Ralf Kellermann: "Das Konzept hat zu 100 Prozent funktioniert"

Der VfL Wolfsburg hat eine sportlich überragende Saison in der FLYERALARM Frauen-Bundesliga hingelegt und geht als erster ungeschlagener Meister in die Geschichte des deutschen Frauenfußballs ein. Im DFB.de-Interview blickt Ralf Kellermann, Sportlicher Leiter des VfL, auf die enormen Herausforderungen der Corona-Krise zurück, bewertet das Hygienekonzept von DFB, DFL und den Vereinen und ordnet die Bedeutung des deutschen Frauenfußballs im europäischen Vergleich ein.

DFB.de: Herr Kellermann, hinter Ihnen liegt ein außergewöhnliches Jahr, sportlich sind Sie ungeschlagen geblieben, gleichzeitig hat die Corona-Krise für viele zusätzliche Herausforderungen gesorgt. Wie lautet Ihr Fazit zur Saison 2019/2020?

Ralf Kellermann: Sportlich war es die beste Bundesligasaison, die wir je hatten. Die Meisterschaft mit nur zwei Unentschieden und dem Punkterekord von 62 Punkten war herausragend. Natürlich lässt sich Corona nicht wegschieben. Auch das war außergewöhnlich. Es gab Momente und Situationen, in denen wir nicht mehr damit gerechnet haben, die Saison noch zu Ende spielen zu können. Gerade zwischen Mitte März und Mitte April, als die Krise ihren Höhepunkt erreichte. Von daher sind wir überglücklich. Das waren wir aber auch schon mit dem Restart der FLYERALARM Frauen-Bundesliga kurz vor Pfingsten. Mein Fazit ist daher absolut positiv. Jeder Titel ist besonders, aber wenn man in fünf oder zehn Jahren zurückblickt, sticht dieser womöglich heraus, weil er unter so außergewöhnlichen Bedingungen erspielt wurde.

DFB.de: DFB und DFL haben in der Corona-Pause zusammen mit den Vereinen ein Hygienekonzept erstellt. Wie zufrieden sind Sie aus Vereinssicht mit diesem Konzept?

Kellermann: Wir sind zu 100 Prozent zufrieden. Wir sind sehr glücklich darüber, dass wir zum erlesenen Kreis des Profisports gehören und so überhaupt die Möglichkeit haben, dieses Konzept umzusetzen. Ich mache keinen Hehl daraus, dass wir mitunter an Grenzen gestoßen sind. Weniger, was die Umsetzbarkeit angeht, sondern mental. Anfangs durften wir viel mehr als die Bevölkerung, sei es Kleingruppen- oder Mannschaftstraining, obwohl es Versammlungsverbote und Kontaktbeschränkungen gab. Zum Schluss war es so, dass die Spielerinnen, das Trainerteam und der Staff auf so vieles zurecht verzichten mussten, etwa einen Cafébesuch oder das gemeinsame Essen nach dem Training. Wir hatten da eine riesige Verantwortung, und das Konzept war sehr sinnvoll. 

DFB.de: Wie hat das Konzept ligaweit funktioniert?

Kellermann: Das Konzept hat zu 100 Prozent funktioniert. Gewöhnen will man sich daran aber nicht. Es ist eine ganz spezielle Situation für die Spielerinnen, im leeren Stadion zu spielen und aufgrund der Hygienemaßnahmen auch privat auf Dinge zu verzichten. Aber es ist ganz klar, es ging nicht anders. Daher gilt mein allergrößter Respekt allen Beteiligten und wie sie die gesamte Situation umgesetzt haben. Das war beeindruckend.

DFB.de: Was sagt das über die Liga aus, dass das Konzept von allen Spielerinnen, Trainern, Betreuern und Vereinen so umgesetzt wurde?

