Keller: "Wir müssen und werden weiter unsere Stimme erheben"

Die deutsche Nationalmannschaft hat sich vor dem 3:0 gegen Island zum Auftakt der WM-Qualifikation mit dem Schriftzug "Human Rights" auf ihren Trikots für den Schutz von Menschenrechten starkgemacht. Im DFB.de-Interview bewertet DFB-Präsident Fritz Keller die Aktion der Spieler und öffentlich kursierende Boykottforderungen vor der WM 2022 in Katar.

DFB.de: Herr Keller, die deutsche Nationalmannschaft hat mit Beginn der Qualifikation zur Weltmeisterschaft in Katar ein starkes Zeichen für Menschenrechte gesetzt. Kann sich der gesamte DFB hinter dieser Aktion versammeln? 

Fritz Keller: Absolut. Selbstverständlich steht der gesamte Deutsche Fußball-Bund für die Achtung von Menschenrechten ein, deshalb ist das Menschenrechtsbekenntnis auf dem DFB-Bundestag 2019 auch in die Satzung des DFB aufgenommen worden. Für unsere Werte, die in unserer Satzung verankert sind, müssen wir jederzeit eintreten und unsere Stimme erheben. Sollte sich jemand hinter einem Statement für Menschenrechte nicht versammeln können, muss er dringend seinen inneren Kompass neu ausrichten.

DFB.de: Was war die Motivation hinter der Aktion?

Keller: Jeder Spieler träumt doch seit klein auf davon, bei einer Weltmeisterschaft für sein Heimatland spielen zu dürfen. Von unseren Millionen Fußballern in Deutschland: Wer bekommt schon diese einzigartige Chance? Diese wollen sie nutzen und sich mit den Besten der Welt messen. Sie wollen zur WM und dort für Deutschland spielen. Gleichzeitig wissen sie natürlich, womit man nicht spielt: mit Menschenrechten. Die sind nicht verhandelbar und universell gültig. Überall auf der Welt. Darauf haben die Nationalspieler die Aufmerksamkeit gelenkt.

DFB.de: Die Idee wurde aus der Mannschaft heraus gemeinsam mit dem DFB entwickelt und umgesetzt. Macht Sie das stolz?

Keller: Sehr stolz! Ich war begeistert, als ich das Ergebnis gesehen habe, wie die Spieler selbst ihre Trikots bemalt haben. Wir haben schon öfter gesagt: Wir wünschen uns mündige Spieler. Ich finde es großartig, dass sie diese Aktion getragen haben, dass wir wieder Spieler haben, die sich engagieren und denen es nicht egal ist, was auf der Welt passiert. Diese Botschaft, die sie gestern ausgesandt haben, geht genau wie die der norwegischen Nationalmannschaft gerade um die Welt. 

DFB.de: Reicht dieses Statement aus mit Blick auf die WM in Katar?

Keller: Jedes einzelne Zeichen ist mächtig und wirksam. Aber selbstverständlich müssen und werden wir weiter unsere Stimme erheben. So wie der DFB das auch im Vorfeld und während der Weltmeisterschaft in Russland mit einem umfangreichen gesellschaftlichen Engagement getan hat. Wir spielen für Menschen und nicht für Regierungen. Die Position des DFB zur Weltmeisterschaft in Katar wird daher auch im April im Präsidium Thema sein. Ziel ist eine gemeinsame Haltung des deutschen Fußballs.

DFB.de: Die FIFA hat bereits erklärt, keine Ermittlungen gegen den DFB wegen einer politischen Botschaft im Stadion aufzunehmen.

Keller: Botschaften, die im Einklang mit unseren Werten stehen, die in unserer Satzung verankert sind, müssen auch im Stadion möglich sein.

DFB.de: Viele Stimmen fordern einen Boykott der WM.

