Lotzen nach dem Karriereende: "Ich bin im Rückblick noch stolzer"

Der Körper hat ihr nach drei Kreuzbandrissen keine Wahl gelassen. In der vergangenen Woche hat die frühere deutsche Nationalspielerin Lena Lotzen mit 27 Jahren ihr Karriereende bekanntgegeben. Im ausführlichen DFB.de-Interview spricht sie darüber, wie schwer ihr diese Entscheidung gefallen ist, was ihr der Fußball bedeutet hat und wie sie ihre nähere Zukunft plant.

DFB.de: Lena, wie schwer ist es Ihnen gefallen, nun endgültig einen Schlussstrich unter Ihre Karriere zu ziehen?

Lena Lotzen: Das war nicht einfach. Der Fußball begleitet mich, seit ich fünf Jahre alt bin. Die vergangenen elf Jahre habe ich professionell gespielt. In dieser Zeit war das ein extrem wichtiger Teil meines Lebens. So eine Entscheidung trifft man nicht von heute auf morgen. Sie ist in mir in den vergangenen Wochen und Monaten gereift. Es war nicht die eine Verletzung, die letztlich ausschlaggebend war, sondern die Summe. Bei mir hat sich in den vergangenen Jahren eine schwere Verletzung an die nächste angeschlossen. Ich habe immer wieder die Motivation gefunden, in einer langen Reha auf das nächste Comeback hinzuarbeiten. Aber zuletzt musste ich leider feststellen, dass es für mich auf diesem Niveau mit meiner körperlichen Verfassung keinen Sinn mehr macht. Ich hatte einfach nicht mehr das Gefühl, dass mein Knie der Belastung beim Fußballspielen Stand halten würde. Das war am Ende ausschlaggebend.

DFB.de: Wie war das Feedback auf diese Entscheidung?

Lotzen: Es war wirklich enorm. Meine engen Bekannten und Freunde hatte ich vorab informiert. Aber als ich meinen Entschluss dann auch öffentlich bekanntgegeben habe, stand mein Handy eine Zeit lang nicht mehr still. Ich habe auf meinem Weg sehr, sehr viele Menschen kennengelernt, und von vielen habe ich eine Rückmeldung bekommen. Das hat mich dann noch einmal etwas emotionaler werden lassen, als ich es mir erhofft hatte. Für mich stand der Entschluss ja schon etwas länger fest. Aber wenn man dann noch einmal in so geballter Form ausschließlich positives Feedback und ganz viele aufmunternde Worte bekommt, ist das schon noch einmal hart. Im Zuge dessen sind viele Erinnerungen hochgekommen. Das war aufwühlend und schön zugleich. Ich habe mich über alle Nachrichten sehr gefreut. Das hat einfach gutgetan, weil man in einer Reha natürlich nicht mehr so nah an der Mannschaft ist.

DFB.de: Ist es nicht unglaublich schwierig, sich nach jedem Kreuzbandriss aufs Neue für eine Reha zu motivieren?

Lotzen: Das war unterschiedlich. Bei der ersten Kreuzbandverletzung war das überhaupt kein Problem. Da war für mich einfach nur klar, dass ich so schnell wie möglich auf den Platz zurückkehren möchte. Die zweite große Verletzung war insgesamt viel komplizierter. Da war ich fast zwei Jahre raus. Diese Reha bin ich mit etwas mehr Ruhe angegangen. Da hatte ich nicht den zeitlichen Stress, sondern mir war nur wichtig, dass es wieder gut wird und dass ich noch mal Fußball spielen kann. Da war ich geduldiger. Aber grundsätzlich gibt es in jeder Reha Phasen, in denen man motivierter und in denen alles schwerfällig ist.

DFB.de: Und die Reha nach dem dritten Kreuzbandriss?

Lotzen: Bin ich total entspannt angegangen. Mir war klar, dass es nur zwei Möglichkeiten geben wird: Entweder es klappt noch mal. Oder es klappt eben nicht mehr.

DFB.de: Es ist dann leider die zweite Option geworden.

Lotzen: Trotzdem war das für mich fast die beste Reha, die ich gemacht habe, weil sie ohne Druck abgelaufen ist. Ich hatte keine großen Erwartungen.

