Maier: "Die Lage ist sehr angespannt"

Leonie Maier erlebt die Corona-Pandemie gerade in England. Die deutsche Nationalspielerin steht bei Arsenal London WFC unter Vertrag. Im DFB.de-Interview erklärt die 27 Jahre alte Außenbahnspielerin, wie dort die Lage ist, warum sie nicht nach Deutschland zurückgekommen ist und wie sie versucht, das Beste aus der komplizierten Situation zu machen.

DFB.de: Leonie, wie erleben Sie gerade die Corona-Pandemie in England?

Leonie Maier: Es ist eine sehr schwierige Zeit. Die Bedingungen sind ähnlich wie in Deutschland, womöglich sogar noch etwas komplizierter. Ich stehe natürlich in regelmäßigem Kontakt mit meiner Familie und meinen Freunden. Was ich von dort als Feedback bekomme, ähnelt sich mit meinen Eindrücken hier in London. Ich habe manchmal den Eindruck, dass wir in England eine oder zwei Wochen später dran sind mit der Entwicklung im Vergleich zu Deutschland. Als Premierminister Boris Johnson auf der Intensivstation lag, gab es in den Medien natürlich kein anderes Thema. Das war schon dramatisch.

DFB.de: Warum hat sich die Lage in England Ihrer Wahrnehmung nach so zugespitzt?

Maier: In Deutschland haben wir ein sehr gutes Gesundheitssystem. Das zeigt sich derzeit sehr stark. Aus den Medien in England war zu entnehmen, dass es hier schon früh Engpässe mit Beatmungsgeräten gab. In dieser Hinsicht ist England offenbar nicht so gut ausgestattet. Die Lage ist sehr angespannt. Aber ich habe den Glauben daran, dass die Verantwortlichen die Situation in den Griff bekommen werden. Ich hoffe nicht, dass wir ähnliche Szenarien erleben wie in Italien oder den USA. Ich bin aber grundsätzlich ein zuversichtlicher Mensch.

DFB.de: Sie leben derzeit in London. Wie ist genau dort die Lage?

Maier: Wir dürfen rausgehen und Einkäufe im Supermarkt tätigen. Alle anderen Geschäfte, Friseure und Gaststätten haben geschlossen. Spazierengehen ist zum Glück genauso erlaubt wie alleine oder zu zweit Sport zu treiben, also beispielsweise zu joggen oder Fahrrad zu fahren.

DFB.de: An ein Mannschaftstraining bei Arsenal ist also auch noch nicht zu denken?

Maier: Nein, das ist leider im Moment nicht möglich. Wir haben vom Verein und vom DFB Pläne bekommen, wie wir uns individuell fit halten können. Das ist wirklich sehr hilfreich, dafür bin ich dankbar. Das geht vom Kraftprogramm über Ausdauereinheiten bis zu Sprintübungen. Das komplette Pensum also. Hier läuft alles sehr professionell ab. Wir wurden auch mit den nötigen Geräten ausgestattet. Ich habe beispielsweise zwei Kettlebells, eine Lang- und zwei Kurzhantel bekommen. Auch ein Fahrrad wurde mir zur Verfügung gestellt, damit ich eine Alternative zum Laufen habe. Das ist echt super. Die Verantwortlichen sind bei der Zusammenstellung der Übungen sehr kreativ. Es wird nicht langweilig, auch wenn mir der Fußball natürlich extrem fehlt. Aber insgesamt ist das eine gute Ablenkung bei all den Sorgen, die wir alle gerade haben.

DFB.de: Wie vertreiben Sie sich ansonsten die Zeit?

Maier: Ich habe schon immer großen Spaß am Kochen und Backen. Leider hatte ich dafür oft keine Zeit. Im Moment kann ich mich auf diesem Gebiet schön austoben. Ich bin da sehr kreativ unterwegs. Das macht mir viel Spaß. Grundsätzlich ist mir selten langweilig. Mein Freund ist gerade zu Besuch. Das hilft mir natürlich. Wir haben bei dem schönen Wetter viel Zeit draußen verbracht, natürlich immer mit dem nötigen Abstand zu anderen Menschen. Trotz aller Schwierigkeiten, die wir gerade haben, geht es uns auch gut. Wir sind gesund und das ist das Allerwichtigste.

DFB.de: Gab es für Sie mal die Überlegung, in dieser Zeit nach Deutschland zurückzukommen?

