Karriere voller Höhen und Tiefen: Andreas Köpke wird 60

Für einen Torwart war er recht klein, 182 Zentimeter sind in der Gilde der Ballfänger eher unterdurchschnittlich. Das hat Andreas Köpke, der heute 60 Jahre jung wird, nicht daran gehindert, ein Großer zu werden. Weltmeister darf er sich nennen, Europameister sowieso, Fußballer des Jahres ist er geworden und auf dem Gipfel seiner Fußballertage war er sogar Welttorhüter. Der Mann, den alle "Andy" nennen, hat sich stets durch Ruhe und Sachlichkeit ausgezeichnet, da ist er ganz Nordlicht. Am 12. März 1962 in Kiel geboren, beginnt seine Karriere als Rechtsaußen der E-Jugend des KSV Holstein.

Schon bald wird er Torhüter und debütiert im Mai 1980 in der 2. Liga Nord. 1981 hat er seine erste Schlagzeile im kicker: "Mutiger Koepke (19)" steht nach einem Pokalspiel orthographisch nicht ganz korrekt in der Überschrift. Da schlummert offenbar ein Talent im hohen Norden, das sich durch seine Sprungkraft und Nervenstärke auszeichnet. Aber das leider auch das Talent hat, das sportliche Unglück anzuziehen. Köpke spricht heute selbst von "einer kuriosen Karriere". Einen Mannschaftstitel hat er mit seinen Vereinen nie gewonnen und am Beginn steht eine Abfolge von Abstiegen: 1981 mit Kiel, 1984 mit dem SC Charlottenburg und 1986 mit Hertha BSC, jeweils aus der 2. Liga. Für die ist er indes längst zu gut und so verpflichtet ihn für 125.000 DM der 1. FC Nürnberg, wo der gelernte KfZ-Mechaniker den Großteil seiner Karriere verbringt.

In Nürnberg spielt Köpke, in zwei Etappen, zehneinhalb Jahre, hier lebt er noch heute mit seiner zweiten Frau Brigitte und den Töchtern. Und hier wird er als erst vierter deutscher Torwart Fußballer des Jahres (1993). "Dass man mich tatsächlich zum Fußballer des Jahres küren würde, daran hätte ich im Traum nicht gedacht", gesteht Köpke anlässlich der Preisverleihung im "Aktuellen Sportstudio" des ZDF. Er ist schon 31, als er seinen ersten Titel gewinnt. Der kicker schreibt: "Alles fällt dem zu, der warten kann. Kein Überflieger oder Senkrechtstarter – Köpke, der Inbegriff von Talent, Geduld, Fairness und Klasse." Franz Beckenbauer, der "Kaiser" höchst selbst, urteilt so: "Er hat diese Auszeichnung absolut verdient. Vor allem aber ist er mit seinem Charakter und seiner positiven Ausstrahlung ein Vorbild."

Erfolge mit leichten Makeln, drei Bundesliga-Abstiege

Trotz seines preisgekrönten Rückhalts im Kasten ereilt auch den 1. FC Nürnberg 1994 am letzten Spieltag der Abstieg, es ist Köpkes vierter. Aber er hat auch positive Akzente in dieser ersten Nürnberger Zeit gesetzt: Köpke erzielt zwei Bundesligatore per Elfmeter, hält beachtliche 14 und wird in der Frankenhochburg zum Olympia-Auswahl- und A-Nationalspieler und als zweiter Nürnberger nach Max Morlock 1954 Weltmeister. Beides indes mit Einschränkungen: 1988 verhindert ein Innenbandanriss kurz vor der Abreise seine Olympiateilnahme in Seoul, 1990 kommt er als Ersatzspieler hinter Bodo Illgner nicht zum Einsatz. Seine große DFB-Zeit beginnt erst im Alter von 32 Jahren. Denn nach der WM 1994 befördert ihn Berti Vogts zur Nummer eins, als Nachfolger des zurückgetretenen Dauerrivalen Illgner. Nach Nürnbergs Abstieg geht er für eine Ablösesumme von einer Million DM zu Eintracht Frankfurt, aber auch mit der steigt er 1996 ab – Nummer fünf.

Trotzdem setzt Vogts weiter auf ihn, Köpke ist bei der EM in England seine Nummer eins, und das beweist er in allen sieben Spielen. Seine EM-Höhepunkte sind die gehaltenen Elfmeter gegen Italien im letzten Gruppenspiel (0:0) und im Halbfinale gegen den Gastgeber, als er in Wembley den Schuss des heutigen englischen Nationaltrainers Gareth Southgate hält. ARD-Kommentator Gerd Rubenbauer jubelt: "Kein Fußballgott wie Toni Turek, aber ein sehr, sehr guter Torhüter." Vier Tage später, am 30. Juni 1996 wird er an gleicher Stelle Europameister und in Folge dessen zum Welttorhüter des Jahres gewählt. Zum vierten und letzten Mal wird er nach 1988, 1993 und 1995 auch 1996 Deutschlands Torhüter des Jahres.

