Legende mit links: Hans Schäfer wird 90

Hans Schäfer ist neben Horst Eckel der einzige noch lebende Weltmeister von 1954. Als Linksaußen traf er in der Schweiz viermal, auch im Finale war er an zwei Toren unmittelbar beteiligt. Viel Aufhebens um sich hat der Kölner, der das deutsche Team bei den darauffolgenden Turnieren als Kapitän anführte, jedoch nie gemacht. Heute wird Schäfer 90 Jahre alt. Zum Ehrentag porträtiert DFB.de die FC-Ikone.

Treffpunkt Köln, März 2014: Tadellos gekleidet, frisch frisiert, ein freundliches Lächeln, Arme, die einen empfangen, so steht Hans Schäfer in der Tür seiner Wohnung im Stadtteil Lindenthal. Man ist gleich beim "Du". Schäfer ist ein kölscher Jung, das Erzählen fällt ihm leicht. Er bittet herein, reicht Schnittchen aus dem Feinkostladen. "Nehmt euch was!", sagt er und setzt sich dann. Ach ja, der ganze Rummel jetzt, die vielen Einladungen, "fast alle habe er abgesagt", sonst sei er ja drei Monate unterwegs und überhaupt, so viel Trubel, den brauche er nicht. Schäfer kokettiert nicht damit, er meint das so, bei allem Stolz über das Erreichte. "Weltmeister", sagt er, "bist du eben für die Ewigkeit."

Schäfer und Eckel: Die letzten lebenden Weltmeister von 1954

Hans Schäfer und Horst Eckel sind die Deutschen, die am längsten Weltmeister für die Ewigkeit sind. Die anderen Mitglieder des WM-Kaders von 1954 leben nicht mehr. Und Schäfer, damals in der ersten Elf gegen Ungarn der Viertjüngste, ist heute der Älteste. Heute wird er 90. 63 Jahre, drei Monate und 15 Tage nach dem erstaunlichsten Spiel seines Lebens. Nach Bern. Irgendwie ist es bei allen Weltmeistern so: Es gibt die Zeit davor und die danach, die ohne und die mit WM-Titel.

Schäfer hat schon immer lieber seine Ruhe gehabt, große Interviews von ihm gibt es so gut wie keine, aus jüngerer Vergangenheit schon gar nicht. Jetzt, mit fast 90, ist der Blick nach hinten mutmaßlich länger als der nach vorne. Schäfers Knie machen nicht mehr so mit, das Gehen und das Treppensteigen fallen zunehmend schwer, doch der Geist ist klar und wach wie eh und je.

Mit Zug und Taxi ins WM-Trainingslager

Als Held hat sich Schäfer nie gesehen, von einem Wunder nie sprechen wollen. Man sei halt eine Mannschaft gewesen, die ein Fußballspiel gespielt habe und das sehr gut und deshalb gegen einen haushohen Favoriten gewonnen habe. Punkt. Aber Wunder? Helden? "Da war Glück und ganz sicher Können dabei", sagt Schäfer, "aber Helden, das sind für mich Leute, die ihr Land verteidigen, oder Feuerwehrleute, die in ein brennendes Haus rennen, um Menschen zu retten." Und doch: Die historische Leistung, die dieser Sieg von Bern mit sich brachte, ist längst nicht nur eine sportliche, das hat auch Schäfer zigfach erlebt. 22 Fußball spielende Männer, allesamt Amateure, sorgten für ein neues Selbstwertgefühl in der jungen, vom Krieg geschundenen Republik. Man mag es vielleicht nicht Wunder nennen, wunderbar war es gewiss.

Für die WM hatte sich Schäfer Urlaub genommen. Seine Frau Isis war mit in die Schweiz gekommen, gleichwohl in ein anderes Hotel, im Fall eines frühen Ausscheidens wäre noch Zeit für Ferien in Italien gewesen und der Weg dorthin kürzer. Derlei Planung war notwendig. Schäfer war 26 und spielte in seiner Heimatstadt beim erst ein paar Jahre vorher gegründeten 1. FC Köln in der Oberliga West. Dreimal in der Woche war Training, zu dem er nach der Arbeit beim Kaufhof mit der Straßenbahn fuhr. Es war halt alles anders damals.

Davon erzählt auch eine Anekdote aus der WM-Vorbereitung. Zum Lehrgang in die Sportschule Grünwald reisten Schäfer und weitere Kollegen aus dem Westen mit dem Zug an, vom Münchner Hauptbahnhof nahmen sie, vollbepackt, ein Taxi nach Grünwald. Dort wollten sie mit dem DFB-Kassierer abrechnen. Dann kam Sepp Herberger dazu. "Was macht ihr denn da?" "Wir rechnen unser Fahrtgeld ab." "Was denn für ein Fahrtgeld?" "Zug und Taxi." "Nichts, Taxi. Ihr nehmt die Straßenbahn." Das Geld fürs Taxi sahen die Spieler nie wieder.



