Kämpfer Schewes: Wieder mitten im Leben

Jannik Schewes ist vor elf Jahren von einem Auto angefahren worden. Dabei hat er schwerste Schädel-Hirn-Verletzungen erlitten. Die Ärzte hatten ihm keine Überlebenschancen gegeben. Inzwischen kann der 23-Jährige wieder eigenständig einige wenige Schritte gehen. Für viele ist das ein Wunder. Für ihn selbst ist es der Lohn unglaublich harter Arbeit. Die DFB-Stiftung Sepp Herberger unterstützt ihn auf dem Weg in sein neues Leben.

Beim ersten Mal fängt er den Ball. Dann lacht er. Und freut sich. Beim zweiten Mal köpft er den Ball zurück. Dann lacht er wieder. Und freut sich noch mehr. Er möchte noch mal köpfen. Auch wenn er im Rollstuhl sitzen muss. Es geht doch trotzdem. Er möchte weiterspielen. So wie früher. Aber früher war bei Jannik Schewes alles anders. Er war einer der besten Fußballer in seiner Mannschaft. Die großen Vereine im Umkreis hatten bereits ihre Scouts geschickt, um ihn zu beobachten. Schewes liebte den Fußball. Er war jeden Tag auf dem Platz. Der Ball war sein bester Freund. Heute ist er beim Fußball-Erlebniswochenende aktiv, das die Sepp-Herberger-Stiftung zusammen mit der ZNS – Hannelore Kohl Stiftung alljährlich für Menschen mit Schädel-Hirn-Verletzungen organisiert.

Der Tag, der Janniks Leben verändert hat, liegt mehr als elf Jahre zurück. Es war der 17. Juli 2008. Ein Donnerstag, ein helllichter Tag, gegen 17 Uhr. Jannik hatte einen Freund besucht und war nun mit dem Fahrrad auf dem Weg zur Kirche. Dort war er als Messdiener tätig. Aber er kam nie an. Ein Auto erfasste ihn mit 80 Kilometern in der Stunde, Jannik flog durch die Luft, landete auf der Windschutzscheibe und wurde auf den Asphalt geschleudert. Dann wurde es dunkel.

Trotz Helm schwerste Schädel-Hirn-Verletzungen

Bei dem Unfall hat er sich schwerste Schädel-Hirn-Verletzungen zugezogen – obwohl er einen Helm getragen hat. Er lag wochenlang im Koma und musste künstlich beatmet und ernährt werden. Die Prognosen der Ärzte zur Überlebenschance waren genauso eindeutig wie niederschmetternd: null Prozent. Aber sie lagen falsch. Gemeinsam mit seiner Familie hat sich Jannik auf den Weg zurück ins Leben gemacht. Er ist mühsam, steinig und immer wieder gibt es auch Rückschläge. Jannik musste alles neu lernen. Das Sprechen, das Gehen, die gesamte  Köperbeherrschung, einfach alles.

Er hat die Herausforderung angenommen, er hat sich bis heute nie, nie, nie, nie unterkriegen lassen. Es gab keinen Tag, an dem ihm das alles zu viel gewesen wäre. Das Gegenteil ist eher der Fall. "Für Jannik wäre es gut, wenn der Tag mehr als 24 Stunden hätte", sagt sein Vater Hubert. Er arbeitet als Lebensmittelprüfer in der Kreisverwaltung. Jede freie Minute und den ganzen Jahresurlaub verwendet er dafür, um sich um seinen Sohn zu kümmern. Auch Janniks drei Jahre älterer Bruder Manuel ist eine große Hilfe. Vor allem auch für Janniks Mutter Karin. Sie war Krankenschwester. Bis zu dem Unfall. Dann hat sie sich freistellen lassen, um für Jannik da zu sein. Jeden Tag fährt sie ihn in die Reha nach Kaiserslautern, 72 Kilometer entfernt vom Heimatdorf der Familie Schewes im Saarland. Zweimal in der Woche sogar nach Darmstadt, 175 Kilometer pro Strecke. Auch am Wochenende ist das Programm straff: Krafttraining, Gymnastik, Feinmotorik insbesondere für seine rechte Hand, Konzentrationsaufgaben am Computer, Bewegungstraining auf dem Fahrrad, schwimmen, reiten, Hausunterricht durch zwei Lehrer.

