Kohlers WM-Prognose: "Wir packen das"

Kurz vor dem ersten Gruppenspiel der deutschen Nationalmannschaft kamen vier prominente und kompetente Mitglieder des Clubs der Nationalspieler (CdN) zur Analyse und Begutachtung der WM-Endrunde 2018 in Russland zusammen. Bei den angesehenen "Tonbacher Gesprächen" begründeten die Weltmeister Berti Vogts und Jürgen Kohler sowie die Europameister Thomas Helmer und Stefan Kuntz ihre WM-Prognosen und speziell die Chancen des Weltmeisters für die Titelverteidigung. In der "Traube Tonbach" nahmen sie zudem mit den TV-Kommentatoren Béla Réthy, Dieter Kürten und Marcel Reif als Moderator Stellung zu Problemen und strittigen Themen im Vorfeld der WM. Ein Bericht von DFB-Mitarbeiter Wolfgang Tobien.

Die Location war exquisit, das Diskussionsthema hochaktuell und der Meinungsaustausch sehr kompetent. Vier ehemalige Internationale und aktuelle CdN-Mitglieder mit großer WM- und EM-Praxis trafen in der Fünf-Sterne-Herberge "Traube Tonbach" im Schwarzwald auf drei TV-Experten mit nicht minder großer Turnier-Routine, um ihren fachmännischen Blick auf die bevorstehende WM 2018 in Russland zu werfen. Berti Vogts, Jürgen Kohler, Thomas Helmer und Stefan Kuntz sowie Marcel Reif, Dieter Kürten und Béla Réthy.

Kohler: "Für mich gibt es nur einen Favoriten"

In dieser hochkarätigen Talk-Runde legte sich Jürgen Kohler mit seiner Prognose im Hinblick auf die anvisierte Titelverteidigung des amtierenden Weltmeisters eindeutig und unbeirrbar fest: "Für mich gibt es nur einen Favoriten - und der heißt Deutschland. Ganz klar, wir werden das packen."

Die 20. Auflage der "Tonbacher Gespräche", bei dem bislang einmal im Jahr Koryphäen und Experten aus Politik, Wirtschaft und Kultur den Lauf der Welt beschrieben und erklärt hatten, fand erstmals im Zeichen des Fußballs statt. Begrüßt vom Hausherrn Heiner Finkbeiner, begleitet von drei Dutzend Medienvertretern und sorgsam moderiert von Marcel Reif legten sich Berti Vogts, der Weltmeister von 1974 und spätere Bundestrainer sowie die Europameister von 1996 Stefan Kuntz und Thomas Helmer nicht ganz so zielsicher wie Kohler auf Deutschland als alleinigen Topfavoriten fest. Auch wenn der Weltmeister von 1990 aus seiner Sicht einleuchtende Gründe für den deutschen Vormarsch zur Titelverteidigung nannte: "Die deutsche Nationalmannschaft trägt das Gen, die Eigenschaft in sich, zum richtigen Zeitpunkt aus sich das Richtige optimal herauszuholen. So ein Turnier ist vor allem eine Sache der Mentalität. Damit haben wir es immer geschafft. Und so wird es auch diesmal geschafft."

Kuntz, der aktuelle deutsche U 21-Nationaltrainer, der in Russland in Löws Auftrag die möglichen Gegner beobachten wird, sieht ebenso wie Helmer in den Spaniern den heißesten Konkurrenten, "vor allem wegen ihrer überragenden Breite im Kader", so Kuntz. Auch Vogts hat die Spanier ganz oben an Deutschlands Seite als großen Mitfavoriten auf dem Zettel. Dazu "die glänzend besetzten Franzosen" und die wieder erstarkten Brasilianer, "auch wenn sie nicht ganz so dominant auftreten werden, wie dies ihnen von etlichen Fachleuten zugeschrieben wird". Im Hinterkopf hat der Trainer des deutschen Europameister-Teams von 1996 dazu Belgien. "Die tollen Talente der Belgier sind gereift. Doch es besteht die Gefahr, dass sie im späteren Verlauf des Turniers vielleicht nachlassen werden."

Vogts erwartet "kein Offensivfestival"

Über die Schlüsselfrage für eine erfolgreiche WM-Mission in Russland waren sich alle Gesprächsteilnehmer einig: Wie bringt man die Weltmeister von 2014 dahin, mit Feuer und Leidenschaft und mit der unverzichtbaren mannschaftlichen Geschlossenheit die Titelverteidigung anzugehen? Einig waren sich die einstigen WM-und EM-Stars zudem in ihrer Annahme, dass in Russland "kein Offensivfestival und auch keine bahnbrechenden taktischen Innovationen zu erwarten sind", so der 72 Jahre alte Fußball-Lehrer Vogts.