Maier: Ja, das war schon ein Thema. Am Anfang wusste ja niemand richtig, wann es weitergeht und ob es sich lohnt, für diese Zeit nach Hause zu fliegen. Dauert es Tage? Dauert es Wochen? Dauert es Monate? Als uns dann bewusst geworden ist, dass es doch länger dauern wird, haben mein Freund und ich schon abgewägt, ob wir bleiben oder nach Hause fliegen.

DFB.de: Und warum haben Sie sich für das Bleiben entschieden?

Maier: Weil wir gemerkt haben, dass es uns den Umständen entsprechend gut geht. Ich bin wie gesagt nicht alleine hier. Wir genießen gerade die freie Zeit zusammen. Diese Möglichkeit haben wir sonst so gut wie nie. Das ist ein schöner Nebeneffekt. Außerdem wollten wir nicht nach Hause fliegen und dann unsere Familien dort möglicherweise gefährden. Freunde und Freundinnen kann ich in Deutschland ja auch kaum treffen. Deshalb haben wir für uns letztlich die Entscheidung getroffen, in England zu bleiben und das Beste aus der Situation zu machen. Auch wenn uns die Familie fehlt, haben wir es noch nicht bereut. Wir haben durch die digitalen Kanäle einen sehr engen Austausch nach Deutschland.

DFB.de: Wie ist denn sportlich die Situation? Ist es schon irgendwie absehbar, ob und gegebenenfalls wann es weitergeht?

Maier: Die Fragen stellen wir uns natürlich alle. Es gibt die Hoffnung, dass wir die Saison vielleicht im Juni fortsetzen können. Aber das ist alles noch sehr ungewiss. Die Verantwortlichen wollen die Serie gerne beenden. Ob das wirklich umsetzbar ist, ist für mich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht seriös einzuschätzen. Es kann auch passieren, dass die Spielzeit abgebrochen wird. Welche Konsequenzen das dann hat, ist meines Wissens nach noch völlig unklar. Ich persönlich bereite mich so vor, dass es irgendwann weitergeht. Mal sehen, was wirklich passiert.

DFB.de: Und wie läuft es für Sie persönlich in sportlicher Hinsicht?

Maier: Sehr gut eigentlich. Ich habe den Schritt noch zu keinem Zeitpunkt bereut, nach England gegangen zu sein. Ich fühle mich hier absolut wohl. Wir haben eine super Mannschaft zusammen. Es macht Spaß, mit den Mädels zu trainieren und zu spielen. Neben dem sportlichen Aspekt kommt hinzu, dass ich gerade eine neue Kultur kennenlerne und mich persönlich auch nochmal weiterentwickeln kann. Es war schon immer mein Wunsch, während meiner Karriere den Schritt ins Ausland zu gehen. Ich bin froh, dass ich im vergangenen Sommer diese Gelegenheit bekommen habe. Ich hatte zuletzt immer stärker das Gefühl, dass ich mal eine Veränderung brauchte.

DFB.de: Wo stehen Sie sportlich?

Maier: Wir sind mit Arsenal London gerade Dritter. Das ist nicht das, was wir uns vorstellen. Kurz vor der Unterbrechung haben wir ein wichtiges Spiel gegen Manchester City verloren. Das war ein bitterer Rückschlag. Ich glaube nicht, dass es für ganz oben reicht. Aber Rang zwei würden wir schon gerne am Ende belegen, um uns wieder für die Champions League zu qualifizieren – wenn es denn wirklich weitergehen sollte.

DFB.de: Wo steht der englischen Frauenfußball Ihrer Erfahrung nach im internationalen Vergleich?

Maier: Er ist sehr stark im Kommen. Hier findet eine rasante Entwicklung statt. Mein Eindruck bestätigt sich, dass die Menschen in England noch fußballverrückter sind als in Deutschland. Auch der Frauenfußball hat eine hohe Akzeptanz. Ich denke da an unser Länderspiel mit der DFB-Auswahl im ausverkauften Wembley-Stadion zurück. Die Europameisterschaft ist ja jetzt auf 2022 verschoben worden. Das Turnier wird sicherlich ein Highlight und nochmal einen Schub geben.

DFB.de: Wie intensiv verfolgen Sie das Geschehen in Deutschland?

Maier: Wann immer ich die Möglichkeit habe, schaue ich mir die Spiele an. Der Kontakt ist ja noch sehr eng. In all meinen Jahren beim FC Bayern sind gute Freundschaften entstanden, die logischerweise weiterhin bestehen. Es hat sich ein spannender Dreikampf an der Spitze zwischen Wolfsburg, München und Hoffenheim entwickelt. Ich bin gespannt, wie es in der FLYERALARM Frauen-Bundesliga weitergeht.

