Keller an Fans: "Zusammenhalt war noch nie so wichtig"

Heute Abend hätte die deutschen Nationalmannschaft im Länderspiel in Nürnberg auf Italien treffen sollen. Das Duell der beiden viermaligen Weltmeistern wurde vor zwei Wochen wegen der Corona-Pandemie jedoch abgesagt. Nun richtet DFB-Präsident Fritz Keller einen offenen Brief an die Fans der Nationalmannschaft. DFB.de dokumentiert den Brief in voller Länge.

Liebe Fans unserer deutschen Nationalmannschaft,

wir hatten uns sehr auf einen stimmungsvollen Abend mit euch gefreut. Spieler, Trainer, jede einzelne Zuschauerin und jeder Zuschauer - egal, ob im Stadion oder zuhause vor dem Fernseher. Im Flutlicht vor ausverkauftem Haus gegen eine große Fußballnation, mit der uns eine lange, von gegenseitigem Respekt geprägte und sportlich-faire Rivalität verbindet. 

Der Fußball ist im Moment sowohl Sehnsucht als auch schöne Erinnerung. Eine, die uns in alten Bildern im Fernsehen begegnet und von unbeschwerten Tagen zeugt. In dieser Erinnerung sehen wir Fans auf den Rängen, dicht an dicht, wir sehen Emotionen, die ausgelebt werden können, Anhänger, die mit ihren Spielern gemeinsam jubeln und gemeinsam leiden. 

Auch jetzt müssen wir zusammenstehen. Vielleicht war dies noch nie so wichtig wie in diesen schweren Tagen und Wochen. Denn wir stehen nicht mehr im sportlichen Wettstreit mit einem Gegner auf dem Fußballplatz, sondern kämpfen gegen ein Virus, nicht nur hierzulande, sondern überall auf der Welt. Wir zittern nicht mehr mit unserer Mannschaft um Tore, um Sieg oder Niederlage, sondern wir bangen um die Gesundheit unserer Familien, unserer Freunde, Nachbarn, Arbeitskolleginnen und -kollegen, Mitmenschen. 

Das Spiel in Nürnberg wurde abgesagt. Völlig zurecht. Der gesamte Fußball ist zur Ruhe gekommen. Trotzdem sind wir nicht nur in den 90 Minuten, die wir heute Abend gemeinsam verbringen wollten, in Gedanken bei unseren italienischen Freunden. Die Nachrichten, die uns von dort erreichen, sind erschütternd. Wir haben mit den Italienern nicht nur viele Höhepunkte und denkwürdige Partien der Fußballgeschichte geteilt, wir teilen nun auch das Leid und die Trauer um die Kranken und Toten. Ihre Verluste schmerzen auch uns. Gleiches gilt für unsere Freunde aus Spanien. Die Fußballhochburg Madrid, in der sich am vergangenen Donnerstag unsere Nationalmannschaften gegenübergestanden hätten, ist zu einem Epizentrum der Pandemie geworden. 

Der Fußball ist neben Erinnerung aber auch Hoffnung. Denn er lehrt uns, nie aufzugeben. Wir werden diese schwere Krise gemeinsam überstehen - Schritt für Schritt. Der Ball wird wieder rollen, davon bin ich fest überzeugt. In einem ersten Schritt, irgendwann, wenn das Schlimmste hinter uns liegt und erste Lockerungen möglich sein werden, vielleicht zunächst noch ohne Zuschauerinnen und Zuschauer in den Stadien. Aber er wird uns so ein Stück Normalität zurückbringen, die es derzeit nicht gibt. Er wird wieder Lebensfreude und Zuversicht in die Häuser und Wohnungen ausstrahlen. Denn Fußball ist vor allem im Kern immer noch eins: ein faszinierendes Spiel, das die Menschen verbindet. Auf der ganzen Welt. Unabhängig von Hautfarbe, sozialer und kultureller Herkunft, Glaube, politischer und sexueller Orientierung, Alter, Geschlecht. 

