"Liegenbleiben keine Option": Jimmy-Hartwig-Doku in der ARD

Fans des Hamburger SV sei geraten, heute nach dem Showdown um den Relegationsplatz ab 17.30 Uhr in die ARD umzuschalten. Dort gibt es bessere Hamburger Zeiten zu sehen. Die ARD zeigt eine bewegende, eindrucksvolle Doku über Jimmy Hartwig. "Liegenbleiben ist keine Option" heißt der 30-minütige Film von Stefan Panzner.

Der heute 65-jährige William Georg Hartwig war Ende der siebziger Jahre der Prototyp des modernen Sechsers. In der Saison 1981/1982 schoss er in Pflichtspielen 19 Tore für den Hamburger SV, 14 in der Bundesliga. Mit Ernst Happel auf der Bank und Hartwig auf dem Platz wurden die Rothosen dreimal Deutscher Meister und gewannen 1983 durch ein 1:0 über Juventus Turin den Europapokal der Landesmeister. Seit seinem Karriereende ist Jimmy Hartwig viel mehr als ein Ex-Fußballer. Als DFB-Botschafter bereist er das Land und setzt sich für Fair Play, Integration und gegen Rassismus ein.

"Wir müssen aufpassen, der Rechtspopulismus nimmt Fahrt auf", sagt er und ist dabei so klar und dynamisch wie früher in seinem Spiel auf dem Platz. Im Oktober 1954 als Sohn eines US-Soldaten und einer Offenbacherin geboren, begleitet ihn der Rassismus schon ein Leben lang. Begann sogar schon vor seiner Geburt. Herbert Yarborough und Luisa Minna Hartwig waren sehr verliebt, doch Luisas Vater, Georg Hartwig, reagierte mit blankem Hass, als er von der Schwangerschaft erfuhr. "Er hat meiner Mutter erstmal eine runtergehauen. Und hat ihr gedroht, wenn der Bastard tatsächlich zur Welt kommt, werde er ihn ersticken", erzählt Jimmy Hartwig.

Anfeindungen auf der Tagesordnung

Als kleiner Knirps verdrosch ihn der Opa fast wöchentlich. Obwohl er zum überragenden Fußballer heranwuchs, von Kickers Offenbach zu 1860 München und dann zum HSV wechselte, wurde er von einigen angeblichen Fans immer wieder angegriffen. In der Doku berichte er von einem Moment, als 5000 Zuschauer auf der Tribüne "Jimmy Hartwig, das Negerschwein" sangen. Anstatt in die Kabine zu flüchten, stellte er sich direkt vor den Rang. Einen Afro trug er damals, spielte mit Athletik und Leidenschaft, sagte immer seine Meinung. "Ich war der Vorzeigeneger", sagt er heute. "Krause Haare, selbstbewusst, große Schnauze. Was will denn der, der muss doch kuschen, so dachten die ganzen Alt-Nazis damals. Aber nicht mit mir."

Gerade in den 80er-Jahren waren viele Fußballszenen rechtsextrem geprägt. Bananen flogen aufs Feld, Zuschauer imitierten Affenlaute, wenn ein Spieler dunkler Hautfarbe den Ball spielte. Die Adlerfront, damals ein Fanclub von Eintracht Frankfurt, stürmte 1982 eine DGB-Kundgebung und attackierte dabei gezielt Menschen, die sie als Nicht-Deutsche ansahen. Diese Zeit schien irgendwann beendet, der dumpfe Rassismus aus den Stadien vertrieben. Doch das war eine Täuschung.

Der Fan- und Gewaltforscher Prof. Gunter A. Pilz beschreibt die Entwicklung: "In den achtziger Jahren mussten wir eine Hochzeit des Rechtsextremismus in den Stadien erleben. Mit dem Aufkommen der Ultras, die sich vehement dagegen zur Wehr gesetzt haben, war dieser Rechtsextremismus in den Stadien über viele Jahre so gut wie verschwunden. Aber das war nur vordergründig. Die Rechten standen und saßen immer noch in den Stadien. Sie hatten sich nur zurückgehalten."

Verfechter der Zivilcourage

Wohin er auch kommt, Hartwig appelliert an die Zivilcourage. Zu Gast in einer Talkshow, sprach er unlängst auch über den Amateurfußball: "Es geht unten los in der Kreisklasse. Die Spieler müssen geschützt werden, wir müssen sie fragen: Wie fühlst du dich? Wie können wir helfen? Wir müssen ihnen sagen: Nicht alle Deutschen sind so wie diese Leute. Wir müssen alle aufpassen." Als man ihn vom DFB aus am Tag nach dem Anschlag in Hanau anrief und fragte, ob er mit DFB-Generalsekretär Dr. Friedrich Curtius am Trauermarsch teilnehmen könne - leider hatte man ihn erst spät erreicht - sagte er einfach nur Ja und fuhr zum Flughafen.

Heute ist er ein reifer Mann und inzwischen zum vierten Mal verheiratet. Mit Frau und Kindern wohnt er in Inning am Ammersee. Im vergangenen Jahr bekam er die Bayerische Staatsmedaille für Soziale Verdienste verliehen. Dem Regisseur Stefan Panzner gewährte er tiefe Einblicke, gerade auch in die dunklen Momente seiner Vergangenheit, als er diskriminiert wurde oder auch als er gesundheitlich schwerste Rückschläge verkraften musste. "Überraschend war, wie schonungslos offen Jimmy in den Interviews war, selbst wenn es um äußerst sensible Themen ging, um Schicksalsschläge und Erlebnisse, die ihm bis heute extrem nahegehen", berichtete Stefan Panzner.

Das Erste präsentiert an diesem Sonntag eine bemerkenswerte Fußballer-Biografie nicht nur für HSV-Fans.

