Klinsmann-Interview Teil III: "Wir sind optimal aufgestellt"

Frage: Bis zur WM bleibt noch ein Jahr. Ist dieser Zeitraum nicht viel zu knapp bemessen, um eine Mannschaft zum WM-Titel zu führen und nebenbei im Verband neue Strukturen schaffen zu wollen?

Klinsmann: "Nein, die Zeit ist nicht zu kurz, sie ist eine Herausforderung. Deshalb bedarf es dann übrigens auch unpopulärer Entscheidungen. Man muss immer die Prioritäten vor Augen haben. Und für mich ist die Priorität alleine die Mannschaft, bei ihr müssen wir die Dinge voranzutreiben."

Frage: Wie sehr wird Ihre Arbeit durch Störfeuer von außen beeinflusst, etwa durch die wiederholten Querschüsse aus München zu ihrem Wohnsitz Kalifornien?

Klinsmann: "Sie beeinflussen die Arbeit nicht. Aber sie sind unangenehm und unnötig. Wir haben den Grundsatz, dass wir uns nicht in andere Angelegenheiten einmischen. Da erwarten wir einfach auch von anderen den Respekt, dass sie sich nicht in unsere Dinge einmischen. Aber wir werden das nicht ändern können. Das müssen wir an uns abprallen lassen, es bleibt uns gar nichts anderes übrig."

Frage: Haben Sie sich nicht in den vergangenen zehn Monaten schon mal die Frage gestellt: Mensch, Jürgen, was zum Teufel hast du dir da angetan?

Klinsmann (lacht): "Nein. Auch nicht, wenn die Störfeuer kommen. Ich habe eine einmalige Möglichkeit bekommen. Das ist eine Ehre, es verbindet mich mit sehr viel Stolz. Mir ist noch nie ein Gedanke in diese Richtung gekommen. Im Gegenteil: Je größer die Aufgabe wird, desto faszinierender ist sie auch. Das war auch bei mir als Spieler so: Je höher die Hürde wird, je größer der Druck ist, desto mehr Spaß macht es mir."

Frage: Aber hätten Sie sich nicht gewünscht, dass es manchmal etwas problemloser oder geräuschloser zugeht?

Klinsmann: "Dass nicht alles reibunslos ablaufen wird, das wusste ich von Anfang an. Man muss sich dabei auch eine dicke Haut anlegen. Aber das gehört alles mit dazu. Man will ja auch an sich selbst eine Entwicklung feststellen. Ich bin in einem Lernprozess, der sehr spannend ist."

Frage: Haben Sie den Eindruck, dass nach ihren anfänglichen Erfolgen das Klima um Sie und um die Nationalmannschaft herum nun in den vergangenen Wochen wieder etwas rauer geworden ist?

Klinsmann: "Man hat sich sehr schnell daran gewöhnt, dass es bei der Nationalmannschaft gut läuft, dass wir uns optimal aufgestellt und viel bewegt haben. Man nimmt das schon wieder als selbstverständlich hin. Keiner denkt mehr daran, wo wir im Juli 2004 standen. Wir können aber die Denkweise nicht ändern, deshalb ist es umso wichtiger, dass wir uns als innerer Kern immer wieder auf das Wesentliche konzentrieren."

Frage: Wo liegen die Defizite der Mannschaft?

Klinsmann: "Wir können uns in allen Bereichen verbessern. Ob das die Fitness ist, die mentale Stärke oder der technisch-taktische Bereich. Wir müssen unser Puzzle noch weiterentwickeln. Jedes muss sich in allen Bereichen hinterfragen, jeder hat Verbesserungsbedarf. In Deutschland aber denken die Menschen oft ganz anders."

Frage: Das müssen Sie erklären.

Klinsmann: "In Deutschland sagen die Leute: Wir sind in diesem Bereich besonders schlecht. Sie sollten lieber sagen: Zu 80 Prozent sind wir schon gut, wir können aber noch 20 Prozent mehr erreichen. So halten wir es bei der Nationalmannschaft. Wir geben Informationen zu unseren Defiziten positiv weiter."

Frage: Dennoch die konkrete Nachfrage: Ist nicht gerade die Abwehr im Augenblick die große Problemzone der Nationalmannschaft?

Klinsmann: "Wir können in allen Mannschaftsteilen besser werden. Gerade die Abwehr ist in einer Entwicklungsphase, wo viel Erfahrungswerte gesammelt werden. Deswegen haben wir für den Confed-Cup auch ganz bewusst Christian Wörns weggelassen. So können wir einem Per Mertesacker und einem Robert Huth ihre Spiele geben, damit sie sich von ihrer Persönlichkeit her entwickeln. Diese Jungs brauchen diese Spiele enorm. Aber man darf auch nicht vergessen: Wie waren wir vor einem Jahr aufgestellt? Da gab es noch keinen Mertesacker und keinen Huth in dieser Mannschaft. Man muss ihnen die Zeit und Rückendeckung geben."

Frage: Und wenn dieses Experiment beim Confederations Cup schiefgeht?

Klinsmann: "Wir können nur hoffen, dass die Öffentlichkeit das Verständnis mitbringt, dass bei diesem Turnier Dinge ausprobiert werden und der Schuss auch mal nach hinten losgehen kann. Dass wir dabei immer unter besonderer Beobachtung stehen und dass Querfeuer kommen werden, dessen sind wir uns auch bewusst. Wenn es mal schief läuft, damit können wir leben." [ar]


[bild1]Frage: Bis zur WM bleibt noch ein Jahr. Ist dieser Zeitraum nicht viel zu knapp bemessen, um eine Mannschaft zum WM-Titel zu führen und nebenbei im Verband neue Strukturen schaffen zu wollen?