Immer wieder zum "Club" zurück

Nun kommen die Angebote aus dem Ausland noch zahlreicher. Kurz wähnt er sich schon in Barcelona, wo sie aber die Ausstiegsklausel noch vor Vertragsbeginn ziehen, weil er zuvor schon einen Vertrag beim VfB Stuttgart unterschrieben hat. Den will er annullieren, obwohl ihn der VfB schon mit neuem Trikot präsentiert hat. Das sind ein paar unruhige Tage, die so gar nicht zum Image des "stillen Stars" passen. Lachender Dritter im Sommertheater während der EM ist letztlich Olympique Marseille (1996 bis 1998), wo Köpke mit Familie ein Haus am Meer bezieht, Französisch lernt und im zweiten Jahr von allen Erstligakeepern die wenigsten Tore kassiert (27).

Zum Schluss zieht es ihn in der Winterpause 1998/1999 zurück zu dem Klub, bei dem er am glücklichsten ist: eben dem "Club". Fünf Monate später bezahlt er diese Treue mit einem weiteren Abstieg in letzter Saisonminute. Wohl selten hat ein Weltklassespieler eine solche Leidensfähigkeit unter Beweis stellen müssen wie Köpke, der nach der WM 1998 (Aus im Viertelfinale) und 59 Länderspielen seine Nationalmannschaftskarriere beendet und den Weg für Oliver Kahn frei macht. Immerhin steht am Ende der Profilaufbahn ein Aufstieg (2001), symbolisch für den Mann, der sich nie hat unterkriegen lassen. Mit 39 fühlt er sich aber dann doch zu alt für ein weiteres Bundesligaabenteuer und tritt nach 346 Einsätzen im Oberhaus zurück – aber nicht vom Fußball.

17 Jahre lang Bundestorwarttrainer

Als Jürgen Klinsmann nach der EM 2004 Bundestrainer wird und es zu Differenzen mit Torwarttrainer Sepp Maier kommt, erinnert sich Klinsmann des Mannes, mit dem er 1996 Europameister geworden ist. Ab dem 21. Oktober 2004 ist er Torwarttrainer der Nationalelf und erlebt die aufregenden und erfolgreichen Jahre der Löw-Ära mit der Krönung des WM-Titels 2014 mit. Legendär ist sein Elfmeter-Zettel, den er Jens Lehmann vor dem Shoot-out gegen die Argentinier im WM-Viertelfinale 2006 in Berlin zusteckt. Die Seite aus einem Notizblock des Schlosshotels Grunewald ist heute im Deutschen Fußballmuseum zu besichtigen, auch wenn ungeklärt geblieben ist, inwieweit Köpkes Informationen über die argentinischen Schützen Lehmann wirklich halfen, denn allzu gut leserlich waren sie nicht. Dennoch wird auch diese Episode mit Andy Köpke fest verbunden bleiben. Mit Manuel Neuer verbindet ihn der WM-Titel 2014, auch das hält ewig.

Mit Jogi Löw geht auch Köpke nach dem EM-Aus 2021. "Nach 17 Jahren mit überwiegend Höhen und einigen Tiefen bin ich froh, erst mal durchschnaufen zu können", sagt er im Gespräch mit der dpa und vermisst den Druck, der vor Länderspielen auf allen Beteiligten lastet, gerade nicht. Als Spieler und Trainer hat er 15 Turniere erlebt. Viele können das nicht von sich behaupten, im DFB keiner! "Ich schaue schon mit einem gewissen Stolz zurück", sagt der Jubilar, den in diesen Tagen wie die gesamte freie Welt, der Krieg in der Ukraine, die er während der EM 2012 auch kennengelernt hat, besorgt:  "Unfassbar, dass das in der heutigen Welt noch möglich ist!"

Noch kein Abschied

Dass er diese in Sachen Fußball derzeit nicht bereist, muss nicht so bleiben, eventuell wird er zusammen mit Löw wieder irgendwo eine Aufgabe annehmen. "Vielleicht zur neuen Saison", sagt er der dpa.

Der Name Köpke erscheint übrigens weiterhin in den Schlagzeilen, denn Sohn Pascal trägt jetzt das Trikot des 1. FC Nürnberg. Im Gegensatz zum Vater, der bei allen Heimspielen auf der Tribüne des Max-Morlock-Stadions sitzt, bearbeitet er den Ball aber lieber mit den Füßen. Mit 1,76 Meter ist der Filius für einen Stoßstürmer recht klein, aber das ist für einen Köpke kein Kriterium.