DFB.de: Gab es in dieser dritten Rehaphase auch Tage, an denen Sie das Gefühl hatten, es noch mal schaffen zu können?

Lotzen: Ja, die gab es. Aber erst ziemlich am Ende. Am Anfang, da bin ich auch ganz ehrlich, hatte ich nicht das Gefühl, dass ich noch mal zurückkommen werde. Der dritte Kreuzbandriss war auch psychisch ein harter Schlag. Ich wollte erstmal nicht mehr weitermachen. Aber dann habe ich hier beim 1. FC Köln extremen Zuspruch bekommen und mich dazu entschlossen, es noch mal zu versuchen. Zum Schluss war ich dann auch wirklich wieder zuversichtlich. Aber dann gab es leider auch wieder die Tage, an denen es nicht gut war. Leider musste ich am Ende feststellen, dass mein Knie durch die zahlreichen Verletzungen und Eingriffe zu instabil geworden war. Ich hatte kein gutes Gefühl. Und deshalb hat es auch keinen Sinn mehr gemacht. Ich möchte ja auch ein normales Leben nach dem Fußball führen und nicht körperlich stark beeinträchtigt sein, weil ich nicht rechtzeitig die Zeichen meines Körpers erkannt habe.

DFB.de: Versuchen Sie jetzt erstmal, etwas Abstand vom Fußball zu bekommen?

Lotzen: Nein, das habe ich nicht vor. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich das brauche. Ich war im Grunde ja im vergangenen dreiviertel Jahr schon weitestgehend raus. In dieser Zeit konnte ich mir bereits viele Gedanken über meine Zukunft machen. Ich werde mir nun weiterhin ein paar Dinge durch den Kopf gehen lassen und dann für mich persönlich die richtige Entscheidung treffen.

DFB.de: Wollen Sie im Fußball bleiben?

Lotzen: Ja, das denke ich schon. Ich welche Richtung es konkret gehen wird, werden die nächsten Wochen und Monate zeigen. Mich interessiert die Trainerperspektive, aber ich kann mir auch sehr gut eine Managertätigkeit vorstellen. Warten wir es mal ab. Ich bin für alles offen.

DFB.de: Wie denken Sie im Rückblick über Ihr unfassbares Verletzungspech? Ging Ihnen auch mal der Gedanke durch den Kopf, warum es immer wieder Sie getroffen hat?

Lotzen: Doch, diese Frage stellt man sich natürlich zwangläufig irgendwann. Aber die Antwort kann einem niemand geben. Vielleicht haben mich diese Verletzungen als Person stärker gemacht. Ich habe mir auch überlegt, wie es wohl gelaufen wäre, wenn das alles nicht passiert wäre. Aber ich bin dann immer ziemlich schnell zu der Erkenntnis gekommen, dass es nichts bringt, darüber nachzudenken. Es ist passiert, und ich habe trotzdem enorm viel erleben dürfen im Fußball. Ich habe trotz meiner Verletzungshistorie tolle Erfolge feiern können. Das sind Momente, die mir keiner mehr nehmen kann.

DFB.de: Sie sind zweimal Deutscher Meister mit dem FC Bayern München geworden. Haben mit München den DFB-Pokal gewonnen, mit der Nationalmannschaft die Europameisterschaft. Welcher Erfolg bleibt besonders hängen?

Lotzen: Schwierig, zu sagen. Ich kann nicht behaupten, dass der eine oder andere Titel mehr oder weniger Wert hat für mich. Vielleicht sticht der Gewinn der Europameisterschaft 2013 mit der DFB-Auswahl etwas heraus. Ich war sehr jung bei diesem Turnier und hatte vorher nicht damit gerechnet, überhaupt dabei sein zu dürfen. Dass wir am Ende sogar den Titel holen konnten, war etwas überraschend. Aber auch die Deutschen Meisterschaften mit dem FC Bayern sind unvergessliche Momente. Ich bin heute im Rückblick noch stolzer, als in jedem Moment und weiß es mehr zu schätzen. Einen besonderen Stellenwert hat für mich auch, dass ich zu jener Zeit Vize-Kapitänin war.

