Lutz Eigendorf: Ein spezieller Fall

Sein Spitzname ist vielsagend – "kleiner Franz". Lutz Eigendorf galt als eines der größten Talente des DDR-Fußballs. Genialität wurde ihm attestiert, ausgeprägtes Selbstbewusstsein, schon in jungen Jahren große spielerische Reife. Heute vor 40 Jahren ist Eigendorf unter mysteriösen Umständen im Alter von 26 Jahren nach einem Autounfall gestorben. Im CdN-Magazin erinnern Weggefährten an den Fußballer und den Menschen Lutz Eigendorf.

An diesem Fakt führt in dieser Geschichte kein Weg vorbei: Am 7. März 1983 stirbt Lutz Eigendorf an den Folgen eines Autounfalls. Auch diese Vorgeschichte vom 5. März 1983 ist gesichert: Eigendorf kommt in der Nacht von der regennassen Fahrbahn ab und prallt mit seinem Alfa Romeo gegen einen Baum. Vieles andere spielt sich unterhalb der Ebene des Faktischen ab. Die Umstände seines Todes sind bis heute nicht restlos geklärt, hatte die Stasi ihre Finger im Spiel, war es ein Auftragsmord?

Der "kleine Franz" war "selbstbewusst, reif"

Wie haben Mit- und Gegenspieler Eigendorf in Erinnerung? Wie erfuhren sie damals von seinem Unfall und welche Gedanken gingen ihnen durch den Kopf? Der Dresdner Hartmut Schade (31 Länderspiele) weiß noch genau: "Wir haben die traurige Nachricht erst Tage später erfahren, wir hatten zu dieser Zeit ja noch keine Möglichkeit, Westfernsehen zu empfangen." Jürgen Raab (20 Länderspiele) fällt beim Stichwort "Eigendorf" sofort dessen Spitzname ein: "'Kleiner Franz' wurde er bei uns genannt. Lutz war auf und neben dem Platz sehr selbstbewusst. Er wirkte reif und wusste ziemlich genau, was er konnte." Mit der U 21 der DDR waren sie
im Frühjahr 1978 gemeinsam Vize-Europameister geworden. Zu diesem Team gehörte auch Gerd Weber (35 Länderspiele). Er wird im Zusammenhang mit dem tragischen Tod Eigendorfs eine Situation nie vergessen: "Ich musste sofort an den Dynamo-Meisterempfang von 1979 denken, als Erich Mielke verkündete, der Eigendorf würde nie wieder Fußball spielen!"

Mielke zürnte nicht anlasslos: Kurz zuvor war Eigendorf die Flucht gelungen, im Alter von 23 Jahren hatte er ein neues Leben begonnen. Seine Vita bis dahin im Stakkato: In Brandenburg geboren, kommt Eigendorf als 14-Jähriger nach Berlin. Im September 1974, also mit gerade 18, feiert der Youngster in Zwickau sein Oberligadebüt für den BFC Dynamo. Mielkes Lieblingsspielzeug in Sachen Fußball erklimmt in der Saison 1978/1979 zum ersten Mal den Meisterthron. Mit Eigendorf als Stammkraft im defensiven Mittelfeld. "Beidfüßig, kopfballstark, ein guter Fußballer", erinnert sich Lutz Lindemann (21 Länderspiele) an die gemeinsamen Auftritte im Mittelfeld der Nationalmannschaft.

Sechs Länderspiele, drei Tore

Bis zu seiner Flucht bestreitet Lutz Eigendorf sechs Länderspiele, schießt dabei drei Tore. "Ein langer Schlaks, aber eine Maschine", beschreibt ihn Gerd Weber. "Lutz war immer ein bisschen zwischen Genie und Wahnsinn. Erfolgsbesessen und fokussiert einerseits, anderseits tat er auch Dinge, die man nur schwer erklären kann." Im Frühjahr 1974 teilen die beiden 18-Jährigen beim traditionellen UEFA-Junioren-Turnier in Schweden das Zimmer. Ihr Miteinander beschränkt sich auf die täglichen Abläufe: "Schlafen, essen, Training und irgendwann ein Spiel und all das immer wieder von vorn." So bleibt der Berliner Eigendorf für den jungen Dresdner fremd: "Das war wie ein Arbeitstreffen. Über persönliche Dinge haben wir nicht gesprochen. Lutz war ein Einzelgänger".