Hans Schäfer ist neben Horst Eckel der einzige noch lebende Weltmeister von 1954. Als Linksaußen traf er in der Schweiz viermal, auch im Finale war er an zwei Toren unmittelbar beteiligt. Viel Aufhebens um sich hat der Kölner, der das deutsche Team bei den darauffolgenden Turnieren als Kapitän anführte, jedoch nie gemacht. Heute wird Schäfer 90 Jahre alt. Zum Ehrentag porträtiert DFB.de die FC-Ikone.

Treffpunkt Köln, März 2014: Tadellos gekleidet, frisch frisiert, ein freundliches Lächeln, Arme, die einen empfangen, so steht Hans Schäfer in der Tür seiner Wohnung im Stadtteil Lindenthal. Man ist gleich beim "Du". Schäfer ist ein kölscher Jung, das Erzählen fällt ihm leicht. Er bittet herein, reicht Schnittchen aus dem Feinkostladen. "Nehmt euch was!", sagt er und setzt sich dann. Ach ja, der ganze Rummel jetzt, die vielen Einladungen, "fast alle habe er abgesagt", sonst sei er ja drei Monate unterwegs und überhaupt, so viel Trubel, den brauche er nicht. Schäfer kokettiert nicht damit, er meint das so, bei allem Stolz über das Erreichte. "Weltmeister", sagt er, "bist du eben für die Ewigkeit."

Schäfer und Eckel: Die letzten lebenden Weltmeister von 1954

Hans Schäfer und Horst Eckel sind die Deutschen, die am längsten Weltmeister für die Ewigkeit sind. Die anderen Mitglieder des WM-Kaders von 1954 leben nicht mehr. Und Schäfer, damals in der ersten Elf gegen Ungarn der Viertjüngste, ist heute der Älteste. Heute wird er 90. 63 Jahre, drei Monate und 15 Tage nach dem erstaunlichsten Spiel seines Lebens. Nach Bern. Irgendwie ist es bei allen Weltmeistern so: Es gibt die Zeit davor und die danach, die ohne und die mit WM-Titel.

Schäfer hat schon immer lieber seine Ruhe gehabt, große Interviews von ihm gibt es so gut wie keine, aus jüngerer Vergangenheit schon gar nicht. Jetzt, mit fast 90, ist der Blick nach hinten mutmaßlich länger als der nach vorne. Schäfers Knie machen nicht mehr so mit, das Gehen und das Treppensteigen fallen zunehmend schwer, doch der Geist ist klar und wach wie eh und je.

Mit Zug und Taxi ins WM-Trainingslager

Als Held hat sich Schäfer nie gesehen, von einem Wunder nie sprechen wollen. Man sei halt eine Mannschaft gewesen, die ein Fußballspiel gespielt habe und das sehr gut und deshalb gegen einen haushohen Favoriten gewonnen habe. Punkt. Aber Wunder? Helden? "Da war Glück und ganz sicher Können dabei", sagt Schäfer, "aber Helden, das sind für mich Leute, die ihr Land verteidigen, oder Feuerwehrleute, die in ein brennendes Haus rennen, um Menschen zu retten." Und doch: Die historische Leistung, die dieser Sieg von Bern mit sich brachte, ist längst nicht nur eine sportliche, das hat auch Schäfer zigfach erlebt. 22 Fußball spielende Männer, allesamt Amateure, sorgten für ein neues Selbstwertgefühl in der jungen, vom Krieg geschundenen Republik. Man mag es vielleicht nicht Wunder nennen, wunderbar war es gewiss.

Für die WM hatte sich Schäfer Urlaub genommen. Seine Frau Isis war mit in die Schweiz gekommen, gleichwohl in ein anderes Hotel, im Fall eines frühen Ausscheidens wäre noch Zeit für Ferien in Italien gewesen und der Weg dorthin kürzer. Derlei Planung war notwendig. Schäfer war 26 und spielte in seiner Heimatstadt beim erst ein paar Jahre vorher gegründeten 1. FC Köln in der Oberliga West. Dreimal in der Woche war Training, zu dem er nach der Arbeit beim Kaufhof mit der Straßenbahn fuhr. Es war halt alles anders damals.

Davon erzählt auch eine Anekdote aus der WM-Vorbereitung. Zum Lehrgang in die Sportschule Grünwald reisten Schäfer und weitere Kollegen aus dem Westen mit dem Zug an, vom Münchner Hauptbahnhof nahmen sie, vollbepackt, ein Taxi nach Grünwald. Dort wollten sie mit dem DFB-Kassierer abrechnen. Dann kam Sepp Herberger dazu. "Was macht ihr denn da?" "Wir rechnen unser Fahrtgeld ab." "Was denn für ein Fahrtgeld?" "Zug und Taxi." "Nichts, Taxi. Ihr nehmt die Straßenbahn." Das Geld fürs Taxi sahen die Spieler nie wieder.