DFB.de: Welche Bedeutung hatte und hat der Fußball für Sie im Allgemeinen?

Lotzen: Fußball war und ist für mich ein Sport, in dem es ganz stark auf den Teamgeist ankommt. Nur wenn dieser vorhanden ist, kann man meiner Meinung nach erfolgreich sein. Gute Einzelspielerinnen sind wichtig, aber nicht entscheidend. Man muss schauen, dass man eine größere Gruppe an Menschen zusammenbringt. Im Fußball entwickelt sich im Optimalfall ein Gemeinschaftsgefühl, wie es in anderen Berufen oder womöglich auch in anderen Sportarten nicht immer der Fall ist. Beim Fußball hatte ich immer das Gefühl, dazu zu gehören und Teil von einem großen Ganzen zu sein. Ich habe es immer genossen, unseren geliebten Sport mit vielen Freunden ausüben zu können. Das war mir neben allen Erfolgen auch immer sehr wichtig.

DFB.de: Nach Ihrer Zeit beim FC Bayern sind Sie nach Freiburg gewechselt und waren dort nach Ihren Verletzungen plötzlich nicht mehr unumstrittene Stammspielerin. War das schwierig, zu akzeptieren?

Lotzen: Ja, schon. Das war keine einfache Situation für mich. Ich musste mich wieder herankämpfen und auch unterordnen. Ich musste es akzeptieren, dass ich mich hinten anstellen musste und dass ich auch mal nicht zum Einsatz gekommen bin. Das war eine neue Rolle für mich, die ich nicht kannte. Es war schwierig zu glauben, dass mein Körper womöglich schon zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in der Lage war, die Leistung zu bringen, die nötig gewesen wäre. Der Kopf sagte: Ich will! Der Körper jedoch antwortete: Ich kann aber gerade nicht! So muss man sich das vorstellen. Im Leistungssport ist es doch so: Wenn man verletzt ist, will man fit sein. Wenn man fit ist, will man spielen. Wenn man spielt, will man von Anfang an spielen. Und wenn man von Anfang an spielt, will man die Beste sein. Diese Leiter hat bei mir plötzlich nicht mehr funktioniert. Aber es wurde besser. Im letzten Jahr in Freiburg habe ich mich dann erstmals nach sehr langer Zeit wieder richtig fit gefühlt.

DFB.de: Und dann kam am 14. Juni 2020 das Spiel des SC Freiburg in der FLYERALARM Frauen-Bundesliga gegen den 1. FC Köln, zu dem Sie kurz zuvor Ihren Wechsel bekannt gegeben haben.

Lotzen: Und genau da habe ich mir nach neun Minuten zum dritten Mal das Kreuzband gerissen. Es war eine kuriose Situation, dass es genau gegen meinen zukünftigen Verein passierte. Aber vielleicht hat sich damit der Kreis geschlossen und es war klar, dass für mich etwas Neues beginnen wird. Wäre es nicht in dieser Begegnung passiert, wäre es vielleicht zwei Wochen später geschehen. Wer weiß das schon? Es ist wirklich schade, dass ich deshalb nie für den FC spielen konnte.

DFB.de: Wie sehen Sie die Zukunft des Frauenfußballs beim 1. FC Köln?

Lotzen: Der Abstieg in der vergangenen Saison war bitter und sicher ein Rückschritt. Das Jahr in der 2. Bundesliga hat sich niemand gewünscht. Dennoch habe ich den Eindruck gewonnen, dass der Frauenfußball hier eine sehr gute Perspektive haben kann. Ich habe viele Menschen beim FC kennengelernt, die sehr engagiert arbeiten. Natürlich hofft jeder darauf, dass die Mannschaft in der kommenden Saison wieder in der FLYERALARM Frauen-Bundesliga spielt. Und dann ist es wichtig, dass die Verantwortlichen nach und nach weiter darauf aufbauen. Es ist eine tolle Stadt, ein toller Verein. Ich bin verletzt und in einem Corona-Jahr hierher gewechselt und habe mich trotzdem total wohl gefühlt. Das sagt viel aus. Ich würde mich freuen, wenn der FC dauerhaft oben dabei ist.