Finanzielle Unterstützung mit "echtem" Herberger-Geld

Seit vielen Jahren beteiligt sich die DFB-Stiftung Sepp Herberger monatlich an den entstehenden Kosten. Die eingesetzten Mittel stammen dabei direkt aus dem hinterlassenen Vermögen von Eva und Sepp Herberger. Die Hilfe für Fußballer in Not haben die Eheleute zum primären Verwendungszweck ihres Vermögens gemacht, das separat vom übrigen Stiftungsvermögen verwaltet wird.

Für die Familie Schewes ist das eine wichtige Unterstützung. Sie haben ihr Schicksal angenommen. Sie beklagen sich nicht darüber, sie machen es gerne. Denn sie sehen die Fortschritte, die ihr Sohn macht. Tag für Tag. Woche für Woche. Monat für Monat. Jahr für Jahr. Ständig. Er kann sich schon wieder gut unterhalten.

Sein Geist ist wach. Manchmal sind seine Gedanken schneller als seine Aussprache, dann muss er gebremst werden. Jannik muss in solchen Momenten über sich selbst schmunzeln. Er ist immer gut gelaunt, immer motiviert, immer lernwillig. Manchmal fragt man sich, woher dieser Antrieb kommt. "Ich bin gläubig", sagt er. "Gott hat mir diese Aufgabe gestellt und ich möchte sie lösen. Ich weiß nicht, warum er das gemacht hat. Aber das spielt für mich auch keine Rolle."

Die Fußballfamilie hält zusammen

Für Jannik ist es extrem wichtig, dass seine Freunde von damals auch heute noch zu ihm halten. Er gehört dazu, er ist einer von ihnen. Sonntags rollt er zum Sportplatz des SV Altheim und schaut sich das Spiel seiner früheren Mannschaftskollegen an. Wenn sie gewinnen, holen sie ihn auf den Platz und freuen sich zusammen mit ihm. Als Jannik vor einiger Zeit seinen 23. Geburtstag gefeiert hat, waren sie auch alle da. Es war ein rauschendes Fest. Laute Musik. Bis drei Uhr nachts, vielleicht sogar bis vier Uhr. So, wie es sich gehört. "Wir haben auch etwas Alkohol getrunken", sagt Jannik hinter vorgehaltener Hand. Wenn er daran denkt, muss er wieder schmunzeln. Dann kommt der Schelm in ihm durch. Man merkt deutlich, dass die Fußballfamilie ihn nicht vergessen hat. Das gibt Sicherheit, das treibt ihn an.

Jannik ist zu Recht stolz auf seine Fortschritte. "Schaut mal, ich kann auch schon einige Schritte laufen", ruft er plötzlich in die Runde. Sein Vater hilft ihm dann aus dem Rollstuhl und stützt ihn etwas. Jeder kleine Schritt ist ein großer Kraftakt für ihn, jeder kleine Schritt ist ein großes Wunder. Er kann noch nicht alleine gehen. Aber er will das unbedingt schaffen. "Das ist mein nächstes ganz großes Ziel", betont er. Er hat gerade erst die Startlinie überquert und die gesamte Strecke noch vor sich. Ein Marathon ist im Gegensatz dazu eine Sprintdisziplin. Aber Jannik hat schon jetzt so viel erreicht, dass ihm auch das absolut zuzutrauen ist. Er ist dem Tod von der Schippe gesprungen. Er steht zwar noch nicht wieder stabil und eigenständig auf seinen beiden Beinen, aber er steht dennoch schon längst wieder mitten im Leben. Im Leben innerhalb seiner Familie und der Fußballgemeinschaft.

