Karlheinz Förster: "Wir sind ins offene Messer gelaufen"

Am Wochenende empfängt der VfB Stuttgart den Aufsteiger 1. FC Köln. In der Bundesliga ist das schon zum 42. Mal der Fall. Am 2. Juni 1979 wurde bei dieser Paarung die Deutsche Meisterschaft entschieden. Von der Stuttgarter 1:4-Niederlage profitierte der HSV. VfB-Legende Karlheinz Förster erinnert sich im Interview mit DFB-Mitarbeiter Udo Muras an den Tag, als die jungen Himmelsstürmer die Nerven verloren – und an einen Trick, der nach hinten losging.

DFB.de: Hallo Herr Förster, eigentlich ist das zweite Jahr ja das schwerere für Aufsteiger. Beim VfB 78/79 war es anders, bis zum 33. Spieltag spielten Sie um die Meisterschaft mit.

Wie kam das?

Karlheinz Förster (58): Es war sicher für alle überraschend, aber wir hatten einfach eine gute Mannschaft. Nicht nur die besten Spieler bringen den Erfolg, das haben wir damals bewiesen.

DFB.de: Wovon der VfB dennoch einige hatte. Unmittelbar vor dem Spiel gegen Köln waren fünf davon auf Länderspiel-Reise gewesen: Hansi Müller, Dieter Hoeneß, Walter Kelsch, ihr Bruder Bernd und Sie…

Förster: Ja – und wo Sie das jetzt erwähnen, dann muss ich sagen, das kann auch ein Grund für die Niederlage gewesen sein. Nach so einer Reise hat man immer ein paar Probleme, für uns war das nicht von Vorteil. Oder welche Note habe ich im Kicker bekommen?

DFB.de: Also Sie hatten eine 1! Hoeneß, ihr Bruder Bernd und der Hansi Müller dagegen erhielten eine 4. Müller sprach von "meinem schlechtesten Saisonspiel‘."

Förster: Ja, ja, wir haben ja immer gewitzelt "Mit dem Hansi kannst nix gwinne". Aber daran lag es ja nicht.

DFB.de: Woran dann? Es waren 56.000 Zuschauer da, seit 30 Heimspielen war der VfB ungeschlagen. Hatte der Kicker Recht mit seiner Überschrift "Die Nerven versagten"?

Förster: Das mag für einzelne Spieler gegolten haben. Bei mir herrschte auch immer vorher eine gewisse Nervosität, aber auf dem Platz hatte ich das Gefühl es könne mich nichts umwerfen.

DFB.de: Für die Kollegen galt das an dem Tag wohl nicht. Köln führte schon zur Pause mit 2:0, obwohl der VfB drückend überlegen war. Am Ende stand es nach Ecken 18:3.

Förster: Das sagt alles. Wir sind an unserer Art zu spielen gescheitert. Zuhause haben wir nicht taktiert, wir haben Hurra-Fußball gespielt. So wie es Trainer Jürgen Sundermann, der ein Verfechter des Offensiv-Fußballs war, wollte und so wie wir uns einen Namen gemacht hatten nach dem Aufstieg 1977.

DFB.de: Was sonst richtig war, war diesmal also falsch.

Förster: Ja, leider. Wir hatten uns damals richtig viel vorgenommen und sind den Kölnern dann ins offene Messer gelaufen – wie das gegen eine clevere Mannschaft schon mal passieren kann. Die waren ja noch amtierender Meister. Es lag auch an unserer Unerfahrenheit, glaube ich. Ich war ja auch erst 20.

DFB.de: Damit war der HSV, der in Bielefeld nur 0:0 gespielt hatte, Meister. Bei einem Sieg hättet ihr noch alle Chancen gehabt. Der HSV empfing am 34. Spieltag die Bayern, der VfB musste nur zu Absteiger Darmstadt.

Förster: Wo wir dann 7:1 gewonnen haben – was noch mal den Charakter der Mannschaft zeigte. Andere lassen sich nach so einer Enttäuschung hängen. Aber nach dem Spiel waren wir wieder frustriert, weil wir Meister hätten sein können. Eigentlich. (Anmerkung: der HSV unterlag Bayern mit 1:2)

DFB.de: Inwieweit hat es euch beeinflusst, dass Trainer Sundermann seinen Abschied angekündigt hat?