[sw]

Leonie Maier erlebt die Corona-Pandemie gerade in England. Die deutsche Nationalspielerin steht bei Arsenal London WFC unter Vertrag. Im DFB.de-Interview erklärt die 27 Jahre alte Außenbahnspielerin, wie dort die Lage ist, warum sie nicht nach Deutschland zurückgekommen ist und wie sie versucht, das Beste aus der komplizierten Situation zu machen.

DFB.de: Leonie, wie erleben Sie gerade die Corona-Pandemie in England?

Leonie Maier: Es ist eine sehr schwierige Zeit. Die Bedingungen sind ähnlich wie in Deutschland, womöglich sogar noch etwas komplizierter. Ich stehe natürlich in regelmäßigem Kontakt mit meiner Familie und meinen Freunden. Was ich von dort als Feedback bekomme, ähnelt sich mit meinen Eindrücken hier in London. Ich habe manchmal den Eindruck, dass wir in England eine oder zwei Wochen später dran sind mit der Entwicklung im Vergleich zu Deutschland. Als Premierminister Boris Johnson auf der Intensivstation lag, gab es in den Medien natürlich kein anderes Thema. Das war schon dramatisch.

DFB.de: Warum hat sich die Lage in England Ihrer Wahrnehmung nach so zugespitzt?

Maier: In Deutschland haben wir ein sehr gutes Gesundheitssystem. Das zeigt sich derzeit sehr stark. Aus den Medien in England war zu entnehmen, dass es hier schon früh Engpässe mit Beatmungsgeräten gab. In dieser Hinsicht ist England offenbar nicht so gut ausgestattet. Die Lage ist sehr angespannt. Aber ich habe den Glauben daran, dass die Verantwortlichen die Situation in den Griff bekommen werden. Ich hoffe nicht, dass wir ähnliche Szenarien erleben wie in Italien oder den USA. Ich bin aber grundsätzlich ein zuversichtlicher Mensch.

DFB.de: Sie leben derzeit in London. Wie ist genau dort die Lage?

Maier: Wir dürfen rausgehen und Einkäufe im Supermarkt tätigen. Alle anderen Geschäfte, Friseure und Gaststätten haben geschlossen. Spazierengehen ist zum Glück genauso erlaubt wie alleine oder zu zweit Sport zu treiben, also beispielsweise zu joggen oder Fahrrad zu fahren.

DFB.de: An ein Mannschaftstraining bei Arsenal ist also auch noch nicht zu denken?

Maier: Nein, das ist leider im Moment nicht möglich. Wir haben vom Verein und vom DFB Pläne bekommen, wie wir uns individuell fit halten können. Das ist wirklich sehr hilfreich, dafür bin ich dankbar. Das geht vom Kraftprogramm über Ausdauereinheiten bis zu Sprintübungen. Das komplette Pensum also. Hier läuft alles sehr professionell ab. Wir wurden auch mit den nötigen Geräten ausgestattet. Ich habe beispielsweise zwei Kettlebells, eine Lang- und zwei Kurzhantel bekommen. Auch ein Fahrrad wurde mir zur Verfügung gestellt, damit ich eine Alternative zum Laufen habe. Das ist echt super. Die Verantwortlichen sind bei der Zusammenstellung der Übungen sehr kreativ. Es wird nicht langweilig, auch wenn mir der Fußball natürlich extrem fehlt. Aber insgesamt ist das eine gute Ablenkung bei all den Sorgen, die wir alle gerade haben.

DFB.de: Wie vertreiben Sie sich ansonsten die Zeit?

Maier: Ich habe schon immer großen Spaß am Kochen und Backen. Leider hatte ich dafür oft keine Zeit. Im Moment kann ich mich auf diesem Gebiet schön austoben. Ich bin da sehr kreativ unterwegs. Das macht mir viel Spaß. Grundsätzlich ist mir selten langweilig. Mein Freund ist gerade zu Besuch. Das hilft mir natürlich. Wir haben bei dem schönen Wetter viel Zeit draußen verbracht, natürlich immer mit dem nötigen Abstand zu anderen Menschen. Trotz aller Schwierigkeiten, die wir gerade haben, geht es uns auch gut. Wir sind gesund und das ist das Allerwichtigste.

DFB.de: Gab es für Sie mal die Überlegung, in dieser Zeit nach Deutschland zurückzukommen?