Im März 1979 gewinnt der BFC Dynamo mit 10:0 gegen Sachsenring Zwickau und befindet sich ganz klar auf Meisterkurs. Für Eigendorf ist es bereits das 100. Oberliga-Punktspiel, dabei ist er erst 22 Jahre alt. Niemand ahnt, dass es bei dieser Quote bleiben wird. Drei Tage später tritt das BFC-Kollektiv beim 1. FC Kaiserslautern an. "Internationaler Fußballvergleich" werden diese deutsch-deutschen Duelle in der DDR offiziell genannt. Die Atmosphäre beim abendlichen Bankett nach der 1:4-Niederlage ist steif. Kein Wunder, schließlich ist den Berliner Fußballern die Kontaktaufnahme mit dem Klassenfeind offiziell verboten. Auf der Rückfahrt gibt es für die Ostfußballer in Gießen den ersehnten Einkaufsstopp. Diese Gelegenheit nutzt Eigendorf zur Flucht. Er steigt in ein Taxi und lässt sich zurück nach Kaiserslautern fahren. In der DDR hinterlässt er seine Frau und eine Tochter. "Es ist mein größter Wunsch, meine Familie so schnell wie möglich hier rüberzuholen", sagt Eigendorf gleich danach im bundesdeutschen Fernsehen.

Ein Jahr Sperre: "Ein großes Wagnis"

Eigendorf ist nicht der erste DDR-Fußballer, der sich den Traum von der Bundesliga erfüllen will. Direkt vor ihm war das Norbert Nachtweih (Eintracht Frankfurt, Bayern München) und Jürgen Pahl (Eintracht Frankfurt) gelungen. Sie hatten sich im November 1976 in der Türkei von der DDR-Nachwuchsauswahl abgesetzt. Eine Fußnote dabei: An dem Tag, als Eigendorf im Frühjahr 1979 gegen Zwickau sein letztes Oberligator erzielt, trifft der Ex-Hallenser Nachtweih zum ersten Mal in der Bundesliga für Eintracht Frankfurt.

Mit dem Schritt in den Westen beginnt Eigendorf ein neues Leben, der Fußball indes hat Pause. Für alle Republikflüchtlinge gilt die zwölfmonatige Sperre durch die FIFA. "Ein großes Wagnis", meint Gerd Weber, der diese Zwangspause mit einer langen Verletzungspause vergleicht: "Als Fußballer brauchst du dann die gleiche Zeit, um wieder Spielpraxis zu sammeln. Das darf man nicht unterschätzen." Und trotzdem hat der Dresdner Ähnliches vor. Bei ihm kommt die Motivation aus der fehlenden Perspektive. Schon mit 20 wird er in Montreal 1976 Olympiasieger, mit 21 das Double mit Dynamo Dresden, mit 22 den nun schon dritten Meistertitel in Folge – was soll da für einen DDR-Fußballer noch kommen? Webers Fluchtversuch endet im Januar 1981 im Gefängnis.

Interview an der Mauer

Eigendorf kommt am 11. April 1980, also gut ein Jahr nach der Flucht, beim 1. FC Kaiserslautern zu seinem ersten Einsatz in der Bundesliga. Zwei Jahre lang darf er sich bei den "Roten Teufeln" als Stammspieler fühlen. Doch im Sommer 1982 stagniert die Karriere. Er wechselt zu Eintracht Braunschweig, kommt aber nur noch sporadisch zum Einsatz. Auf seine Mitspieler in Braunschweig wirkt Eigendorf in dieser Zeit reserviert, die sportliche Situation nagte an ihm. Als "ganz normal" hat Bernd Franke ihn in Erinnerung, "nicht auffallend, ein guter Typ". Die Geschichte von Eigendorfs Flucht hat im Braunschweig im Mannschaftskreis keine große Rolle gespielt. "Das war eigentlich nie eine Thema", sagt Franke. "Er war ein Spieler wie jeder andere auch. Die Erinnerungen an ihn sind aber nicht mehr deutlich und natürlich überlagert von dem, was dann passiert ist."