Und dann werden hoffentlich möglichst bald auch die Fans zurückkehren und den Fußball vervollständigen. Denn wir wissen: Ohne sie fehlt dem Fußball das Herz. Es beeindruckt mich sehr, wie viele Fangruppen in Deutschland, Italien, Spanien und ganz Europa derzeit nicht nur ihren Vereinen, sondern auch den besonders Gefährdeten unserer Gesellschaft beistehen und mit eigenen Initiativen gegen die Auswirkungen der Pandemie ankämpfen. Auch darin zeigt sich, wie viel konstruktives und kreatives Potenzial in den Kurven besteht. Potenzial, das wir bewahren und stärken müssen. 

Nichts an dieser Krise ist gut. Aber wir haben die Verpflichtung, den Stillstand als Chance zu nutzen, um das Spannungsverhältnis zwischen Fans, Verbänden und Vereinen zu verbessern. Hierzu müssen wir im Dialog abgleichen, wo wir gemeinsame Nenner haben, wo Differenzen liegen und wie wir diese überbrücken können. Denn ich bin überzeugt, dass uns ein gemeinsames Ziel eint: Wir wollen einen Fußball für alle, emotional und stimmungsvoll. Viele Fans und Fanorganisationen haben über Jahre in Deutschland und Europa für Stehplätze gekämpft. Auch für mich gehören sie zum Fußball - auch bei Länderspielen, wie wir es für diesen Fußballklassiker gegen Italien zum ersten Mal seit mehr als 20 Jahren geplant hatten. Dafür werde ich mich weiter bei der UEFA einsetzen. 

Wenn wir diese Herausforderung hoffentlich so schnell wie möglich gemeinsam bewältigt haben, sehen wir uns im Stadion. Und feiern nicht nur wieder die schönste Nebensache der Welt, den Fußball, sondern zugleich auch die Hauptsache: das Leben.

Bitte bleibt gesund! Wir freuen uns auf die nächsten Länderspiele und die Zukunft mit euch.

Euer Fritz Keller

[dfb]

Heute Abend hätte die deutschen Nationalmannschaft im Länderspiel in Nürnberg auf Italien treffen sollen. Das Duell der beiden viermaligen Weltmeistern wurde vor zwei Wochen wegen der Corona-Pandemie jedoch abgesagt. Nun richtet DFB-Präsident Fritz Keller einen offenen Brief an die Fans der Nationalmannschaft. DFB.de dokumentiert den Brief in voller Länge.

Liebe Fans unserer deutschen Nationalmannschaft,

wir hatten uns sehr auf einen stimmungsvollen Abend mit euch gefreut. Spieler, Trainer, jede einzelne Zuschauerin und jeder Zuschauer - egal, ob im Stadion oder zuhause vor dem Fernseher. Im Flutlicht vor ausverkauftem Haus gegen eine große Fußballnation, mit der uns eine lange, von gegenseitigem Respekt geprägte und sportlich-faire Rivalität verbindet. 

Der Fußball ist im Moment sowohl Sehnsucht als auch schöne Erinnerung. Eine, die uns in alten Bildern im Fernsehen begegnet und von unbeschwerten Tagen zeugt. In dieser Erinnerung sehen wir Fans auf den Rängen, dicht an dicht, wir sehen Emotionen, die ausgelebt werden können, Anhänger, die mit ihren Spielern gemeinsam jubeln und gemeinsam leiden. 

Auch jetzt müssen wir zusammenstehen. Vielleicht war dies noch nie so wichtig wie in diesen schweren Tagen und Wochen. Denn wir stehen nicht mehr im sportlichen Wettstreit mit einem Gegner auf dem Fußballplatz, sondern kämpfen gegen ein Virus, nicht nur hierzulande, sondern überall auf der Welt. Wir zittern nicht mehr mit unserer Mannschaft um Tore, um Sieg oder Niederlage, sondern wir bangen um die Gesundheit unserer Familien, unserer Freunde, Nachbarn, Arbeitskolleginnen und -kollegen, Mitmenschen. 