Kellermann: Ich habe von Anfang befürwortet, mit diesem Konzept weiterzuspielen. Im Nachhinein hat sich gezeigt, dass jeder Verein, egal über welche wirtschaftlichen und infrastrukturellen Möglichkeiten er verfügt, alles gegeben hat, um dieses Konzept umzusetzen. Für mich hat die FLYERALARM Frauen-Bundesliga in den letzten drei Monaten einen großen Schritt nach vorne gemacht. Das gilt für die Wahrnehmung nach außen und sollte uns Selbstvertrauen geben. Es wurde viel über Spanien, Frankreich und England gesprochen. Man hatte das Gefühl, in Deutschland eventuell den Anschluss verpasst zu haben, weil die großen Klubs im Ausland Vollgas geben. Die letzten Monate mit uns als einziger Topliga, die weitegespielt hat, sollten uns für die kommenden Jahre Auftrieb geben.

DFB.de: Sie sprechen die Wahrnehmung nach außen an. Ist die FLYERALARM Frauen-Bundesliga ein Stück weit Vorbild für den Frauenfußball weltweit?

Kellermann: Absolut. Wir haben hier in Wolfsburg ja eine sehr internationale Truppe, deshalb weiß ich: Alle haben mit großem Respekt nach Deutschland geblickt. Wir bekommen eine Menge positiven Zuspruch. Die internationale Vermarktung der Spiele hat gezeigt, dass die Frauenfußballfans in ganz Europa Lust haben, Frauenfußball zu sehen. Das bringt uns einen Schritt nach vorne.

DFB.de: Das Coronavirus wird noch eine Zeit lang aktuell sein, jeder musste nach neuen Wegen suchen. Können Sie so kurz nach Ende der Saison schon Lehren für das weitere Vorgehen ziehen?

Kellermann: Meine ganz persönliche Sache, die ich mitnehme, da kann ich für den VfL Wolfsburg und die Stadt Wolfsburg sprechen, dass hier alle an einem Strang gezogen haben. Angefangen bei Volkswagen, über die Geschäftsführung und alle Mitarbeiter unseres Vereins, die uns stets dabei unterstützt haben, weiterspielen zu können, bis hin zur Stadt und zum Gesundheitsamt. Vom ersten Tag, an dem die Männermannschaft mit dem Kleingruppentraining beginnen durfte, hatten auch wir die Genehmigung. Mir hat das gezeigt, dass man sich in Krisenzeiten und auch schon vorher zu 100 Prozent auf die Leute in Wolfsburg verlassen kann. Für mich war es ganz wichtig, das zu sehen. Ich denke, viele meiner Kolleginnen und Kollegen können da für ihre Vereine ganz ähnlich sprechen. 

DFB.de: Wie sollte es in Zukunft weitergehen?

Kellermann: Ich glaube, beim Männer- wie Frauenfußball warten alle auf das angepasste Hygienekonzept. Wir wissen noch nicht, ob wir in der Vorbereitung Testspiele machen dürfen, wie es mit Reisen aussieht, welche Auflagen wir zu erfüllen haben. Wenn wir das vorliegen haben, werden wir die Situation neu bewerten und hoffen alle, dass wenn die Liga im September voraussichtlich wieder startet, vielleicht schon die Möglichkeit haben, wieder Zuschauer im Stadion begrüßen zu dürfen. Stand heute wissen wir das leider nicht, aber ich bin mir sicher, dass bereits intensiv daran gearbeitet wird. 

DFB.de: Wie beurteilen Sie die Zusammenarbeit zwischen den Vereinen und dem DFB in dieser Saison?

Kellermann: Wer mich kennt, weiß, dass ich nicht immer komplett konform war mit dem, was der DFB gemacht hat. Ich bin manchmal ein bisschen zu ungeduldig, habe schon sehr früh strengere Zulassungskriterien wie Flutlicht oder eine Rasenheizung eingefordert. Da bin ich das ein oder andere Mal angeeckt. Seit Beginn der Corona-Krise haben wir uns vom DFB aber zu 100 Prozent abgeholt gefühlt. Wir waren immer auf dem Laufenden und hatten immer ein gutes Gefühl. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beim DFB haben eine Menge geleistet, viel Herzblut investiert, dass wir die Situation so haben, wie sie jetzt ist. Es hat sich gezeigt, dass wir einen starken Verband haben, der für uns gekämpft hat. An dieser Stelle möchte ich mich aber auch noch bei der DFL bedanken: Ohne die Finanzspritze der vier Champions-League-Teilnehmer wäre eine Fortsetzung der FLYERALARM Frauen-Bundesliga nicht möglich gewesen.