Keller: Ich hätte mir gewünscht, konkrete Verbesserungen einzufordern und dann erst nach Umsetzung eine Weltmeisterschaft in ein Land wie Katar, wo sich noch so viel ändern muss, zu vergeben. Vielmehr hat Katar die WM als eine Art Vertrauensvorschuss in der Hoffnung auf Besserung erhalten. Damit müssen wir umgehen. Und in der Tat hat sich ja auch schon einiges getan - wenn auch noch längst nicht alles gut ist in Katar. Wir stehen im Austausch mit der Politik und mit Expert*innen aus Nichtregierungsorganisationen. So rät Amnesty International von einem Boykott ab und fordert vielmehr Aufdeckung, Sichtbarmachung der Missstände, den Dialog mit allen Beteiligten und das Setzen deutlicher Zeichen - so wie es die Nationalmannschaft in einem ersten Schritt gestern getan hat. Katar hat viele Reformen angestoßen, es gibt sichtbare Fortschritte, die zwar noch lange nicht ausreichen, die aber ein Boykott möglicherweise wieder zunichtemachen würde. Mit Blick auf die Zukunft begrüßen wir die Praxis der FIFA, seit November 2017 bei allen FIFA-Turnieren menschenrechtliche Mindestkriterien zugrunde zu legen und entsprechende Standards zum Beispiel im Hinblick auf Arbeitsschutz, freie Meinungsäußerung oder Inklusion von vorneherein zu gewährleisten.

DFB.de: Also bauen Sie auf Austausch statt Boykott?

Keller: Katar und die dort herrschenden Lebensbedingungen stehen nur aus einem Grund derzeit im Fokus: weil dort im kommenden Jahr die Fußball-Weltmeisterschaft stattfindet. Das ist ein mächtiger Hebel, um gemeinsam Verbesserungen zu erreichen. Untragbare Zustände in anderen Ländern finden diese öffentliche Aufmerksamkeit nicht. Ich glaube an die verbindende Kraft des Sports, der den Wandel herbeiführen kann. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat uns die Schweiz die Hand gereicht und Deutschland zurück in die Fußball-Gemeinschaft geholt. Dieses eine Fußballspiel war wirksamer als viele andere Maßnahmen, etwa aus der Politik. Der Sport hat eine enorme Kraft, gleichzeitig kann aber auch er nicht alle Missstände überwinden, an denen selbst die Politik scheitert. Er kann und muss im Rahmen von Großereignissen wie einer Weltmeisterschaft aber helfen, das Licht der Öffentlichkeit darauf zu lenken.

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Die deutsche Nationalmannschaft hat sich vor dem 3:0 gegen Island zum Auftakt der WM-Qualifikation mit dem Schriftzug "Human Rights" auf ihren Trikots für den Schutz von Menschenrechten starkgemacht. Im DFB.de-Interview bewertet DFB-Präsident Fritz Keller die Aktion der Spieler und öffentlich kursierende Boykottforderungen vor der WM 2022 in Katar.

DFB.de: Herr Keller, die deutsche Nationalmannschaft hat mit Beginn der Qualifikation zur Weltmeisterschaft in Katar ein starkes Zeichen für Menschenrechte gesetzt. Kann sich der gesamte DFB hinter dieser Aktion versammeln? 

Fritz Keller: Absolut. Selbstverständlich steht der gesamte Deutsche Fußball-Bund für die Achtung von Menschenrechten ein, deshalb ist das Menschenrechtsbekenntnis auf dem DFB-Bundestag 2019 auch in die Satzung des DFB aufgenommen worden. Für unsere Werte, die in unserer Satzung verankert sind, müssen wir jederzeit eintreten und unsere Stimme erheben. Sollte sich jemand hinter einem Statement für Menschenrechte nicht versammeln können, muss er dringend seinen inneren Kompass neu ausrichten.

DFB.de: Was war die Motivation hinter der Aktion?

Keller: Jeder Spieler träumt doch seit klein auf davon, bei einer Weltmeisterschaft für sein Heimatland spielen zu dürfen. Von unseren Millionen Fußballern in Deutschland: Wer bekommt schon diese einzigartige Chance? Diese wollen sie nutzen und sich mit den Besten der Welt messen. Sie wollen zur WM und dort für Deutschland spielen. Gleichzeitig wissen sie natürlich, womit man nicht spielt: mit Menschenrechten. Die sind nicht verhandelbar und universell gültig. Überall auf der Welt. Darauf haben die Nationalspieler die Aufmerksamkeit gelenkt.

DFB.de: Die Idee wurde aus der Mannschaft heraus gemeinsam mit dem DFB entwickelt und umgesetzt. Macht Sie das stolz?