[sw]

Jannik Schewes ist vor elf Jahren von einem Auto angefahren worden. Dabei hat er schwerste Schädel-Hirn-Verletzungen erlitten. Die Ärzte hatten ihm keine Überlebenschancen gegeben. Inzwischen kann der 23-Jährige wieder eigenständig einige wenige Schritte gehen. Für viele ist das ein Wunder. Für ihn selbst ist es der Lohn unglaublich harter Arbeit. Die DFB-Stiftung Sepp Herberger unterstützt ihn auf dem Weg in sein neues Leben.

Beim ersten Mal fängt er den Ball. Dann lacht er. Und freut sich. Beim zweiten Mal köpft er den Ball zurück. Dann lacht er wieder. Und freut sich noch mehr. Er möchte noch mal köpfen. Auch wenn er im Rollstuhl sitzen muss. Es geht doch trotzdem. Er möchte weiterspielen. So wie früher. Aber früher war bei Jannik Schewes alles anders. Er war einer der besten Fußballer in seiner Mannschaft. Die großen Vereine im Umkreis hatten bereits ihre Scouts geschickt, um ihn zu beobachten. Schewes liebte den Fußball. Er war jeden Tag auf dem Platz. Der Ball war sein bester Freund. Heute ist er beim Fußball-Erlebniswochenende aktiv, das die Sepp-Herberger-Stiftung zusammen mit der ZNS – Hannelore Kohl Stiftung alljährlich für Menschen mit Schädel-Hirn-Verletzungen organisiert.

Der Tag, der Janniks Leben verändert hat, liegt mehr als elf Jahre zurück. Es war der 17. Juli 2008. Ein Donnerstag, ein helllichter Tag, gegen 17 Uhr. Jannik hatte einen Freund besucht und war nun mit dem Fahrrad auf dem Weg zur Kirche. Dort war er als Messdiener tätig. Aber er kam nie an. Ein Auto erfasste ihn mit 80 Kilometern in der Stunde, Jannik flog durch die Luft, landete auf der Windschutzscheibe und wurde auf den Asphalt geschleudert. Dann wurde es dunkel.

Trotz Helm schwerste Schädel-Hirn-Verletzungen

Bei dem Unfall hat er sich schwerste Schädel-Hirn-Verletzungen zugezogen – obwohl er einen Helm getragen hat. Er lag wochenlang im Koma und musste künstlich beatmet und ernährt werden. Die Prognosen der Ärzte zur Überlebenschance waren genauso eindeutig wie niederschmetternd: null Prozent. Aber sie lagen falsch. Gemeinsam mit seiner Familie hat sich Jannik auf den Weg zurück ins Leben gemacht. Er ist mühsam, steinig und immer wieder gibt es auch Rückschläge. Jannik musste alles neu lernen. Das Sprechen, das Gehen, die gesamte  Köperbeherrschung, einfach alles.

Er hat die Herausforderung angenommen, er hat sich bis heute nie, nie, nie, nie unterkriegen lassen. Es gab keinen Tag, an dem ihm das alles zu viel gewesen wäre. Das Gegenteil ist eher der Fall. "Für Jannik wäre es gut, wenn der Tag mehr als 24 Stunden hätte", sagt sein Vater Hubert. Er arbeitet als Lebensmittelprüfer in der Kreisverwaltung. Jede freie Minute und den ganzen Jahresurlaub verwendet er dafür, um sich um seinen Sohn zu kümmern. Auch Janniks drei Jahre älterer Bruder Manuel ist eine große Hilfe. Vor allem auch für Janniks Mutter Karin. Sie war Krankenschwester. Bis zu dem Unfall. Dann hat sie sich freistellen lassen, um für Jannik da zu sein. Jeden Tag fährt sie ihn in die Reha nach Kaiserslautern, 72 Kilometer entfernt vom Heimatdorf der Familie Schewes im Saarland. Zweimal in der Woche sogar nach Darmstadt, 175 Kilometer pro Strecke. Auch am Wochenende ist das Programm straff: Krafttraining, Gymnastik, Feinmotorik insbesondere für seine rechte Hand, Konzentrationsaufgaben am Computer, Bewegungstraining auf dem Fahrrad, schwimmen, reiten, Hausunterricht durch zwei Lehrer.