Im Februar 1983 gibt der geflüchtete Kicker direkt an der Mauer in Westberlin ein Interview und kritisiert die Zustände im DDR-Fußball. Die WM-Endrunde zum zweiten Mal hintereinander verpasst, der Ostfußball ist auf dem sportlichen Tiefpunkt angekommen. Für Eigendorf kein Wunder: "Wenn man sich im privaten Bereich nicht weiterentwickeln und vervollkommnen kann, dann kann man das auch nicht auf dem Fußballplatz tun!"

Tabuthema im Osten

Für die Stasi, so sehen es viele, ist diese Aussage eine Provokation. So ranken sich um die Nacht vom 5. auf den 6. März 1983 bis heute Gerüchte. Auf dem Nachhauseweg kommt Eigendorf bei regennasser Fahrbahn von der Straße ab und prallt gegen einen Baum. Zwei Tage nach dem Unfall erliegt Eigendorf seinen schweren Verletzungen, es ist der 7. März 1983.

Am 8. März 1983, einen Tag später, spielt der BFC Dynamo beim VfB Stuttgart. Das deutsch-deutsche Duell sollte ursprünglich bereits im Dezember 1982 über die Bühne gehen. Doch die BFC-Klubführung hatte das Spiel kurzfristig abgesagt: "Wir haben zu viele Verletzte! Unser Ärztekollektiv hat von einer Reise nach Stuttgart abgeraten." Nun aber steht der neue Termin ganz im Schatten des Todes von Lutz Eigendorf. Das 4:3-Spektakel, der BFC hatte nach nur 20 Minuten mit 3:0 geführt, ist in Stuttgart nur noch Nebensache. "Es war wirklich ein tragischer Unglücksfall", kommentiert BFC-Trainer Jürgen Bogs auf Nachfrage. In der DDR-Öffentlichkeit ist der Name "Eigendorf" seit der Fluchtmeldung ein Tabu. Sein Unfalltod findet keine Erwähnung. Noch einmal Gerd Weber: "Dem Mielke war prinzipiell alles zuzutrauen und die Umstände waren wohl schon mysteriös. Aber, wenn es keine Beweise gibt?"

Und so beschreibt der Fall Eigendorf bis heute ein Mysterium deutsch-deutscher Geschichte und auch und vor allem den tragischen Fall eines überaus begabten Fußballers, der auf dramatische Weise aus dem Leben und aus seinen Träumen gerissen wurde.

[uk]

Sein Spitzname ist vielsagend – "kleiner Franz". Lutz Eigendorf galt als eines der größten Talente des DDR-Fußballs. Genialität wurde ihm attestiert, ausgeprägtes Selbstbewusstsein, schon in jungen Jahren große spielerische Reife. Heute vor 40 Jahren ist Eigendorf unter mysteriösen Umständen im Alter von 26 Jahren nach einem Autounfall gestorben. Im CdN-Magazin erinnern Weggefährten an den Fußballer und den Menschen Lutz Eigendorf.

An diesem Fakt führt in dieser Geschichte kein Weg vorbei: Am 7. März 1983 stirbt Lutz Eigendorf an den Folgen eines Autounfalls. Auch diese Vorgeschichte vom 5. März 1983 ist gesichert: Eigendorf kommt in der Nacht von der regennassen Fahrbahn ab und prallt mit seinem Alfa Romeo gegen einen Baum. Vieles andere spielt sich unterhalb der Ebene des Faktischen ab. Die Umstände seines Todes sind bis heute nicht restlos geklärt, hatte die Stasi ihre Finger im Spiel, war es ein Auftragsmord?

Der "kleine Franz" war "selbstbewusst, reif"

Wie haben Mit- und Gegenspieler Eigendorf in Erinnerung? Wie erfuhren sie damals von seinem Unfall und welche Gedanken gingen ihnen durch den Kopf? Der Dresdner Hartmut Schade (31 Länderspiele) weiß noch genau: "Wir haben die traurige Nachricht erst Tage später erfahren, wir hatten zu dieser Zeit ja noch keine Möglichkeit, Westfernsehen zu empfangen." Jürgen Raab (20 Länderspiele) fällt beim Stichwort "Eigendorf" sofort dessen Spitzname ein: "'Kleiner Franz' wurde er bei uns genannt. Lutz war auf und neben dem Platz sehr selbstbewusst. Er wirkte reif und wusste ziemlich genau, was er konnte." Mit der U 21 der DDR waren sie
im Frühjahr 1978 gemeinsam Vize-Europameister geworden. Zu diesem Team gehörte auch Gerd Weber (35 Länderspiele). Er wird im Zusammenhang mit dem tragischen Tod Eigendorfs eine Situation nie vergessen: "Ich musste sofort an den Dynamo-Meisterempfang von 1979 denken, als Erich Mielke verkündete, der Eigendorf würde nie wieder Fußball spielen!"