Förster: Das wäre sicher zu billig. Aber wir waren alle sehr enttäuscht, es gab doch überhaupt keinen vernünftigen Grund für ihn, in die Schweiz zu gehen. Wir haben ihn verehrt und ich bin mir sicher, dass wir mit ihm in den nächsten beiden Jahren einen Titel gewonnen hätten.

DFB.de: Es gibt ja noch eine unangenehme Erinnerung an ein Köln-Spiel, über die Außenstehende jedoch herzlich lachen konnten. Wie war das mit der Gelben Karte?

Förster: Wir trafen 1980 im Uefa-Cup auf die Kölner. Ich beging im Heimspiel an der Mittellinie ein harmloses Foul. Da sah ich, wie der Schiedsrichter an seiner Hosentasche nestelte. Bei der nächsten Gelben wäre ich gesperrt gewesen und da rief ich zu meinem Bruder Bernd: mehr so im Affekt "Geh Du hin!" Er hat gleich begriffen worum es ging und hat sich meine Karte abgeholt.

DFB.de: Aber die Sache hatte ein Nachspiel…

Förster: Ja, der SWR3 hatte die Szene aufgenommen und lud uns beide anschließend ins Studio ein. Ich wollte nicht, Bernd ließ sich überreden und gab dann den Betrug zu. Das bekam die Uefa mit und sperrte uns dann beide für fünf Spiele. Nach der Revision waren es noch drei. Es war ein teurer Spaß für uns…

DFB.de: Nun zur Gegenwart: wie geht es am Samstag aus? Förster: Ich hoffe dass der fB gwinnt und tippe auf 3:1. Ein 1:4 wird es sicher nicht mehr geben, davon bin ich überzeugt.

Info Förster: Der Europameister von 1980 und zweimaliger Vize-Weltmeister (1982, 1986) spielte von 1977 bis 1986 für den VfB in der Bundesliga (272 Einsätze/17 Tore) und arbeitet heute als Spieler-Berater.

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Am Wochenende empfängt der VfB Stuttgart den Aufsteiger 1. FC Köln. In der Bundesliga ist das schon zum 42. Mal der Fall. Am 2. Juni 1979 wurde bei dieser Paarung die Deutsche Meisterschaft entschieden. Von der Stuttgarter 1:4-Niederlage profitierte der HSV. VfB-Legende Karlheinz Förster erinnert sich im Interview mit DFB-Mitarbeiter Udo Muras an den Tag, als die jungen Himmelsstürmer die Nerven verloren – und an einen Trick, der nach hinten losging.

DFB.de: Hallo Herr Förster, eigentlich ist das zweite Jahr ja das schwerere für Aufsteiger. Beim VfB 78/79 war es anders, bis zum 33. Spieltag spielten Sie um die Meisterschaft mit.

Wie kam das?

Karlheinz Förster (58): Es war sicher für alle überraschend, aber wir hatten einfach eine gute Mannschaft. Nicht nur die besten Spieler bringen den Erfolg, das haben wir damals bewiesen.

DFB.de: Wovon der VfB dennoch einige hatte. Unmittelbar vor dem Spiel gegen Köln waren fünf davon auf Länderspiel-Reise gewesen: Hansi Müller, Dieter Hoeneß, Walter Kelsch, ihr Bruder Bernd und Sie…

Förster: Ja – und wo Sie das jetzt erwähnen, dann muss ich sagen, das kann auch ein Grund für die Niederlage gewesen sein. Nach so einer Reise hat man immer ein paar Probleme, für uns war das nicht von Vorteil. Oder welche Note habe ich im Kicker bekommen?

DFB.de: Also Sie hatten eine 1! Hoeneß, ihr Bruder Bernd und der Hansi Müller dagegen erhielten eine 4. Müller sprach von "meinem schlechtesten Saisonspiel‘."

Förster: Ja, ja, wir haben ja immer gewitzelt "Mit dem Hansi kannst nix gwinne". Aber daran lag es ja nicht.

