kleiner Fehler eines Abfahrers kann existenzielle, also tödliche Folgen haben.

Frage: Die meisten Fußballspieler oder Fans kennen im Zusammenhang mit Motivation die Begrifflichkeiten "Standpauke", "Kabinenpredigt", "Einpeitscher" oder "Kreis bilden". All dies verbindet man mit lautem Schreien, Kraftausdrücken oder Einschüchtern – Sie machen hingegen eher einen leisen Eindruck. Wie hat man sich denn Ihr "Mentales Training" mit der Nationalmannschaft konkret vorzustellen?

Hermann: In Ihrer Frage steckt ein Missverständnis, das ich gerne kurz aufklären möchte: Innerhalb der sportpsychologischen Maßnahmen zur Leistungsoptimierung ist das sogenannte "Mentale Training" neben den Entspannungstechniken das bekannteste. Aber es ist eben nur eine Technik unter vielen. Es geht dabei darum, in Gedanken zu trainieren: also Laufwege, Techniken, Taktiken, Abschlüsse und so weiter. Wenn man sie gezielt im Kopf trainiert, sind sie auch in hektischen Spielsituationen abrufbar, da das Unterbewusstsein unterstützend wirkt. Das "Mentale Training" ist in erster Linie eine Maßnahme zur Steigerung der Konzentration. Andere Techniken zielen zum Beispiel darauf ab, das Selbstbewusstsein zu steigern oder die Selbstmotivation nach Fehlern wiederzufinden.

Frage: Gab es während der vergangenen drei Jahren Situationen, in denen Sie gedacht haben: Am positiven Ausgang dieser Situation war ich mit dem mentalen Training mitbeteiligt?

Hermann: Ja, diese Momente gab es. Haben Sie aber bitte dafür Verständnis, dass ich nicht näher darauf eingehen möchte.

Frage: Sie halten auch Seminare für Manager und Spitzenkräfte der Wirtschaft ab. Gibt es Parallelen zu den Fußballern, oder sind dies völlig unterschiedliche Gruppen mit ganz anderen Methoden in der Ansprache?

Hermann: Es gibt eine ganze Menge von Parallelen. Und insbesondere Führungskräfte und Manager können von Leistungssportlern wie den Profifußballern einiges lernen. Beispielsweise psychische Ausdauer, Selbstüberwindung, Selbstmotivation, Zielorientierung, Teamplay, Konzentrations- oder auch Regenerationstechniken.

Frage: Seit der Spielzeit 2006/2007 sind Sie beim aktuellen Zweitligisten 1899 Hoffenheim tätig. Inwiefern gleicht die „punktuelle“ Arbeit mit einer Auswahlmannschaft der "täglichen" mit einer Vereinsmannschaft – und wo liegen Unterschiede?

Hermann: Der Unterschied ist für mich nicht so groß, da ich einige der Nationalspieler auch zwischen den Länderspielterminen sehe.

Frage: In der gerade abgelaufenen EM-Qualifikation durchlebte die Mannschaft von Joachim Löw in der Beziehung zu den eigenen Fans sehr extreme Situationen: Oft wurden die Spieler gefeiert wie Popstars, waren umjubelt und wurden von schreienden Fans begleitet. Bei den nicht gewonnenen Spielen in München und Frankfurt wurde die Mannschaft aber auch von den eigenen Fans mit Pfiffen bedacht. Inwieweit registrieren die Spieler dieses Fanverhalten, und wie verarbeiten sie solche Extreme?

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Hermann:Das Fanverhalten besonders in München, aber auch in Frankfurt haben die Spieler sehr wohl registriert - schließlich haben wir keinen mit einem Hörfehler in der Mannschaft (lacht). Psychologisch gesehen, ist es für einen Spieler immer eine große Belastung, von den eigenen Fans ausgepfiffen zu werden. Bei allem Verständnis für jene Zuschauer, die ein erfolgreiches Spiel sehen wollen und für ihre Tickets viel Geld ausgegeben haben: Es ist der falsche Weg zu glauben, dass ein Team positiv reagiert, wenn bei schwachen Leistungen gepfiffen wird. Die Jungs sind maximal motiviert, wenn sie in ein Länderspiel gehen, sie wollen unbedingt gewinnen. Da gibt es niemanden, der absichtlich Fehler macht oder stehen bleibt, weil er keine Lust hat oder sich schonen möchte. Wenn aber unsere Mannschaft nach so vielen erfolgreichen und auch taktisch guten Spielen so wenig Kredit beim Publikum hat, dass es schon zur Halbzeit ausgepfiffen wird, reagieren die Spieler ganz unterschiedlich. Bei mehreren macht sich eine Mischung breit aus Unzufriedenheit über die eigene Leistung und - trotz des Verständnisses über die Enttäuschung der Fans - auch Ärger über die Pfiffe. Bei jüngeren, international unerfahrenen Spielern kann dies auch zur Verunsicherung beitragen. Bitte denken Sie gerade daran, wie viele Spieler mit wenig Länderspiel-Erfahrung in diesem Jahr bei uns im Team standen. Dann kommt man aus der Kabine, hat die intensiven Worte des Trainers noch im Ohr, hat sich noch mal richtig etwas vorgenommen - und es passiert ein weiterer Fehler. Das Publikum, das gehofft hat, dass sich jetzt alles positiv ändert, reagiert wiederum mit Unmut. Somit stellt sich sofort die gleiche Situation ein wie vor der Pause. Das ist eine Wechselwirkung, eine psychologische Abwärtsspirale, die das Publikum entscheidend mitgestaltet.. Jeder, der schon einmal in einer Liga Fußball gespielt hat, weiß doch, dass es trotz bester Vorsätze und Einsatzbereitschaft eben immer wieder Spiele gibt, in denen eine Mannschaft ihre Leistung nicht oder nur phasenweise abrufen kann. Das Wichtigste, was man dann braucht, um wieder besser zu spielen, ist die bedingungslose Unterstützung der Fans, möglichst von der ersten bis zur letzten Minute. Da geht es den Nationalspielern nicht anders.

Frage: Die Nationalmannschaft ist eine heterogene Gruppe: Sie betreuen gestandene Spieler, die seit mehr als zehn Jahren international spielen, aber auch noch sehr junge Spieler um die zwanzig Jahre. Steht bei Ihrer Arbeit also mehr die individuelle Betreuung oder doch mehr die Gruppendynamik im Mittelpunkt?

Hermann: Das kommt auf den Zeitpunkt an. In unmittelbarer Vorbereitung auf ein großes Turnier stehen Gruppendynamik und Teambuilding oben an, ansonsten steht das individuelle Coaching stärker im Vordergrund meiner Tätigkeiten.