Kiel vs. Bayern: Für eine Überraschung gut

In der zweiten DFB-Pokalrunde hat Holstein Kiel das große Los gezogen, das fast alle ziehen wollen, und empfängt heute (ab 20.45 Uhr, live in der ARD und bei Sky) den Triplesieger FC Bayern München. Die Partie wird zwar vor leeren Rängen ausgetragen, aber immerhin: Die Ansetzung birgt die Chance, einen Höhepunkt in der langen Pokalgeschichte der Störche zu markieren, die schon zum 32. Mal an der Endrunde des DFB-Pokals teilnehmen - und das obwohl sie erst viermal vom automatischen Startrecht (für Zweitligisten) profitierten. DFB.de blickt auf die Pokalhistorie der Kieler zurück.

Wobei die Modalitäten vor Kriegsende, als der Wettbewerb noch Tschammer-Pokal hieß, ohnehin andere waren. In diese politisch düstere Zeit fallen die größten Erfolge von Holstein, das 1912 Deutscher Meister und 1931 Vizemeister wurde und viele Jahre erstklassig spielte. Die erste Teilnahme im Jahr 1935 endete schon in der zweiten Runde, weil man bei Hannover 96 eine 3:0-Führung noch in der regulären Spielzeit hergab (3:4). 1937 sorgte Kiel mit einem 5:3 gegen Hertha BSC für Furore, profitierte allerdings davon, dass der Hertha-Keeper mit einer Nierenquetschung beim Stand von 3:3 ausschied und ein Verteidiger ins Tor musste. In Runde drei war bei Fortuna Düsseldorf Endstation (1:2), der Korrespondent des "Fussball" schrieb etwas herablassend über die Gäste: "Die Leute spielen einen soliden Fußball".

Dieser "solide Fußball" brachte die Störche 1941 nach vier Siegen, darunter gegen den HSV und Werder Bremen, (jeweils 2:1) bis ins Halbfinale - heute noch Vereinsrekord. Das Spiel selbst verdient keinen Ehrenplatz in der Holstein-Chronik, beim damaligen Deutschen Meister Schalke 04 wurde Holstein gerupft (0:6). Der kicker fand immerhin mildernde Umstände für das halbe Dutzend in der Glückauf-Kampfbahn: "Holstein war heute kein ebenbürtiger Gegner für Schalke. Ein großer Teil der Spieler steht bei der Wehrmacht und es fehlt der Mannschaft im Ganzen die Geschlossenheit, die nur durch jahrelange Zusammenarbeit erreicht werden kann. Das ist zur Zeit in Kiel nicht der Fall." Immerhin wurde ihnen "ein ritterlicher Kampf“ attestiert.

Favoritenschreck Kiel: Vier Bundesligisten rausgeworfen

Im letzten Pokaljahr vor Kriegsende, 1943, machte Holstein erneut eine gute Figur und warf Eintracht Braunschweig (5:4) sowie erneut Hertha BSC (3:0) aus dem Wettbewerb. In Berlin beindruckten die Gäste 20.000 Zuschauer im Poststadion einschließlich des kicker-Reporters, der die Überschrift wählte: "Holstein im Meisterstil". Der Traum vom Pokalsieg endete diesmal im Viertelfinalheimspiel gegen den Luftwaffensportverein Hamburg (2:4), der es bis ins Finale schaffte. Nach dem Krieg spielte Holstein lange Zeit keine große Rolle im deutschen Fußball. Das erste Pokalspiel gab es nach 18-Jähriger Pause 1962 gegen Schalke 04. 15.000 Zuschauer träumten bis zehn Minuten vor Schluss von der Sensation, ehe die Gäste die Partie dank eines Doppelschlags noch zum 3:4-Endstand drehten.

Die Bayern mag es interessieren, dass die seit dem Oberligaabstieg 1949 unterklassigen Kieler bereits vier Bundesligisten aus dem Pokal warfen. 1970 ging es los, ihr erstes Opfer war der VfB Stuttgart (2:1). Bundesligist RW Oberhausen rettete sich in der nächsten Runde in Kiel in die Verlängerung und gewann letztlich 5:2. 1971 unterlag auch Hannover 96 an der Kieler Förde (4:5), hatte aber aufgrund der Regelreform eine zweite Chance und zerlegte Holstein im Rückspiel 7:1.