[th]

Fans des Hamburger SV sei geraten, heute nach dem Showdown um den Relegationsplatz ab 17.30 Uhr in die ARD umzuschalten. Dort gibt es bessere Hamburger Zeiten zu sehen. Die ARD zeigt eine bewegende, eindrucksvolle Doku über Jimmy Hartwig. "Liegenbleiben ist keine Option" heißt der 30-minütige Film von Stefan Panzner.

Der heute 65-jährige William Georg Hartwig war Ende der siebziger Jahre der Prototyp des modernen Sechsers. In der Saison 1981/1982 schoss er in Pflichtspielen 19 Tore für den Hamburger SV, 14 in der Bundesliga. Mit Ernst Happel auf der Bank und Hartwig auf dem Platz wurden die Rothosen dreimal Deutscher Meister und gewannen 1983 durch ein 1:0 über Juventus Turin den Europapokal der Landesmeister. Seit seinem Karriereende ist Jimmy Hartwig viel mehr als ein Ex-Fußballer. Als DFB-Botschafter bereist er das Land und setzt sich für Fair Play, Integration und gegen Rassismus ein.

"Wir müssen aufpassen, der Rechtspopulismus nimmt Fahrt auf", sagt er und ist dabei so klar und dynamisch wie früher in seinem Spiel auf dem Platz. Im Oktober 1954 als Sohn eines US-Soldaten und einer Offenbacherin geboren, begleitet ihn der Rassismus schon ein Leben lang. Begann sogar schon vor seiner Geburt. Herbert Yarborough und Luisa Minna Hartwig waren sehr verliebt, doch Luisas Vater, Georg Hartwig, reagierte mit blankem Hass, als er von der Schwangerschaft erfuhr. "Er hat meiner Mutter erstmal eine runtergehauen. Und hat ihr gedroht, wenn der Bastard tatsächlich zur Welt kommt, werde er ihn ersticken", erzählt Jimmy Hartwig.

Anfeindungen auf der Tagesordnung

Als kleiner Knirps verdrosch ihn der Opa fast wöchentlich. Obwohl er zum überragenden Fußballer heranwuchs, von Kickers Offenbach zu 1860 München und dann zum HSV wechselte, wurde er von einigen angeblichen Fans immer wieder angegriffen. In der Doku berichte er von einem Moment, als 5000 Zuschauer auf der Tribüne "Jimmy Hartwig, das Negerschwein" sangen. Anstatt in die Kabine zu flüchten, stellte er sich direkt vor den Rang. Einen Afro trug er damals, spielte mit Athletik und Leidenschaft, sagte immer seine Meinung. "Ich war der Vorzeigeneger", sagt er heute. "Krause Haare, selbstbewusst, große Schnauze. Was will denn der, der muss doch kuschen, so dachten die ganzen Alt-Nazis damals. Aber nicht mit mir."

Gerade in den 80er-Jahren waren viele Fußballszenen rechtsextrem geprägt. Bananen flogen aufs Feld, Zuschauer imitierten Affenlaute, wenn ein Spieler dunkler Hautfarbe den Ball spielte. Die Adlerfront, damals ein Fanclub von Eintracht Frankfurt, stürmte 1982 eine DGB-Kundgebung und attackierte dabei gezielt Menschen, die sie als Nicht-Deutsche ansahen. Diese Zeit schien irgendwann beendet, der dumpfe Rassismus aus den Stadien vertrieben. Doch das war eine Täuschung.

Der Fan- und Gewaltforscher Prof. Gunter A. Pilz beschreibt die Entwicklung: "In den achtziger Jahren mussten wir eine Hochzeit des Rechtsextremismus in den Stadien erleben. Mit dem Aufkommen der Ultras, die sich vehement dagegen zur Wehr gesetzt haben, war dieser Rechtsextremismus in den Stadien über viele Jahre so gut wie verschwunden. Aber das war nur vordergründig. Die Rechten standen und saßen immer noch in den Stadien. Sie hatten sich nur zurückgehalten."

Verfechter der Zivilcourage

Wohin er auch kommt, Hartwig appelliert an die Zivilcourage. Zu Gast in einer Talkshow, sprach er unlängst auch über den Amateurfußball: "Es geht unten los in der Kreisklasse. Die Spieler müssen geschützt werden, wir müssen sie fragen: Wie fühlst du dich? Wie können wir helfen? Wir müssen ihnen sagen: Nicht alle Deutschen sind so wie diese Leute. Wir müssen alle aufpassen." Als man ihn vom DFB aus am Tag nach dem Anschlag in Hanau anrief und fragte, ob er mit DFB-Generalsekretär Dr. Friedrich Curtius am Trauermarsch teilnehmen könne - leider hatte man ihn erst spät erreicht - sagte er einfach nur Ja und fuhr zum Flughafen.

Heute ist er ein reifer Mann und inzwischen zum vierten Mal verheiratet. Mit Frau und Kindern wohnt er in Inning am Ammersee. Im vergangenen Jahr bekam er die Bayerische Staatsmedaille für Soziale Verdienste verliehen. Dem Regisseur Stefan Panzner gewährte er tiefe Einblicke, gerade auch in die dunklen Momente seiner Vergangenheit, als er diskriminiert wurde oder auch als er gesundheitlich schwerste Rückschläge verkraften musste. "Überraschend war, wie schonungslos offen Jimmy in den Interviews war, selbst wenn es um äußerst sensible Themen ging, um Schicksalsschläge und Erlebnisse, die ihm bis heute extrem nahegehen", berichtete Stefan Panzner.

Das Erste präsentiert an diesem Sonntag eine bemerkenswerte Fußballer-Biografie nicht nur für HSV-Fans.

###more###