Klinsmann: "Nein, die Zeit ist nicht zu kurz, sie ist eine Herausforderung. Deshalb bedarf es dann übrigens auch unpopulärer Entscheidungen. Man muss immer die Prioritäten vor Augen haben. Und für mich ist die Priorität alleine die Mannschaft, bei ihr müssen wir die Dinge voranzutreiben."



Frage: Wie sehr wird Ihre Arbeit durch Störfeuer von außen beeinflusst, etwa durch die wiederholten Querschüsse aus München zu ihrem Wohnsitz Kalifornien?



Klinsmann: "Sie beeinflussen die Arbeit nicht. Aber sie sind unangenehm und unnötig. Wir haben den Grundsatz, dass wir uns nicht in andere Angelegenheiten einmischen. Da erwarten wir einfach auch von anderen den Respekt, dass sie sich nicht in unsere Dinge einmischen. Aber wir werden das nicht ändern können. Das müssen wir an uns abprallen lassen, es bleibt uns gar nichts anderes übrig."



Frage: Haben Sie sich nicht in den vergangenen zehn Monaten schon mal die Frage gestellt: Mensch, Jürgen, was zum Teufel hast du dir da angetan?



Klinsmann (lacht): "Nein. Auch nicht, wenn die Störfeuer
kommen. Ich habe eine einmalige Möglichkeit bekommen. Das ist eine Ehre, es verbindet mich mit sehr viel Stolz. Mir ist noch nie ein Gedanke in diese Richtung gekommen. Im Gegenteil: Je größer die Aufgabe wird, desto faszinierender ist sie auch. Das war auch bei mir als Spieler so: Je höher die Hürde wird, je größer der Druck ist, desto mehr Spaß macht es mir."



Frage: Aber hätten Sie sich nicht gewünscht, dass es manchmal etwas problemloser oder geräuschloser zugeht?



Klinsmann: "Dass nicht alles reibunslos ablaufen wird, das wusste ich von Anfang an. Man muss sich dabei auch eine dicke Haut anlegen. Aber das gehört alles mit dazu. Man will ja auch an sich selbst eine Entwicklung feststellen. Ich bin in einem Lernprozess, der sehr spannend ist."



Frage: Haben Sie den Eindruck, dass nach ihren anfänglichen Erfolgen das Klima um Sie und um die Nationalmannschaft herum nun in den vergangenen Wochen wieder etwas rauer geworden ist?



Klinsmann: "Man hat sich sehr schnell daran gewöhnt, dass es bei der Nationalmannschaft gut läuft, dass wir uns optimal
aufgestellt und viel bewegt haben. Man nimmt das schon wieder als selbstverständlich hin. Keiner denkt mehr daran, wo wir im Juli 2004 standen. Wir können aber die Denkweise nicht ändern, deshalb ist es umso wichtiger, dass wir uns als innerer Kern immer wieder auf das Wesentliche konzentrieren."



Frage: Wo liegen die Defizite der Mannschaft?



Klinsmann: "Wir können uns in allen Bereichen verbessern. Ob das die Fitness ist, die mentale Stärke oder der
technisch-taktische Bereich. Wir müssen unser Puzzle noch
weiterentwickeln. Jedes muss sich in allen Bereichen hinterfragen, jeder hat Verbesserungsbedarf. In Deutschland aber denken die Menschen oft ganz anders."



Frage: Das müssen Sie erklären.



Klinsmann: "In Deutschland sagen die Leute: Wir sind in diesem Bereich besonders schlecht. Sie sollten lieber sagen: Zu 80 Prozent sind wir schon gut, wir können aber noch 20 Prozent mehr erreichen. So halten wir es bei der Nationalmannschaft. Wir geben Informationen zu unseren Defiziten positiv weiter."



[bild2]Frage: Dennoch die konkrete Nachfrage: Ist nicht gerade die Abwehr im Augenblick die große Problemzone der Nationalmannschaft?



Klinsmann: "Wir können in allen Mannschaftsteilen besser
werden. Gerade die Abwehr ist in einer Entwicklungsphase, wo viel Erfahrungswerte gesammelt werden. Deswegen haben wir für den Confed-Cup auch ganz bewusst Christian Wörns weggelassen. So können wir einem Per Mertesacker und einem Robert Huth ihre Spiele geben, damit sie sich von ihrer Persönlichkeit her entwickeln. Diese Jungs brauchen diese Spiele enorm. Aber man darf auch nicht vergessen: Wie waren wir vor einem Jahr aufgestellt? Da gab es noch keinen Mertesacker und keinen Huth in dieser Mannschaft. Man muss ihnen die Zeit und Rückendeckung geben."



Frage: Und wenn dieses Experiment beim Confederations Cup
schiefgeht?



Klinsmann: "Wir können nur hoffen, dass die Öffentlichkeit das Verständnis mitbringt, dass bei diesem Turnier Dinge ausprobiert werden und der Schuss auch mal nach hinten losgehen kann. Dass wir dabei immer unter besonderer Beobachtung stehen und dass Querfeuer kommen werden, dessen sind wir uns auch bewusst. Wenn es mal schief läuft, damit können wir leben."