Maier: Ja, das war schon ein Thema. Am Anfang wusste ja niemand richtig, wann es weitergeht und ob es sich lohnt, für diese Zeit nach Hause zu fliegen. Dauert es Tage? Dauert es Wochen? Dauert es Monate? Als uns dann bewusst geworden ist, dass es doch länger dauern wird, haben mein Freund und ich schon abgewägt, ob wir bleiben oder nach Hause fliegen.

DFB.de: Und warum haben Sie sich für das Bleiben entschieden?

Maier: Weil wir gemerkt haben, dass es uns den Umständen entsprechend gut geht. Ich bin wie gesagt nicht alleine hier. Wir genießen gerade die freie Zeit zusammen. Diese Möglichkeit haben wir sonst so gut wie nie. Das ist ein schöner Nebeneffekt. Außerdem wollten wir nicht nach Hause fliegen und dann unsere Familien dort möglicherweise gefährden. Freunde und Freundinnen kann ich in Deutschland ja auch kaum treffen. Deshalb haben wir für uns letztlich die Entscheidung getroffen, in England zu bleiben und das Beste aus der Situation zu machen. Auch wenn uns die Familie fehlt, haben wir es noch nicht bereut. Wir haben durch die digitalen Kanäle einen sehr engen Austausch nach Deutschland.

DFB.de: Wie ist denn sportlich die Situation? Ist es schon irgendwie absehbar, ob und gegebenenfalls wann es weitergeht?

Maier: Die Fragen stellen wir uns natürlich alle. Es gibt die Hoffnung, dass wir die Saison vielleicht im Juni fortsetzen können. Aber das ist alles noch sehr ungewiss. Die Verantwortlichen wollen die Serie gerne beenden. Ob das wirklich umsetzbar ist, ist für mich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht seriös einzuschätzen. Es kann auch passieren, dass die Spielzeit abgebrochen wird. Welche Konsequenzen das dann hat, ist meines Wissens nach noch völlig unklar. Ich persönlich bereite mich so vor, dass es irgendwann weitergeht. Mal sehen, was wirklich passiert.

DFB.de: Und wie läuft es für Sie persönlich in sportlicher Hinsicht?

Maier: Sehr gut eigentlich. Ich habe den Schritt noch zu keinem Zeitpunkt bereut, nach England gegangen zu sein. Ich fühle mich hier absolut wohl. Wir haben eine super Mannschaft zusammen. Es macht Spaß, mit den Mädels zu trainieren und zu spielen. Neben dem sportlichen Aspekt kommt hinzu, dass ich gerade eine neue Kultur kennenlerne und mich persönlich auch nochmal weiterentwickeln kann. Es war schon immer mein Wunsch, während meiner Karriere den Schritt ins Ausland zu gehen. Ich bin froh, dass ich im vergangenen Sommer diese Gelegenheit bekommen habe. Ich hatte zuletzt immer stärker das Gefühl, dass ich mal eine Veränderung brauchte.

DFB.de: Wo stehen Sie sportlich?

Maier: Wir sind mit Arsenal London gerade Dritter. Das ist nicht das, was wir uns vorstellen. Kurz vor der Unterbrechung haben wir ein wichtiges Spiel gegen Manchester City verloren. Das war ein bitterer Rückschlag. Ich glaube nicht, dass es für ganz oben reicht. Aber Rang zwei würden wir schon gerne am Ende belegen, um uns wieder für die Champions League zu qualifizieren – wenn es denn wirklich weitergehen sollte.

DFB.de: Wo steht der englischen Frauenfußball Ihrer Erfahrung nach im internationalen Vergleich?

Maier: Er ist sehr stark im Kommen. Hier findet eine rasante Entwicklung statt. Mein Eindruck bestätigt sich, dass die Menschen in England noch fußballverrückter sind als in Deutschland. Auch der Frauenfußball hat eine hohe Akzeptanz. Ich denke da an unser Länderspiel mit der DFB-Auswahl im ausverkauften Wembley-Stadion zurück. Die Europameisterschaft ist ja jetzt auf 2022 verschoben worden. Das Turnier wird sicherlich ein Highlight und nochmal einen Schub geben.

DFB.de: Wie intensiv verfolgen Sie das Geschehen in Deutschland?

Maier: Wann immer ich die Möglichkeit habe, schaue ich mir die Spiele an. Der Kontakt ist ja noch sehr eng. In all meinen Jahren beim FC Bayern sind gute Freundschaften entstanden, die logischerweise weiterhin bestehen. Es hat sich ein spannender Dreikampf an der Spitze zwischen Wolfsburg, München und Hoffenheim entwickelt. Ich bin gespannt, wie es in der FLYERALARM Frauen-Bundesliga weitergeht.

###more###