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"Herberger war für uns wie ein kleiner Gott"

Zu widersprechen traute sich keiner. "Herberger", sagt Schäfer, "war für uns wie ein kleiner Gott." Er, der Kölner, geboren im Stadtteil Zollstock, Sohn eines Pfälzers, gelernter Friseur, seit November 1952 Nationalspieler, seit April 1953 verheiratet, war für die Position des Linksaußen vorgesehen im deutschen WM-System, die linke obere Spitze des "W". "De Knoll" nannten sie ihn in Köln, den Dickkopf. Auf dem Platz machten sich Ehrgeiz und Unnachgiebigkeit bezahlt. Herberger sollte später über Schäfer sagen: "Von allen Linksaußen unter unseren Nationalspielern war er der zielstrebigste."

Schon bei seinem Debüt 1952 gegen die Schweiz (5:1) gelangen ihm zwei Tore. Auch bei der WM 1954 traf er viermal und damit genau so oft wie Helmut Rahn und Ottmar Walter, von den Deutschen traf nur Max Morlock (sechs) noch öfter. Im Finale "bereitete" er zunächst den Ausgleich durch Helmut Rahn vor, weil er Ungarns Torwart Gyula Grosics bei einer Ecke ein bisschen rempelte.

"Schäfer, nach innen geflankt"

Seine zweite Torbeteiligung ist dank Radiomann Herbert Zimmermann zur Legende geworden: "Jetzt Deutschland am linken Flügel durch Schäfer, Schäfers Zuspiel zu Morlock wird von den Ungarn abgewehrt, und Bozsik, immer wieder Bozsik, der rechte Läufer der Ungarn am Ball. Er hat den Ball verloren diesmal gegen Schäfer, Schäfer, nach innen geflankt, Kopfball, abgewehrt, aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen, Rahn schießt, Tor! Tor! Tor! Tor!"

Bescheiden war die Feier nach dem Sieg, etwas essen, etwas trinken, dann ins Bett. Triumphal war dafür die Heimkehr. Entlang der Bahnstrecke standen die Menschenmassen, in München dann der große Empfang. Schließlich stiegen Schäfer und sein Vereinskollege Paul Mebus in den Zug nach Köln, in ihrem Abteil erkannte sie kaum einer, die meisten hatten das Spiel ja lediglich im Radio gehört. Am Kölner Hauptbahnhof im Schatten des Doms war dann Schluss mit Inkognito. In Cabrios wurden beide zum FC-Clubhaus kutschiert, und auf dem knapp sieben Kilometer langen Weg standen links und rechts Tausende Menschen und jubelten den Weltmeistern zu. Ihren Weltmeistern.

Auto ohne Führerschein

Ein paar Wochen nahm Schäfer wieder die Straßenbahn zum Geißbockheim. Er hatte von einem Autohändler zwar ein VW Cabrio geschenkt bekommen, doch den Führerschein hatte er noch nicht. Schäfer war jetzt noch mehr als vorher eine Berühmtheit in Köln, aber keine, die unbedingt eine sein wollte. Mit dem FC wurde er als Kapitän 1962 erstmals Deutscher Meister, im Jahr darauf folgte die Auszeichnung als "Fußballer des Jahres". Unerreicht sind seine 223 Tore in der Oberliga West. Als einer von vier Weltmeistern (neben ihm noch Helmut Rahn, Max Morlock und Heinrich Kwiatkowski) stand er in der ersten Saison der Bundesliga auf dem Platz, an seiner Seite der junge Wolfgang Overath. Gemeinsam feierten sie 1964 die Meisterschaft, der Weltmeister von 1954 und der, der 1974 Weltmeister werden sollte. Mit fast 38 hörte Schäfer auf.

In der Nationalmannschaft hatte er eigentlich sechs Jahre vorher Schluss gemacht. 1958 in Schweden war er Kapitän der deutschen Mannschaft gewesen, die Vierter geworden war. Das Spiel in Schottland (2:3) im Mai 1959 lag schon knapp drei Jahre zurück, als eines Morgens plötzlich Herberger an Schäfers Bett stand. Der wurde wach. Und machte ein überraschtes Gesicht. "Chef, was machen Sie denn hier?" "Ich will dich holen." "Wie, holen?" "Zur Nationalmannschaft, morgen geht’s los."

Kapitän bei der WM 1962 in Chile

Schäfer machte noch ein Testspiel gegen Uruguay mit und fuhr dann erneut als Kapitän zur WM 1962 nach Chile, wo seine Nationalmannschaftskarriere mit dem Viertelfinale gegen Jugoslawien, seinem 39. Einsatz, diesmal wirklich zu Ende ging.

Bei dem Interview vor dreieinhalb Jahren hat Schäfer irgendwann ein Album mit Fotos und Zeitungsartikeln rausgeholt, Erinnerungen an ein Fußballerleben, ein Geburtstagsgeschenk. "Eine schöne Zeit war das", sagte er. Dann klappte er das Buch zu. "Ich lebe in der Gegenwart, nicht in der Vergangenheit." Weltmeister ist er ja sowieso für immer.

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