Das Spiel in Nürnberg wurde abgesagt. Völlig zurecht. Der gesamte Fußball ist zur Ruhe gekommen. Trotzdem sind wir nicht nur in den 90 Minuten, die wir heute Abend gemeinsam verbringen wollten, in Gedanken bei unseren italienischen Freunden. Die Nachrichten, die uns von dort erreichen, sind erschütternd. Wir haben mit den Italienern nicht nur viele Höhepunkte und denkwürdige Partien der Fußballgeschichte geteilt, wir teilen nun auch das Leid und die Trauer um die Kranken und Toten. Ihre Verluste schmerzen auch uns. Gleiches gilt für unsere Freunde aus Spanien. Die Fußballhochburg Madrid, in der sich am vergangenen Donnerstag unsere Nationalmannschaften gegenübergestanden hätten, ist zu einem Epizentrum der Pandemie geworden. 

Der Fußball ist neben Erinnerung aber auch Hoffnung. Denn er lehrt uns, nie aufzugeben. Wir werden diese schwere Krise gemeinsam überstehen - Schritt für Schritt. Der Ball wird wieder rollen, davon bin ich fest überzeugt. In einem ersten Schritt, irgendwann, wenn das Schlimmste hinter uns liegt und erste Lockerungen möglich sein werden, vielleicht zunächst noch ohne Zuschauerinnen und Zuschauer in den Stadien. Aber er wird uns so ein Stück Normalität zurückbringen, die es derzeit nicht gibt. Er wird wieder Lebensfreude und Zuversicht in die Häuser und Wohnungen ausstrahlen. Denn Fußball ist vor allem im Kern immer noch eins: ein faszinierendes Spiel, das die Menschen verbindet. Auf der ganzen Welt. Unabhängig von Hautfarbe, sozialer und kultureller Herkunft, Glaube, politischer und sexueller Orientierung, Alter, Geschlecht. 

Und dann werden hoffentlich möglichst bald auch die Fans zurückkehren und den Fußball vervollständigen. Denn wir wissen: Ohne sie fehlt dem Fußball das Herz. Es beeindruckt mich sehr, wie viele Fangruppen in Deutschland, Italien, Spanien und ganz Europa derzeit nicht nur ihren Vereinen, sondern auch den besonders Gefährdeten unserer Gesellschaft beistehen und mit eigenen Initiativen gegen die Auswirkungen der Pandemie ankämpfen. Auch darin zeigt sich, wie viel konstruktives und kreatives Potenzial in den Kurven besteht. Potenzial, das wir bewahren und stärken müssen. 

Nichts an dieser Krise ist gut. Aber wir haben die Verpflichtung, den Stillstand als Chance zu nutzen, um das Spannungsverhältnis zwischen Fans, Verbänden und Vereinen zu verbessern. Hierzu müssen wir im Dialog abgleichen, wo wir gemeinsame Nenner haben, wo Differenzen liegen und wie wir diese überbrücken können. Denn ich bin überzeugt, dass uns ein gemeinsames Ziel eint: Wir wollen einen Fußball für alle, emotional und stimmungsvoll. Viele Fans und Fanorganisationen haben über Jahre in Deutschland und Europa für Stehplätze gekämpft. Auch für mich gehören sie zum Fußball - auch bei Länderspielen, wie wir es für diesen Fußballklassiker gegen Italien zum ersten Mal seit mehr als 20 Jahren geplant hatten. Dafür werde ich mich weiter bei der UEFA einsetzen. 

Wenn wir diese Herausforderung hoffentlich so schnell wie möglich gemeinsam bewältigt haben, sehen wir uns im Stadion. Und feiern nicht nur wieder die schönste Nebensache der Welt, den Fußball, sondern zugleich auch die Hauptsache: das Leben.

Bitte bleibt gesund! Wir freuen uns auf die nächsten Länderspiele und die Zukunft mit euch.

Euer Fritz Keller

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