DFB.de: In der FLYERALARM Frauen-Bundesliga führt der FC Bayern die Tabelle vor dem VfL Wolfsburg an. Bahnt sich da eine Wachablösung an?

Lotzen: Nein, so eine Aussage würde den Wolfsburgerinnen nicht gerecht werden. Der Verein hat in den vergangenen Jahren überragende Erfolge gefeiert – national und international. Das war sehr wichtig für den Frauenfußball in Deutschland. Klar ist aber auch, dass die Bayern es in diesem Jahr sehr, sehr gut machen und total stabil auftreten. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie dieses Jahr mindestens einen Titel holen werden, vielleicht auch mehr. Es wäre super für den Frauenfußball in Deutschland, wenn Bayern dauerhaft auf Wolfsburger Niveau spielen kann und vielleicht noch das eine oder andere Team in die Spitzengruppe aufsteigen kann.

DFB.de: Wie sehen Sie die Lage bei der deutschen Nationalmannschaft?

Lotzen: Es gab einen riesigen Umbruch. Leider sind wir in diesem Jahr nicht bei den Olympischen Spielen dabei. Aber es gibt super viele talentierte Spielerinnen in Deutschland, die nachhaltig auf sich aufmerksam machen. Die Entwicklung des Teams ist nicht abgeschlossen. Wir zählen in Europa nach wie vor zu den Top-Nationen. Aber andere Länder holen auf. Wichtig ist es, dass die talentierten Spielerinnen den nächsten Entwicklungsschritt machen. Ich freue mich auf die Europameisterschaft 2022 in England. Dann werden wir sehen, wie weit wir in Deutschland wirklich sind.

DFB.de: Und wie sieht Ihre ganz persönliche Zukunft aus?

Lotzen: Zunächst möchte ich gerne meinen Master zu Ende bringen. Da fehlen mir noch eine Prüfung und die Masterarbeit. Dann ist das Thema hoffentlich auch erledigt. Mal sehen, was dann kommt. Ich möchte gerne in verschiedene Bereiche im Fußball hineinschnuppern. Auf diesem Weg möchte ich herausfinden, was mich wirklich reizt.

[sw]

Der Körper hat ihr nach drei Kreuzbandrissen keine Wahl gelassen. In der vergangenen Woche hat die frühere deutsche Nationalspielerin Lena Lotzen mit 27 Jahren ihr Karriereende bekanntgegeben. Im ausführlichen DFB.de-Interview spricht sie darüber, wie schwer ihr diese Entscheidung gefallen ist, was ihr der Fußball bedeutet hat und wie sie ihre nähere Zukunft plant.

DFB.de: Lena, wie schwer ist es Ihnen gefallen, nun endgültig einen Schlussstrich unter Ihre Karriere zu ziehen?

Lena Lotzen: Das war nicht einfach. Der Fußball begleitet mich, seit ich fünf Jahre alt bin. Die vergangenen elf Jahre habe ich professionell gespielt. In dieser Zeit war das ein extrem wichtiger Teil meines Lebens. So eine Entscheidung trifft man nicht von heute auf morgen. Sie ist in mir in den vergangenen Wochen und Monaten gereift. Es war nicht die eine Verletzung, die letztlich ausschlaggebend war, sondern die Summe. Bei mir hat sich in den vergangenen Jahren eine schwere Verletzung an die nächste angeschlossen. Ich habe immer wieder die Motivation gefunden, in einer langen Reha auf das nächste Comeback hinzuarbeiten. Aber zuletzt musste ich leider feststellen, dass es für mich auf diesem Niveau mit meiner körperlichen Verfassung keinen Sinn mehr macht. Ich hatte einfach nicht mehr das Gefühl, dass mein Knie der Belastung beim Fußballspielen Stand halten würde. Das war am Ende ausschlaggebend.

DFB.de: Wie war das Feedback auf diese Entscheidung?