Unterstützt von den erfahrenen TV-Kommentatoren verwies das Quartett der Welt- und Europameister auf Ereignisse und Parallelen gelungener und missratener WM-Auftritte in der Vergangenheit und leiteten daraus ihre Zweifel ab, dass die überragenden Weltfußballer Lionel Messi und Cristiano Ronaldo, wie schon früher, auch diesmal der WM-Endrunde ihren alles dominierenden Stempel werden aufdrücken können. "Weil Messi beim FC Barcelona und Ronaldo bei Real Madrid weitaus qualifiziertere Mitspieler zur Unterstützung an ihrer Seite haben als in ihrer Nationalmannschaft", so die Begründung von Stefan Kuntz.

Kuntz: "Muss Trainer personelle Entscheidungen zugestehen"

Doch nicht nur fachmännische Prognosen waren gefragt. Erörtert, eingeordnet und bewertet wurden auch die Irrungen, Wirrungen und Widrigkeiten in den vergangenen Wochen und Monate im Vorfeld der WM-Endrunde. Die Auswahl von Löws WM-Kader zum Beispiel, wobei der Verzicht auf Leroy Sané kontrovers diskutiert wurde. Während Helmer uneingeschränkt bekannte, "ich hätte ihn mitgenommen", erklärte Kohler: "Trotz seiner tollen Saison in England finde ich es richtig, dass Jogi ihn zu Hause lässt, denn er wird seine Gründe haben." Gründe, die Stefan Kuntz versuchte, aus Sicht des DFB-Trainerstabs zu erläutern: "Der Bundestrainer hatte die Entscheidung zwischen Brandt und Sané. Für Brandt sprach neben seiner aktuellen guten Form sein starkes Auftreten beim Confed Cup letztes Jahr in Russland, auf den Sané verzichtet hatte, weil er sich einer Operation an der Nase unterzielen wollte. Ich denke, man muss dem Trainer seine personellen Entscheidungen zugestehen."

Ganz besonders aber sorgte die leidige Affäre um Mesut Özil und Ilkay Gündogan und das Foto mit dem türkischen Machthaber Erdogan für Diskussionsstoff. Nach Bundestrainer Joachim Löw und DFB-Direktor Oliver Bierhoff wünschte sich jetzt auch Vogts ein Ende der Pfiffe der Fans und der aufgeheizten Debatte in der Öffentlichkeit. Einen Königsweg aus diesem Dilemma sah freilich keiner der sieben fachkundigen Diskutanten, von denen der ehemalige Türkei-Legionär Stefan Kuntz (1995/96 bei Besiktas Istanbul) die Zwickmühle skizzierte, in der sich Gündogan und Özil mit ihren türkischen Wurzeln befänden.

So blieb am Ende nur der gemeinsame Appell an die Fans, das Team auf seinem Weg zum fünften Stern einmütig und voller Begeisterung zu unterstützen.

[wt]

Kurz vor dem ersten Gruppenspiel der deutschen Nationalmannschaft kamen vier prominente und kompetente Mitglieder des Clubs der Nationalspieler (CdN) zur Analyse und Begutachtung der WM-Endrunde 2018 in Russland zusammen. Bei den angesehenen "Tonbacher Gesprächen" begründeten die Weltmeister Berti Vogts und Jürgen Kohler sowie die Europameister Thomas Helmer und Stefan Kuntz ihre WM-Prognosen und speziell die Chancen des Weltmeisters für die Titelverteidigung. In der "Traube Tonbach" nahmen sie zudem mit den TV-Kommentatoren Béla Réthy, Dieter Kürten und Marcel Reif als Moderator Stellung zu Problemen und strittigen Themen im Vorfeld der WM. Ein Bericht von DFB-Mitarbeiter Wolfgang Tobien.

Die Location war exquisit, das Diskussionsthema hochaktuell und der Meinungsaustausch sehr kompetent. Vier ehemalige Internationale und aktuelle CdN-Mitglieder mit großer WM- und EM-Praxis trafen in der Fünf-Sterne-Herberge "Traube Tonbach" im Schwarzwald auf drei TV-Experten mit nicht minder großer Turnier-Routine, um ihren fachmännischen Blick auf die bevorstehende WM 2018 in Russland zu werfen. Berti Vogts, Jürgen Kohler, Thomas Helmer und Stefan Kuntz sowie Marcel Reif, Dieter Kürten und Béla Réthy.

Kohler: "Für mich gibt es nur einen Favoriten"

In dieser hochkarätigen Talk-Runde legte sich Jürgen Kohler mit seiner Prognose im Hinblick auf die anvisierte Titelverteidigung des amtierenden Weltmeisters eindeutig und unbeirrbar fest: "Für mich gibt es nur einen Favoriten - und der heißt Deutschland. Ganz klar, wir werden das packen."