[dh]

Der VfL Wolfsburg hat eine sportlich überragende Saison in der FLYERALARM Frauen-Bundesliga hingelegt und geht als erster ungeschlagener Meister in die Geschichte des deutschen Frauenfußballs ein. Im DFB.de-Interview blickt Ralf Kellermann, Sportlicher Leiter des VfL, auf die enormen Herausforderungen der Corona-Krise zurück, bewertet das Hygienekonzept von DFB, DFL und den Vereinen und ordnet die Bedeutung des deutschen Frauenfußballs im europäischen Vergleich ein.

DFB.de: Herr Kellermann, hinter Ihnen liegt ein außergewöhnliches Jahr, sportlich sind Sie ungeschlagen geblieben, gleichzeitig hat die Corona-Krise für viele zusätzliche Herausforderungen gesorgt. Wie lautet Ihr Fazit zur Saison 2019/2020?

Ralf Kellermann: Sportlich war es die beste Bundesligasaison, die wir je hatten. Die Meisterschaft mit nur zwei Unentschieden und dem Punkterekord von 62 Punkten war herausragend. Natürlich lässt sich Corona nicht wegschieben. Auch das war außergewöhnlich. Es gab Momente und Situationen, in denen wir nicht mehr damit gerechnet haben, die Saison noch zu Ende spielen zu können. Gerade zwischen Mitte März und Mitte April, als die Krise ihren Höhepunkt erreichte. Von daher sind wir überglücklich. Das waren wir aber auch schon mit dem Restart der FLYERALARM Frauen-Bundesliga kurz vor Pfingsten. Mein Fazit ist daher absolut positiv. Jeder Titel ist besonders, aber wenn man in fünf oder zehn Jahren zurückblickt, sticht dieser womöglich heraus, weil er unter so außergewöhnlichen Bedingungen erspielt wurde.

DFB.de: DFB und DFL haben in der Corona-Pause zusammen mit den Vereinen ein Hygienekonzept erstellt. Wie zufrieden sind Sie aus Vereinssicht mit diesem Konzept?

Kellermann: Wir sind zu 100 Prozent zufrieden. Wir sind sehr glücklich darüber, dass wir zum erlesenen Kreis des Profisports gehören und so überhaupt die Möglichkeit haben, dieses Konzept umzusetzen. Ich mache keinen Hehl daraus, dass wir mitunter an Grenzen gestoßen sind. Weniger, was die Umsetzbarkeit angeht, sondern mental. Anfangs durften wir viel mehr als die Bevölkerung, sei es Kleingruppen- oder Mannschaftstraining, obwohl es Versammlungsverbote und Kontaktbeschränkungen gab. Zum Schluss war es so, dass die Spielerinnen, das Trainerteam und der Staff auf so vieles zurecht verzichten mussten, etwa einen Cafébesuch oder das gemeinsame Essen nach dem Training. Wir hatten da eine riesige Verantwortung, und das Konzept war sehr sinnvoll. 

DFB.de: Wie hat das Konzept ligaweit funktioniert?

Kellermann: Das Konzept hat zu 100 Prozent funktioniert. Gewöhnen will man sich daran aber nicht. Es ist eine ganz spezielle Situation für die Spielerinnen, im leeren Stadion zu spielen und aufgrund der Hygienemaßnahmen auch privat auf Dinge zu verzichten. Aber es ist ganz klar, es ging nicht anders. Daher gilt mein allergrößter Respekt allen Beteiligten und wie sie die gesamte Situation umgesetzt haben. Das war beeindruckend.

DFB.de: Was sagt das über die Liga aus, dass das Konzept von allen Spielerinnen, Trainern, Betreuern und Vereinen so umgesetzt wurde?

Kellermann: Ich habe von Anfang befürwortet, mit diesem Konzept weiterzuspielen. Im Nachhinein hat sich gezeigt, dass jeder Verein, egal über welche wirtschaftlichen und infrastrukturellen Möglichkeiten er verfügt, alles gegeben hat, um dieses Konzept umzusetzen. Für mich hat die FLYERALARM Frauen-Bundesliga in den letzten drei Monaten einen großen Schritt nach vorne gemacht. Das gilt für die Wahrnehmung nach außen und sollte uns Selbstvertrauen geben. Es wurde viel über Spanien, Frankreich und England gesprochen. Man hatte das Gefühl, in Deutschland eventuell den Anschluss verpasst zu haben, weil die großen Klubs im Ausland Vollgas geben. Die letzten Monate mit uns als einziger Topliga, die weitegespielt hat, sollten uns für die kommenden Jahre Auftrieb geben.