Lotzen: Es war wirklich enorm. Meine engen Bekannten und Freunde hatte ich vorab informiert. Aber als ich meinen Entschluss dann auch öffentlich bekanntgegeben habe, stand mein Handy eine Zeit lang nicht mehr still. Ich habe auf meinem Weg sehr, sehr viele Menschen kennengelernt, und von vielen habe ich eine Rückmeldung bekommen. Das hat mich dann noch einmal etwas emotionaler werden lassen, als ich es mir erhofft hatte. Für mich stand der Entschluss ja schon etwas länger fest. Aber wenn man dann noch einmal in so geballter Form ausschließlich positives Feedback und ganz viele aufmunternde Worte bekommt, ist das schon noch einmal hart. Im Zuge dessen sind viele Erinnerungen hochgekommen. Das war aufwühlend und schön zugleich. Ich habe mich über alle Nachrichten sehr gefreut. Das hat einfach gutgetan, weil man in einer Reha natürlich nicht mehr so nah an der Mannschaft ist.

DFB.de: Ist es nicht unglaublich schwierig, sich nach jedem Kreuzbandriss aufs Neue für eine Reha zu motivieren?

Lotzen: Das war unterschiedlich. Bei der ersten Kreuzbandverletzung war das überhaupt kein Problem. Da war für mich einfach nur klar, dass ich so schnell wie möglich auf den Platz zurückkehren möchte. Die zweite große Verletzung war insgesamt viel komplizierter. Da war ich fast zwei Jahre raus. Diese Reha bin ich mit etwas mehr Ruhe angegangen. Da hatte ich nicht den zeitlichen Stress, sondern mir war nur wichtig, dass es wieder gut wird und dass ich noch mal Fußball spielen kann. Da war ich geduldiger. Aber grundsätzlich gibt es in jeder Reha Phasen, in denen man motivierter und in denen alles schwerfällig ist.

DFB.de: Und die Reha nach dem dritten Kreuzbandriss?

Lotzen: Bin ich total entspannt angegangen. Mir war klar, dass es nur zwei Möglichkeiten geben wird: Entweder es klappt noch mal. Oder es klappt eben nicht mehr.

DFB.de: Es ist dann leider die zweite Option geworden.

Lotzen: Trotzdem war das für mich fast die beste Reha, die ich gemacht habe, weil sie ohne Druck abgelaufen ist. Ich hatte keine großen Erwartungen.

DFB.de: Gab es in dieser dritten Rehaphase auch Tage, an denen Sie das Gefühl hatten, es noch mal schaffen zu können?

Lotzen: Ja, die gab es. Aber erst ziemlich am Ende. Am Anfang, da bin ich auch ganz ehrlich, hatte ich nicht das Gefühl, dass ich noch mal zurückkommen werde. Der dritte Kreuzbandriss war auch psychisch ein harter Schlag. Ich wollte erstmal nicht mehr weitermachen. Aber dann habe ich hier beim 1. FC Köln extremen Zuspruch bekommen und mich dazu entschlossen, es noch mal zu versuchen. Zum Schluss war ich dann auch wirklich wieder zuversichtlich. Aber dann gab es leider auch wieder die Tage, an denen es nicht gut war. Leider musste ich am Ende feststellen, dass mein Knie durch die zahlreichen Verletzungen und Eingriffe zu instabil geworden war. Ich hatte kein gutes Gefühl. Und deshalb hat es auch keinen Sinn mehr gemacht. Ich möchte ja auch ein normales Leben nach dem Fußball führen und nicht körperlich stark beeinträchtigt sein, weil ich nicht rechtzeitig die Zeichen meines Körpers erkannt habe.

DFB.de: Versuchen Sie jetzt erstmal, etwas Abstand vom Fußball zu bekommen?

Lotzen: Nein, das habe ich nicht vor. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich das brauche. Ich war im Grunde ja im vergangenen dreiviertel Jahr schon weitestgehend raus. In dieser Zeit konnte ich mir bereits viele Gedanken über meine Zukunft machen. Ich werde mir nun weiterhin ein paar Dinge durch den Kopf gehen lassen und dann für mich persönlich die richtige Entscheidung treffen.

DFB.de: Wollen Sie im Fußball bleiben?

Lotzen: Ja, das denke ich schon. Ich welche Richtung es konkret gehen wird, werden die nächsten Wochen und Monate zeigen. Mich interessiert die Trainerperspektive, aber ich kann mir auch sehr gut eine Managertätigkeit vorstellen. Warten wir es mal ab. Ich bin für alles offen.