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Für einen Torwart war er recht klein, 182 Zentimeter sind in der Gilde der Ballfänger eher unterdurchschnittlich. Das hat Andreas Köpke, der heute 60 Jahre jung wird, nicht daran gehindert, ein Großer zu werden. Weltmeister darf er sich nennen, Europameister sowieso, Fußballer des Jahres ist er geworden und auf dem Gipfel seiner Fußballertage war er sogar Welttorhüter. Der Mann, den alle "Andy" nennen, hat sich stets durch Ruhe und Sachlichkeit ausgezeichnet, da ist er ganz Nordlicht. Am 12. März 1962 in Kiel geboren, beginnt seine Karriere als Rechtsaußen der E-Jugend des KSV Holstein.

Schon bald wird er Torhüter und debütiert im Mai 1980 in der 2. Liga Nord. 1981 hat er seine erste Schlagzeile im kicker: "Mutiger Koepke (19)" steht nach einem Pokalspiel orthographisch nicht ganz korrekt in der Überschrift. Da schlummert offenbar ein Talent im hohen Norden, das sich durch seine Sprungkraft und Nervenstärke auszeichnet. Aber das leider auch das Talent hat, das sportliche Unglück anzuziehen. Köpke spricht heute selbst von "einer kuriosen Karriere". Einen Mannschaftstitel hat er mit seinen Vereinen nie gewonnen und am Beginn steht eine Abfolge von Abstiegen: 1981 mit Kiel, 1984 mit dem SC Charlottenburg und 1986 mit Hertha BSC, jeweils aus der 2. Liga. Für die ist er indes längst zu gut und so verpflichtet ihn für 125.000 DM der 1. FC Nürnberg, wo der gelernte KfZ-Mechaniker den Großteil seiner Karriere verbringt.

In Nürnberg spielt Köpke, in zwei Etappen, zehneinhalb Jahre, hier lebt er noch heute mit seiner zweiten Frau Brigitte und den Töchtern. Und hier wird er als erst vierter deutscher Torwart Fußballer des Jahres (1993). "Dass man mich tatsächlich zum Fußballer des Jahres küren würde, daran hätte ich im Traum nicht gedacht", gesteht Köpke anlässlich der Preisverleihung im "Aktuellen Sportstudio" des ZDF. Er ist schon 31, als er seinen ersten Titel gewinnt. Der kicker schreibt: "Alles fällt dem zu, der warten kann. Kein Überflieger oder Senkrechtstarter – Köpke, der Inbegriff von Talent, Geduld, Fairness und Klasse." Franz Beckenbauer, der "Kaiser" höchst selbst, urteilt so: "Er hat diese Auszeichnung absolut verdient. Vor allem aber ist er mit seinem Charakter und seiner positiven Ausstrahlung ein Vorbild."

Erfolge mit leichten Makeln, drei Bundesliga-Abstiege

Trotz seines preisgekrönten Rückhalts im Kasten ereilt auch den 1. FC Nürnberg 1994 am letzten Spieltag der Abstieg, es ist Köpkes vierter. Aber er hat auch positive Akzente in dieser ersten Nürnberger Zeit gesetzt: Köpke erzielt zwei Bundesligatore per Elfmeter, hält beachtliche 14 und wird in der Frankenhochburg zum Olympia-Auswahl- und A-Nationalspieler und als zweiter Nürnberger nach Max Morlock 1954 Weltmeister. Beides indes mit Einschränkungen: 1988 verhindert ein Innenbandanriss kurz vor der Abreise seine Olympiateilnahme in Seoul, 1990 kommt er als Ersatzspieler hinter Bodo Illgner nicht zum Einsatz. Seine große DFB-Zeit beginnt erst im Alter von 32 Jahren. Denn nach der WM 1994 befördert ihn Berti Vogts zur Nummer eins, als Nachfolger des zurückgetretenen Dauerrivalen Illgner. Nach Nürnbergs Abstieg geht er für eine Ablösesumme von einer Million DM zu Eintracht Frankfurt, aber auch mit der steigt er 1996 ab – Nummer fünf.

Trotzdem setzt Vogts weiter auf ihn, Köpke ist bei der EM in England seine Nummer eins, und das beweist er in allen sieben Spielen. Seine EM-Höhepunkte sind die gehaltenen Elfmeter gegen Italien im letzten Gruppenspiel (0:0) und im Halbfinale gegen den Gastgeber, als er in Wembley den Schuss des heutigen englischen Nationaltrainers Gareth Southgate hält. ARD-Kommentator Gerd Rubenbauer jubelt: "Kein Fußballgott wie Toni Turek, aber ein sehr, sehr guter Torhüter." Vier Tage später, am 30. Juni 1996 wird er an gleicher Stelle Europameister und in Folge dessen zum Welttorhüter des Jahres gewählt. Zum vierten und letzten Mal wird er nach 1988, 1993 und 1995 auch 1996 Deutschlands Torhüter des Jahres.