So vergingen noch 32 Jahre bis zum zweiten Pokalwunder. Am 1. September 2002 trat Hertha BSC unter Trainer Huub Stevens beim damaligen Schlusslicht der Regionalliga Nord an und musste sich den Störchen zum dritten Mal in seiner Pokalgeschichte geschlagen geben. Die führten kurz vor der Pause durch Matthias Rose, Michael Preetz glich aus. In der Verlängerung fielen keine Tore. Dann lernte die Fußballwelt Manuel Greil kennen, der – Sachen gibt's – zehn Jahre bei der Hertha meist nur auf der Bank gesessen hatte. Der Holstein-Keeper war im Elfmeterschießen nicht zu bezwingen, hielt zwei Bälle, ein dritter verfehlte den Kasten. Dagegen trafen alle Kieler und als auch Rose seine Zielsicherheit vom Punkt bewiesen hatte, war alles klar – 3:0 für Kiel. Der Stadionsprecher warf die Musik an, zu Ehren von Greil erklang Wencke Myhres Song "Er steht im Tor" und die 9300 Fans ergänzten: "Und wir dahinter!"

"Die Kieler merken jetzt, dass hier auch Fußball gespielt wird"

Die Pokalsaison 2002/2003 endete für Holstein schon in der zweiten Runde gegen Bundesligaaufsteiger VfL Bochum, doch wieder wurde beachtlicher Widerstand geleistet (1:2). Manchmal waren sie bei allem Einsatz überfordert wie 2007, als es vor der Rekordkulisse von 11.386 Zuschauern ein 0:5 gegen den HSV setzte. Viel besser lief es in der Spielzeit 2011/2012, als die viertklassigen Kieler zunächst zwei Zweitligisten rauswarfen - Energie Cottbus (3:0) und den MSV Duisburg (2:0) - und dann mit Mainz 05 (2:0) zum dritten Mal einen Bundesligisten. Trainer des FSV war im Dezember 2011 ein gewisser Thomas Tuchel. Fiete Sykora, dessen Tore wesentlich zum Durchmarsch ins Viertelfinale beitrugen, erklärte vor dem in der ARD und auf Sky übertragenen Kracher gegen Meister Borussia Dortmund: "Seit unseren Pokalerfolgen werden wir gelegentlich in der Stadt erkannt. Die Kieler merken jetzt, dass hier auch Fußball gespielt wird." Wenn auch nicht so gut wie Handball.

Borussia Dortmund kam jedenfalls auf gefrorenem Boden zu einem ungefährdeten 4:0, den Torreigen eröffnete damals Robert Lewandowski, der heute nach neun Jahren in anderen Farben nach Kiel zurückkehrt. Ebenso wie Eric-Maxim Choupo-Moting, der 2007 mit dem HSV gewonnen und 2011 mit Mainz in Kiel verloren hatte. In Erinnerung blieb vom 0:4 gegen Dortmund ein schlecht gelaunter Gästetrainer Jürgen Klopp, der sich vergeblich für eine Spielabsage stark gemacht hatte, aber "durch die TV-Präsenz hatte der Schiedsrichter keine Handhabe, hier nicht anzupfeifen. Ich sage aber: Eine Rasenheizung gehört dazu." Holstein nahm die Schelte und die Packung hin, tröstete sich mit Pokalsaisoneinnahmen in Höhe von 2,2 Millionen Euro – den höchsten seit Bestehen des DFB-Pokals.

Achtungserfolge gab es weiterhin: im August 2015 noch als Drittligist ein 1:2 gegen den VfB Stuttgart, im Oktober 2017 als Zweitligist ein 2:3 nach Verlängerung in Mainz und ein Jahr später den vierten Streich gegen einen Bundesligisten. Der SC Freiburg ging zwar schon nach 42 Sekunden durch einen Petersen-Kopfball in Führung, doch Holstein hielt dagegen. Janni Serra (26.), ebenfalls per Kopf, und David Kinsombi (80.), mit links, schossen Holstein ins Achtelfinale, in dem der FC Augsburg (0:1) zum Stolperstein wurde. Dass das Achtelfinale nicht immer die Letzte sein muss, haben die Kieler aber zur Genüge bewiesen – das sollten sich auch die Bayern zu Herzen nehmen.