DFB.de: Wie denken Sie im Rückblick über Ihr unfassbares Verletzungspech? Ging Ihnen auch mal der Gedanke durch den Kopf, warum es immer wieder Sie getroffen hat?

Lotzen: Doch, diese Frage stellt man sich natürlich zwangläufig irgendwann. Aber die Antwort kann einem niemand geben. Vielleicht haben mich diese Verletzungen als Person stärker gemacht. Ich habe mir auch überlegt, wie es wohl gelaufen wäre, wenn das alles nicht passiert wäre. Aber ich bin dann immer ziemlich schnell zu der Erkenntnis gekommen, dass es nichts bringt, darüber nachzudenken. Es ist passiert, und ich habe trotzdem enorm viel erleben dürfen im Fußball. Ich habe trotz meiner Verletzungshistorie tolle Erfolge feiern können. Das sind Momente, die mir keiner mehr nehmen kann.

DFB.de: Sie sind zweimal Deutscher Meister mit dem FC Bayern München geworden. Haben mit München den DFB-Pokal gewonnen, mit der Nationalmannschaft die Europameisterschaft. Welcher Erfolg bleibt besonders hängen?

Lotzen: Schwierig, zu sagen. Ich kann nicht behaupten, dass der eine oder andere Titel mehr oder weniger Wert hat für mich. Vielleicht sticht der Gewinn der Europameisterschaft 2013 mit der DFB-Auswahl etwas heraus. Ich war sehr jung bei diesem Turnier und hatte vorher nicht damit gerechnet, überhaupt dabei sein zu dürfen. Dass wir am Ende sogar den Titel holen konnten, war etwas überraschend. Aber auch die Deutschen Meisterschaften mit dem FC Bayern sind unvergessliche Momente. Ich bin heute im Rückblick noch stolzer, als in jedem Moment und weiß es mehr zu schätzen. Einen besonderen Stellenwert hat für mich auch, dass ich zu jener Zeit Vize-Kapitänin war.

DFB.de: Welche Bedeutung hatte und hat der Fußball für Sie im Allgemeinen?

Lotzen: Fußball war und ist für mich ein Sport, in dem es ganz stark auf den Teamgeist ankommt. Nur wenn dieser vorhanden ist, kann man meiner Meinung nach erfolgreich sein. Gute Einzelspielerinnen sind wichtig, aber nicht entscheidend. Man muss schauen, dass man eine größere Gruppe an Menschen zusammenbringt. Im Fußball entwickelt sich im Optimalfall ein Gemeinschaftsgefühl, wie es in anderen Berufen oder womöglich auch in anderen Sportarten nicht immer der Fall ist. Beim Fußball hatte ich immer das Gefühl, dazu zu gehören und Teil von einem großen Ganzen zu sein. Ich habe es immer genossen, unseren geliebten Sport mit vielen Freunden ausüben zu können. Das war mir neben allen Erfolgen auch immer sehr wichtig.

DFB.de: Nach Ihrer Zeit beim FC Bayern sind Sie nach Freiburg gewechselt und waren dort nach Ihren Verletzungen plötzlich nicht mehr unumstrittene Stammspielerin. War das schwierig, zu akzeptieren?

Lotzen: Ja, schon. Das war keine einfache Situation für mich. Ich musste mich wieder herankämpfen und auch unterordnen. Ich musste es akzeptieren, dass ich mich hinten anstellen musste und dass ich auch mal nicht zum Einsatz gekommen bin. Das war eine neue Rolle für mich, die ich nicht kannte. Es war schwierig zu glauben, dass mein Körper womöglich schon zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in der Lage war, die Leistung zu bringen, die nötig gewesen wäre. Der Kopf sagte: Ich will! Der Körper jedoch antwortete: Ich kann aber gerade nicht! So muss man sich das vorstellen. Im Leistungssport ist es doch so: Wenn man verletzt ist, will man fit sein. Wenn man fit ist, will man spielen. Wenn man spielt, will man von Anfang an spielen. Und wenn man von Anfang an spielt, will man die Beste sein. Diese Leiter hat bei mir plötzlich nicht mehr funktioniert. Aber es wurde besser. Im letzten Jahr in Freiburg habe ich mich dann erstmals nach sehr langer Zeit wieder richtig fit gefühlt.