Die 20. Auflage der "Tonbacher Gespräche", bei dem bislang einmal im Jahr Koryphäen und Experten aus Politik, Wirtschaft und Kultur den Lauf der Welt beschrieben und erklärt hatten, fand erstmals im Zeichen des Fußballs statt. Begrüßt vom Hausherrn Heiner Finkbeiner, begleitet von drei Dutzend Medienvertretern und sorgsam moderiert von Marcel Reif legten sich Berti Vogts, der Weltmeister von 1974 und spätere Bundestrainer sowie die Europameister von 1996 Stefan Kuntz und Thomas Helmer nicht ganz so zielsicher wie Kohler auf Deutschland als alleinigen Topfavoriten fest. Auch wenn der Weltmeister von 1990 aus seiner Sicht einleuchtende Gründe für den deutschen Vormarsch zur Titelverteidigung nannte: "Die deutsche Nationalmannschaft trägt das Gen, die Eigenschaft in sich, zum richtigen Zeitpunkt aus sich das Richtige optimal herauszuholen. So ein Turnier ist vor allem eine Sache der Mentalität. Damit haben wir es immer geschafft. Und so wird es auch diesmal geschafft."

Kuntz, der aktuelle deutsche U 21-Nationaltrainer, der in Russland in Löws Auftrag die möglichen Gegner beobachten wird, sieht ebenso wie Helmer in den Spaniern den heißesten Konkurrenten, "vor allem wegen ihrer überragenden Breite im Kader", so Kuntz. Auch Vogts hat die Spanier ganz oben an Deutschlands Seite als großen Mitfavoriten auf dem Zettel. Dazu "die glänzend besetzten Franzosen" und die wieder erstarkten Brasilianer, "auch wenn sie nicht ganz so dominant auftreten werden, wie dies ihnen von etlichen Fachleuten zugeschrieben wird". Im Hinterkopf hat der Trainer des deutschen Europameister-Teams von 1996 dazu Belgien. "Die tollen Talente der Belgier sind gereift. Doch es besteht die Gefahr, dass sie im späteren Verlauf des Turniers vielleicht nachlassen werden."

Vogts erwartet "kein Offensivfestival"

Über die Schlüsselfrage für eine erfolgreiche WM-Mission in Russland waren sich alle Gesprächsteilnehmer einig: Wie bringt man die Weltmeister von 2014 dahin, mit Feuer und Leidenschaft und mit der unverzichtbaren mannschaftlichen Geschlossenheit die Titelverteidigung anzugehen? Einig waren sich die einstigen WM-und EM-Stars zudem in ihrer Annahme, dass in Russland "kein Offensivfestival und auch keine bahnbrechenden taktischen Innovationen zu erwarten sind", so der 72 Jahre alte Fußball-Lehrer Vogts.

Unterstützt von den erfahrenen TV-Kommentatoren verwies das Quartett der Welt- und Europameister auf Ereignisse und Parallelen gelungener und missratener WM-Auftritte in der Vergangenheit und leiteten daraus ihre Zweifel ab, dass die überragenden Weltfußballer Lionel Messi und Cristiano Ronaldo, wie schon früher, auch diesmal der WM-Endrunde ihren alles dominierenden Stempel werden aufdrücken können. "Weil Messi beim FC Barcelona und Ronaldo bei Real Madrid weitaus qualifiziertere Mitspieler zur Unterstützung an ihrer Seite haben als in ihrer Nationalmannschaft", so die Begründung von Stefan Kuntz.

Kuntz: "Muss Trainer personelle Entscheidungen zugestehen"

Doch nicht nur fachmännische Prognosen waren gefragt. Erörtert, eingeordnet und bewertet wurden auch die Irrungen, Wirrungen und Widrigkeiten in den vergangenen Wochen und Monate im Vorfeld der WM-Endrunde. Die Auswahl von Löws WM-Kader zum Beispiel, wobei der Verzicht auf Leroy Sané kontrovers diskutiert wurde. Während Helmer uneingeschränkt bekannte, "ich hätte ihn mitgenommen", erklärte Kohler: "Trotz seiner tollen Saison in England finde ich es richtig, dass Jogi ihn zu Hause lässt, denn er wird seine Gründe haben." Gründe, die Stefan Kuntz versuchte, aus Sicht des DFB-Trainerstabs zu erläutern: "Der Bundestrainer hatte die Entscheidung zwischen Brandt und Sané. Für Brandt sprach neben seiner aktuellen guten Form sein starkes Auftreten beim Confed Cup letztes Jahr in Russland, auf den Sané verzichtet hatte, weil er sich einer Operation an der Nase unterzielen wollte. Ich denke, man muss dem Trainer seine personellen Entscheidungen zugestehen."

Ganz besonders aber sorgte die leidige Affäre um Mesut Özil und Ilkay Gündogan und das Foto mit dem türkischen Machthaber Erdogan für Diskussionsstoff. Nach Bundestrainer Joachim Löw und DFB-Direktor Oliver Bierhoff wünschte sich jetzt auch Vogts ein Ende der Pfiffe der Fans und der aufgeheizten Debatte in der Öffentlichkeit. Einen Königsweg aus diesem Dilemma sah freilich keiner der sieben fachkundigen Diskutanten, von denen der ehemalige Türkei-Legionär Stefan Kuntz (1995/96 bei Besiktas Istanbul) die Zwickmühle skizzierte, in der sich Gündogan und Özil mit ihren türkischen Wurzeln befänden.

So blieb am Ende nur der gemeinsame Appell an die Fans, das Team auf seinem Weg zum fünften Stern einmütig und voller Begeisterung zu unterstützen.