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In der zweiten DFB-Pokalrunde hat Holstein Kiel das große Los gezogen, das fast alle ziehen wollen, und empfängt heute (ab 20.45 Uhr, live in der ARD und bei Sky) den Triplesieger FC Bayern München. Die Partie wird zwar vor leeren Rängen ausgetragen, aber immerhin: Die Ansetzung birgt die Chance, einen Höhepunkt in der langen Pokalgeschichte der Störche zu markieren, die schon zum 32. Mal an der Endrunde des DFB-Pokals teilnehmen - und das obwohl sie erst viermal vom automatischen Startrecht (für Zweitligisten) profitierten. DFB.de blickt auf die Pokalhistorie der Kieler zurück.

Wobei die Modalitäten vor Kriegsende, als der Wettbewerb noch Tschammer-Pokal hieß, ohnehin andere waren. In diese politisch düstere Zeit fallen die größten Erfolge von Holstein, das 1912 Deutscher Meister und 1931 Vizemeister wurde und viele Jahre erstklassig spielte. Die erste Teilnahme im Jahr 1935 endete schon in der zweiten Runde, weil man bei Hannover 96 eine 3:0-Führung noch in der regulären Spielzeit hergab (3:4). 1937 sorgte Kiel mit einem 5:3 gegen Hertha BSC für Furore, profitierte allerdings davon, dass der Hertha-Keeper mit einer Nierenquetschung beim Stand von 3:3 ausschied und ein Verteidiger ins Tor musste. In Runde drei war bei Fortuna Düsseldorf Endstation (1:2), der Korrespondent des "Fussball" schrieb etwas herablassend über die Gäste: "Die Leute spielen einen soliden Fußball".

Dieser "solide Fußball" brachte die Störche 1941 nach vier Siegen, darunter gegen den HSV und Werder Bremen, (jeweils 2:1) bis ins Halbfinale - heute noch Vereinsrekord. Das Spiel selbst verdient keinen Ehrenplatz in der Holstein-Chronik, beim damaligen Deutschen Meister Schalke 04 wurde Holstein gerupft (0:6). Der kicker fand immerhin mildernde Umstände für das halbe Dutzend in der Glückauf-Kampfbahn: "Holstein war heute kein ebenbürtiger Gegner für Schalke. Ein großer Teil der Spieler steht bei der Wehrmacht und es fehlt der Mannschaft im Ganzen die Geschlossenheit, die nur durch jahrelange Zusammenarbeit erreicht werden kann. Das ist zur Zeit in Kiel nicht der Fall." Immerhin wurde ihnen "ein ritterlicher Kampf“ attestiert.

Favoritenschreck Kiel: Vier Bundesligisten rausgeworfen

Im letzten Pokaljahr vor Kriegsende, 1943, machte Holstein erneut eine gute Figur und warf Eintracht Braunschweig (5:4) sowie erneut Hertha BSC (3:0) aus dem Wettbewerb. In Berlin beindruckten die Gäste 20.000 Zuschauer im Poststadion einschließlich des kicker-Reporters, der die Überschrift wählte: "Holstein im Meisterstil". Der Traum vom Pokalsieg endete diesmal im Viertelfinalheimspiel gegen den Luftwaffensportverein Hamburg (2:4), der es bis ins Finale schaffte. Nach dem Krieg spielte Holstein lange Zeit keine große Rolle im deutschen Fußball. Das erste Pokalspiel gab es nach 18-Jähriger Pause 1962 gegen Schalke 04. 15.000 Zuschauer träumten bis zehn Minuten vor Schluss von der Sensation, ehe die Gäste die Partie dank eines Doppelschlags noch zum 3:4-Endstand drehten.

Die Bayern mag es interessieren, dass die seit dem Oberligaabstieg 1949 unterklassigen Kieler bereits vier Bundesligisten aus dem Pokal warfen. 1970 ging es los, ihr erstes Opfer war der VfB Stuttgart (2:1). Bundesligist RW Oberhausen rettete sich in der nächsten Runde in Kiel in die Verlängerung und gewann letztlich 5:2. 1971 unterlag auch Hannover 96 an der Kieler Förde (4:5), hatte aber aufgrund der Regelreform eine zweite Chance und zerlegte Holstein im Rückspiel 7:1.