Immer wieder zum "Club" zurück

Nun kommen die Angebote aus dem Ausland noch zahlreicher. Kurz wähnt er sich schon in Barcelona, wo sie aber die Ausstiegsklausel noch vor Vertragsbeginn ziehen, weil er zuvor schon einen Vertrag beim VfB Stuttgart unterschrieben hat. Den will er annullieren, obwohl ihn der VfB schon mit neuem Trikot präsentiert hat. Das sind ein paar unruhige Tage, die so gar nicht zum Image des "stillen Stars" passen. Lachender Dritter im Sommertheater während der EM ist letztlich Olympique Marseille (1996 bis 1998), wo Köpke mit Familie ein Haus am Meer bezieht, Französisch lernt und im zweiten Jahr von allen Erstligakeepern die wenigsten Tore kassiert (27).

Zum Schluss zieht es ihn in der Winterpause 1998/1999 zurück zu dem Klub, bei dem er am glücklichsten ist: eben dem "Club". Fünf Monate später bezahlt er diese Treue mit einem weiteren Abstieg in letzter Saisonminute. Wohl selten hat ein Weltklassespieler eine solche Leidensfähigkeit unter Beweis stellen müssen wie Köpke, der nach der WM 1998 (Aus im Viertelfinale) und 59 Länderspielen seine Nationalmannschaftskarriere beendet und den Weg für Oliver Kahn frei macht. Immerhin steht am Ende der Profilaufbahn ein Aufstieg (2001), symbolisch für den Mann, der sich nie hat unterkriegen lassen. Mit 39 fühlt er sich aber dann doch zu alt für ein weiteres Bundesligaabenteuer und tritt nach 346 Einsätzen im Oberhaus zurück – aber nicht vom Fußball.

17 Jahre lang Bundestorwarttrainer

Als Jürgen Klinsmann nach der EM 2004 Bundestrainer wird und es zu Differenzen mit Torwarttrainer Sepp Maier kommt, erinnert sich Klinsmann des Mannes, mit dem er 1996 Europameister geworden ist. Ab dem 21. Oktober 2004 ist er Torwarttrainer der Nationalelf und erlebt die aufregenden und erfolgreichen Jahre der Löw-Ära mit der Krönung des WM-Titels 2014 mit. Legendär ist sein Elfmeter-Zettel, den er Jens Lehmann vor dem Shoot-out gegen die Argentinier im WM-Viertelfinale 2006 in Berlin zusteckt. Die Seite aus einem Notizblock des Schlosshotels Grunewald ist heute im Deutschen Fußballmuseum zu besichtigen, auch wenn ungeklärt geblieben ist, inwieweit Köpkes Informationen über die argentinischen Schützen Lehmann wirklich halfen, denn allzu gut leserlich waren sie nicht. Dennoch wird auch diese Episode mit Andy Köpke fest verbunden bleiben. Mit Manuel Neuer verbindet ihn der WM-Titel 2014, auch das hält ewig.

Mit Jogi Löw geht auch Köpke nach dem EM-Aus 2021. "Nach 17 Jahren mit überwiegend Höhen und einigen Tiefen bin ich froh, erst mal durchschnaufen zu können", sagt er im Gespräch mit der dpa und vermisst den Druck, der vor Länderspielen auf allen Beteiligten lastet, gerade nicht. Als Spieler und Trainer hat er 15 Turniere erlebt. Viele können das nicht von sich behaupten, im DFB keiner! "Ich schaue schon mit einem gewissen Stolz zurück", sagt der Jubilar, den in diesen Tagen wie die gesamte freie Welt, der Krieg in der Ukraine, die er während der EM 2012 auch kennengelernt hat, besorgt:  "Unfassbar, dass das in der heutigen Welt noch möglich ist!"

Noch kein Abschied

Dass er diese in Sachen Fußball derzeit nicht bereist, muss nicht so bleiben, eventuell wird er zusammen mit Löw wieder irgendwo eine Aufgabe annehmen. "Vielleicht zur neuen Saison", sagt er der dpa.

Der Name Köpke erscheint übrigens weiterhin in den Schlagzeilen, denn Sohn Pascal trägt jetzt das Trikot des 1. FC Nürnberg. Im Gegensatz zum Vater, der bei allen Heimspielen auf der Tribüne des Max-Morlock-Stadions sitzt, bearbeitet er den Ball aber lieber mit den Füßen. Mit 1,76 Meter ist der Filius für einen Stoßstürmer recht klein, aber das ist für einen Köpke kein Kriterium.

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