Mielke zürnte nicht anlasslos: Kurz zuvor war Eigendorf die Flucht gelungen, im Alter von 23 Jahren hatte er ein neues Leben begonnen. Seine Vita bis dahin im Stakkato: In Brandenburg geboren, kommt Eigendorf als 14-Jähriger nach Berlin. Im September 1974, also mit gerade 18, feiert der Youngster in Zwickau sein Oberligadebüt für den BFC Dynamo. Mielkes Lieblingsspielzeug in Sachen Fußball erklimmt in der Saison 1978/1979 zum ersten Mal den Meisterthron. Mit Eigendorf als Stammkraft im defensiven Mittelfeld. "Beidfüßig, kopfballstark, ein guter Fußballer", erinnert sich Lutz Lindemann (21 Länderspiele) an die gemeinsamen Auftritte im Mittelfeld der Nationalmannschaft.

Sechs Länderspiele, drei Tore

Bis zu seiner Flucht bestreitet Lutz Eigendorf sechs Länderspiele, schießt dabei drei Tore. "Ein langer Schlaks, aber eine Maschine", beschreibt ihn Gerd Weber. "Lutz war immer ein bisschen zwischen Genie und Wahnsinn. Erfolgsbesessen und fokussiert einerseits, anderseits tat er auch Dinge, die man nur schwer erklären kann." Im Frühjahr 1974 teilen die beiden 18-Jährigen beim traditionellen UEFA-Junioren-Turnier in Schweden das Zimmer. Ihr Miteinander beschränkt sich auf die täglichen Abläufe: "Schlafen, essen, Training und irgendwann ein Spiel und all das immer wieder von vorn." So bleibt der Berliner Eigendorf für den jungen Dresdner fremd: "Das war wie ein Arbeitstreffen. Über persönliche Dinge haben wir nicht gesprochen. Lutz war ein Einzelgänger".

Im März 1979 gewinnt der BFC Dynamo mit 10:0 gegen Sachsenring Zwickau und befindet sich ganz klar auf Meisterkurs. Für Eigendorf ist es bereits das 100. Oberliga-Punktspiel, dabei ist er erst 22 Jahre alt. Niemand ahnt, dass es bei dieser Quote bleiben wird. Drei Tage später tritt das BFC-Kollektiv beim 1. FC Kaiserslautern an. "Internationaler Fußballvergleich" werden diese deutsch-deutschen Duelle in der DDR offiziell genannt. Die Atmosphäre beim abendlichen Bankett nach der 1:4-Niederlage ist steif. Kein Wunder, schließlich ist den Berliner Fußballern die Kontaktaufnahme mit dem Klassenfeind offiziell verboten. Auf der Rückfahrt gibt es für die Ostfußballer in Gießen den ersehnten Einkaufsstopp. Diese Gelegenheit nutzt Eigendorf zur Flucht. Er steigt in ein Taxi und lässt sich zurück nach Kaiserslautern fahren. In der DDR hinterlässt er seine Frau und eine Tochter. "Es ist mein größter Wunsch, meine Familie so schnell wie möglich hier rüberzuholen", sagt Eigendorf gleich danach im bundesdeutschen Fernsehen.

Ein Jahr Sperre: "Ein großes Wagnis"

Eigendorf ist nicht der erste DDR-Fußballer, der sich den Traum von der Bundesliga erfüllen will. Direkt vor ihm war das Norbert Nachtweih (Eintracht Frankfurt, Bayern München) und Jürgen Pahl (Eintracht Frankfurt) gelungen. Sie hatten sich im November 1976 in der Türkei von der DDR-Nachwuchsauswahl abgesetzt. Eine Fußnote dabei: An dem Tag, als Eigendorf im Frühjahr 1979 gegen Zwickau sein letztes Oberligator erzielt, trifft der Ex-Hallenser Nachtweih zum ersten Mal in der Bundesliga für Eintracht Frankfurt.