So vergingen noch 32 Jahre bis zum zweiten Pokalwunder. Am 1. September 2002 trat Hertha BSC unter Trainer Huub Stevens beim damaligen Schlusslicht der Regionalliga Nord an und musste sich den Störchen zum dritten Mal in seiner Pokalgeschichte geschlagen geben. Die führten kurz vor der Pause durch Matthias Rose, Michael Preetz glich aus. In der Verlängerung fielen keine Tore. Dann lernte die Fußballwelt Manuel Greil kennen, der – Sachen gibt's – zehn Jahre bei der Hertha meist nur auf der Bank gesessen hatte. Der Holstein-Keeper war im Elfmeterschießen nicht zu bezwingen, hielt zwei Bälle, ein dritter verfehlte den Kasten. Dagegen trafen alle Kieler und als auch Rose seine Zielsicherheit vom Punkt bewiesen hatte, war alles klar – 3:0 für Kiel. Der Stadionsprecher warf die Musik an, zu Ehren von Greil erklang Wencke Myhres Song "Er steht im Tor" und die 9300 Fans ergänzten: "Und wir dahinter!"

"Die Kieler merken jetzt, dass hier auch Fußball gespielt wird"

Die Pokalsaison 2002/2003 endete für Holstein schon in der zweiten Runde gegen Bundesligaaufsteiger VfL Bochum, doch wieder wurde beachtlicher Widerstand geleistet (1:2). Manchmal waren sie bei allem Einsatz überfordert wie 2007, als es vor der Rekordkulisse von 11.386 Zuschauern ein 0:5 gegen den HSV setzte. Viel besser lief es in der Spielzeit 2011/2012, als die viertklassigen Kieler zunächst zwei Zweitligisten rauswarfen - Energie Cottbus (3:0) und den MSV Duisburg (2:0) - und dann mit Mainz 05 (2:0) zum dritten Mal einen Bundesligisten. Trainer des FSV war im Dezember 2011 ein gewisser Thomas Tuchel. Fiete Sykora, dessen Tore wesentlich zum Durchmarsch ins Viertelfinale beitrugen, erklärte vor dem in der ARD und auf Sky übertragenen Kracher gegen Meister Borussia Dortmund: "Seit unseren Pokalerfolgen werden wir gelegentlich in der Stadt erkannt. Die Kieler merken jetzt, dass hier auch Fußball gespielt wird." Wenn auch nicht so gut wie Handball.

Borussia Dortmund kam jedenfalls auf gefrorenem Boden zu einem ungefährdeten 4:0, den Torreigen eröffnete damals Robert Lewandowski, der heute nach neun Jahren in anderen Farben nach Kiel zurückkehrt. Ebenso wie Eric-Maxim Choupo-Moting, der 2007 mit dem HSV gewonnen und 2011 mit Mainz in Kiel verloren hatte. In Erinnerung blieb vom 0:4 gegen Dortmund ein schlecht gelaunter Gästetrainer Jürgen Klopp, der sich vergeblich für eine Spielabsage stark gemacht hatte, aber "durch die TV-Präsenz hatte der Schiedsrichter keine Handhabe, hier nicht anzupfeifen. Ich sage aber: Eine Rasenheizung gehört dazu." Holstein nahm die Schelte und die Packung hin, tröstete sich mit Pokalsaisoneinnahmen in Höhe von 2,2 Millionen Euro – den höchsten seit Bestehen des DFB-Pokals.

Achtungserfolge gab es weiterhin: im August 2015 noch als Drittligist ein 1:2 gegen den VfB Stuttgart, im Oktober 2017 als Zweitligist ein 2:3 nach Verlängerung in Mainz und ein Jahr später den vierten Streich gegen einen Bundesligisten. Der SC Freiburg ging zwar schon nach 42 Sekunden durch einen Petersen-Kopfball in Führung, doch Holstein hielt dagegen. Janni Serra (26.), ebenfalls per Kopf, und David Kinsombi (80.), mit links, schossen Holstein ins Achtelfinale, in dem der FC Augsburg (0:1) zum Stolperstein wurde. Dass das Achtelfinale nicht immer die Letzte sein muss, haben die Kieler aber zur Genüge bewiesen – das sollten sich auch die Bayern zu Herzen nehmen.

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