Keller: Sehr stolz! Ich war begeistert, als ich das Ergebnis gesehen habe, wie die Spieler selbst ihre Trikots bemalt haben. Wir haben schon öfter gesagt: Wir wünschen uns mündige Spieler. Ich finde es großartig, dass sie diese Aktion getragen haben, dass wir wieder Spieler haben, die sich engagieren und denen es nicht egal ist, was auf der Welt passiert. Diese Botschaft, die sie gestern ausgesandt haben, geht genau wie die der norwegischen Nationalmannschaft gerade um die Welt. 

DFB.de: Reicht dieses Statement aus mit Blick auf die WM in Katar?

Keller: Jedes einzelne Zeichen ist mächtig und wirksam. Aber selbstverständlich müssen und werden wir weiter unsere Stimme erheben. So wie der DFB das auch im Vorfeld und während der Weltmeisterschaft in Russland mit einem umfangreichen gesellschaftlichen Engagement getan hat. Wir spielen für Menschen und nicht für Regierungen. Die Position des DFB zur Weltmeisterschaft in Katar wird daher auch im April im Präsidium Thema sein. Ziel ist eine gemeinsame Haltung des deutschen Fußballs.

DFB.de: Die FIFA hat bereits erklärt, keine Ermittlungen gegen den DFB wegen einer politischen Botschaft im Stadion aufzunehmen.

Keller: Botschaften, die im Einklang mit unseren Werten stehen, die in unserer Satzung verankert sind, müssen auch im Stadion möglich sein.

DFB.de: Viele Stimmen fordern einen Boykott der WM.

Keller: Ich hätte mir gewünscht, konkrete Verbesserungen einzufordern und dann erst nach Umsetzung eine Weltmeisterschaft in ein Land wie Katar, wo sich noch so viel ändern muss, zu vergeben. Vielmehr hat Katar die WM als eine Art Vertrauensvorschuss in der Hoffnung auf Besserung erhalten. Damit müssen wir umgehen. Und in der Tat hat sich ja auch schon einiges getan - wenn auch noch längst nicht alles gut ist in Katar. Wir stehen im Austausch mit der Politik und mit Expert*innen aus Nichtregierungsorganisationen. So rät Amnesty International von einem Boykott ab und fordert vielmehr Aufdeckung, Sichtbarmachung der Missstände, den Dialog mit allen Beteiligten und das Setzen deutlicher Zeichen - so wie es die Nationalmannschaft in einem ersten Schritt gestern getan hat. Katar hat viele Reformen angestoßen, es gibt sichtbare Fortschritte, die zwar noch lange nicht ausreichen, die aber ein Boykott möglicherweise wieder zunichtemachen würde. Mit Blick auf die Zukunft begrüßen wir die Praxis der FIFA, seit November 2017 bei allen FIFA-Turnieren menschenrechtliche Mindestkriterien zugrunde zu legen und entsprechende Standards zum Beispiel im Hinblick auf Arbeitsschutz, freie Meinungsäußerung oder Inklusion von vorneherein zu gewährleisten.

DFB.de: Also bauen Sie auf Austausch statt Boykott?

Keller: Katar und die dort herrschenden Lebensbedingungen stehen nur aus einem Grund derzeit im Fokus: weil dort im kommenden Jahr die Fußball-Weltmeisterschaft stattfindet. Das ist ein mächtiger Hebel, um gemeinsam Verbesserungen zu erreichen. Untragbare Zustände in anderen Ländern finden diese öffentliche Aufmerksamkeit nicht. Ich glaube an die verbindende Kraft des Sports, der den Wandel herbeiführen kann. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat uns die Schweiz die Hand gereicht und Deutschland zurück in die Fußball-Gemeinschaft geholt. Dieses eine Fußballspiel war wirksamer als viele andere Maßnahmen, etwa aus der Politik. Der Sport hat eine enorme Kraft, gleichzeitig kann aber auch er nicht alle Missstände überwinden, an denen selbst die Politik scheitert. Er kann und muss im Rahmen von Großereignissen wie einer Weltmeisterschaft aber helfen, das Licht der Öffentlichkeit darauf zu lenken.

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