DFB.de: Sie sprechen die Wahrnehmung nach außen an. Ist die FLYERALARM Frauen-Bundesliga ein Stück weit Vorbild für den Frauenfußball weltweit?

Kellermann: Absolut. Wir haben hier in Wolfsburg ja eine sehr internationale Truppe, deshalb weiß ich: Alle haben mit großem Respekt nach Deutschland geblickt. Wir bekommen eine Menge positiven Zuspruch. Die internationale Vermarktung der Spiele hat gezeigt, dass die Frauenfußballfans in ganz Europa Lust haben, Frauenfußball zu sehen. Das bringt uns einen Schritt nach vorne.

DFB.de: Das Coronavirus wird noch eine Zeit lang aktuell sein, jeder musste nach neuen Wegen suchen. Können Sie so kurz nach Ende der Saison schon Lehren für das weitere Vorgehen ziehen?

Kellermann: Meine ganz persönliche Sache, die ich mitnehme, da kann ich für den VfL Wolfsburg und die Stadt Wolfsburg sprechen, dass hier alle an einem Strang gezogen haben. Angefangen bei Volkswagen, über die Geschäftsführung und alle Mitarbeiter unseres Vereins, die uns stets dabei unterstützt haben, weiterspielen zu können, bis hin zur Stadt und zum Gesundheitsamt. Vom ersten Tag, an dem die Männermannschaft mit dem Kleingruppentraining beginnen durfte, hatten auch wir die Genehmigung. Mir hat das gezeigt, dass man sich in Krisenzeiten und auch schon vorher zu 100 Prozent auf die Leute in Wolfsburg verlassen kann. Für mich war es ganz wichtig, das zu sehen. Ich denke, viele meiner Kolleginnen und Kollegen können da für ihre Vereine ganz ähnlich sprechen. 

DFB.de: Wie sollte es in Zukunft weitergehen?

Kellermann: Ich glaube, beim Männer- wie Frauenfußball warten alle auf das angepasste Hygienekonzept. Wir wissen noch nicht, ob wir in der Vorbereitung Testspiele machen dürfen, wie es mit Reisen aussieht, welche Auflagen wir zu erfüllen haben. Wenn wir das vorliegen haben, werden wir die Situation neu bewerten und hoffen alle, dass wenn die Liga im September voraussichtlich wieder startet, vielleicht schon die Möglichkeit haben, wieder Zuschauer im Stadion begrüßen zu dürfen. Stand heute wissen wir das leider nicht, aber ich bin mir sicher, dass bereits intensiv daran gearbeitet wird. 

DFB.de: Wie beurteilen Sie die Zusammenarbeit zwischen den Vereinen und dem DFB in dieser Saison?

Kellermann: Wer mich kennt, weiß, dass ich nicht immer komplett konform war mit dem, was der DFB gemacht hat. Ich bin manchmal ein bisschen zu ungeduldig, habe schon sehr früh strengere Zulassungskriterien wie Flutlicht oder eine Rasenheizung eingefordert. Da bin ich das ein oder andere Mal angeeckt. Seit Beginn der Corona-Krise haben wir uns vom DFB aber zu 100 Prozent abgeholt gefühlt. Wir waren immer auf dem Laufenden und hatten immer ein gutes Gefühl. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beim DFB haben eine Menge geleistet, viel Herzblut investiert, dass wir die Situation so haben, wie sie jetzt ist. Es hat sich gezeigt, dass wir einen starken Verband haben, der für uns gekämpft hat. An dieser Stelle möchte ich mich aber auch noch bei der DFL bedanken: Ohne die Finanzspritze der vier Champions-League-Teilnehmer wäre eine Fortsetzung der FLYERALARM Frauen-Bundesliga nicht möglich gewesen.

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