Finanzielle Unterstützung mit "echtem" Herberger-Geld

Seit vielen Jahren beteiligt sich die DFB-Stiftung Sepp Herberger monatlich an den entstehenden Kosten. Die eingesetzten Mittel stammen dabei direkt aus dem hinterlassenen Vermögen von Eva und Sepp Herberger. Die Hilfe für Fußballer in Not haben die Eheleute zum primären Verwendungszweck ihres Vermögens gemacht, das separat vom übrigen Stiftungsvermögen verwaltet wird.

Für die Familie Schewes ist das eine wichtige Unterstützung. Sie haben ihr Schicksal angenommen. Sie beklagen sich nicht darüber, sie machen es gerne. Denn sie sehen die Fortschritte, die ihr Sohn macht. Tag für Tag. Woche für Woche. Monat für Monat. Jahr für Jahr. Ständig. Er kann sich schon wieder gut unterhalten.

Sein Geist ist wach. Manchmal sind seine Gedanken schneller als seine Aussprache, dann muss er gebremst werden. Jannik muss in solchen Momenten über sich selbst schmunzeln. Er ist immer gut gelaunt, immer motiviert, immer lernwillig. Manchmal fragt man sich, woher dieser Antrieb kommt. "Ich bin gläubig", sagt er. "Gott hat mir diese Aufgabe gestellt und ich möchte sie lösen. Ich weiß nicht, warum er das gemacht hat. Aber das spielt für mich auch keine Rolle."

Die Fußballfamilie hält zusammen

Für Jannik ist es extrem wichtig, dass seine Freunde von damals auch heute noch zu ihm halten. Er gehört dazu, er ist einer von ihnen. Sonntags rollt er zum Sportplatz des SV Altheim und schaut sich das Spiel seiner früheren Mannschaftskollegen an. Wenn sie gewinnen, holen sie ihn auf den Platz und freuen sich zusammen mit ihm. Als Jannik vor einiger Zeit seinen 23. Geburtstag gefeiert hat, waren sie auch alle da. Es war ein rauschendes Fest. Laute Musik. Bis drei Uhr nachts, vielleicht sogar bis vier Uhr. So, wie es sich gehört. "Wir haben auch etwas Alkohol getrunken", sagt Jannik hinter vorgehaltener Hand. Wenn er daran denkt, muss er wieder schmunzeln. Dann kommt der Schelm in ihm durch. Man merkt deutlich, dass die Fußballfamilie ihn nicht vergessen hat. Das gibt Sicherheit, das treibt ihn an.

Jannik ist zu Recht stolz auf seine Fortschritte. "Schaut mal, ich kann auch schon einige Schritte laufen", ruft er plötzlich in die Runde. Sein Vater hilft ihm dann aus dem Rollstuhl und stützt ihn etwas. Jeder kleine Schritt ist ein großer Kraftakt für ihn, jeder kleine Schritt ist ein großes Wunder. Er kann noch nicht alleine gehen. Aber er will das unbedingt schaffen. "Das ist mein nächstes ganz großes Ziel", betont er. Er hat gerade erst die Startlinie überquert und die gesamte Strecke noch vor sich. Ein Marathon ist im Gegensatz dazu eine Sprintdisziplin. Aber Jannik hat schon jetzt so viel erreicht, dass ihm auch das absolut zuzutrauen ist. Er ist dem Tod von der Schippe gesprungen. Er steht zwar noch nicht wieder stabil und eigenständig auf seinen beiden Beinen, aber er steht dennoch schon längst wieder mitten im Leben. Im Leben innerhalb seiner Familie und der Fußballgemeinschaft.

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