DFB.de: Und dann kam am 14. Juni 2020 das Spiel des SC Freiburg in der FLYERALARM Frauen-Bundesliga gegen den 1. FC Köln, zu dem Sie kurz zuvor Ihren Wechsel bekannt gegeben haben.

Lotzen: Und genau da habe ich mir nach neun Minuten zum dritten Mal das Kreuzband gerissen. Es war eine kuriose Situation, dass es genau gegen meinen zukünftigen Verein passierte. Aber vielleicht hat sich damit der Kreis geschlossen und es war klar, dass für mich etwas Neues beginnen wird. Wäre es nicht in dieser Begegnung passiert, wäre es vielleicht zwei Wochen später geschehen. Wer weiß das schon? Es ist wirklich schade, dass ich deshalb nie für den FC spielen konnte.

DFB.de: Wie sehen Sie die Zukunft des Frauenfußballs beim 1. FC Köln?

Lotzen: Der Abstieg in der vergangenen Saison war bitter und sicher ein Rückschritt. Das Jahr in der 2. Bundesliga hat sich niemand gewünscht. Dennoch habe ich den Eindruck gewonnen, dass der Frauenfußball hier eine sehr gute Perspektive haben kann. Ich habe viele Menschen beim FC kennengelernt, die sehr engagiert arbeiten. Natürlich hofft jeder darauf, dass die Mannschaft in der kommenden Saison wieder in der FLYERALARM Frauen-Bundesliga spielt. Und dann ist es wichtig, dass die Verantwortlichen nach und nach weiter darauf aufbauen. Es ist eine tolle Stadt, ein toller Verein. Ich bin verletzt und in einem Corona-Jahr hierher gewechselt und habe mich trotzdem total wohl gefühlt. Das sagt viel aus. Ich würde mich freuen, wenn der FC dauerhaft oben dabei ist.

DFB.de: In der FLYERALARM Frauen-Bundesliga führt der FC Bayern die Tabelle vor dem VfL Wolfsburg an. Bahnt sich da eine Wachablösung an?

Lotzen: Nein, so eine Aussage würde den Wolfsburgerinnen nicht gerecht werden. Der Verein hat in den vergangenen Jahren überragende Erfolge gefeiert – national und international. Das war sehr wichtig für den Frauenfußball in Deutschland. Klar ist aber auch, dass die Bayern es in diesem Jahr sehr, sehr gut machen und total stabil auftreten. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie dieses Jahr mindestens einen Titel holen werden, vielleicht auch mehr. Es wäre super für den Frauenfußball in Deutschland, wenn Bayern dauerhaft auf Wolfsburger Niveau spielen kann und vielleicht noch das eine oder andere Team in die Spitzengruppe aufsteigen kann.

DFB.de: Wie sehen Sie die Lage bei der deutschen Nationalmannschaft?

Lotzen: Es gab einen riesigen Umbruch. Leider sind wir in diesem Jahr nicht bei den Olympischen Spielen dabei. Aber es gibt super viele talentierte Spielerinnen in Deutschland, die nachhaltig auf sich aufmerksam machen. Die Entwicklung des Teams ist nicht abgeschlossen. Wir zählen in Europa nach wie vor zu den Top-Nationen. Aber andere Länder holen auf. Wichtig ist es, dass die talentierten Spielerinnen den nächsten Entwicklungsschritt machen. Ich freue mich auf die Europameisterschaft 2022 in England. Dann werden wir sehen, wie weit wir in Deutschland wirklich sind.

DFB.de: Und wie sieht Ihre ganz persönliche Zukunft aus?

Lotzen: Zunächst möchte ich gerne meinen Master zu Ende bringen. Da fehlen mir noch eine Prüfung und die Masterarbeit. Dann ist das Thema hoffentlich auch erledigt. Mal sehen, was dann kommt. Ich möchte gerne in verschiedene Bereiche im Fußball hineinschnuppern. Auf diesem Weg möchte ich herausfinden, was mich wirklich reizt.

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