DFB.de: Woran dann? Es waren 56.000 Zuschauer da, seit 30 Heimspielen war der VfB ungeschlagen. Hatte der Kicker Recht mit seiner Überschrift "Die Nerven versagten"?

Förster: Das mag für einzelne Spieler gegolten haben. Bei mir herrschte auch immer vorher eine gewisse Nervosität, aber auf dem Platz hatte ich das Gefühl es könne mich nichts umwerfen.

DFB.de: Für die Kollegen galt das an dem Tag wohl nicht. Köln führte schon zur Pause mit 2:0, obwohl der VfB drückend überlegen war. Am Ende stand es nach Ecken 18:3.

Förster: Das sagt alles. Wir sind an unserer Art zu spielen gescheitert. Zuhause haben wir nicht taktiert, wir haben Hurra-Fußball gespielt. So wie es Trainer Jürgen Sundermann, der ein Verfechter des Offensiv-Fußballs war, wollte und so wie wir uns einen Namen gemacht hatten nach dem Aufstieg 1977.

DFB.de: Was sonst richtig war, war diesmal also falsch.

Förster: Ja, leider. Wir hatten uns damals richtig viel vorgenommen und sind den Kölnern dann ins offene Messer gelaufen – wie das gegen eine clevere Mannschaft schon mal passieren kann. Die waren ja noch amtierender Meister. Es lag auch an unserer Unerfahrenheit, glaube ich. Ich war ja auch erst 20.

DFB.de: Damit war der HSV, der in Bielefeld nur 0:0 gespielt hatte, Meister. Bei einem Sieg hättet ihr noch alle Chancen gehabt. Der HSV empfing am 34. Spieltag die Bayern, der VfB musste nur zu Absteiger Darmstadt.

Förster: Wo wir dann 7:1 gewonnen haben – was noch mal den Charakter der Mannschaft zeigte. Andere lassen sich nach so einer Enttäuschung hängen. Aber nach dem Spiel waren wir wieder frustriert, weil wir Meister hätten sein können. Eigentlich. (Anmerkung: der HSV unterlag Bayern mit 1:2)

DFB.de: Inwieweit hat es euch beeinflusst, dass Trainer Sundermann seinen Abschied angekündigt hat?

Förster: Das wäre sicher zu billig. Aber wir waren alle sehr enttäuscht, es gab doch überhaupt keinen vernünftigen Grund für ihn, in die Schweiz zu gehen. Wir haben ihn verehrt und ich bin mir sicher, dass wir mit ihm in den nächsten beiden Jahren einen Titel gewonnen hätten.

DFB.de: Es gibt ja noch eine unangenehme Erinnerung an ein Köln-Spiel, über die Außenstehende jedoch herzlich lachen konnten. Wie war das mit der Gelben Karte?

Förster: Wir trafen 1980 im Uefa-Cup auf die Kölner. Ich beging im Heimspiel an der Mittellinie ein harmloses Foul. Da sah ich, wie der Schiedsrichter an seiner Hosentasche nestelte. Bei der nächsten Gelben wäre ich gesperrt gewesen und da rief ich zu meinem Bruder Bernd: mehr so im Affekt "Geh Du hin!" Er hat gleich begriffen worum es ging und hat sich meine Karte abgeholt.

DFB.de: Aber die Sache hatte ein Nachspiel…

Förster: Ja, der SWR3 hatte die Szene aufgenommen und lud uns beide anschließend ins Studio ein. Ich wollte nicht, Bernd ließ sich überreden und gab dann den Betrug zu. Das bekam die Uefa mit und sperrte uns dann beide für fünf Spiele. Nach der Revision waren es noch drei. Es war ein teurer Spaß für uns…

DFB.de: Nun zur Gegenwart: wie geht es am Samstag aus? Förster: Ich hoffe dass der fB gwinnt und tippe auf 3:1. Ein 1:4 wird es sicher nicht mehr geben, davon bin ich überzeugt.

Info Förster: Der Europameister von 1980 und zweimaliger Vize-Weltmeister (1982, 1986) spielte von 1977 bis 1986 für den VfB in der Bundesliga (272 Einsätze/17 Tore) und arbeitet heute als Spieler-Berater.