Mit dem Schritt in den Westen beginnt Eigendorf ein neues Leben, der Fußball indes hat Pause. Für alle Republikflüchtlinge gilt die zwölfmonatige Sperre durch die FIFA. "Ein großes Wagnis", meint Gerd Weber, der diese Zwangspause mit einer langen Verletzungspause vergleicht: "Als Fußballer brauchst du dann die gleiche Zeit, um wieder Spielpraxis zu sammeln. Das darf man nicht unterschätzen." Und trotzdem hat der Dresdner Ähnliches vor. Bei ihm kommt die Motivation aus der fehlenden Perspektive. Schon mit 20 wird er in Montreal 1976 Olympiasieger, mit 21 das Double mit Dynamo Dresden, mit 22 den nun schon dritten Meistertitel in Folge – was soll da für einen DDR-Fußballer noch kommen? Webers Fluchtversuch endet im Januar 1981 im Gefängnis.

Interview an der Mauer

Eigendorf kommt am 11. April 1980, also gut ein Jahr nach der Flucht, beim 1. FC Kaiserslautern zu seinem ersten Einsatz in der Bundesliga. Zwei Jahre lang darf er sich bei den "Roten Teufeln" als Stammspieler fühlen. Doch im Sommer 1982 stagniert die Karriere. Er wechselt zu Eintracht Braunschweig, kommt aber nur noch sporadisch zum Einsatz. Auf seine Mitspieler in Braunschweig wirkt Eigendorf in dieser Zeit reserviert, die sportliche Situation nagte an ihm. Als "ganz normal" hat Bernd Franke ihn in Erinnerung, "nicht auffallend, ein guter Typ". Die Geschichte von Eigendorfs Flucht hat im Braunschweig im Mannschaftskreis keine große Rolle gespielt. "Das war eigentlich nie eine Thema", sagt Franke. "Er war ein Spieler wie jeder andere auch. Die Erinnerungen an ihn sind aber nicht mehr deutlich und natürlich überlagert von dem, was dann passiert ist."

Im Februar 1983 gibt der geflüchtete Kicker direkt an der Mauer in Westberlin ein Interview und kritisiert die Zustände im DDR-Fußball. Die WM-Endrunde zum zweiten Mal hintereinander verpasst, der Ostfußball ist auf dem sportlichen Tiefpunkt angekommen. Für Eigendorf kein Wunder: "Wenn man sich im privaten Bereich nicht weiterentwickeln und vervollkommnen kann, dann kann man das auch nicht auf dem Fußballplatz tun!"

Tabuthema im Osten

Für die Stasi, so sehen es viele, ist diese Aussage eine Provokation. So ranken sich um die Nacht vom 5. auf den 6. März 1983 bis heute Gerüchte. Auf dem Nachhauseweg kommt Eigendorf bei regennasser Fahrbahn von der Straße ab und prallt gegen einen Baum. Zwei Tage nach dem Unfall erliegt Eigendorf seinen schweren Verletzungen, es ist der 7. März 1983.

Am 8. März 1983, einen Tag später, spielt der BFC Dynamo beim VfB Stuttgart. Das deutsch-deutsche Duell sollte ursprünglich bereits im Dezember 1982 über die Bühne gehen. Doch die BFC-Klubführung hatte das Spiel kurzfristig abgesagt: "Wir haben zu viele Verletzte! Unser Ärztekollektiv hat von einer Reise nach Stuttgart abgeraten." Nun aber steht der neue Termin ganz im Schatten des Todes von Lutz Eigendorf. Das 4:3-Spektakel, der BFC hatte nach nur 20 Minuten mit 3:0 geführt, ist in Stuttgart nur noch Nebensache. "Es war wirklich ein tragischer Unglücksfall", kommentiert BFC-Trainer Jürgen Bogs auf Nachfrage. In der DDR-Öffentlichkeit ist der Name "Eigendorf" seit der Fluchtmeldung ein Tabu. Sein Unfalltod findet keine Erwähnung. Noch einmal Gerd Weber: "Dem Mielke war prinzipiell alles zuzutrauen und die Umstände waren wohl schon mysteriös. Aber, wenn es keine Beweise gibt?"

Und so beschreibt der Fall Eigendorf bis heute ein Mysterium deutsch-deutscher Geschichte und auch und vor allem den tragischen Fall eines überaus begabten Fußballers, der auf dramatische Weise aus dem Leben und aus seinen Träumen gerissen wurde.

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